Ging das Römische Reich einst bis zur Elbe?

Wir sind uns wohl einig, daß die Römer im wesentlichen eine Kosten-Nutzen-Abwägung gemacht haben bei der Frage, ob sie in die Eroberung einer weiteren Provinz "investieren".
Germanien hätte sich da noch rentiert, wenn nicht die Varusschlacht so massiv die Rahmenbedingungen verändert hätte.

Ansonsten aber ist klar, daß irgendwo halt Schluß sein mußte - je mehr man gegen Norden und Osten ging, desto unattraktiver wurde die Sache.
Und ob nun Rhein, Elbe oder Oder die Grenze gebildet hätten, man wäre nie dem Problem entkommen, daß hinter dieser Grenze Barbaren sitzen, gegen die man dauerhaft und aufwendig Grenzsicherung betreiben mußte.

Anderswo war die Geographie günstiger.
Ich habe (ohne es in den Fakten geprüft zu haben) z. B. große Zweifel, ob Nordwestspanien zu römischer Zeit eine wirtschaftlich so attraktive Region war, um die mühsame Eroberung zu rechtfertigen.
Aber da war halt klar: Wenn man sie erst einmal im Griff hat, dann hat man sie auch automatisch gesichert, dahinter kommt nur der Ozean.

Und deswegen finde ich eigentlich das Beispiel Schottland interessant. Auch dort war das Kosten-Nutzen-Verhältnis ungünstig. Hochland und Inseln zu erobern und zu romanisieren wäre mühsam und langwierig gewesen.

Aber hätten die Römer es gemacht, wäre auch dort Ruhe gewesen - die sehr aufwendige Grenzsicherung in Britannien hätten sie sich sparen können.

Was könnte der Grund gewesen sein, auf diese Abrundung zu verzichten?
Hatten sie nicht genügend Informationen um zu wissen, wie es im Norden weiterging?
Oder war der Nutzen zu langfristig, um selbst in einem autokratischen System die "Investition" eines langen Feldzugs zu rechtfertigen?
 
Zu Agricolas Zeit wurde Nordbritannien umsegelt, man wusste wie weit es noch ging.
Daher denke ich auch das die Gründe für den Halt eher logistischer Natur waren. Man hätte Truppen in jedem Gebirgstal stationieren müssen, mit der Notwendigkeit diese ständig zu versorgen. Die Getreideversorgung war im restlichen Britannien schon schwierig genug. Erst im 3. Jahrhundert konnte Britannien Überschüsse erwirtschaften, die wurden dann aber im Rheinland benötigt (laut M. Junkelmann, panis militaris).
 
Wir sind uns wohl einig, daß die Römer im wesentlichen eine Kosten-Nutzen-Abwägung gemacht haben bei der Frage, ob sie in die Eroberung einer weiteren Provinz "investieren".
Germanien hätte sich da noch rentiert, wenn nicht die Varusschlacht so massiv die Rahmenbedingungen verändert hätte.

Ansonsten aber ist klar, daß irgendwo halt Schluß sein mußte - je mehr man gegen Norden und Osten ging, desto unattraktiver wurde die Sache.
Und ob nun Rhein, Elbe oder Oder die Grenze gebildet hätten, man wäre nie dem Problem entkommen, daß hinter dieser Grenze Barbaren sitzen, gegen die man dauerhaft und aufwendig Grenzsicherung betreiben mußte.

Anderswo war die Geographie günstiger.
Ich habe (ohne es in den Fakten geprüft zu haben) z. B. große Zweifel, ob Nordwestspanien zu römischer Zeit eine wirtschaftlich so attraktive Region war, um die mühsame Eroberung zu rechtfertigen.
Aber da war halt klar: Wenn man sie erst einmal im Griff hat, dann hat man sie auch automatisch gesichert, dahinter kommt nur der Ozean.

Und deswegen finde ich eigentlich das Beispiel Schottland interessant. Auch dort war das Kosten-Nutzen-Verhältnis ungünstig. Hochland und Inseln zu erobern und zu romanisieren wäre mühsam und langwierig gewesen.

Aber hätten die Römer es gemacht, wäre auch dort Ruhe gewesen - die sehr aufwendige Grenzsicherung in Britannien hätten sie sich sparen können.

Was könnte der Grund gewesen sein, auf diese Abrundung zu verzichten?
Hatten sie nicht genügend Informationen um zu wissen, wie es im Norden weiterging?
Oder war der Nutzen zu langfristig, um selbst in einem autokratischen System die "Investition" eines langen Feldzugs zu rechtfertigen?

