Günter Grass

ning schrieb:

Günter:cool:

In unserer Lokalzeitung stehen jetzt seit Tagen nur Verrisse von Günter Grass und seinem neuesten Werk. Der Verfasser ist immer derselbe und er kann es sich anscheinend erlauben auf Seite 3 Günter Grass Ehrlichkeit und Moral anzuzweifeln und dann auf Seite 5 ganz objektiv das Buch zu bewerten und ein Urteil darübr zu fällen. Hetze...
Der Beitrag heute war auch nicht sehr nett. Diese Heuchler.

Und gerade finde ich mit Google heraus, dass dieser Verfasser nicht mal ein kleines Lichtchen ist, sondern überregional schreibt und Bücher herausgibt.:weinen:
 
Aus der NZZ Am Sonntag vom 20. August 2006:

Der Moralist und seine Richter

Günter Grass war als 17-Jähriger Mitglied der Waffen-SS. Das späte Geständnis hat eine wilde Debatte entfacht, noch bevor man seine Autobiografie lesen konnte. Jetzt ist sie da. Von Manfred Papst

Acht Tage ist es erst her, dass die «FAZ» jenes grosse Interview mit Günter Grass publizierte, in dem der Nobelpreisträger des Jahres 1999 erstmals öffentlich zugab, als 17-Jähriger im Zweiten Weltkrieg einer Einheit der Waffen-SS angehört zu haben. Das späte Geständnis schlug ein wie eine Bombe und beschäftigt die Medien seither nahezu flächendeckend.

Denn Grass polarisiert: Während Altersgenossen des Schriftstellers wie Martin Walser, Walter Kempowski, Dieter Wellershoff oder Fritz J. Raddatz für ihren Kollegen Partei nehmen oder allenfalls massvolles Befremden über den Zeitpunkt des Geständnisses äussern, reagieren vor allem Vertreter der 68er Generation mit heftigen Vorwürfen: Grass habe sich, so lautet ihr Tenor, durch das jahrzehntelange Verschweigen seiner wahren Rolle im Dritten Reich als moralische Instanz für alle Zeiten disqualifiziert; er solle den Nobelpreis sowie die Ehrenbürgerschaft der Stadt Danzig zurückgeben und fortan schweigen. Etliche Kommentatoren versteigen sich sogar zu der - vorab ihre eigene Gesinnung verratenden - Behauptung, die Selbstbezichtigung sei eine blosse PR-Massnahme zur Lancierung der Grassschen Autobiografie «Das Häuten der Zwiebel» (Verlag Steidl, 480 S., Fr. 39.90), die für den 1. 9. angekündigt war, nach dem Rummel der letzten Tage aber bereits in den Buchhandlungen liegt.

Hier gilt es einiges richtigzustellen. Als das «FAZ»-Interview erschien, hatte der Verlag bereits mehrere hundert Leseexemplare des Buches verschickt, und kein Rezensent hatte sich mit dem Hinweis zu Wort gemeldet, hier liege ein hochexplosiver Stoff vor. Den publizistischen Coup hat also weder der Autor gelandet noch der Verlag, sondern einmal mehr der in solchen Dingen höchst gewiefte «FAZ»-Herausgeber Frank Schirrmacher, der zusammen mit Hubert Spiegel das Interview führte. Im gedruckten Gespräch spielt das Thema Waffen-SS denn auch eine weit grössere Rolle als im Buch selbst, wo es auf den Seiten 125 ff. relativ knapp abgehandelt wird.

Als die Stunde der Grass-Richter schlug, hatte kaum einer der Empörten das Buch gelesen, und je ahnungsloser die Kommentatoren waren, desto heftiger prügelten sie auf den Autor ein. So schrieb «Tages-Anzeiger»-Chefredaktor Peter Hartmeier, Grass habe «über Jahrzehnte hinweg mit einer Lebenslüge gelebt» und «die Nazivergangenheit seines Landes zum Thema seines politischen Lebens» gemacht, «ohne aber auch nur anzudeuten, selber in das teuflische System verstrickt gewesen zu sein». Hartmeier weiss offenbar nicht, dass Grass stets in aller Deutlichkeit bekannt hat, damals der Hitlerei mit Haut und Haar verfallen gewesen zu sein und bis zuletzt an den Endsieg geglaubt zu haben.


