Historiographie / Geschichtsschreibung in Nachfolgestaaten des osmanischen Reiches

lynxxx

Aktives Mitglied
:cry::cry::motz:
Hi,
ich hab gestern in sage und schreibe mehr als 12 (!!!) Stunden (bis 4 Uhr nachts!) hier ne halbe Hausarbeit verfasst, indem ich für euch die verschiedensten Dissertationen und Artikel durchgearbeitet habe, um die verschiedenen unzulänglichen, propagandistischen, instrumentalisierten Geschichtsbilder der Staaten aufzuführen, die das osmanische Reich umfasste.

Doch dann stürzte Firefox ab, und alles war weg!!! :cry::cry::cry:
Ich hatte von den zahlreiche Seiten umfassenden Post nur die ersten 20% in Word gesichert... :cry::motz:

Nun hab ich kein Bock mehr! Ich gebe euch nun nur noch die Links. Dort könnt ihr "Historiographie/Geschichtsschreibung/Geschichtsbild" eingeben, und erhaltet Infos. Wenn euch ein Mitglied hier blöd kommt, dann verweist auf diesen Thread. Das gilt für eurozentristische oder veraltete westliche Historiographie. Aber auch häufig User mit Migrationshintergrund können sich ein Bild machen, warum sie solch ein Geschichtsbild haben.

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Hallöchen,
da es schon mehrfach hier im Forum Diskussionen um Bewertungen historischer Ereignisse gab, möchte ich hier mal ein paar Infos bringen, wie es zu solch unterschiedlichen Sichtweisen kommt.


Dabei verurteile ich niemanden, solch ein Geschichtsbild zu haben, ich würde ihn nur für ignorant halten, wenn er nach Lektüre der unten erwähnten Ausführungen nicht wenigstens ins Grübeln käme.


Da ist einmal die eurozentristische/westliche Sichtweise der westlichen Historiker, dann die etwas ausgewogenere modernere Sichtweise westlicher Historiker, und dann noch die Sichtweisen auf die Geschichte z.B. des osmanischen Reiches durch die Historiker der Nachfolgestaaten des OR - also der arab., SO-europäischen, türk., usw. Historiker.



Leider wurde vielfach die Historiographie/Geschichtsschreibung instrumentalisiert, so dass bis heute Diskutanten auf ein vereinfachendes, oder wichtige Gegebenheiten ausblendendes Geschichtsbild zurückgreifen.
In allen Lagern.

Hier nun einiges zur Erhellung des komplexen Themas (einiges habe ich sporadisch im Forum schon mal angesprochen):




Wie wird das Osmanische Reich in den verschiedenen Ländern gesehen, wo findet sich ein verzerrtes Geschichtsbild


Maurus Reinkowski: Das Osmanische Reich - ein antikoloniales Imperium?


Für die sehr Interessierten: Fußnoten siehe Link.

[Wandel der Sicht auf das OR im Westen:]

"4. Historiographische Deutungen
4.1. Das gleichberechtigte Reich.


In der Geschichtsforschung sind der Reichscharakter des Osmanischen Reiches und seine Stellung gegenüber dem europäischen Staatensystem bis heute umstritten. Zunehmend wird jedoch auf eine Gleichberechtigung der osmanischen Geschichte mit der europäischen gedrängt, und zwar in dreierlei Hinsicht: Erstens wird der Begriff „Osmanisches Reich“ abgelehnt, weil mit dem Reichsbegriff eine Handlungsschwäche und von vornherein absehbare Unterlegenheit der Osmanen gegenüber den entstehenden modernen europäischen Staaten suggeriert werde. Im unbedachten Gebrauch des Begriffes „Reich“ zeige sich zudem die „potency of anti-Turkish prejudices“ und die Wirkungsmächtigkeit des westlichen Orientalismus. Die Osmanen selbst hätten die Bezeichnung devlet-i aliyye-i osmaniyye („erhabener osmanischer Staat“) verwendet. (Devlet muss aber nicht unbedingt, wie dies im heutigen Türkisch der Fall ist, als „Staat“ verstanden werden, sondern kann auch als „Herrschaft“ oder „Herrscherhaus“ übersetzt werden.) Im osmanischen Sprachgebrauch waren aber auch andere Selbstbezeichnungen üblich, die den Reichscharakter deutlich belegen, so die markante Wendung memalik-i mahruse („die wohlbehüteten Länder“).