Die Römer rückten ja unter Antoninus bis zum Firth of Forth vor, was die Grenzlinie zwar ganz erheblich verkürzte, langfristig aber offenbar zu lange Verbindungslinien verursachte. Der Hadrianswall mit der Großfestung Eburacum/ York im Rücken war offenbar günstiger, so daß sich die Römer trotz der Erfolge des Septimius Severus wieder endgültig auf den Hadrianswall zurückzogen.
 
Zur Elbgrenze würde ich gerne, etwas gewagt, die Möglichkeit in betracht ziehen, dass auch geographische Bedingungen in Zentraleuropa gegen eine solch große Kolonie sprechen.Es ist einfacher kleine Streifen von relativ schwer zugänglichen Land zu romansieren, v.a. wenn schon eine romanisierte Zone vorhanden ist ( wie den Rheinstreifen oder das Alpenvorland). Das ganze Gebiet bis zur Elbe hin ist für mich hingegen so "zurückgeblieben" das von Anfang an keine Chance bestand es in einem Schwung zu romanisieren, was ja Voraussetzung wäre für die Einrichtung einer Provinz.
Ich möchte hier nochmal betonen, daß für Rom wohlvor allem strategische Gründe für ein Vordringen bis zur Elbe sprachen. Diesmal mit Quelle. Aus: "Die Germanen" - Akademie Verlag Berlin
"...Dabei kam der Gewinnung einer natürlichen, leicht zu beherrschenden Grenzlinie von der Elbmündung über Carnuntum an die mittlere Donau erhebliche Bedeutung zu. Eine andere Erwägung war kaum weniger wichtig. In den unterworfenen oder zurückgedrängten germanischen Stämmen hätte für die wirtschaftlich aufblühenden gallischen Provinzen ein sicherer Schutz bestanden..."
 
seh keinen unterschied zwischen der Rhein/Donau Grenze und der Elbe/Donau.

Man hätte zwar ein Mittelgebirge statt freiem Waldland gehabt,jedoch halte ich das nicht für so unpäßlich, dass man es ähnlich den Alpen gut kontrolieren hätte können.
 
seh keinen unterschied zwischen der Rhein/Donau Grenze und der Elbe/Donau.

Man hätte zwar ein Mittelgebirge statt freiem Waldland gehabt,jedoch halte ich das nicht für so unpäßlich, dass man es ähnlich den Alpen gut kontrolieren hätte können.
:grübel:
In einem anderen Buch - Historischer Atlas steht als Hauptgrund: "Nach der Niederlage des römischen Statthalters Lollius durch die Sugambrer (an Lippe und Sieg) wollte Augustus die von ihm als große Gefahr erkannte Macht der Germanenvölker brechen...Dann drangen Drusus und Tiberius...nach Unterwerfung der Alpenvölker in mehreren Feldzügen bis zur Elbe vor, so daß der Plan des Kaisers, ganz Germanien dem Reich einzuverleiben, in Erfüllung zu gehen schien."
Das leuchtet mir auch am ehesten ein und das war ja das, was ich auch schon meinte. Augustus dachte "Angriff ist die beste Verteidigung" - jedenfalls bis zum Jahre 9 n. Chr. ...
 
Die Clades lolliana, die Niederlage des Lollius gegen die Sugambrer war vor allem ein Prestigeverlust, da auch der Legionsadler verlorenging und Augustus seit der Rückgabe der Feldzeichen des Crassus an Tiberius eine massive kultisch- ideologische Aufwertung solcher Feldzeichen betrieb. Es schreibt ja später auch Sueton, daß die Schande größer, als der Schaden gewesen sei. (Suet., Augustus 23, 1 infamia maior quam detrimenti). Diese Schlappe wurde zum Anlaß, daß Augustus nach Gallien aufbrach und eine neue Germanienpolitik vorbereitete, mit deren Durchführung er Drusus betraute.

