Helvetiereinöde

Der Name des römischen Gutshofs ist nicht überliefert, es geht hier um mögliche Deutungen des Ortsnamens Grenzach (Ersterwähnung 1275: Crenzach). Die Lage an der Deutsch-Schweizer Grenze scheidet jedenfalls aus.

Wiki macht a) aus einer Deutungsmöglichkeit eine gesicherte Tatsache und erklärt b) den römischen Namen zum "keltischen" Namen, was so nicht stimmt: Das Ableitungssuffix entstammt zwar dem Gallischen (*-akon), kam aber in latinisierter Form (-iacum) in römischer Zeit sehr in Mode und wurde offensichtlich von einer lateinischsprechenden Bevölkerung zur Namenbildung genutzt.
 
Also hier steht:

Grenzach geht vermutlich auf zwei "Carantiacum" genannte Siedlungsstellen der Römerzeit zurück, eine Siedlungskontinuität ist jedoch nicht nachgewiesen.​



hier wird im Vergleich zu vielen anderen Orten in Frankreich der gleiche Ursprung vermutet:

Die beiden nachgewiesenen größeren römischen Niederlassungen auf der Gemarkung Grenzach ließen nun an einen römischen -acum-Namen denken. Dieses -acum wurde einst an den Namen eines Römers angehängt und bezeichnete dann dessen Landgut.​
Um die These von der römischen Herkunft des Ortsnamens Grenzach zu beweisen, musste nun ein Personenname nachgewiesen werden, der mit der Endung -acum die Urform des Namens ergeben könnte.​
Zum Glück fand sich ein solcher Personenname, nämlich Carantius, der durch die Endung -acum zu Carantiacum (Gut des Carantius) wurde. Diese von den Alemannen übernommene Ortsbezeichnung veränderte sich zwischen 750 und 135O durch verschiedene sprachliche Veränderungen völlig lautgesetzlich zu „Cherenzach“ und dann zu „Chrenzach“, (gesprochen: „Chränzech“), womit man bei der heutigen mundartlichen Form des Ortsnamens angelangt ist.​
Auf dieses Carantiacum gehen 15 französische Ortsnamen zurück, wie beispielsweise Carancy und Charancieux.​



hier findet sich etwas zu den römischen Niederlassungen:

Mit dem Museum „Römervilla" besitzt die Gemeinde​
Grenzach-Wyhlen ein hervorragendes Zeugnis ihrer​
Geschichte, eine sichtbare Ergänzung der Namensüberlieferung,​
die in beiden Ortsteilen ebenfalls bis in die​
römische Zeit zurückführt (Wyhlen = bei den „Villen",​
Grenzach = „Carantiacum").​

https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/nbdpfbw/article/view/13912/7796 (PDF-Download)

Aber sämtliche Seiten liefern keinen Beleg für einen aus der Antike überlieferten Ortsnamen, sei es aus der Literatur, Karten, Itinerarien oder Meilensteine etc.). Es geht nur um den Erstbeleg von 1275 und die vorhandenen römischen Gutshöfe. Nur aus dem Erstbeleg wird ein römischer Ortsname rekonstruiert.


Die Deutung ist unklar, es gibt mehrere Möglichkeiten. (Und die schließen sich aus lautlichen Gründen gegenseitig aus, das hätte mir eigentlich gleich auffallen müssen.) Ich halte Carantiacum für die wahrscheinlichere Möglichkeit; der Personenname Carantus ist in der Region öfter bezeugt.

Jetzt glaube ich zu vestehen: die Seite Leo-BW gibt zwei alternative Möglichkeiten an (einmal der lateinische Carantus und alternativ der germanische Granzo), wobei Carantus und Granzo miteinander nichts zu tun haben.


Sei es wie es sei - hier gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Siedlungskontinuität seit der Keltenzeit mit Übernahme des Carantus (ist das ein keltischer Name?) und später Latinisierung und Übergang ins Deutsche. Dann wären aber keltische Funde oder Befunde nicht ganz schlecht, um die Theorie zu stützen.

