Getreideversorgung in der Antike

Nur mal so am Rande des Themas; wieviel von der Getreidewirtschaft Roms ist vlt. auf eine Naturkatastrophe in der Bronzezeit zurückzuführen?
Ich meine nur ,das Ägypten in der Spät-Bronzezeit ,die einzige Supermacht war , die übrig geblieben ist . Die Gründe was zum Kollaps der Bronzezeit -Zivilisationen führte ist noch unumstritten ; Briefwechsel zwischen Mesopotamien und Ägypten deuten auf eine Nahrungsknappheit hin.


Ich war erstaunt folgendes über die Vorräte Roms zu lesen.

"Wie viel Lagerplatz in der öffentlichen Horrea zur Verfügung steht, lässt sich daran ablesen, dass Kaiser Septimius Severus, als er im Jahr 211 n. Chr. starb, die Horrea der Stadt mit genügend Lebensmitteln bestückt hinterlassen haben soll, um die Millionenbevölkerung Roms sieben Jahre lang zu versorgen."(Wiki engl)
 
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Hier stellt sich für mich die Frage der Lagerfähigkeit der Nahrungsmittel! Ich kann mir nicht vorstellen, Getreide sieben Jahre lang einzulagern, unter den vorindustriellen Verhältnissen!???
 
Nach meinem Kenntnisstand sollte Getreide zur Einlagerung nur eine geringe Restfeuchte haben, trocken gelagert werden und vor Schädlingen geschützt. Es darf während der Lagerung auch keine Feuchtigkeit ziehen.
 
Hier stellt sich für mich die Frage der Lagerfähigkeit der Nahrungsmittel! Ich kann mir nicht vorstellen, Getreide sieben Jahre lang einzulagern, unter den vorindustriellen Verhältnissen!???
Ich würde wegen der Zahl 7 da auch eher eine symbolische Parallele zu biblischer Überlieferung sehen von wegen 7 Gute Jahre in denen der Pharao Getreide horten soll, für die darauf folgenden 7 schlechten Jahre.

Ggf. stammt das mit den "7 Jahren", wenn das so in Quellen überliefert ist, aus der Feder eines Autoren aus jüdischem oder christlichem Kontext und ist einfach als Methapher für gute/langfristige Vorsorge gemeint, ohne das man das wörtlich nehmen müsste.
 
Das steht so ähnlich im 8. und 23. Kap. der Septimius Severus-Biographie in der Historia Augusta (die gemeinhin als Quelle nicht sonderlich ernst genommen wird) aus der Spätantike. Somit ist zwar nicht ausgeschlossen, dass ihr Autor die Bibel kannte (auch wenn er Heide war, mag sich ein spätantiker Autor mit ihr beschäftigt haben), ich halte es aber dennoch für relativ unwahrscheinlich, dass die sieben Jahre eine bloße biblische Referenz sind, da der Autor zusätzlich recht detaillierte Angaben zum Umfang der Lagermenge macht (genug für 75.000 Modii pro Tag). Sofern er das nicht einfach erfunden hat, klingt es für mich doch eher nach amtlicher Information als Quelle.
Nur mal so am Rande des Themas; wieviel von der Getreidewirtschaft Roms ist vlt. auf eine Naturkatastrophe in der Bronzezeit zurückzuführen?
Gar nichts, da die Römer nichts darüber wussten.
 
Gänzlich zu verwerfen scheinen langjährige Haltbarkeiten von Getreide auch in der Antike nicht zu sein, zumindest nach diesem die Fragestellung betreffenden Auszug aus einer Publikation, die schwerpunktmäßig unterirdische Getreidelagerung an einem Fallbeispiel aufgreift:

"Normalerweise, vor allem bei privatem Einsatz, ist die Lagerfrist für Getreide nicht sehr lang; meist geht es nur darum, Vorräte und Saatgetreide
über den Winter zu bringen. Mit dieser Methode kann man Getreide jedoch auch über Jahre und sogar Jahrzehnte sicher aufbewahren, eine Möglichkeit, die in offenen Speichergebäuden ohne Belüftung zur Trocknung und Kühlung nicht gegeben ist. Eine Lagerdauer von zehn Jahren ist aus dem Jemen und aus Somalia überliefert (42), aus Argentinien 13 Jahre (43), und in Ungarn wurde nach 60 Jahren eine Grube geöffnet, in der sich genießbare Hirse befand (44). Aus Rußland wird von Fällen berichtet, wo Bauern durch Zufall auf Speichergruben stießen, die einst von ihren Großvätern angelegt worden und dann in Vergessenheit geraten waren; das Getreide darin soll noch eßbar gewesen sein (45). Der römische Schriftsteller Varro weiß von Brunnenschächten in Spanien, in denen Getreide 50 Jahre und Hirse über 100 Jahre aufgehoben wurden (46), und auch nach heutiger Expertenmeinung ist die Getreidelagerung über Jahrzehnte so möglich (47). Bei entsprechend trockener und kühler Lagerung wird dabei auch die Keimfähigkeit des Getreides zumindest über die ersten Jahre hinweg nur wenig beeinträchtigt. Auch Theophrastus berichtet, daß Getreidesamen nach zwei bis drei Jahren Lagerung minderwertig und danach unfruchtbar wird. Vom Hörensagen weiß er aber, daß in Petra in Kappadokien gelagertes Getreide 40 Jahre keimfähig und 60-70 Jahre eßbar ist; er schreibt dies der Höhenlage und der ständigen Belüftung durch Winde zu (48). Da solche Lagerzeiten in offenen Speichern nicht erreicht werden können, müßte es sich hierbei auch um Lagerung in luftdichten Silos handeln, falls die Information stimmt."
(Hervorhebung von mir)