Die Germanienpolitik des Augustus ist höchst unterschiedlich bewertet worden. Während Timpe, Christ und Welwei die These vertraten, daß sich die Drususoffensive als Kette von Improvisationen und Rücksichtnahme auf Klientelbeziehungen ungewollt bis zur Elbe ausdehnte, interpretierten Wissenschaftler wie C. M. Welles die imperiale Politik des Augustus als "Ausdruck eines völlig überbordenden Herrscherehrgeizes und megalomanen Welteroberungskonzeptes". Die durch Kraft und Kienast vertretene Forschungsrichtung vertrat die Meinung einer langfristigen Expansion mit dem Ziel einer Elbe- Sudeten Donaulinie zur Frontverkürzung. Die archäologischen Funde bieten bisher keinen Anhalt für die Richtigkeit dieser These. Einige archäologische Erkenntnisse haben inzwischen über manches mehr Aufschluß gegeben. So weiß man heute, daß die Römer selbst das Lager von Oberaden schleiften, während Timpe früher noch eine Eroberung durch Germanen annahm.

Es wäre sehr schön, wenn weitere archäologische Funde noch mehr Informationen zu Tage fördern würden.

Primär scheint es den Römern vor allem darum gegangen zu sein, die Rheingrenze zu kontrollieren und Gallien zu sichern. Die Gebiete zwischen Rhein und Elbe spielten dabei eher die Rolle einer Pufferzone, die man durch ein System von Klientelfürsten militärisch kontrollieren konnte. Tiberius war einer der erfahrensten Militärs, und er schien nicht geneigt, für militärische Abenteuer zwischen Rhein und Elbe das Leben römischer Legionäre zu opfern. In der Überlieferung des Tacitus, in der dem düsteren Tiberius die Lichtgestalt des Germanicus gegenübergestellt wird, erscheint das allerdings als ein "Rauswurf" aus Germanien.

Wie gesagt, es wäre sehr schön, wenn neue archäologische Erkenntnisse da Fragen beantworten könnten.

Dabei stellt sich natürlich die Frage, wie intensiv die Administration im Rechtsrheinischen
 
Wow! Also zunächst mal wirklich Hut ab vor einigen postern hier und der großen Flut an tollen Hintergrundinfos. Es bleiben ja kaum noch Fragen offen. :)
 
Ergänzungen

Nach der Varusschlacht gab es einige Rachefeldzüge, und etliche Jahre später bemühten sich Kaiser wie Domitian und weitere die römische Macht wieder auszudehnen, militärisch mit mehr oder weniger Erfolg, politisch gesehn jedoch erfolglos, bis auf wenige Grenzbegradigungen u.ä.

Domitian ließ breite Schneisen in den Wald schlagen (es heißt sogar, er hätte 180 km Wege anlegen lassen), um der Guerillataktik der Chatten zu begegnen, diesen die Deckung zu nehmen und selbst schnell voranzukommen. 83 n. Chr. wurden diese besiegt, das neu gewonnene Gebiet bis zum Neckar mit einem Limes gesichert. 84/85 n. Chr. erfolgte die Einrichtung der Provinzen Ober- und Niedergermanien.

Um die Zeitenwende war Germanien bis zur Elbe (der Feldherr Drusus ist 12 v Chr. sogar in der Elbe ertrunken) eine Provinz im Aufbau: Varus hielt schon über Germanen Gericht und trieb Steuern ein, zog sich im Herbst aber immer wieder in Winterlager an der Lippe (Haltern) und im Rheinland zurück.

Die Germanen sahen sich offensichtlich nicht als Untertanen und schon gar nicht als Unterworfene, so lange eine Militärmacht, die über sie herrschen wollte, nicht in der Lage war, auch im Winter präsent zu bleiben und sich statt dessen an den Rhein zurück zog. Erst Tiberius wagte es, 4 n. Chr. an der Lippequelle zu überwintern. Der Rückzug in "gesicherte Gefilde" war wohl versorgungsbedingt. Verpflegung war am besten auf Schiffen zu transportieren. Die Schifffahrt war aber damals (besonders im Winter, wo sie meist ganz ruhte) ein anderes Unterfangen als heute. Sie führte durch die Nordsee in Ems, Weser und Elbe. Drusus kürzte durch einen Kanalbau (fossa Drusiana) den Weg ab, aber die Nordsee blieb keinem Schiff erspart, das in o. g. Flüsse wollte. Dass eine Macht, die sich jahreszeitenbedingt zurückziehen musste, nicht von Germanen als Oberhoheit anerkannt wurde, ist kein Wunder.

Ich glaube es war weniger ein Problem des Nachschubs - zumindest, was die Versorgung der römischen Legionen anging, denn die Römer hatten zwischen Rhein und Elbe ja eine Reihe von Stämmen unterworfen, die ihnen nun Tributpflichtig waren und die die Söldner nun zu verpflegen hatten.