Zweitens wird gefordert, die Osmanen nicht mehr als „Außenseiter“ der europäischen und globalen Geschichte an die Seite zu drängen. Die eigentlich von Sympathie getragene Äußerung Eric Hobsbawms, dass im 19. Jahrhundert das Osmanische Reich „zweifelsfrei zur Welt der Opfer gehörig“ war, würde daher nicht allgemein geteilt werden. Die Forschungsliteratur schießt in ihrer Rehabilitierung des Osmanischen Reiches als eines durchaus überlebens- und handlungsfähigen Akteurs allerdings teilweise über das Ziel hinaus. So wird eine weitgehende Parallelität der Epochen in Europa und der islamischen Welt vermutet: Im Osmanischen Reich des 18. Jahrhunderts habe ein „klassischer Absolutismus“ geherrscht, in dem der Sultan und nicht der Staat im Mittelpunkt gestanden habe. Doch während in diesem 18. Jahrhundert die europäischen Feudalfürsten ihre Macht an die absolutistischen und zentralistischen Monarchien zu verlieren begannen, erreichten die lokalen Herrschaften der osmanischen Feudalherren und Notabeln erst ihren Höhepunkt.[...] Das Plädoyer für eine Gleichwertigkeit des Osmanischen Reiches ist also berechtigt, jedoch nur im Sinne einer gleichzeitigen Ungleichzeitigkeit gegenüber Europa. Das Osmanische Reich des 19. Jahrhunderts war mit Europa eng verbunden und zugleich an dieses angebunden.

Drittens betont man den Vorrang einer europäisch-osmanischen Konvivialität gegenüber eher an der Oberfläche bleibenden ideologischen Konfrontationen. Die ideologisch-religiöse Frontstellung, die angeblich für lange Zeit die Beziehungen zwischen dem Osmanischen Reich und der europäischen Welt geprägt habe, sei im Wesentlichen eine historiographische Projektion. Vor allem für die deutschsprachigen Länder ist diese Ansicht nicht einfach von der Hand zu weisen: Die Türkenkriege hatten dort auch eine nach innen gewandte Bedeutung. Mit Hilfe der durch den Buchdruck möglich gewordenen öffentlichen Propaganda wurde die türkische Bedrohung dazu eingesetzt, die eigene gesellschaftliche Ordnung zu befestigen und die Reichsstände auf die Politik des habsburgischen Kaisers zu verpflichten.Man darf vermuten, dass die Beschwörung der Türkengefahr im Bewusstsein der deutschsprachigen Länder bis heute untergründig fortwirkt und zu der nachdrücklichen Ablehnung eines EU-Beitritts der Türkei in Deutschland und Österreich beiträgt.


[Entwicklung der türkischen Historiographie]

4.2. Das antikoloniale Reich.

Die türkische Historiographie teilt die oben genannten Anliegen der internationalen osmanistischen Historiographie, geht aber in mancherlei Hinsicht noch weiter. In den ersten Jahrzehnten des neu gegründeten türkischen Nationalstaats lehnte die türkische Historiographie das Osmanische Reich als ein misslungenes Ancien Régime ab. Zwischen Türken und Nicht-Türken (vor allem Arabern) habe das Missverständnis einer angeblichen Interessengemeinschaft existiert, unter der vor allem die Türken zu leiden gehabt hätten. Die kemalistische Ideologie der Republikzeit zurückprojizierend, wurde argumentiert, das Osmanische Reich hätte besser seine Energien Anatolien widmen sollen, anstatt sich als unbeholfener Imperialist zu betätigen: „Die Kunst der Imperien ist es, Kolonien und Völker arbeiten zu lassen. Das Osmanische Reich aber, von Thrakien bis nach Erzurum, hat seinen riesigen Körper auf die Seite gelegt und den Kolonien und Völkern die Brust gegeben, bis schließlich seine Milch mit seinem Blut vermischt getrunken wurde.“

Für die frühe türkische Historiographie war eine mehrfache Verteidigungshaltung prägend: „Sie widersetzte sich dem europäischen Imperialismus, sie wandte sich aber auch gegen das alte Regime des Osmanischen Reiches und kämpfte gegen die rivalisierenden Nationalismen anderer Völker, die den Türken in ihrer Region den Rang streitig machten.“ Bei genauerer Betrachtung zerfällt das Selbstbild einer sich verteidigenden Nation, das bis heute die türkische Geschichtsschreibung prägt, in zwei Teile. Zum einen wird die historische Leistung des Osmanischen Reiches verteidigt: Unter einem gemeinsamen osmanischen Dach seien die Völker geschützt worden; die Araber in den osmanischen Gebieten seien sehr lange vor dem europäischen Kolonialismus bewahrt worden; trotz einer äußerst heterogenen ethnischen und religiös-kommunitären Zusammensetzung habe ein Leben in Sicherheit und Toleranz garantiert werden können. Das Osmanische Reich habe eben wegen seines großzügigen und toleranten Charakters gegenüber der europäischen Durchdringungs- und Usurpationspolitik von vornherein auf verlorenem Posten gestanden. Neben diesem Selbstbild als Erbe eines imponierend toleranten Reiches steht das Bild einer vom europäischen Kolonialismus bedrängten und zuletzt nahezu in die Knie gezwungenen türkischen Nation, die sich nur unter äußersten Mühen ihre nationale Selbstbestimmung habe erkämpfen können. Die Türkei reihe sich damit in die vorderste Linie der Länder ein, die dem Kolonialismus siegreich widerstanden hätten.

