Fräulein

Repo

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Es war Anno Domini 1968 als der Vorstand der damals noch selbständigen Automobilfabrik NSU in Neckarsulm unweit der Weibertreu (sic!) messerscharf feststellte:
Es gibt kein Herrlein!
Das Fräulein ist demzufolge ein Relikt vergangener Zeiten.

Es folgte ein Vorstandsbeschluss: Ab sofort sind im Hause NSU sämtliche Personen weiblichen Geschlechts über 18 mit Frau anzureden.
Die Pressemitteilung ging am folgenden Tag raus, und hatte ein kräftiges Echo. Sie fand sich z. B. in der Süddeutschen auf der 1. Seite wieder.

Intern meldete sich sofort eine überaus ansehnliche 35jährige Vorstandssekretärin, Mutter eines 14jährigen Sohnes, sie lege großen Wert auf die Anrede Fräulein, und verbitte sich für ihre Person die Frau.


Wenig später kam die Fusion mit Audi in Ingolstadt.
Die Donau-Bayern sahen das ganze Frau/Fräulein-Problem damals schlicht als "Schmarrn".

Es folgte die mehr als 20jährige Übergangszeit in der Frau selbst bestimmen konnte ob sie Frau oder Fräulein war.


NS: Der historische Bezug ist gegeben, das Jahr 1968 liegt vor dem Geburtsjahr des Forendurchschnitts.
Die seriöse Quelle: Arthur Westrup "Fahre Prinz und du bist König" Geschichten aus der NSU Geschichte, Delius Klasing Verlag 1990
 
Die entsprechende Anrede für den Mann war Jungherr = Junker. Das starb allerdings schon früher aus bzw. hielt sich nur noch als Adelstitel (wie im englischen die "Dame").

Hindert kölsche Verkäuferinnen nicht daran, selbst Achzigjährige am Thresen mit "Junger Mann!" oder "Junge Frau!" anzureden.
 
@ Mummius Picius
Weißt Du bis wann die Bezeichnung Jungherr üblich war? Mir ist sie noch nicht vorgekommen.

Zum Fräulein kann ich mal nachschlagen, die Abschaffung in Deutschland rührt höchstwahrscheinlich von einer gewissen Fehlinterpretation, dass man mit Fräulein etwas herablassend zu einer Erwachsenen spricht. Aus Grundschule und Kindheit weiß ich noch, dass es einige Fräulein gab, welche unbedingt darauf bestanden, dass man sie "Fräulein" nannte und alles andere als unhöflich empfanden. Aber an der Grundschule sollten ja auch noch die geltenden Wertvorstellungen etc. vermittelt werden.

Kennt jemand Beispiele, welche untermauern, was ich annehme, nämlich dass die Bezeichnung Fräulein früher einfach darauf hinweisen sollte, dass eine weibliche Person "noch zu haben" war. Dies herauszustreichen war ja durchaus im Interesse des Weibes (uff wie soll ich das nennen, bitte versteht Weib, als nicht negativ(!), aber "Frau" zu verwenden, wäre irreführend), denn grundsätzlich waren Damen, um letztlich finanziell versorgt zu werden, auf der Suche nach Ehepartnern. Beim Hochadel machte man im 18.Jh. im Falle der Töchter von Louis XV. allerdings eine Ausnahme von der Regel, denn sie wurden "Madame Seconde" usw. nach der Reihenfolge der Geburt, genannt, obwohl bis auf Élisabeth keine vermählt wurde.

In dem von beetle verlinkten Artikel wird "junger Mann", besser wäre eigentlich "junger Herr", als Pendant zu "Fräulein" angesehen. Hätte man dies bis heute akzeptiert, gäbe es das "Fräulein" vielleicht noch.
Ich schau mich mal um, ob ich irgendwo Indizien finde, ob es neben "junger Herr" noch andere männliche Pendants zu "Fräulein" gab. Im Französischen ist mir keines bekannt, aber wir haben ja Sprachbegabte genug hier in der Runde.
 
Die entsprechende Anrede für den Mann war Jungherr = Junker. Das starb allerdings schon früher aus bzw. hielt sich nur noch als Adelstitel (wie im englischen die "Dame").
Ist Junker wirklich ein Adelstitel? Wenn ja dürfte er doch auf Preußen bzw. Norddeutschland begrenzt sein, auch wenn man ebenfalls vom Junker Jörg bei Luther spricht.:grübel:
 
@ Mummius Picius
Weißt Du bis wann die Bezeichnung Jungherr üblich war? Mir ist sie noch nicht vorgekommen.