Seeher, J. (2000): Getreidelagerung in unterirdischen Großspeichern. Zur Methode und ihrer Anwendung im 2. Jahrtausend v. Chr. am Beispiel der Befunde in Hattusa. S. 268
 
Wieviel Einwohner hatte Rom zu der Zeit?
Und wieviel Getreide muß dann für 7 Jahre eingelagert werden?
Wieviel Getreide können durch andere lagerungsfähige Nahrungsmittel eingespart werden?

Bei 1 Million Einwohnern wären das 500 Tonnen/Tag????????
 
Von den 1 Million Einwohnern Roms, die vielfach für das 2. Jh. n. Chr. angenommen werden, waren nicht alle Empfangsberechtigte der cura annonae. Mir schwirren vage Zahlen wie ca. 200.000 männliche Empfangsberechtigte (freie Bürger) ab 11/12 Jahren durch den Kopf, die für ca. 600.000-650.000 Personen gestanden haben dürften. Eine Monatsration betrug irgendwas um die 35 kg.

Edit:
PixDaumen lag ich mit obigen Zahlen nicht gänzlich daneben. Wenn du @Mittelalterlager einen kleinen historischen Überblick zur Eingrenzung der Getreideempfänger konsumieren möchtest, mir erscheinen die Seiten 167-172 ganz anschaulich in folgendem Link:
 
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Hier stellt sich für mich die Frage der Lagerfähigkeit der Nahrungsmittel! Ich kann mir nicht vorstellen, Getreide sieben Jahre lang einzulagern, unter den vorindustriellen Verhältnissen!???
Hier würde sich auch die Frage stellen, wäre ein und das selbe Getreide auf eine solche Zeit eingelagert worden oder eine Menge, die bei Rationierung theoretisch für 7 Jahre hätte reichen können (bei normalem Bedarf vielleicht nur für die Hälfte der Zeit reichte), die aber durch laufende Zugänge immer wieder ausgetauscht wurde, so dass wir hier ggf. über eine Einlagerung von realiter vielleicht 2-3 Jahren reden, wenn der Inhalt der Speicher alle 2-3 Jahre einmal komplett ausgetauscht wurde?
 
Aber wenn meine Annahme grob passt, fast 700.000t sind extrem viel, kann man denn überhaupt eine so große Menge lagern und die Lieferungen aus Überschußgebieten müßten dann ja gewaltig gewesen sein?
 
Aber wenn meine Annahme grob passt, fast 700.000t sind extrem viel
Deine Annahme erscheint nicht unzutreffend. Zudem, 700.000 t dürften noch unter dem Gesamtbedarf Roms liegen. Über die annonae wurde zwar ein Großteil jedoch nicht die komplette Bevölkerung Roms versorgt. Selbst für Bezugsberechtigte kann der Zukauf von weiterem Getreide notwendig gewesen sein.
In einem Kolloquiumsbeitrag* bin ich auf eine Annahme von 250.000 t pro Jahr für das 1. Jh. gestoßen. An anderer Stelle** auf jährlich 22 Mio. modii an kostenlosem bzw. subventioniertem Getreide, was dann grob bei um die 175.000 t anzusiedeln sein dürfte.