Die über einen langen Zeitraum andauernde Konfrontation zwischen den Osmanen und den europäischen Mächten, die die historische Erinnerung Mitteleuropas nachhaltig geprägt hat, wurde und wird von der türkischen Historiographie dagegen als natürliche Begleiterscheinung einer erfolgreichen osmanischen Expansion verstanden. Will man nach den „türkischen Türken-kriegen“ suchen, also nach den in der kollektiven türkischen Erinnerung entscheidenden und wirkungsmächtigen Kriegen, so ist es der lange türkische Krieg, der von 1912 bis zum erfolgreichen Ende des türkischen Unabhängigkeitskrieges im Jahre 1922 dauerte. Eine offene Auseinandersetzung darüber, was mit den Armeniern Anatoliens während des Ersten Weltkriegs geschah, ist für die türkische Öffentlichkeit nicht nur wegen ihrer die nationale Ehre betreffenden Weiterungen schwierig. Die Auseinandersetzung mit den Armeniern ist - eher unbewusst als bewusst - so eng mit der Geburt des türkischen Nationalstaates und dem Mythos des Unabhängigkeitskrieges verbunden, dass eine Anerkennung möglicher türkischer Untaten scheinbar das nationale Vermächtnis und die Fundamente des türkischen Nationalstaates in Frage stellen könnte.


[Historiographie der Nachfolgestaaten]


5. Das unsichtbare Erbe

Von den Nachfolgestaaten des Osmanischen Reiches in Südosteuropa und in der arabischen Welt wurde und wird die osmanische Herrschaft als eine Zeit der Stagnation gedeutet. Besonders nachdrücklich fällt die Ablehnung des osmanischen Erbes in Südosteuropa aus. Die südosteuropäischen Nachfolgestaaten begründeten ihre Legitimität mit der angeblichen moralischen und politischen Überlegenheit im Vergleich zum osmanischen Regime. Die Abschüttelung und Verdammung des osmanischen „Jochs“ wurde zur nationalen Daseinsberechtigung: „Die Bedingungen, unter denen die Existenz der neuen Balkanstaaten gesichert wurde, bewirkten, daß die historische Konfrontation mit den Osmanen perpetuiert, ja geradezu als Mission der neuen Staaten betrachtet wurde.“ Diese Bilder sind auch heute noch wirksam. So ergaben zwei Untersuchungen in Bulgarien in den Jahren 1992 und 1994, dass etwa 70 bis 80 Prozent der Befragten die Türken für religiöse Fanatiker hielten. Bei einer anderen Umfrage 1995 in Griechenland gaben 89 Prozent an, eine Aversion gegen die Türken zu haben.

Im Falle der ehemaligen südosteuropäischen Gebiete des Osmanischen Reiches existiert durch den vollständigen Elitenwechsel sowie die Zurückweisung jeglicher osmanischer Traditionen und Institutionen kein „imperiales“ osmanisches Erbe. Deutlich sichtbare und nicht zu verleugnende osmanische Vermächtnisse finden sich dagegen vor allem im Bereich der Alltagskultur. Die türkischen Lehnwörter in den südosteuropäischen Sprachen versuchte man mit Purifizierungen auszutreiben.54 Maria Todorova kann drei Charakteristika südosteuropäischer Gesellschaften (mit Ausnahme Rumäniens) benennen, die sich auf osmanisches Wirken zurückführen lassen: das Fehlen eines feudalen Adels, die Existenz einer relativ freien Bauernschaft sowie die grundsätzliche Unterordnung der Stadt unter den feudalen Staat. Todorovas Hinweise jedoch, dass nicht die Osmanen ein Erbe auf dem Balkan seien, sondern der Balkan ein Erbe der Osmanen sei, und dass die Osmanen nicht als Fremdkörper betrachtet werden sollten, der auf den christlichen Völkern Südosteuropas gelastet habe, müssen in der Öffentlichkeit südosteuropäischer Staaten immer noch als ketzerisch gelten.Die grundlegende historiographische Herausforderung für jede Geschichte des Balkans ist also nach wie vor die Frage, wie die osmanische Herrschaftszeit integriert werden kann.

In der arabischen Historiographie fallen die Einschätzungen der osmanischen Epoche weniger vernichtend, aber doch kritisch aus. Der syrische Historiker Abdalkarim Rafeq erklärt in einem Beitrag über das osmanische Erbe in den arabischen Staaten die ruhige Lage während der osmanischen Herrschaft mit dem Unheil, dem die arabische Bevölkerung ausgesetzt gewesen sei und das ihr Bewusstsein von Recht und Unrecht zerstört habe. Dass kein einziger osmanischer Sultan jemals die Pilgerfahrt unternommen habe, sei ein deutliches Beispiel für die Geringachtung und Vernachlässigung der arabischen Gebiete durch die osmanischen Herrscher.

