Da wir immer mehr diesen Thread zu einem Balkan Thema machen, will ich mal ein wenig die serbische Perspektive auf den griechischen Aufstand geben.

Für die Serben war es ein Schock, dass die Europäer mehr oder weniger geschlossen den Aufstand unterstützt haben. Da fehlte eigentlich nur, dass wirklich auch Preußen und vor allem Österreich Ungarn mitmachen. Für viele serbische Intellektuelle und Aufstandsführer, war es unverständlich, dass die Franzosen und Engländer den Griechen halfen, während diese zu den Osmanen im Ersten und Zweiten serbischen Aufstand hielten. Wahrscheinlich war die Ablehnung des Ersten Serbischen Aufstandes das Einzige, wo sich Napoleons Frankreich und Briten damals einig waren. Die Franzosen schickten sogar Offiziere und Truppen. Die Artillerie der Osmanen am Balkan bestand zum gut Teil aus Franzosen, 5.000 Franzosen verteidigten Sarajevo von den serbischen Rebellen 1809. Karadjordje wurde von der britischen Presse als ungehobelter bäuerlicher "Schlächter" der armen Türken (Muslime) beschrieben und die Serben als Volk ohne Kultur und von Natur aus gewalttätige und völlig kulturlose Menschen. Der Serbe stand, was die Minderwertigkeit angeht, zwischen dem Iren und dem Schwarzafrikaner. Als die serbischen Rebellen die Bevölkerung der Stadt Sijenica auslöschten (angeblich 2/3 der Bevölkerung wurde umgebracht), wurde dies in Europa mit Argwohn gesehen. Die gleichen Massaker am Peleponnes interessierten aber niemanden oder waren gerechtfertigt, weil die Osmanen so böse zu den Griechen waren.

Dasselbe auf der Gegenseite, während das Massaker von Chios die Solidarität ganz Europas und der USA auf sich zog. Niemand sich dafür, dass bestimmte Gebiete in Serbien und dem Kosovo entvölkert wurden. In Bosnien verhinderten ähnlich entvölkernde Massaker nur, dass diese nicht zu viele umbrachten, damit die Großgrundbesitzer genügend Landarbeiter hatten. Der Westen Serbiens wurde regelrecht verbrannt.
Kam aber in Westeuropa faktisch nicht vor, da sprach man nur von den von den serbischen Rebellen verwüsteten und eroberten Täler und Städten (wo die Muslime lebten).

Russland war auch kein Verbündeter nach Maß.

- Erstens machten die Russen klar, Serbien bekommt Autonomie als Höchste der Gefühle und keine Unabhängigkeit. Die Völker im Russischen Reich sollten nicht auf dumme Gedanken kommen.
- Die Russen sahen die serbischen Rebellen als Untertanen und Anhängsel, was immer wieder zu Konflikten führte. Von den Serben wurde mehr oder weniger verlangt, dass zu tun was die Russen wollten.

Den Griechen gab man gleich die Unabhängigkeit.

Österreich blieb bei den serbischen Aufständen auch neutral, obwohl die serbischen Rebellen mehr oder weniger dem Kaiser das Angebot machten, dass Serbien und Bosnien Teile der Donaumonarchie sein sollten. Karadjordje nannte sich in den Briefen an den österreichischen Kaiser, nur Verwalter von Serbien und Bosnien und serbischer Heerführer. Also mit einer hohen Autonomie, wären die Serben freiwillig Teil Österreichs geworden. Er selbst lernte das Kriegsführen als österreichischer Offizier.

Als im Jahr 1806 und 1808 Aufstände in der Vojvodina ausbrachen, verkühlt das Verhältnis erst Recht. Diese Rebellen verlangten den Anschluss an Serbien und die Aufteilung das Land der Adeligen aufgeteilt worden. Den Österreichern war klar nun, der serbische Nationalismus, der sich mit sozialen Fragen vereinigt hatte, könnte uns auch gefährlich werden.

Vieles vor allem zum Verhältnis von Großbritannien zu den Serben und Griechen beschrieb Cedomir Antic. Predrag J. Markovic beschrieb, dass die Serben noch am meisten selber erkämpft haben. Die Bulgaren vor allem von den Russen befreit worden sind. Während Griechenland von ganz Europa befreit wurde.

Vuk Karadzic meinte die Griechen hätten eine historische Dividende ausgespielt und deren mythische Bedeutung für Europa. Beflügelt davon begann er Europa zu zeigen, dass auch die Serben es verdienen einen Staat zu haben. Dies gelang mit einigen Serbofilen im deutschen Sprachraum Jakob Grimm, Goethe und Leopold von Ranke. Heute wird im Vorgeworfen er hätte alle serbokroatische Kultur, als serbisch verkauft. Das der Gegner (die Muslime) einen großen Teil der Kultur teilte, daraus machte allerdings Karadzic nie ein Geheimnis. Genauso gut kann man sagen das Türken der Kleinasiatischen Küste genauso biologische Nachfahren der antiken Griechen sind.

Im 19. Jahrhundert ging dann für die serbische Nationalbewegung einiges gut. Sowohl die Bewegung Nationalismus und Sozialismus hatten Sympathien für die bulgarische und serbische Nationalbewegung. Für die Sozialisten kämpfte ein kleines Bauernvolk gegen die muslimischen Großgrundbesitzer (natürlich waren die meisten Muslime keine Großgrundbesitzer, aber die Großgrundbesitzer bestimmten die muslimische Politik sogar im Königreich Jugoslawien). Deswegen war ganz Europa faktisch für den Herzegowina-Aufstand 1875 und für den Aprilaufstand in Bulgarien.

Im 20 und j21. Jahrhundert ist dies gekippt. Das Narrativ über den 1. serbischen Aufstand ist völlig von der serbischen Geschichtsschreibung dominiert und Karadjordje gilt heute als Freiheitskämpfer. Ich habe deutsche und englischsprachige Historiker gelesen die voller Sympathie für den Ersten Serbischen Aufstand haben, aber den Herzegowinaaufstand verteufeln. Da sieht man wieder, dass die Geschichte aus der Perspektive des Zerfalls Jugoslawiens gesehen wird. Eine Perspektive die kein Mensch des 19. Jahrhunderts hatte.

Also aus serbischer Perspektive war die große Unterstützung der Griechen sowieso unfair.
 
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