Neubesiedlung in römischer Zeit mit Carantus in der Einöde (ohne Vorbevölkerung) als Namensgeber und spätere Übernahme des Namens in Deutsche

Neubesiedlung in alemannischer Zeit in der Einöde (ohne Vorbevölkerung) mit Granzo als Namenspatron


Nachtrag (s. gerade erst den neuen Beitrag von Sepi):
erklärt b) den römischen Namen zum "keltischen" Namen, was so nicht stimmt:

Ist denn überhaupt der Name Carantus keltisch, wenn auch latinisiert?


Nachtrag 2:

hier steht etwas zum Carantus:

* Der Name Carantus könnte von einem keltischen Idiom (karn, kymrisch carn) abgeleitet sein und ‚​
Steinwall, Steinbau, Steinstadt, Siedlung am Fels oder am Stein bedeuten. Zur selben Wurzel gehören​
auch Karnburg, Karawanken , karnische Alpen und ähnliche Namen. Es gibt auch im​
Rätoromanischen ein Wort caranto für dürren und harten Boden.​
Der Name könnte aber möglicherweise auf den slawischen Stamm der Carantani zurück gehen, deren​
Name zuerst in der Kosmographie des anonymen Ravennaten (um 700) belegt ist. Da werden sie als​
östliche Nachbarn der Bajuwaren (Boier) an der Grenze Italiens angeführt (IV 37)-- Kärnten. Paulus​
Diaconus erwähnt dann in seiner Langobardengeschichte die „Sclavorum gens in Carnuntum, quod​
corrupte vocitant Carantanum“ (V 22: „der Stamm der Slawen in Carnuntum, das sie entstellend​
Carantanum nennen“) für das Jahr 663. Eine weitere Möglichkeit ist die Herkunft aus Carantiacum​
(Gut des Carantius), heute Grenzach –Wyhlen am Hochrhein.​
Die Bedeutung des Namens Carantani ist unklar, es gibt zwei Namensdeutungen: Da wäre das​
keltische carant- ('liebend', also Freund, - sinngemäß auch Verbündeter), von dem etwa die​
Personennamen Carantius und Carantia in der Römerzeit abgeleitet sind. Eine weitere Möglichkeit​
sind die Karnuten (Carnutes, auch Carnuti oder Carnuten) sie waren ein gallisches Volk zwischen Liger​
(Loire) und Sequana (Seine) mit den Hauptorten Autricum (Chartres), später romanisiert und evtl. im​
Dekumatland, „Helvetische-Einöde“, (Neckargebiet) angesiedelt.​
Der Familienname Caranto/Carantus ist auch von einem älteren Grabstein aus Heidelberg-​
Neuenheim, einem älteren Stationierungsort der 24.Kohorte bekannt, sowie von einem Glasmacher​
aus Straßburg. Weitere Nennungen sind ein Töpfer in Ittenweiler(Elsass) und ein Grabstein in Speyer.​
Caratacus (Silurer/Wales/Cardiff) war ein britischer König und Carantacus ein frühchristlicher,​
keltischer Bischoff.​

 
Allerding ist die Helvetiereinöde ist doch +/- 100 v. Chr. entstanden, also vor dem Gallischen Krieg, der dafür nicht ursächlich gewesen sein kann.
Doch, sehr wohl. Wir haben ja sowohl die stückweise Eroberung der iberischen Halbinsel als auch die römische Beherrschung des westlichen Mittelmeers. Das kann sich sehr wohl auf die gallischen Absatzmärkte ausgewirkt haben. Es wäre eine wirtschaftliche Schwächung denkbar, noch vor der römischen Eroberung Galliens. Es waren ja auch Absatzmärkte in Norditalien, im Donau- und im Alpenraum betroffen.
 
Doch, sehr wohl. Wir haben ja sowohl die stückweise Eroberung der iberischen Halbinsel als auch die römische Beherrschung des westlichen Mittelmeers. Das kann sich sehr wohl auf die gallischen Absatzmärkte ausgewirkt haben. Es wäre eine wirtschaftliche Schwächung denkbar, noch vor der römischen Eroberung Galliens. Es waren ja auch Absatzmärkte in Norditalien, im Donau- und im Alpenraum betroffen.