Ein Vortrag von Albert Hourani im Jahr 1970 über osmanische Hinterlassenschaften im Nahen Osten konnte Aufsehen erregen, weil er erstmals in deutlichen Worten der vorherrschenden Auffassung eines von den Osmanen verschuldeten Niedergangs (inhitat) eine Absage erteilte. Die tiefe und nachhaltige Wirkung der osmanischen Präsenz im Nahen Osten dürfe nicht übersehen werden.58 In jüngerer Zeit sind arabische bzw. aus der arabischen Welt stammende Historiker dem Pfad Houranis gefolgt, und somit hat besonders die historische Forschung zu den arabischen Gebieten des Osmanischen Reiches in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht.

Forts. folgt
 
Zuletzt bearbeitet:
Forts.:

Bezieht man sich jedoch in der politischen Öffentlichkeit des Nahen Ostens auf das osmanische Erbe, so meist mit der Absicht der Ablehnung oder Manipulation. Neben der Möglichkeit, in angeblichen osmanischen „Erblasten“ Entlastung für eigenes politisches Scheitern im 20. Jahrhundert zu suchen, kann man auf osmanisches politisches Erbe in manipulierender Weise zurückgreifen: Israel zum Beispiel hat den rabbinischen Gerichtshöfen das ausschließliche Recht auf Heirat und Scheidung zugestanden; gleiches gilt für die nichtjüdischen Konfessionen. Daher stehen Zivilehe und interreligiöse Ehe für israelische Staatsbürger in Israel nicht zur Verfügung. Israel scheint hier auf den ersten Blick gemeinsam mit dem Libanon Erbe eines von den Osmanen hinterlassenen konfessionellen Ordnungsgefüges zu sein. Hinter der konfessionalistischen Fassade verbirgt Israel aber seine ethnonationalistische Definition von Staatsbürgerschaft.

Bis heute stehen faktengeleitete Untersuchungen zur Kontinuität osmanischer Verwaltungspraktiken aus. Hinweise auf osmanische Vermächtnisse in der arabischen Welt sind meist impressionistischer Art und bleiben geradezu sträflich allgemein. Die Autoren, in der Regel Osmanisten, wiederholen Altbekanntes zur osmanischen Geschichte, um sich dann in einigen Spekulationen über osmanische Vermächtnisse zu verlieren. Neben einigen anderen Charakteristika (wie dem Beharren auf Legitimität, dem Aufnehmen von Auslandsanleihen, dem Spielen auf einer religiösen Klaviatur, dem Fernbleiben von unliebsamen Konferenzen) sieht etwa Roderic Davison als mögliches osmanisches Vermächtnis, dass die arabischen Nachfolgestaaten bei äußerem Druck durch eine Großmacht ähnlich wie früher die Hohe Pforte nur langsam zurückweichen und nur so wenig Terrain räumen würden wie möglich - um dann gleich einzugestehen, dass solche Feststellungen trivial und eigentlich für alle Staaten gültig seien.60

Man könnte vermuten, dass sich Fähigkeiten des Aushandelns und des Ausgleichs in der arabischen Politik osmanischen Staatstraditionen verdanken. Aber wären dann nicht auch die radikal säkularen (und radikal brutalen) Eliten Syriens und Iraks im 20. Jahrhundert ein Erbe der Jungtürken, da ein erheblicher Teil der späteren militärischen Elite dieser beiden arabischen Staaten noch an osmanischen Militärschulen ausgebildet wurde? Wie im Falle Südosteuropas scheint auch in der arabischen Welt das osmanische Erbe in der Architektur, in einzelnen Elementen der Alltagskultur und in osmanischen Lehnwörtern am deutlichsten zum Ausdruck zu kommen.

Wenn wir eines Tages mehr und vor allem Konkreteres über eine mögliche ottomanicité des Nahen Ostens oder Südosteuropas wissen wollen, wird dies nur über den Weg vergleichender struktureller Untersuchungen zum imperialen Erbe der habsburgischen, russischen und osmanischen Reiche möglich sein. Dabei wird nicht allein die Staatstradition zu berücksichtigen sein, sondern auch die Einwirkung der imperialen Systeme auf die politische Kultur oder die sprachlich-literarische Tradition. Vor allem werden die Historiker des Osmanischen Reiches selbst nicht umhinkönnen, zu solchen vergleichenden Untersuchungen einen eigenständigen Beitrag zu leisten.



Historiographie in SO-Europa am Beispiel Serbien, Bulgarien, Griechenland

Serbien zwischen Ost und West –
Kulturgeschichtliche Spannungsursachen

Tihomir Popovic

"Dass aber die heutigen Geschichtsstudenten in Serbien nicht Türkisch lernen müssen, die Sprache also, in welcher mehr als 350 Jahre lang Entscheidendes über Serbien geschrieben wurde, die Sprache, in welcher z.B. die ersten Volkszählungen in Serbien durchgeführt wurden, sagt einiges über die – bewusste oder unbewusste – Verdrängung dieser Epoche."