Nö, das hast du wohl falsch (oder gar nicht) verstanden. Starlord meinte natürlich Jütland. Das wäre aber aus den von mir bereits genannten Gründen nicht zu kontrollieren gewesen und so machte man an der Elbe halt, da sie eine gute natürliche Grenze darstellte.

Die Germanen betrieben ungern Ackerbau. Zumindest Getreide wird dort nicht allzu viel zu holen gewesen sein.

@Jütland
Nach Strabo und Vellejus sollen die Römer bis Jütland per Schiff gekommen sein. Wie es dort beschaffen war, wußten sie demzufolge.

Im Falle Dakiens hat man dagegen keine Kosten und Mühen gescheut, bis eine Provinz errichtet war. Ich schätze, daß die dortigen Goldminen ein Argument waren.

Die Silberadern an der Lahn waren ein ähnlicher Grund, dort auf dem rechten Rheinufer zu bleiben.

In der Kolonisierung und Entwicklung dieser Gebiete ging den Römern allerdings wertvolle Zeit durch den pannonisch- illyrischen Aufstand verloren, der alle Kräfte des Imperiums in Anspruch nahm. Das führte ja auch dazu, daß Rom von seinem geplanten Präventivschlag gegen das Marbodreich und die Elbgermanen Abstand nehmen mußte, zu dem 12 Legionen, mehr als ein Drittel der römischen Armee, mobilisiert worden waren.

Die Germanen haben diese Zeit aber offensichtlich nicht zu einem koordinierten Angriff zu nutzen gewusst, als die römischen Kräfte anderweitig gebunden war.
 
Wir sind uns wohl einig, daß die Römer im wesentlichen eine Kosten-Nutzen-Abwägung gemacht haben bei der Frage, ob sie in die Eroberung einer weiteren Provinz "investieren".
Germanien hätte sich da noch rentiert, wenn nicht die Varusschlacht so massiv die Rahmenbedingungen verändert hätte.

Sehe ich ähnlich. Das Land hatte Potential, das aber auf absehbare Zeit nicht im Entferntesten zu nutzen war. Ganz abgesehen von dem Problem die widerspenstigen und wenig geneigten Einwohner, also die Germanen zu befrieden – geschweige denn sie zu romanisieren! Der Versuch wurde gemacht, wie Secundus mit dem Hinweis auf das Heiligtum in Köln und irgendwer schon früher auf das hessische Waldgirmes gemacht hat. Der Versuch scheiterte grandios in der Erhebung des Cheruskers Arminius in der Varusschlacht. Die letzten Wehen des Germanicus haben das Scheitern dieser direkten Strategie nur noch weiter untermauert.

Selbst wenn es unter Varus nicht zum Aufstand gekommen wäre, erscheint mir Germanien auf absehbare Zeit kein Gewinn für Rom in wirtschaftlicher Hinsicht gewesen zu sein. Die Versuche des Varus die Einnahmen zu erhöhen trugen nicht unwesentlich zur Erhebung unter dem Germanen Arminius bei: Da war eine Grenze längst erreicht worden! Der zweite Hauptgrund für die Einbeziehung der Länder bis zur Elbe war bekanntlich Sicherheitspolitischer Natur, weil eine solche Grenze leichter zu kontrollieren und zu verteidigen war als die Rhein-Donau-Grenze. Aber diese Vorteile (kürzere Grenzlinie) wurden durch offensichtlich dann notwendige Kontrollmaßnahmen im Raum zwischen Elbe und Rhein mehr als nur in Frage gestellt. Die Entscheidung das Projekt aufzugeben und eine Strategie zu verfolgen wie ich sie in meinem Vorpost habe anklingen lassen erscheint mir vor diesem Hintergrund strategisch sinnvoll und Naheliegend gewesen zu sein.
 
Wie bitte????
Decebalus hat selber aktiv Rom angegriffen. Domitian musste sogar kurzfristig Tribute zahlen um Ruhe an der Grenze zu haben. Der Agressor war ganz klar Dakien.

Das hat aber nichts mit Germanien zu tun.


Erm, secundus.
Die Daker überfielen die römischen Lande. Das kennt man allerdings auch von den Germanen am Rhein. Domitian marschierte dann in Dakien ein, siegte und Decebalus wurde Klientelkönig. Dann greift Trajan 13 Jahre später Dakien an, die Festungen werden zerstört und das Land besetzt. Dabei wurden bereits die Ebenen dem römischen Staatsverbund zugeordnet.
Der zweite "Krieg" wurde dann auch von den Römern folgerichtig als "Aufstand" gewertet.
 
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