Das würde dann aber die Oppida im nicht-römischen Gallien aber genauso betreffen. Eher würde ich den Durchzug der Kimbern und Teutonen durch das Gebiet der späteren Einöde als Ursache vermuten.

Hier noch die Karte Galliens vor den Eroberungen durch Caesar - in Gelb der römische Herrschaftsbereich:

1739093134242.png
 
Zuletzt bearbeitet:
Das meine ich ja. Dass die sehr bedeutende Eisenerzproduktion im Siegerland fast aufhörte, ist für mich ein indirektes Zeichen veränderter Absatzbedingungen.
Wir wissen leider sehr wenig über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im nicht-römischen Gallien des 2. und 1. Jh. vor Chr.
 
Wir haben bei den Kelten in Deutschland zwei Phänomene zu betrachten. Flächen in den Oppida, welche durch die Murus Gallicus geschützt waren, werden weniger urban und stattdessen landwirtschaftlich genutzt. Das war ein schleichender Prozess.
Zudem haben wir die Aufgabe der Oppida im heutigen Deutschland, was dann nur kurze Zeit in Anspruch nahm. Ich habe schon für Tschechien geschrieben, dasss für die Aufgabe der dortigen Oppida deutlich spätere Zeiten als 100 vuZ angesetzt werden.

Kelten, Germanen und Gallier.

Für Staffelstein in Oberfranken wird eine Aufgabe des dortigen Oppidums für die Zeit von 40 vuZ bis 30 vuZ angenommen.

wiki schrieb:
Die Siedlung wurde um 40/30 v. Chr. aufgegeben, als die keltischen Gesellschaften durch größere Bevölkerungsverschiebungen in Zentraleuropa und schließlich durch die römische Eroberung Gallliens unter Gaius Julius Caesar in eine tiefe Krise geraten waren. Durch den Zusammenbruch der Handelsnetzwerke in dieser Zeit scheint es für die keltische Oberschicht finanziell nicht mehr möglich gewesen zu sein, größere Siedlungen zu beherrschen und zu verwalten. Dazu passend zeigt auch der archäologische Befund auf dem Staffelberg, dass das dortige Oppidum von seinen Bewohnern friedlich verlassen wurde, ohne dass ein kriegerischer Angriff von außen dafür verantwortlich war. Die Befestigungstore wurden zwar abgebrannt, doch erfolgte dies entweder absichtlich bei der planmäßigen Aufgabe der Siedlung oder durch spätere Plünderer, die auf dem bereits verlassenen Berg nach Wertgegenständen suchten.

Oppidum auf dem Staffelberg – Wikipedia

Das eine ist eine Reduzierung der Einwohnerzahl und das andere ist die Aufgabe des Siedlungsplatzes.
 
Ist denn überhaupt der Name Carantus keltisch, wenn auch latinisiert?


Nachtrag 2:

hier steht etwas zum Carantus:

* Der Name Carantus könnte von einem keltischen Idiom (karn, kymrisch carn) abgeleitet sein und ‚​
Steinwall, Steinbau, Steinstadt, Siedlung am Fels oder am Stein bedeuten. Zur selben Wurzel gehören​
auch Karnburg, Karawanken , karnische Alpen und ähnliche Namen. Es gibt auch im​
Rätoromanischen ein Wort caranto für dürren und harten Boden.​
Der Name könnte aber möglicherweise auf den slawischen Stamm der Carantani zurück gehen, deren​
Name zuerst in der Kosmographie des anonymen Ravennaten (um 700) belegt ist. Da werden sie als​
östliche Nachbarn der Bajuwaren (Boier) an der Grenze Italiens angeführt (IV 37)-- Kärnten. Paulus​
Diaconus erwähnt dann in seiner Langobardengeschichte die „Sclavorum gens in Carnuntum, quod​
corrupte vocitant Carantanum“ (V 22: „der Stamm der Slawen in Carnuntum, das sie entstellend​
Carantanum nennen“) für das Jahr 663. Eine weitere Möglichkeit ist die Herkunft aus Carantiacum​
(Gut des Carantius), heute Grenzach –Wyhlen am Hochrhein.​
Die Bedeutung des Namens Carantani ist unklar, es gibt zwei Namensdeutungen: Da wäre das​
keltische carant- ('liebend', also Freund, - sinngemäß auch Verbündeter), von dem etwa die​
Personennamen Carantius und Carantia in der Römerzeit abgeleitet sind. Eine weitere Möglichkeit​
sind die Karnuten (Carnutes, auch Carnuti oder Carnuten) sie waren ein gallisches Volk zwischen Liger​
(Loire) und Sequana (Seine) mit den Hauptorten Autricum (Chartres), später romanisiert und evtl. im​
Dekumatland, „Helvetische-Einöde“, (Neckargebiet) angesiedelt.​
Der Familienname Caranto/Carantus ist auch von einem älteren Grabstein aus Heidelberg-​
Neuenheim, einem älteren Stationierungsort der 24.Kohorte bekannt, sowie von einem Glasmacher​
aus Straßburg. Weitere Nennungen sind ein Töpfer in Ittenweiler(Elsass) und ein Grabstein in Speyer.​
Caratacus (Silurer/Wales/Cardiff) war ein britischer König und Carantacus ein frühchristlicher,​
keltischer Bischoff.​

