Gemeinsamkeiten und Abgrenzung
Wenn ich hier so lese drängt sich schon der Gedanke auf, dass Identitätsbildung noch am leichtesten fällt durch Abgrenzung… Zumindest wenn man sich die lieben regionalen Animositäten so ansieht, die in einigen Beiträgen doch irgendwie durchscheinen. Naja… :devil:
Identitätsbildung ist immer ein Prozess von „finden oder auch generieren“ von Gemeinsamkeiten - und im Umkehrschluss von Abgrenzung zu Anderem. Das sind zwei ganz wichtige Punkte im Rahmen von Identitätsbildung! Im derzeit immer wieder aufflammenden Thread darüber, wie „deutsch die Schweizer sind/waren“ ist dies auf Nationen übertragen.
http://www.geschichtsforum.de/f44/deutsche-identit-t-bei-den-schweizern-40984/
Dort werden „push & pull“-Faktoren teils schön deutlich. Ein Prozess, in dessen Verlauf sich die Schweizer aus dem Reichsverband herauslösten. Durch ihren anhaltenden Erfolg "emanzipierten" (?) sie sich wohl auch langfristig von einer, eventuell(?) vorher vorhandenen, „deutschen Identität“ ( die damals gewiss anders formuliert/definiert worden wäre als Heute, oder auch noch vor dem 2. WK) und wurden zu etwas Eigenem, das ganz wesentlich „Nichtdeutsche“ Elemente mit einschloss!
Die „kuk“-Monarchie mit dem Zentrum Wien trat 1914 in einen Krieg, den sie nicht überstehen sollte. Sie hatte ja ganz andere Wurzeln gehabt. Wenn ich im Vorpost von Prozessen im nördlichen Deutschland geschrieben hatte, so sei hier ein flüchtiger Blick auf diese KuK-Monarchie geworfen. Ihr Kristallisationspunkt war ohne Zweifel das „Haus Habsburg“. Die sogenannte Stammburg dieses Geschlechts (und damit der Beginn ihrer fassbaren Geschichte) liegt auf heute längst schweizerischem Boden. Bevor es soweit kam, griff die Macht der Habsburger längst in das heutige Österreich aus, das letztlich zum Kern ihres Reiches wurde. Deshalb wurde ihr Machtbereich gerne generell als „Österreich“ bezeichnet! Im Kampf mit dem Hause Habsburg errang die Schweiz ihre Eigenständigkeit. Sich von diesen (und dem wofür sie standen!) abzugrenzen und sich gegen diese Macht zu behaupten, wurde zur Gründung- wie auch zum Gründungsmythos der Schweiz. Also während die Habsburger andernorts zum Zentrum einer Identifikation wurden, wirkten sie in der späteren Schweiz genau umgekehrt durch Ablehnung!
Zur Identitätsfindung gehören bekanntlich meist weitere Faktoren. Zu nennen sind nicht nur „ethnische Abstammung“(Familie), „lokale Traditionen der engeren Heimat“ (also Heimatbewusstsein!), Sprache/Schrift, Kultur oder Religion, sondern noch einiges mehr. Letztlich ist es dann der persönliche Wille jeder Person, die sich mit diesen Fragen beschäftigt. Soweit sie sich vielleicht nicht allein vom lokalen „Mainstram“ tragen lässt, mit was er sich identifiziert – auch in nationaler Hinsicht!! Sonst hätten aus den Hugenotten in Hessen ebenso wie aus vielen „Polen“, die während der Industrialisierung ins Ruhrgebiet eingewanderten, niemals Deutsche werden können. Manche Erklärung warum sich gewisse „Sonderbewusstsein / Identität“ entwickelt haben, mögen nichts als Mythen sein, aber vielleicht sind sie auch gerade deshalb so Wirkmächtig?! Ob das nun der Mythos von „Armin dem Cherusker“ als erstem Deutschen ist, „Wilhelm Tell“für die Schweiz , eines „Karl dem Großen als Stammvater eines geeinten Europas“, oder auch der „American Dream“ für die USA sind. Sehr nüchtern betrachtet sind all das eher Mythen und Ideen als „harte Faktoren“. Und sie wirken doch, auch heute noch! Der "American Dream" ist vielleicht das beste Beispiel für Nationalitätsbildung der Moderne, gespeist von Willen und gemeinsamen Grundsätzen. Das ist etwas ganz Anderes als die "Nationalitätsfindung", wie sie etwa fürDeutschland oder in Italien manchmal beschrieben wird.
Ein wirklich sehr schöner Blog, der sich auch mit dem Thema von natioalen Identitäten befasst ist jener von SaintSimone
Hochdeutsch, Bier und fesche Jungs: Grenzregionen und Nationen Teil 2 - Geschichtsforum.de - Forum für Geschichte