Für mich bleibt das Problem der enormen Vielfalt der augusteischen Lager in Form und Größe. Kann man denn wirklich ein "Ideallager" herausarbeiten?
Das Problem der enormen Vielfalt haben ja auch andere archäologische Artefakte ( Scherben, Schuhnägel, Münzen, Fibeln, Waffen etc.)
Man hat in diesen Fällen gezielt nach gemeinsamen oder trennenden Eigenschaften gesucht um durch anschliessender Interpretation eine Klassifizierung dieser Artefakte zu erreichen. Als Ergebnis können wir nun nicht nur sagen dass eine Scherbe römisch ist, sondern evtl. sogar Herstellungszeitpunkt oder sogar den Töpfer benennen, bei Waffen können wir zwischen Legionswaffen und Waffen von Hilfstruppen unterscheiden.
Eine Klassifizierung der Römerlager könnte also möglicherweise in gleicher Weise Aufschluss über Zeitstellung oder Verwendungszweck bringen. Ich denke bis hier sind wir uns einig.
Durch die Schriften der Agrimensoren, ihren Vermessungsgeräten und den überlieferten Lagerbeschreibungen ist klar, dass rechte Winkel, Parallelität und Symmetrie eine Rolle beim Bau der römischen Lager gespielt haben. Es liegt also nahe die vorhandenen Lager zunächst anhand dieser Parameter zu klassifizieren.
Ob man aus dem bestehenden archäologischen Befunden ein Ideallager rekonstruieren kann, muss jeder selbst entscheiden. Ich meine es geht. Immerhin ist mein Vorschlag in der Lage die Form des Lagers in Engelhartstetten vorherzusagen und liefert eine Erklärung für die polygonale Form der oben genannten grossen augusteischen Lager. Denn wie ich schreibe ist diese Polygonalität bei diesen Lagern am Reissbrett konstruiert, während sie bei Lagern wie Kops Plateau, Haltern und Marktbreit organisch gewachsen ist.
Dies ist aber nur ein Aspekt der Unterscheidung zwischen diesen beiden Gruppen von Lagern. Weitere Unterscheidungen sind:
- Kops Plateau, Haltern und Marktbreit weisen gleich grosse Zentralgebäude auf. Trotz dieser Gemeinsamkeit, sind alle drei Lager unterschiedlich gross. Die Annordnung dieser Zentralgebäude ist dabei nicht normiert und unsymmetrisch. Principia und Praetorium unterscheiden sich von denen der grossen Lager.
- Kops Plateau, Haltern und Marktbreit sind in der Zeit Ihres Bestehens teilweise mehrmals erweitert worden. In Marktbreit hat das Vorgängerlager die selbe unsymmetrische Struktur wie das Folgelager. Es ist nur erheblich erweitert worden. Eine Legion wächst in der Regel aber nicht.
- In Haltern und dem Kops Plateau ist es zweifelhaft ob eine vollständige Legion untergebracht werden konnte. Dazu konträr übersteigt die Anzahl der Offiziersgebäude den erwarteten Bestand einer Legion (Haltern)
- zumindest für Haltern haben wir den für ein Legionslager untypischen Befund einer provinzial-römischen Gräberstraße
- In Haltern gibt es unterschiedliche Gebäudeformen bei den Kasernen. Sie unterscheiden sich z.B. in der Länge. Das Gros der Kasernen hat 12-14 Kontubernien. Es gibt aber auch kleinere Kasernen mit 10 Kontubernien. Auf Kohorten umgerechnet ergibt das unterschiedliche Personalstände zwischen 480-672 Mann.
- In den kleineren Lagern gibt es Hinweise auf zivile Nutzung. Mit einem Legionslager eigentlich nicht vereinbar.
- Trotz geringerer Größe gibt es nennenswert höhere Fundmengen von gegengestempelten Assen in diesen Lagern.
Sicherlich kann man diese Aspekte auch mittels Hilfskonstruktionen (Vexilitationen, längerer Bezug der Lager etc. ) Richtung Legionslager interpretieren. Nur gibt es mittlerweile eine wie ich meine wesentlich einfachere Erklärung die ohne Hilfe auskommt.
Für ein Provinzial-römisches-Veteranenlager wären Lagerwachstum, unterschiedliche Kohortenstärke, zusätzliche Offiziersgebäude, zivile Gräberstrassen sowie unsymmetrische Lagerkonstruktionen kein Problem.
Es ergäbe sich damit ein Netz von wachsenden Veteranenlagern, wobei deren Personalstärke mit der Exponiertheit ihres Standorts zunimmt.
(Kops Plateau am Rhein kaum Kasernen- Marktbreit dagegen das östlichste und grösste dieser Lager). Die unterschiedlichen Kohortenstärken in Haltern harmonieren dabei perfekt mit den Dienstzeiten während der Okkupationszeit von 16+4 bzw. 20+5 Jahren, wobei 16+4 ca. 600 Veteranen alle zwei Jahre erzeugt, 20+5 dagegen ca. 480 Veteranen.
Für Marktbreit z.B. ergäbe sich damit ein grundsätzlich anderer Erklärungsansatz. Mit der Aufgabe dieses Lagers und der darauffolgenden Stationierung von Veteranen in Raetien (
Tacitus) gegen die Suebengefahr, besteht die Möglichkeit, dass die Veteranen aus Marktbreit zunächst von Tiberius für die Verteidigung der Rheingrenze zurückbeordert und reintegriert wurden, wo sie dann als einer der treibenden Faktoren der Meuterei erneut gegen die Sueben stationiert wurden. Allerdings nun auf die zurückgenommene Rhein-Donaugrenze und nicht mehr am Main etwas südlich von Schweinfurt(Suebenfurt?).
Gruss
jchatt