Zu Carantus kelt. Freund *karant(o) aus der Wurzel "lieb(en)" hast du schon einiges geschrieben. Ergänzend: es findet sich in zahlreichen keltischen Personennamen wie Carantacus, Carantia, Carantiana, Carantillus, Carantius und Carantodius. Als Ortsnamen Carantomagus und Flussnamen der Charente Carantonus. (Bernhard Maier, kleines lexikon keltischer Namen und Wörter)

Zur Helvetiereinöde: bitte nicht zu großzügig mit iner geographischen und zeitlichen Einordnung umgehen. Das Ende des hessischenDünsberg-Oppidums wird mit der Übersiedlung linksrheinisch während der zweiten Statthalterzeit von Agrippa verortet, d.h. erst 19 v.Chr. - der große Silbermünzenfund aus überprägten gallischen Silberobolen aus dem Heidetränkoppdum stammt aus einer Zeit vom Ende des gallischen Eroberungskrieges in der Mitte des 1.Jahrhunderts BC. Die Helvetiereinöde bezeichnet meines Wissens den südwestdeutschen Raum südlich des Mains, bei Cäsar zwischen Rhein, Main und Hercynischen Wald - letzterer als Grenze zu den Boiern (Tacitus, Germania 28,2).
Ein ökonomischer Zusammenbruch wegen des gallischen Kriegs oder den Kimbernzügen ist nicht deckungsgleich mit allen nachweisbaren Veränderungen zu bringen. Der Ausbau der Befestigung von Manching mit einem Murus Gallicus liegt weit davor, die zweite Stadtmauer als Pfostenschlitzmauer könnte zeitlich im Zusammenhang mit den Kimbernzügen stehen. Der letzte Amphorenfund in Manching ist in meiner Erinnerung um 70 vor Chr. datiert. Alle Siedlungsfunde (z.B. Verfall von Bauwerken, Nutzung von Recyclingmaterial etc. deuten auf sinkende Bevölkerung und wirtschafltichen Niedergang hin. In dem Band "Süddeutschland im Spannungsfeld von Kelten, Germanen und Römern" (Sabine Riekhoff, 1995) bringt genannte Autorin die Abwanderung von Manching und Bayern mit der bei Cäsar erwähnten Boiern im Helvetierauszug in Verbindung (Caes.b.g.1,5). In diesem älteren Band wird für die Helvetier-Einöde in Baden-Württemberg konstatiert (Riekhoff erwähnt als Zentrum das fruchtbare mittlere Neckarland), dass Funde aus Latène D2b nicht bekannt geworden wären. Sie zitiert Fischer/Heiligmann, 1991 mit den Worten, dass sich "vom Oberrhental bis zum Nördlinger Ries die "Siedlungskontinuität aus der Spätlatènezeit bis zur römischen Okkupation in archäologischen Quellen nicht fassen lässt" (S.198). Diesen älteren Forschungsstand zu ergänzen oder zu überprüfen ist sicher eine gute Sache für das von sepiola erwähnte Forschungsprojekt.
 