Quälendes Rätsel

Es geht also nicht darum, dass einer, der sich bisher als Widerstandskämpfer ausgegeben hätte, nun als Nazi enttarnt worden wäre. Vielmehr hat ein damals 17-Jähriger, von dem man bisher annahm, er sei bloss Flakhelfer gewesen und in der letzten Kriegsphase zur Wehrmacht eingezogen worden, sich in jugendlichem Abenteuer-Wahn zur U-Boot-Truppe gemeldet, ist dort aber nicht angenommen worden. Stattdessen wurde er im September 1944 in die bereits zerfallende Waffen-SS einberufen, zum Panzerschützen ausgebildet, nach Schlesien verlegt und bei einer der ersten «Feindberührungen» in der Lausitz im April 1945 verwundet.


Kaum ein Kritiker macht Grass aus dem, was er damals getan hat, einen Vorwurf. Vielmehr geht es darum, wie der Autor später mit seiner Geschichte umgegangen ist - zumal er nach 1960 zum prominentesten Kritiker jeglicher Schuldverdrängung wurde. Er hätte manche Gelegenheit gehabt, die ganze Wahrheit zu sagen, und es hätte ihm und Deutschland gut getan. Weshalb er es nicht über sich gebracht hat, ist ihm, wie er am 17. 8. im ARD-Gespräch mit Ulrich Wickert kleinlaut beteuert hat, selbst ein quälendes Rätsel.


Erzähler oder Oberlehrer

Dass Grass' Autorität durch die Affäre Schaden genommen hat, steht ausser Frage. Die SS-Runen kleben nun an seinem Namen. Andererseits scheint es so zu sein, dass gerade die uneingestandene Schuld jahrzehntelang der geheime Motor seines Werkes war. Die Novelle «Katz und Maus» etwa verdankt sich, wie Peter von Matt zeigt, bis ins Detail diesem Antrieb. Auch die Autobiografie, die in zögerlicher Selbstvergewisserung die Jahre vom Kriegsbeginn bis zum Erscheinen der «Blechtrommel» 1959 nachzeichnet, kreist um die Frage von Schuld und Verdrängung. Sie tut dies allerdings nicht nur in Demut, sondern immer wieder mit relativierender, gar auftrumpfender Gebärde, und darin liegt ein Problem.

Auf die Karte der Weltliteratur eingetragen hat Grass sich mit seiner frühen Lyrik, mit der «Danziger Trilogie», dem «Butt» und dem «Treffen in Telgte». Seit 1979 ist ihm kein erzählerisches Werk mehr so recht gelungen. In dem Masse aber, wie die ungebärdige, sinnliche Erfindungskraft ihn verliess, verlegte sich Grass auf die Rolle des politischen und moralischen Mahners. Aus dem Fabulierer wurde ein oft kleinlicher, mit aller Welt hadernder Besserwisser. Dass Grass es gegenüber der «FAZ» nicht lassen konnte, die Spiessigkeit der Adenauer-Ära schlimmer als die der Nazizeit zu finden und den amerikanischen Befreiern von 1945 einen Rassismus vorzuhalten, der ihm zuvor nicht aufgefallen war, zeugt von niedrigen Instinkten. Sie beeinträchtigen seit Jahr und Tag eine grandiose erzählerische Potenz - und auch Grass' neues Buch. Einmal mehr stehen neben meisterlichen Passagen solche, die von Eitelkeit und Rechthaberei geprägt sind. Das ist schade, aber kein Grund zur Häme. Dem Autor der «Blechtrommel» gebührt allemal Respekt.
 
Gestern war in der WELT folgendes Interview zu lesen. Dassselbe Interview mit Daniel Goldhagen findet sich auch auf der WELT-Homepage, allerdings sind die Fragen ausführlicher gestellt. In der gedruckten Ausgabe scheint das alles ein bisschen aus dem Kontext gefallen zu sein, wahrscheinlich um Platz zu sparen.

http://www.welt.de/data/2006/08/19/1003653.html

Hat Günter Grass "geheuchelt"? Er hat ja nicht gelogen, oder etwas falsches gesagt....
 
Darüber, dass Grass nicht (wie von vielen angenommen) in der Wehrmacht, sondern der SS war, kann sich wohl nur aufregen, wer nicht der Meinung ist, dass die Wehrmacht auch eine Verbrecherbande bzw. Teil der Nazibande war.
 
Darüber, dass Grass nicht (wie von vielen angenommen) in der Wehrmacht, sondern der SS war, kann sich wohl nur aufregen, wer nicht der Meinung ist, dass die Wehrmacht auch eine Verbrecherbande bzw. Teil der Nazibande war.