Kennt jemand Beispiele, welche untermauern, was ich annehme, nämlich dass die Bezeichnung Fräulein früher einfach darauf hinweisen sollte, dass eine weibliche Person "noch zu haben" war. Dies herauszustreichen war ja durchaus im Interesse des Weibes (uff wie soll ich das nennen, bitte versteht Weib, als nicht negativ(!), .

e.


Den Jungherr kann ich "aus dem Handgelenk" nennen, "Fallada, Junger Herr ganz groß" ein Roman aus den 20ern, der undatiert, wohl Ende des 19. Jahrhunderts rund um Stralsund "spielt".

Zum Fräulein, Westrup nennt dies "noch zu haben sein" als Triebfeder der NSU-Vorstandssekretärin auf dieser Anrede zu bestehen.


Fakt ist, jahrzehntelang ist man regelmäßig ins offene Messer gelaufen, sagte man Frau wollte sie Fräulein sein, sagte man Fräulein wollte sie Frau sein. Nicht weiter schlimm..........beim ersten Mal.

8 Wochen später hatte man wieder mit ihr zu tun..... na was jetzt... Frau ...Fräulein.... an die Rüge konnte man sich durchaus erinnern, aber für was jetzt??? gerügt für die Frau, gerügt für das Fräulein????????????????
(Verfluchte Sch.... aber auch, in Zukunft werden mehr Notizen gemacht! die man ja gewöhnlich nicht mehr findet)

Das war ein Problem!

Wobei ich hier gleich mit dem Vorurteil aufräumen kann, dass Frauen vor 20-25 Jahren nur in untergeordneten Positionen anzutreffen waren, so wenig Entscheidungsträgerinnen gab es auch damals nicht. Auch vor Einführung der "Quoten-Frau" in der Politik.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kenne Fräullein auch nur als Anrede für eine unverheiratete Frau. Als Frau wird man betitelt, sobald man verheiratet ist/war. Dabei ist es egal ob sie gegenwärtig verheiratet, geschieden, oder verwitwet ist.

Greise mit Junger Mann oder Junge Frau anzureden ist übrigens im Dienstleistungsgewerbe Gang und Gäbe und nicht nur ein kölsches Phänomen :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Das war ein Problem!

Wobei ich hier gleich mit dem Vorurteil aufräumen kann, dass Frauen vor 20-25 Jahren nur in untergeordneten Positionen anzutreffen waren, so wenig Entscheidungsträgerinnen gab es auch damals nicht. Auch vor Einführung der "Quoten-Frau" in der Politik.
Ja aber das war auch ein Problem, welches dazu führte, dass man ein Gesprächsthema hatte.

Grundsätzlich muss man sagen, dass die Probleme erst mit der heutigen Arbeitswelt aufgeworfen wurden. Kam man früher (vor 100-200 Jahren) in eine Familie, so wurde man einander vorgestellt, man kam als Mann ohnehin weniger mit fremden Frauen in Kontakt. Überhaupt ist die Höflichkeit da eine ganz wichtige Sache. Das vorstellen, auch das der familiären Zusammenhänge, kam über die Jahre bis heute immer kürzer. Dabei würde ich sagen, dass dies auch wiederum ursächlich von einem Missverständnis rührt. Das Missverständnis, dass man die Frau nicht als selbstständiges Wesen akzeptiere, wenn man bei der Vorstellung gleich darauf hinweist, wessen Tochter (wenn Mademoiselle) oder wessen Gemahlin (wenn Madame) sie ist.

Nicht zu unterschätzen ist, wie an anderer Stelle ausgeführt die Erweiterung der Benutzung des Begriffes "Frau" mit zusehends einsetzender Egalisierung in der Hinsicht. Solange wie der Umgang mit dem Begriff innerhalb einer bestimmten Gesellschaftsschicht begrenzter war, bzw. die Gesellschaftsschichten undurchlässiger, war ein Überblick der Personenverhältnisse vor allem was das familiäre Umfeld betrifft sicherlich einfacher.
Das heißt nicht, dass es, bevor die Damen Zugang auch zu hochbezahlten Beschäftigungen bekamen, das hatten Künstlerinnen schon lange (seit dem 17.Jh., noch intensiver im 18.Jh.) nicht schon zu Verwechslungen kam. Man denke an öffentliche Veranstaltungen des Bürgertums in Großstädten schon im 18.Jh., wo die Zahl der Teilnehmer bereits eine Kenntnis sämtlicher Verwandschaftsverhältnisse unmöglich machte.