Ergänzend zu meinem letzten Beitrag:
Fernhandel Manching: ab ca 80 v.Chr. erfolgt ein rigider Rückgang des Weinimports und ein Einschnitt der Fernkontakte - dies kann mit der Abwanderung der Helvetier zusammenhängen - wichtig war der Transport der Amphoren über Rhone, Saône sowie Doubs und die Burgundische Pforte zum Oppidum Basel-Gasfabrik: https://www.basel-gasfabrik.ch/media/jbab95_amphoren.pdf
Zum Thema Siedlungsabbruch aus M.Nick 2005 - Gabe, Opfer, Zahlungsmittel (S.242):
1.oberrheinische Siedlungen enden 120 bis 90 v.Chr., aber nicht gleichzeitig
2. die Siedlungen im östlichen Baden-Württemberg brechen etwas später, jedoch ebenfalls nicht gleichzeitig ab
3. die Besiedlung der bayrischen Siedlungen endete als letzte nach der Mitte des ersten Jahrhunderts v.Chr. (Manching 40 v.Chr.)
4. am Alpenrand gibt es Siedlungen mit Kontunuität bis zur römischen Okkupation 15 v.Chr. (z.B. Karlstein)
5. Heidetränke in Hessen brach um die Mitte des 1.Jahrhunderts BC ab, gleichzeitig jedoch intensive Siedlungstätigkeit im Dünsbergoppidum bis ca. 15 v.Chr.
6. am Oberrhein und Hochrhein entstehen neue Siedlungen, die bis in römische Zeit reichen z.B. Basel-Münsterhügel
Zum Thema Münzgebrauch stellt M.Nick fest (S.249): im zweiten Viertel des letzten Jahrhunderts v.Chr. fand in Südwestdeutschland kein Münzgebrauch mehr statt (Nachweis auch anhand des Sequanerpotins) - in Bayern waren zu dieser Zeit Regenbogenschüsselchen II D in Benutzung. Die zeitgleichen Silberquinare aus der Schweiz erreichen Süddeutschland nicht mehr (NINNO- und Büschelquinare) -
der Kontakt war zwischen beiden Regionen weitgehend abgebrochen. M.Nick schließt ,dass über Münzhorizonte keine ethnischen Einheiten fassen lassen, und diese über eine Besiedlung Südwestdeutschlands druch Helvetier keine Aussage treffen können - als Beispiel führt er Münzhorizonte von Kirchzarten-Rotacker (Tarodunum) an, die enge Beziehungen zu Ostfrankreich und der Westschweiz hätten, und damit auch die Sequaner und Rauriccer mit ähnlichem Münzsystem (Silberquinare und Potinmünzen) in eine ethnische Deutung mit einbezogen werden müssten.
Zur Ursache des Niedergangs: M.Nick neigt dazu, die Ursache in Strukturproblemen (mangelnder Institutionalisierung) der Oppidakultur selbst zu suchen, äußere (kriegerische) Ursachen als keine befriedigende Erklärung liefernd einzustufen. Warum jedoch der Fernkontakt zusammenbrach, bleibt eine Forschungslücke, denn der Weinimport nach Gallien setzte sich bis zur römischen Okkupation fort. Und warum blieb die Route über Altenburg-Rheinau nach Manching weiter bestehen, während die Verbindung in die Nordschweiz und die Burgundische Pforte abbrach?
 
Eine Frage zum Thema drängt sich mir schon länger auf:

Wie gesichert sind eigentlich die Datierungen der Funde der Oppidakultur?

Zumindest hier im hessischen Raum haben wir eine ganze Reihe von Ringwallanlagen, Fliehburgen oder Oppida, die irgendwann vor ca. 100 Jahren vom lokalen Dorfschullehrer mal ergraben wurden und wo es seit dem keine nennenswerten Nachuntersuchungen mehr gab.

Da kann man schon mal die Zuverlässigkeit der Datierungen in Frage stellen.
Wurde da nicht so manches mittels Zirkelschluss datiert? "Da wir wissen, aus welcher Periode die Funde stammen, datieren wir sie auch dahin?"
Womit wir dann wieder gleich auch die Datierung der Periode bestätigt hätten?