Da haben wir jetzt genau das Problem der "Wehrmachtsausstellung" (die ich in der ersten wie zweiten Auflage recht gelungen fand). Nämlich die ihr vorgeworfene Generalisierung - wobei natürlich die am lautesten geschrieen haben, die am meisten Dreck am Stecken hatten, bzw. diejenigen, die am ehesten Sympathie für die mit dem Dreck am Stecken zeigten.
Es ist unzweifelhaft so, dass es aus der OHL verbrecherische Befehle gab und diese auch ausgeführt wurden (über die Dynamik lasse ich mich hier jetzt mal nicht aus). Es ist sicher auch unzweifelhaft so, dass eine Armee, die für ein verbrecherisches Regime einen Vernichtungskrieg führt, kaum sauber bleiben kann. Trotzdem kann man die Wehrmacht kaum als Verbrecher- oder Nazibande bezeichnen. Das wird den tausenden Soldaten, die das Glück hatten, das ihre Einheiten sich nicht an verbrecherischen Befehlen (also jenseits von Kampfhandlungen) beteiligen mussten (der einzelne Soldat konnte befohlenen Mord an Zivilisten verweigern!) und die eingezogen worden waren, nicht gerecht.
 
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Darüber, dass Grass nicht (wie von vielen angenommen) in der Wehrmacht, sondern der SS war, kann sich wohl nur aufregen, wer nicht der Meinung ist, dass die Wehrmacht auch eine Verbrecherbande bzw. Teil der Nazibande war.


Erstens mal ist das Geschichtsforum nicht der Platz für derartig pauschale und demagogische Unterstellungen (Wehrmacht = Verbrecherbande), zweitens regt sich niemand über die Tatsache auf, dass Grass als Teenie bei der Waffen-SS war, sondern dass er dies jahrzehntelang verschwiegen hat, obwohl er gern als öffentliches Gewissen aufgetreten ist.
 
Als Neuling hier will ich mir nicht im Geringsten anmaßen, darüber zu befinden, was hierher gehört und was nicht. Zu meiner Rechtfertigung möchte ich aber anmerken:
1. Die Diskussion über Grass hier (die nicht von mir initiiert wurde) scheint mir schon darauf hinzudeuten, dass hier nicht nur Informations-, sondern auch Meinungsaustausch seinen Platz haben darf.
2. Was wäre daran besser gewesen, wenn Grass nicht in der Waffen-SS, sondern, wie von ihm angestrebt, in der Marine gewesen und dort, wie er sagt, keinen Schuss abgegeben hätte (was Quijote vermutlich in etwa unter "sauber geblieben" verstehen würde)? Dass er am Krieg beteiligt war, hat er nie bestritten.
3. Wie sonst soll man Leute bezeichnen, die gemeinsam und schwer bewaffnet ihre Nachbarn überfallen, sie umbringen und ausrauben, wenn nicht als Verbrecherbande (wobei ich nicht verkenne, dass nicht alle gleich freiwillig Mitglieder waren)? Ist da nicht eher das von "Kampfhandlungen" Reden demagogische Verharmlosung? Und weshalb soll nur das Umbringen von so genannten Zivilisten verwerflich sein und das von Uniformierten nicht? Ist ein Bankräuber nur dann ein Verbrecher, wenn er einen Bankmitarbeiter und nicht, wenn er einen Polizeibeamten umbringt?
 
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Du kannst doch nicht eine ganze Armee wie die Wehrmacht einfach als Verbrecherbande abhaken, das hat absolut nichts mit der Realität zu tun und ich finde es garnicht nett das du unser aller Großväter als Verbrecher behandeltst.. So jetzt zum eigentlichen Thema: Ich kann durchaus verstehen das er damit solange gewartet hat, wenn man mal bedenkt wie sehr man durch sowas in Deutschland in verruf geraten kann.Allerdings finde ich es jetzt noch schlechter das er früher immer über alle Waffen SS Angehörigen hergezogen ist, also über seine ehemaligen Kameraden.Das sollte er nicht tun, frei nach dem Motto wer im Glashaus sitz.... Aber das einige ihn dafür verurteilen das er bei der Waffen SS war und ihm sogar Preise deswegen wegnehmen wollen finde ich etwas arg unfair, schließlich hat seine Jugend nix damit zu tun was er während seiner späteren Karriere so geschrieben hat.
 
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