^^ Mein Reden.


Religiöse Identität im Zeitalter des Nationalismus
Die Pomakenfrage in Bulgarien

Alexander Velinov
2001

From Trauma to Self-Reflection:
Greek Historiography meets the Young Turks ‘Bizarre’ Revolution

Vangelis Kechriotis
2004

ISLAMIZATION IN THE BALKANS AS AN HISTORIOGRAPHICAL PROBEM:THE SOUTHEAST-EUROPEAN PERSPECTIVE
ANTONINA ZHELYAZKOVA



Kurdische Historiographie

Kurdische Migrantinnen und Migranten im Einwanderungsland Deutschland
Wie werden sie von der Pädagogik und Bildungspolitik wahrgenommen?

Dissertation im FB 2 (Erziehungswissenschaft, Psychologie, Sport- und
Bewegungswissenschaften)
Sabine Skubsch
2000



"Westliche" Historiographie im Wandel (auch das osmanische Reich betreffend - Stichwort: veraltetes "Kranker Mann am Bosporus"-Postulat)

Überlegungen zur Historiographie, und wie sie sein sollte (1 Blatt)
Ottoman History Writing and Changing Attitudes Towards the Notion of “Decline”
By Donald Quataert, Binghamton University, State University of NY, US

Jürgen Osterhammel
Europamodelle und imperiale Kontexte


Sehr interessant auch, weil hier Weltgeschichten beurteilt werden, und man erfährt, welche Weltgeschichten gelungen und welche weniger gelungen sind. Literaturtipps des Autors sozusagen....


"Prähistorisches" Geschichtsbewußtsein
Versuch einer ethnologischen Strukturbestimmung

Klaus E. Müller



Türkische Historiographie im Wandel des 20. Jahrhundert


THE SELJUKS OF RUM IN TURKISH REPUBLICAN NATIONALIST HISTORIOGRAPHY
DOGAN GÜRPINAR
SABANCI UNIVERSITY
2004

(Er erwähnt auch das Wort "Kurdistan", in den Knast kam er wohl nicht... ;))


FROM "THE GLORY OF THE WORLD "TO" MUHAMMAD" : WRITING ISLAMIC HISTORY IN THE LATE OTTOMAN AND EARLY REPUBLICAN ERAS

Abschied vom türkischen Nationalismus
Hans-Lukas Kieser, Basel

Türkei – Emanzipation vom Nationalismus? - Tagungsbericht

Zukunft braucht Geschichtsklärung: Armenier, Türken und Europa im Schatten des Ersten Weltkriegs - Tagungsbericht

Istanbul im Wandel der Jahrhunderte (18. – 20. Jahrhundert):
Das Frühmoderne Istanbul als Ort der Handlung (1453 bis etwa 1840): die Verschlungenen Wege der Historiker





So, das war's.

Schönen Sonntag noch, LG lynxxx

 
Zuletzt bearbeitet:
Hier mal ein aktueller Tagungsbericht mit einigen Fazits:

Umkämpfte Vergangenheit: Erinnerungskulturen und Geschichtspolitik in Ostmittel- und Südosteuropa


daraus eines:

JÉRÔME BRUGGER (Universität Bern) meint, dass in Bulgarien heute eine "ebenfalls fast unverändert gebliebene Wertung der osmanischen Herrschaft auf dem Gebiet des heutigen Bulgariens" herrscht. "Der Beginn des bewaffneten Kampfes für einen eigenständigen Nationalstaat 1876 wäre 1981 und 2007 der stärkste Erinnerungsort der bulgarischen Geschichte gewesen. Diese Beispiele verdeutlichten, so der Referent, dass sich in Bulgarien bis heute eine monolythische Auffassung von Geschichte aufrechterhalten hat; „Les Bulgares“ – in Anlehnung an Noras „les Frances“ – würde man in der bulgarischen Öffentlichkeit vergeblich suchen."
 
Ein Riesenproblem ist, dass das Osmanische Reich nur selten (vlt ist das nur mein Eindruck) "fair" und im Kontext seiner Zeit gesehen wird. Bei vielen Zusammenstellungen über diese Zeit wird beim Balkan häufig die Unterdrückung und die bösen Osmanen herausgestellt, das Fortschrittliche an diesem Reich (was ja auch wichtig für das Verständnis für den Erfolg dieses "Empires" ist) ist häufig weniger Gegenstand der entsprechenden Betrachtungen.

Es gibt ein Buch, was hier (meiner Ansicht nach) einen angenehm anderen Weg geht: "Der Balkan" von Mark Mazower (hat das jemand gelesen??) . Die Schilderungen zur Osmanischen Zeit sind wirklich gut geraten und halten sich auch nicht so am Feindbild fest - man hat den Eindruck, die Schilderungen lassen die Zeit zu neuem Leben erwecken..
 