Wer hat das Thema eigentlich in den "Smalltalk" verschoben? :motz:
 
Mal ein offenes Wort:

Wenn Ihr mich hier loshaben wollt, dann schreibt das bitte genau so offen.
Kein Problem, verschwinde ich.

Aber bitte nicht auf so eine Tour
 
@ Briso: "Herr" ist ja eigentlich auch eine Adelsanrede. Aber während der Herr blieb (wie das englische Sir) ging der "Jungherr" unter bzw. blieb nur noch in Preussen-Norddeutschland als Gattungsbezeichnung für den Landadel (ob das ein regelrechter Titel wurde, weiss ich nicht) - ich muss aber beschämt gestehen, dass ich hierzu ausser von meinem Linguistenbruder aufgeschnappten Brocken nichts konkretes an der Hand habe. Tante Wiki nennt einen althochdeutschen "Jungcherre" als Ursprung; ich gehe mal davon aus, dass die Zuspitzung des Begriffs auf Landadel samt Nachwuchs sich daraus entwickelt hat.

@Repo: Bitte bleib.
 
Die Moderatoren-Entscheidungen der letzten Zeit verstehe ich nicht mehr.
Mehr sage ich dazu besser nicht.
Dabei ist das Thema, wie sich die Bedeutung gerade eines solchen Wortes über die Jahre verschiebt, meines Erachtens ein gesellschaftsgeschichtliches.:grübel:

Lass gut sein Repo, wir machen uns da nichts draus.:trost:
 
@ Briso: "Herr" ist ja eigentlich auch eine Adelsanrede. Aber während der Herr blieb (wie das englische Sir) ging der "Jungherr" unter bzw. blieb nur noch in Preussen-Norddeutschland als Gattungsbezeichnung für den Landadel (ob das ein regelrechter Titel wurde, weiss ich nicht) - ich muss aber beschämt gestehen, dass ich hierzu ausser von meinem Linguistenbruder aufgeschnappten Brocken nichts konkretes an der Hand habe.
Bei "Herr" bzw. "Herr von" also untituliertem Adel ist mir das bekannt, aber von einer Bezeichnung "Junker von" habe ich noch nie etwas gelesen. Junker kenne ich eher als Sammelbezeichnung für einfach alle preußischen Grundherren, wobei man dann von Junkertum etc. spricht.
Zur Bezeichnung "Herr von" gab es natürlich das entsprechende weibliche "Frau ..." oder "Fräulein von/vom" usw..

Das englische "Sir", wenn auch hier nicht spezifisch Thema, finde ich auch interessant und spricht eben für die Verallgemeinerung eines Adelstitels, der eine Auszeichnung war und so kann man die Anrede mit "Sir" auch immer als Auszeichnung auffassen. Auch hierbei ist interessant, wann sich solche Anreden etablierten und wann sie flächendeckend in einem Land standartisiert wurden.

Wenn man sich anschaut, wie standesbewusst man im 18. und frühen 19.Jh. darauf achtete, eine Anrede mit "Herr" und "Sie" bzw. die weiblichen Formen zu erlangen, dann wird bewusst, welchen Stellenwert man damals dieser Anrede eben beimaß. Gerade in Deutschland war die Anrede ein schwieriges Parkett, da hier die Titularien wie "wohgeboren" etc. sehr kompliziert für den Ausländer gewesen sein sollen.
(Quellen werden im Zuge von Zitaten sicherlich nachgereicht.)
 
Wobei das "Herr" auch nicht mehr die Verwendung findet, wie das engl. "Sir". Es wird nur noch im Zusammenhang mit dem Namen benutzt, also "Herr XY", und nicht mehr wie es ehedem üblich war, als alleinstehende Höflichkeitsfloskel (Bsp. "Vielen Dank, Herr.").Selbiges gilt auch für die "Frau", traf aber nicht auf das "Fräulein" zu, das auch eigenständig stehen konnte.
 
Es ist doch auffällig, daß es die Unterscheidung Frau/Fräulein in vielen Sprachen gibt (jedenfalls europäischen, in anderen kenne ich mich nicht aus).
Und das eigentlich generell ein männliches Pendant fehlt (der Jungherr/Junker ist m. E. keine generelle Anrede gewesen).