Beim Thema Dünsberg wurde lange argumentiert, dass die römischen Funde zwingend nicht älter sein konnten als 12 v.u.Z. (Drusus).
Inzwischen hat man bei Limburg ein Römerlager aus der Zeit von Caesars Gallienfeldzug entdeckt, was zumindest die vage Möglichkeit eröffnet, dass die Dünsbergfunde älter sein könnten.
 
Gerade in Hessen haben wir z.B. etliche Münzfunde die rine fortbestehende Handelstätigkeit belegen, z.B. der traurige Restbestand aus dem Goldfund von Mardorf im Ebsdorfer Grund, vom 22.03.1880:
 
Ja klar, aber können wir die keltischen Münzen viel genauer als +/- 50 Jahre datieren?
Nein, wahrscheinlich nicht. Aber wir können sie sie quantitativ einordnen. Und da gibt es im Fundspektrum auffallende Unterschiede.

Mir erscheinen zwei Dinge wichtig: Die Münzen sind, wie Du erläutert hast, schwierig chronologisch einzuordnen, anders als bei römischen Münzen. Und sie sind seltener, an Handelsorten aber gehäuft.

Zugleich sind die Prägestempel oft gut zu identifizieren, was Aussagen über die Münzstätte ermöglicht.

Der Autor macht aber klare Aussagen zur Chronologie,die uns bei vielen keltischen Münzen sonst nicht möglich sind.

"J. Schulze-Forster und D. Wigg haben auf weitreichende chronologische und siedlungs-
geschichtliche Folgerungen aufmerksam gemacht14. Der Münzumlauf des Dünsbergs ist hierbei von besonderer Bedeutung, weil er über das Ende der anderen rechtsrheinischen Oppida hinausgeht."

"Von besonderer Bedeutung ist ein absolutchronologischer Hinweis. Das Motiv des "Vogelmännchen" läßt sich auf
einen römischen Denar des M. Serveilius zurückführen (Crawf. 327), der nach M. Crawford in das Jahr 100 v.Chr. datiert.
Der Nauheimer Typ gehört demnach in die erste Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrhunderts. Regionaler
Schwerpunkt des Umlaufs sind Wetterau und Taunus mit Verbindungen zur süddeutschen Oppidakultur (Manching, Raum Kelheim, Stöffling) und bis nach Stradonitz (Abb. 3)."

"Die kennzeichnende Fundmünze des Dünsbergs sind die Quinare "mit tanzendem Männlein" (dlT 9396; Forrer 351; Scheers 57). Etwa jede zweite Münze gehört diesem Typ an. Umso auffälliger ist die Tatsache, daß das Heidetränke-Oppidum an diesem Umlauf praktisch keinen Anteil hat 17 . Dagegen setzen die Funde jenseits des Schiefergebirges in Westfalen wieder ein. Enge Analogien zum Dünsberg weisen besonders die zahlreichen Münzen aus Lünen-Beckinghausen auf. Die "kelto-germanischen Silberstücke" des Nauheimer Typs und des "tanzenden Männleins", die man seit Forrer und Behrens immer eng zusammen betrachtet hatte ("Wangionenmünzen")18 , dividieren sich auf diese Weise deutlich auseinander."
 
Zuletzt bearbeitet:
Wobei es sich auf dem Dünsberg um eine "germanische" Nachbesiedelung handeln könnte, wie zumindest einige Gürtelschnallen und Trinkhörner vermuten lassen.
Bekannt ist mir vom Dünsberg nur eine wesentlich spätere "alamannische Besiedlung in der Spätantike (3./4.Jahrhundert) - müsste ich noch einmal überprüfen - im Zusammenhang mit Waldgirmes und der dort präsenten weser-germanischen Sachkultur wäre es interessant, ob das Oppidum noch besiedelt war - soweit ich mich erinnere war es das nicht - (bitte nicht ethnisch verstehen)- dazu hatten wir in einem anderen Thread eine Diskussion vor vielen Jahren - Dünsberg mit seiner mehrere Hundert Jahre alten Besieldungsgeschichte im Laténe steht jedoch eindeutig kulturell fest in der Tradition der Oppidakultur (auch hier der Hinweis bitte nicht gleich ethnisch zu interpretieren) https://artefacts.mom.fr/Publis/Schlott_1999.pdf .