Man muß vlt auch noch hinzufügen, dass diese "umkämpfte" Vergangenheit so brisant ist, weil sich sowohl im Osten als auch im Südosten Europas ein sehr spannender - aber eben nicht objektiver!! - Prozess der Umschreibung der jeweils nationalen Geschichtsschreibung ereignet hat. Dieses Mal befreit vom - ebenfalls verfälschenden ideologischen (kommunistischen) - Aspekt, welcher der Wissenschaft in den jeweiligen Staaten klare Grenzen gesetzt hat.
Für die "neue" Ära (ab Ende der 80ger oder Anfang der 90ger) wurde deshalb auf bestimmte Mythen und Geschichtsbilder zurückgegriffen, die im Grunde die Rückkehr zur nationalen Geschichtsschreibung (in der Tradition des 19 Jh) legitimieren.

Aus der Sicht westeuropäischer Historiker habe ich manchmal den Eindruck, dass ein bißchen geringschätzig (oder ein bißchen amüsiert) auf diesen Prozess geblickt wird, was mich ehrlich gesagt immer ein bißchen überrascht, da sich genau dieselben Elemente in den westeuropäischen Staaten wiederfinden lassen - nur das sich die jeweiligen Gesellschaften dieser Mechanismen nicht mehr bewußt sind!

Das bedeutete eine Neuauswahl dessen - in Verbindung mit der jeweiligen Politik des Landes - was an Geschichte vermittelt werden soll, quasi eine Neuauswahl dessen, was es wert ist, vermittelt zu werden.
Quer durch die Staaten hindurch ist dies etwas, was immer wieder sehr spannend zu beobachten ist - welche Inhalte zu welchem Zweck ausgewählt werden und warum.
Es ist allerdings auch ernüchternd (aber deshalb nicht weniger wertvoll!), weil man immer wieder den Einfluß der Zeitgeschichte - was bedeutet, der POLITIK!! - auf die Sichtweise der Vergangenheit deutlich macht.
 
Sicherlich haben auch die Historiographien Westeuropas ihre Mängel gehabt, oder haben sie heute noch, ich erinnere nur mal an die französische Geschichtsschreibung bis in die 90er hinein bzgl. Algerien und dem Dritten Reich, oder Spanien mit ihrer Franco Diktatur.
Allerdings sind solche "mythischen" Geschichtsbilder, wie sie auch oder besonders in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gebildet wurden heute überwunden. Man kann dabei auch unterscheiden, was in der Wissenschaft diskutiert wird, und was in den Medien, z.b. die Bewertung der 68er Generation und der RAF.
Letztlich schauen die westeuropäischen Historiker skeptisch auf Südosteuropa, weil dort eben teilweise noch eine Historiographie betrieben wird oder wurde, die dem ähnelt, was in ganz Europa Anfang des 20. Jh. teilweise betrieben wurde. Irgendwie hat man den Eindruck, dass der Balkan die westeuropäische Geschichte im Zeitraffer wiederholen würde, mit all den Fehlern des Nationalismus, den Feindbildern, usw., und auch in der Verarbeitung der Geschichte, während der Westen in Zeiten der Globalisierung dieses vielleicht hinter sich hat.
Es geht dabei aber auch um die Methodik, z.B. stelle dir vor, ein deutscher Historiker würde die Geschichte des Saarlandes und des Elsass erforschen, würde aber kein französisch können, seine Arbeit wäre relativ unvollständig, bzw. einseitig...
Nun frage mal in Belgrad, Zagreb, Bukarest, usw., wieviele Historiker osmanisch können? ... Da klafft öfters ein Jahrhunderte großes Loch in der Historiographie, und die Türkei kann dieses auch nicht so schnell schließen, weil dort eben leider auch nicht viele osmanisch können. Es ist aber erstaunlich, welche Ergebnisse dann jüngst zutage treten, und Gewissheiten, die gestern noch galten, in Frage gestellt werden, z.B. die muslimischen Händler bis in die Mitte des 18. Jh., wo man früher dachte, der Handel war fast ausschließlich in christl. Hand. Oder die Überschüsse der Bauern oder die Viehzucht auf dem Balkan, und ihre Vermarktung.

Die neuere Entwicklung lässt aber hoffen. :)

Dein Buch von Mark Mazower scheint ein gutes zu sein. Er scheint sauber recherchiert zu haben:

Mark Mazower

Danke für den Literaturtipp. Wenn du sowas findest, und ne gute Rezension, dann kannste dieses ja auch den Mods manchmal empfehlen, damit sie in den Buchtipps Südosteuropas auch mal wieder was neueres stehen haben.

byebye, Lg lynxxx
 
Das Buch kann ich Dir nur empfehlen, es liest sich ausgezeichnet und man kann sich die Zeit tatsächlich fast lebhaft vorstellen. Was mir gut gefallen hat, ist, das er eben auch die Schwierigkeiten im Umgang mit Osmanischen Reich thematisiert. ;)

Zu den - neverending - Mythen: meist wird aber von den "Westeuropäern" eine Sache nicht genügend gewürdigt, dass solche Mythen gerade im Prozess der Staatsbildung von großer Bedeutung sind und Geschichte da im Grunde den Status einer Legitimatonswissenschaft innehat (bewußt genutzt von den jeweiligen Eliten). Im Laufe der Jahre relativiert sich das allerdings auch wieder - läßt sich sogar in Südosteur. sehen..
Nur ist das eben nix, was dort erfunden wurde - so etwas läßt sich auch in anderen Staaten feststellen, deren Mythen (usw) im Laufe der Zeit sich auch verflachen -- weil wissenschaftlich nicht haltbar sind, Politik hin oder her.
 
