Zur Chronologie des Exodus
Die Frage zur Datierung des Auszugs aus Ägypten ist oft durch mehrere Autoren als beantwortet erachtet worden: Falls ein Exodus je stattgefunden hat, dann im 13. Jahrhundert v. Chr. unter
Ramses II. oder unmittelbar danach unter
Merenptah.
[46] In der früheren Forschung galt diese Datierung auch durch die
Merenptah-Stele belegt: So vermutete
Flinders Petrie, dass die Stele von einer militärischen Konfrontation mit den ausziehenden Israeliten berichtete
[47] (vgl. →
Landnahme Kanaans#Die Stele des Merenptah). Viele andere Pharaonen waren mit verschiedenen Argumenten als „Pharao der Unterdrückung“ oder als „Pharao des Exodus“ oder als beide betrachtet worden: Amenophis II.,
Amenophis III., Sethos I.,
Ramses III.,
Thutmosis I. u.a.
[48] Heute vertreten nur vereinzelte Autoren Hypothesen, die ein Datum vor dem 13. Jahrhundert für den Exodus vorschlagen, etwa die, die nach der Angabe des
masoretischen Texts von
1_Kön 6,1
EU ein Datum um 1445 vor Chr. (480 Jahre vor dem Bau des Tempels in Jerusalem durch Salomo um 967 ca. vor Chr.)
[49] annehmen. Diese „frühe Datierung“ um 1445 vor Chr. würde auch mit der Angabe in
Ri 11,26
EU übereinstimmen, nach der in der Zeit
Jiftachs Israel die Gebiete des Ostjordanlandes bereits seit 300 Jahren besaß. Die abweichende Lesung von 1. Kön 6,1 der
Septuaginta, in der von 440 statt 480 Jahren die Rede ist,
[50] würde den Beginn der Landnahme um die Mitte des 14. Jahrhunderts setzen, die genau jene Zeit der Unruhen ist, wovon die
Amarna-Briefe zeugen. Diese Datierung würde sowohl mit einer Identifizierung der Frühisraeliten mit den
ʿapiru der Amarna-Briefe oder einer anders gearteten Relation zwischen diesen Gruppen, wie sie zum Beispiel von den Befürwortern des
Revoltenmodells aber auch von „Minimalisten“ (N. P. Lemche und G. Ahlström) postuliert worden ist, als auch mit den politischen Änderungen, die im Nildelta nach der Vertreibung der Hyksos stattfanden, zusammenpassen: Als Semiten seien die „Hebräer“ in Verbindung mit den Hyksos gebracht worden und hätten das Vertrauen des neuen Herrschers nicht gewinnen oder wiedergewinnen können, wie
Ex 1,8.10
EU andeutet. Problematisch für die „frühe Datierung“ des Exodus bei Beibehaltung der biblischen Überlieferung von dem Frondienst war das Fehlen von Spuren größerer Bauunternehmungen aus dieser Zeit in den Städten, die für Pithom und (Pi-)Ramesse in Betracht gezogen worden sind. In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts sind jedoch Reste von Gebäuden aus der Anfangszeit der XVIII. Dynastie (1500–1450) in
Tell el-Dab῾a in der Nähe von
Qantir (
Pi-Ramesse) ausgegraben worden, die die Archäologen als Speicher-Einrichtungen klassifiziert haben.
[51]
Die Auffassung, dass der Auszug aus Ägypten im 13. Jahrhundert unter Ramses II. oder seinem Nachfolger stattgefunden habe, ist nicht allein aus der verbreiteten Annahme hervorgegangen, dass die Benennung der von „Pithom und Ramses“ (
Ex 1,11
EU; 12,37
EU;
Num 33,3.5
EU) eine historisch zuverlässliche Angabe sei: Da der Name der von Ramses II. gegründeten Hauptstadt nach dem Ende der Dynastie der Ramessiden in Vergessenheit geraten sei, so weise die Nachricht in Ex 1,11 entweder auf einen Ursprung dieser Überlieferung in dem 13. Jahrhundert hin
[52] oder sie ist eine
Glosse aus dieser Zeit zu einem früher entstandenen Text.
[53] Diese Annahme kann also eine frühere Datierung nicht ausschließen: Einer der Hauptgründe für den Erfolg der „späten Datierung“ war die Übereinstimmung derselben mit dem nunmehr veralteten
conquest model von Albright und Wright der Landnahme Palästinas (vgl. →
Landnahme_Kanaans#Eroberungsmodell).
Ein noch späteres Datum (12. Jahrhundert) für den Exodus hat Gary Rendsburg vertreten, der die Anspielung auf die Furcht vor einem Krieg im „Philisterland“ (
Ex 13,17
EU) nicht als spätere Glosse, sondern als Erinnerung an die in jener Zeit stattfindende Migration der Seevölker versteht.
Quelle: Wikipedia ? Auszug aus Ägypten