Zu deiner Frage der Münzfunde empfehle ich das Buch von Michael Nick https://www.muenzfunde.ch/downloads..._Gabe_Opfer_Zahlungsmittel_FBAG_12_Band_1.pdf

Ich glaube Ihr unterschätzt die Arbeit der keltischen Numismatik. Und natürlich ist es mit einer genauen Analyse der Funde möglich annähernd zu datieren, zum Beispiel wenn Münzen römischen Vorbildern folgen, zusammen mit Fibeln deponiert wurden, in bestimmten Fundzusammenhängen gefunden wurden etc. Die Nordgruppe der Regenbogenschüsselchen wurde auch im frührömischen Lagerplätzen gefunden, daher zum Beispiel die Annahme, dass sie bis zum Ende von Laténe 2d zirkulierten - da die ältesten Regenbogenschüsselchen dieser Gruppe auch im Heidetränkoppidum und Manching gefunden wurden, ist der Umlauf auch in Laténe D1 möglich bzw. wahrscheinlich.
Zu römsichen Vorbildern hessischer Münzen beispielhaft der Nauheimer Quinar (1,2 -1,8 g schwere Silbermünze), der nach Konsens der Forschung auf einen römischen republikanischen Denar RRC 327/1 mit der Legende M.Serveili C.F. zurückgeht, der in das Jahr 100 v.Chr. datiert wird.
 
Bekannt ist mir vom Dünsberg nur eine wesentlich spätere "alamannische Besiedlung in der Spätantike (3./4.Jahrhundert) -

Du zitierst doch Schlott, der die elbgermanischen Metallfunde beschreibt.


Und natürlich ist es mit einer genauen Analyse der Funde möglich annähernd zu datieren, zum Beispiel wenn Münzen römischen Vorbildern folgen, zusammen mit Fibeln deponiert wurden, in bestimmten Fundzusammenhängen gefunden wurden etc.

Das ist sehr allgemein gehalten. Natürlich kann man manche Münzen gut datieren. Andere nicht so.
Das "Vogelmännchen" erscheint ab etwa 100 v.Chr., das tanzende Männlein ab etwa 60 v.Chr.. Von letzterem gibt es vier Versionen im etwa 15-Jahres-Raster. Genauer werden wir da sicher nicht.
 
@Stilicho: ich hatte dich falsch verstanden, dachte du meintest eine Weiterbesiedlung des Dünsbergs parallel zu Waldgirmes bis zur Zeitenwende und darüber hinaus.
Ich bin nach Jahren wieder hier ins Forum hereingestolpert, und muss mich ein bischen bremsen, ich habe zum Beispiel die spätere "allemannische" Fluchtburg falsch zeitlich eingeordnet, laut wikipedia war das erst im 5.Jahrhundert.
 
@Stilicho: ich hatte dich falsch verstanden, dachte du meintest eine Weiterbesiedlung des Dünsbergs parallel zu Waldgirmes bis zur Zeitenwende und darüber hinaus.

Nein ich meinte schon u.a. die Zeit der Ubier, die als "Germanen" gelten, aber keltische Münzen prägten und in einem keltischen Oppidum lebten.

Gerade in Hessen haben wir da viele Funde, wo die vermeintlich starre Grenze zwischen "Kelten" und "Germanen" verschwimmt.
Das Kästchendenken von vor 100 Jahren funktioniert hier nicht und die Gemengelage zwischen beiden "Volks"-Gruppen muss eventuell neu bewertet werden.

ich habe zum Beispiel die spätere "allemannische" Fluchtburg falsch zeitlich eingeordnet, laut wikipedia war das erst im 5.Jahrhundert.

Das Thema hatten wir auch vor einiger Zeit. Was an diesen Funden als "allemannisch" anzusehen ist, und nicht etwa "chattisch" oder "thüringisch" oder "??" ist völlig unklar und vermutlich nur der Tradition in der Geschichtsforschung geschuldet.
 
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