Danke.

Hier mal ein interessanter Einblick in die verschiedenen Historiographien anhand der Sichtweise auf die späte osmanische Herrschaft über Palästina (1840-1918).
Und zwar aus der Sichtweise von türkischen, israelischen und arabischen Historikern, sowie in journalistischen Beiträgen:

MAURUS REINKOWSKI

Late Ottoman rule over Palestine: Its evaluation in Arab, Turkish and Israeli histories, 1970-90

(Middle Eastem Studies, Vo1.35, No. I. January 1999, p.6697 PlJBLlSHED BY FRANK CASS. LONDON)

http://www.freidok.uni-freiburg.de/...inkowski_Late_Ottoman_rule_over_Palestine.pdf

"The broader interest of the analysis is the question of the civilizational impact of Ottoman rule and the extent to which Ottoman reforms of the nineteenth century influenced the changes that Palestine has undergone in the last 150 years. The focus here is on the interpretations given by historians to the attitude of the Ottoman govemment towards early Zionist immigration to Palestine. In the intrusion of European imperialism and European-style nationalisms and the Zionist immigration, the Arab, Turkish and Israeli historians have found a common point of debate. They are not far rernoved from the 'overheated ethnocentricism' brought forth by the Israeli-Arab contlict after 1948.' Underlying the description of Ottoman Palestine the endeavour to make an early claim on post-Ottoman history can be detected."

ciao.
 
Osmanische Herrschaft

Grüße!

Mir scheint die Diskussion, die im Thema über die Herkunft der Protobulgaren begonnen hat, bezüglich des Osmanischen Jochs, unter den die Bulgaren jahrhundertelang gelitten haben, sehr interessant zu sein. Daher habe ich ein neues Thema eröffnet um das näher zu erläutern.

Verbrechen der Türken gegen die Bulgaren (und anderer Staaten auf den Balkan:

Das Schlachten von Batak
Die Knabenlese
Ausradierung ganzer Dörfer während der Balkankriege
etc.

Weitere Argumente:

Wenn es so angenehm im Osmanischen Reich war, wieso sind dann so viele Bulgaren nach Bessarabien oder in die Ukraine gezogen? Warum haben sie immer gegen die Türken gekämpft?

MfG

SK
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Eine kurze Anmerkung... :winke:

Ich bin mir nicht sicher, was die letzten Beiträge in diesem Thread bezwecken sollten; ich möchte aber alle potentiellen Mitdiskutanten eingehend daran erinnern, daß wir hier gern historisch diskutieren können.
Wenn jedoch nichts Sachliches kommt, können wir den Thread auch ganz schnell wieder schließen...

Timotheus
Moderator
 
Nö, aber was veranlasst dich zu dem Satz von "500 Jahren Sklaverei."
Dass musst du uns schon erklären?

Die Schattenseiten des Osm. Reiches sind doch jahrhundertelang nie vergessen worden!

Die Auswirkungen aus dieser Phase sieht man noch heute (was hier aber keine Thematisierung finden darf, nicht vergessen.).


Kannst du englisch lesen? (Wegen Links oder Infos, die du dann lesen könntest)
 
Nö, aber was veranlasst dich zu dem Satz von "500 Jahren Sklaverei."
Dass musst du uns schon erklären?

1. Wurde versucht, Völkern einen Glauben aufzuzwingen (gleich im Voraus, um Mißverständnissen vorzubeugen: Nein, ich glaube nicht das am Islam liegt, BSP. Spanien und die Inkas und die Atzteken.
2. Wurden mit unlauteren Methoden unschuldige Zivilisten umgebracht, auch während der Rückzüge (BSP. Das Dorf "Sif Kladenez", dessen Bevölkerung im Balkankrieg komplett ausradiert wurde (die Bewohner wurden in die Dorfkirche eingesperrt, diese dann angezündet).
3. Die Knabenlese, gegen die sich die Eltern bekanntlich nicht wehren konnten.

Die Schattenseiten des Osm. Reiches sind doch jahrhundertelang nie vergessen worden!

Aber man sollte das nicht als "Märchen" verharmlosen. Etwas mehr als 200 Jahre sind vorbei. Ich glaube man sollte da nicht sagen, dass sie jahrhundertelang nicht vergessen wurden.

