Bernsteins Thesen sind übrigens widerlegt. (Vgl. Axel Schildt: Zur Historisierung des langen November, in: Alexander Gallus (Hrsg.): Die vergessene Revolution, Göttingen 2010, S. 227.; Eberhard Kolb: 1918/19: Die steckengebliebene Revolution, in: Carola Stern/ Heinrich A. Winkler (Hrsg.): Wendepunkte deutscher Geschichte 1918-1945, Frankfurt am Main 1979, S. 89.)
Interessant, wie man die Thesen von Bernstein widerlegen kann. Kautsky hat ihnen widersprochen, aber sicherlich nicht widerlegt.
Wie kann man Bernstein "widerlegen" angesichts des empirisch vorhandenen Erfolgs des sozialdemokratisch geprägten Sozialstaatsmodells in der Weimarer Republik bzw. in der Bundesrepublik?
Das Programm der Sozialdemokratie, die sich theoretisch auf ihn u.a. berufen hat, war insgesamt sehr erfolgreich und hat mit Beginn der Weimarer Republik und dann in der Bundesrepublik u..a. zu einer erhöhten Aufwärtsmobilität aus dem Proletariat bzw. der Arbeitschicht geführt, und damit die Forderung nach "Wissen ist Macht" - eine zentrale Prämisse der proletarischen Bildungseinrichtungen - erfüllt. Ein Arbeiterkind ist via zweiter Bildungsweg Bundeskanzler geworden.
Ansonsten bezog sich meine Erinnerung an Bernstein z.B. auf sein Buch "Evolutionärer Sozialismus", in dem er sich - unter anderem - gegen die Vorstellung ausspricht, dass der Zusammenbruch des kapitalistischen Systems, wie bei Marx&Engels im "Kommunistischen Manifest" , betont, zur sinnvollen Ausgangsbasis für die Übernahme der Macht durch das Proletariat führt.
Und dieser These ist mit der oben ufgeführten Literatur widersprochen worden? Na denn, ich kann es nicht nachprüfen und Waldi61 hat wenig inhaltlich dazu gesagt
Im Kern schreibt Bernstein (ich habe nur eine englische Version vorliegen): "I have denied it and deny it again, because in my judgement a greater security for lasting succes lies in steady advance than in the possibilities offered by a catastrophic crash." (ebd. Pos. 82)
Und nach der Revolution:
"Das Volk werde die Regierung nach ihren »Wirkungen« beurteilen, und wenn es mit den Leistungen nicht zufrieden sei, werde es auch diese Regierung früher oder später stürzen. Das entscheidende Bewertungskriterium ergebe sich aus der Tatsache, dass das Volk »vor allem leben« wolle; ob also »unter der neuen Regierung die Volkswirtschaft eine gute Entwicklung nimmt«, sei der ausschlaggebende Maßstab für die Qualität der Regierung. Es gebe nun, nach der erfolgten Änderung der Staatsform, die Alternative zwischen einer destruktiven »Gewaltpolitik der Volkswirtschaft gegenüber« nach russischem Vorbild oder einer konstruktiven Politik, die »systematisch und konsequent, schrittweise und organisch das Sozialisierungswerk betreiben« werde. Das bolschewistische Experiment in Russland habe den Kapitalismus dort nicht unschädlich gemacht, sondern nur außerstande gesetzt, seine volkswirtschaftlichen Funktionen zu erfüllen, Funktionen, die dem Kapitalismus von Marx und Engels ausdrücklich zuerkannt worden seien. Mit statistischem Zahlenmaterial belegt er nun den enormen Rückgang der russischen Staatseinnahmen, um mit Bebel eine Grundwahrheit der bürgerlichen Wirtschaft zu verkünden: »Wo kein Profit ist, raucht kein Schornstein.« Neben dem Profit müsse aber in der komplexen, stark durch Vorausplanung und Zulieferverpflichtungen geprägten modernen Wirtschaft unbedingte »Sicherheit im Rechtszustand« bestehen. Deshalb sei die erste Aufgabe der Revolution die Herstellung der Rechtssicherheit-" (Teresa Löwe: Der Politiker Eduard Bernstein : eine Untersuchung zu seinem politischen Wirken in der Frühphase der Weimarer Republik 1918 - 1924, Bonn, 2000, S. 68)
Und die Begründung für seine Haltung liegt in der Anerkennung, dass es "Managerial-Skills" bedarf, um eine Volkswirtschaft - unter der Ägide des Proletariats - zu leiten. Ohne diese Kompetenz führt die Entwicklung in die politische Katastrophe. Und darauf bezog sich mein Hinweis auf die "Maschinenstürmerei".