Eine Erklärungsmöglichkeit dafür wäre, daß Frauen früher reif werden, und eine sehr wahrnehmbare Zwischenphase zwischen "Kind" und "Erwachsen" haben - das schreit geradezu nach einer speziellen Bezeichnung.

Eine Sechzehnjährige ist körperlich schon heiratsfähig und geistig ernst zu nehmen - ein "Fräulein" eben, und bald darauf ist sie verheiratet und Frau.

Ein Sechzehnjähriger ist dagegen noch ein Halbstarker, manchmal überraschend unreif und kindisch im Benehmen und im Zweifelsfall redet man ihn noch - wie ein Kind - ohne Titel nur mit Vornamen an. Da ist noch so wenig erwachsen oder "Herr" dabei, das kommt wirklich erst mit Volljährigkeit (wenn man Glück hat ;-)

Das ist jetzt natürlich prototypisch, im realen Leben gibt es beliebig viele Ausnahmen.
Aber es gibt wohl kein Alter, in dem die Entwicklungsgeschwindigkeit von Frauen und Männern so deutlich auseinandergeht. Und da gibt es vielleicht ein natürliches Bedürfnis, auch unterschiedlich zu benennen.
 
Ach, war das schön, als Mademoiselle angesprochen zu werden !
Ich muß oft denken, wenn les Allemands keine Probleme haben, dann machen sie sich schnell welche ! Wir oft schau ich in ein verdutzes Gesicht, wenn ich eine 14-Jährige ( die wie 17 ausschaut) mit "Frau ....x"
anspreche! Da habe ich dann das Gefühl, daß man diese Mädchen um etwas beraubt hat. Aber, Romantik war ja wohl nie was besonders germanisches oder ?
Wenn nur diejenigen, die all dies (en Blödsinn) vom Zaune gebrochen haben (Millionen hat es gekostet, Formulare neu drucken zu lassen, weil es ja keine Frau Amtmann mehr geben darf), damit glücklich werden!
Dabei habe ich oft den Eindruck, daß es sich um ein "Wettbewerb-sproblem" der Frauenwelt untereinander handelt!
Aber, man muß ja auch die Reformstaus abarbeiten.
jeanne
 
In früheren Zeiten unterschied man die ledigen Frauen danach, ob sie höheren oder niederen Standes waren.

Die Tochter eines Hochstehenden war natürlich "Fräulein Susanna", während die Tochter des Schmieds die "Jungfer Susanna" war.

Die Ausweitung des Attributs "Fräulein" auf alle unverheirateten Frauen war somit eine Aufwertung der zahlenmäßig ungleich stärker vorhandenen Vertreterinnen der unteren Schichten.

Bei den verheirateten Frauen gab es ja auch unterschiedliche Bezeichnungen. Die Frau eines Grafen wurde bestimmt nicht als "Weib" tituliert, im Gegensatz zur Gattin eines Bauern oder Handwerkers.

Gruß

Jacobum

PS: Wir hatten das Fräulein-Problem doch schon mal im Thread der ausgestorbenen Begriffe behandelt, oder?
 
Hehe ist ja ein Ding :) Ich hab mich auch immer gefragt, warum es kein Herrlein gibt.

Ohne Don (übrigens auch ein Wort, das Bezug zum Thema hat) Quijote in seine Spezialkompetenz pfuschen zu wollen: im Spanischen gibt es nicht nur die Sen~orita, sondern auch den Sen~orito. Letzteres ist allerdings nicht sehr freundlich gemeint.

Herr und Frau (Frouwe) waren früher die Leute "von Stand". Das gemeine Volk war Mann und Weib.
Und das Fräulein beruht selbstverständlich auf der ja immer noch verbreiteten "Unberührtheits"-Forderung.
 
PS: Wir hatten das Fräulein-Problem doch schon mal im Thread der ausgestorbenen Begriffe behandelt, oder?

hab Erbarmen mit den Neuen! Es wird Monate dauern, bis man sich einigermassen durch das Forum durchgewühlt hat, und dann kann man sich ja auch nicht alles merken! Man muss sich ja nicht dran stören, wenn ein Thema erneut auftaucht und merkt ja dann schnell, wenn Neue dabei sind.
"in diesem Sinne" (d'accord) salu, jeanne
 
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