Suchschnipsel zu Speichergrößenordnungen:
  • Für das Speichergebäude Grandi Horrea in Ostia Antica, welches vornehmlich der Getreidespeicherung gedient haben soll wird eine Kapazität von 5660 bis 6960 t angenommen.
  • Für große dolia, fassförmige Tongefäße, sind Fassungsvermögen von bis zu 2500 l belegt, was die Lagerung von knapp 2 t Getreide ermöglicht haben müsste.
Suchschnipsel zu Liefermengen:
  • Die größten Getreideschiffe (corbitae/naves granariae) sollen ein Fassungsvermögen von bis zu 1200 t besessen haben.
  • Beim Stöbern (finde es jetzt leider nicht mehr) bin ich auf die Angabe gestoßen von durchschnittlich 80.000 t Getreide jährlich welches während der frühen Kaiserzeit allein aus Ägypten nach Rom verschifft worden sein soll.
  • P. Herz (s. 2. link) siedelt die Größenordnung der für die Versorgung Roms jährlich notwendigen Schiffsfahrten bei mindestens 2.200 mit großen Lastschiffen an, nimmt eher einiges mehr an, da etliche Schiffe geringeren Frachtraum gehabt haben dürften. Ein Großteil der Handelsschiffe soll im Auftrag der cura annonae gebunden gewesen sein.

* Antike Getreidespeicher – ein Werkstattbericht
** Der praefectus annonae und die Wirtschaft der westlichen Provinzen - Persée , S. 70
 
Die 700.000 bezogen sich nur auf " annonae"..

Die 175.000t Gesamtjahresbedarf habe ich auch errechnet.

Die Zahlen zum Seetransport und Schiffsgrößen kenne ich in dieser Form auch so.
 
Was mich halt irritiert ist die Größer der Speicherkapazitäten. Gibt es da entsprechende archäologische Befunde die diese Kapazitäten stützen könnten?
 
Die 700.000 bezogen sich nur auf " annonae".
Das habe ich auch so verstanden. Beim rumgoogeln hinsichtlich Transport und Lagerung ist mir lediglich klar geworden, dass für die Gesamtversorgung Roms noch größere Kapazitäten notwendig gewesen sein müssen.
Keine Ahnung wie viele horrea es in und um Rom gegeben haben mag. Tippen würde ich auf etliche. Eine englischsprachige KI-Zusammenfassung hat mir die Zahl von 300 Getreidespeichern für Rom präsentiert, allerdings ohne Verweis auf eine Quelle.
Sollte diese Zahl Hand und Fuß haben würde selbst bei geringeren Fassungsvermögen wie beim grandi horrea in Ostia oder den Horrea Galbae - Wikipedia mit 21.000 qm Grundfläche ne ganze Menge Lagerkapazität zusammenkommen. Bei letzterem wird wegen der Nähe zum Monte Testaccio vermutet, dass es neben Getreidelagerung auch als Olivenöllagerstätte gedient haben dürfte.
In welcher Größenordnung kleinere Speichereinheiten bis hin zu dolia in den Verteilungsketten nach Anlandung der Fracht zum Tragen gekommen sind?
Manches wird noch im Erdboden schlummern, vieles unwiederbringlich zerstört sein, anderes wie im Falle von dolia sich wegen Weiterverwendung/Zweckentfremdung nicht sicher zuordnen lassen.
 
Aber die Lagerkapazitäten für 7 Jahre müßten dann ja für ganz Rom je nach Berechnung und Rationsgröße zwischen 800.000t-1.000.000t gelegen haben????? Kann das stimmen/möglich sein??? Aber vielleicht ist meine "Rechnung" auch Quatsch?
 
Eine englischsprachige KI-Zusammenfassung hat mir die Zahl von 300 Getreidespeichern für Rom präsentiert, allerdings ohne Verweis auf eine Quelle.
Diese Zahl steht auch im englischen Wikipedia-Artikel zu Horreum:


Das ist auch die Quelle für das Zitat von @Mfelix zu den sieben Jahren Vorräten:

"The amount of storage space available in the public horrea can be judged by the fact that when the emperor Septimius Severus died in 211 AD, he is said to have left the city's horrea stocked with enough food to supply Rome's million-strong population for seven years.[4]"

Als Quelle wird folgende Publikation angegeben:

Guy P.R. Métreaux, "Villa rustica alimentaria et annonaria", in The Roman Villa: Villa Urbana, ed. Alfred Frazer, p[. 14-15. University of Pennsylvania Museum of Archaeology, 1998. ISBN 0-924171-59-6
 
Aber die Lagerkapazitäten für 7 Jahre müßten dann ja für ganz Rom je nach Berechnung und Rationsgröße zwischen 800.000t-1.000.000t gelegen haben????? Kann das stimmen/möglich sein??? Aber vielleicht ist meine "Rechnung" auch Quatsch?
Wenn eine Lagerkapazität wie die des Grandi Horrea in Ostia mit seinen ca. 6000t keine exorbitant einmalige Ausnahme nach oben war, sollte das bei 300 Horrea doch einigermaßen hinkommen können, einfach mal angenommen mit durchschnittlich 3000 t.
Evtl. könnten zu den wie auch immer großen 300 Silos in Rom noch Speicherkapazitäten in Ostia, Portus, Puteoli etc. dazu zu rechnen sein.
 
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