Kannst du englisch lesen? (Wegen Links oder Infos, die du dann lesen könntest)

Jau. Meine Lieblingsliteratur ist auf Englisch (Osprey Publishing is cool!

Grüße
 
Sei herzlich willkommen, im Forum, @Sergej Korolev!


Kann es sein, dass einige Beiträge gelöscht wurden oder denke ich an einige andere, deiner Beiträge? Ich glaubte mich nämlich zu erinnern, dass du zumindest einige Verdienste der Osmanen wie die Beförderung nach dem Leistungsprinzip und ihre Cuisine gelten lässt und durchaus kein ungebildeter Zeitgenosse zu sein scheinst.

Bei dem Thread habe ich allerdings etwas gestützt, denn die Diskussion legt eine gewisse Polarisierung nahe, die sehr leicht in gegenseitiges Aufrechnen oder in die Relativierung von Verbrechen und Missbräuchen münden kann, die es natürlich auch im Osmanischen Reich gab. Die Vorwürfe des Glaubenszwangs wirst du aber für fast alle europäischen Staaten des 18. Jhds ebenfalls machen können, und einen großen qualitativen Unterschied kann ich ehrlich gesagt nicht zwischen der Devsirme und etwa den Praktiken preußischer Werber oder britischer "press gangs" nicht erkennen. In Bosnien bestand sogar die Bevölkerung auf Beibehaltung der "Knabenlese" und der Aufstieg so manches Agas oder Sekban Baschis der Janitscharen wirkte sich vorteilhaft auf sein Heimatdorf aus.

Ich interessiere mich sehr für die römische Antike, aber ich hüte mich davor, eine hehre Gloriole darüber zu breiten, und zur Verrücktheit der römischen Antike und zu den "Fleischfressern" der Antike gibt es manches zu sagen.

Ich würde aber einen Thread "waren die Römer pervers" als höchst unnötig und ärgerlich betrachten.

Ich denke, es ist klar, was ich meine.

Nimm mir bitte meine Manöverkritik nicht übel und viel Vergnügen noch im Forum!
 
Glaubenszwang?
Lass dir nichts erzählen Scorpio.

Die Osmanen waren doch nicht so blöd, sich ihre Geldquelle im Balkan abzuschnüren. Das ist ein Märchen der Historiographie der 19./20. Jh. Es gab so gut wie keine Zwangsbekehrungen zum Islam (Ausser natürlich bei der Knabenlese, die aber 1650 abgeschafft wurde.), erst recht nichts geplantes.

Ich habe zu dem Thema schon etliches geschrieben, z.B. hier:

"Zwei beliebig herausgegriffene Topoi der bulgarischen Historiografie lauten etwa: Über eine dezidiert bulgarische Bevölkerung ergoss sich eine Flut nomadischer türkischer Einwanderer bzw. große Teile der autochthonen Bevölkerung traten gezwungenermaßen zum Islam über und wurden osmanisiert oder gar türkisiert. Wie unsachgemäß solche Pauschalierungen sind, zeigt Zhelyazkova am Beispiel der Bergbevölkerung der Rhodopes. Die Quellen, die einen unfreiwilligen Übertritt zum Islam suggerieren, entpuppen sich als Fälschungen aus dem 19. Jahrhundert."
sehepunkte - Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften - 7 (2007), Nr. 3

hieraus:
http://www.geschichtsforum.de/f40/herkunft-der-bulgaren-11170/index3.html#post309424

oder hier:
http://www.geschichtsforum.de/f42/osmanisches-erbe-suedosteuropa-14753/#post246055

oder schau oben in den Historiographie Link im 2. Post:

JÉRÔME BRUGGER (Universität Bern) meint, dass in Bulgarien heute eine "ebenfalls fast unverändert gebliebene Wertung der osmanischen Herrschaft auf dem Gebiet des heutigen Bulgariens" herrscht. "Der Beginn des bewaffneten Kampfes für einen eigenständigen Nationalstaat 1876 wäre 1981 und 2007 der stärkste Erinnerungsort der bulgarischen Geschichte gewesen. Diese Beispiele verdeutlichten, so der Referent, dass sich in Bulgarien bis heute eine monolythische Auffassung von Geschichte aufrechterhalten hat; „Les Bulgares“ – in Anlehnung an Noras „les Frances“ – würde man in der bulgarischen Öffentlichkeit vergeblich suchen."


oder hier:
ISLAMIZATION IN THE BALKANS AS AN HISTORIOGRAPHICAL PROBEM:THE SOUTHEAST-EUROPEAN PERSPECTIVE
ANTONINA ZHELYAZKOVA

auch aus dem Historiographie Thread,

oder:
Religiöse Identität im Zeitalter des Nationalismus
Die Pomakenfrage in Bulgarien

Alexander Velinov
2001

und so weiter, will nicht den ganzen Text und Links hier nochmals hinkopieren.

Die deutsche Geschichte ist ebensowenig nur das Dritte Reich, wie die Osmanische Geschichte die letzten 70 Jahre waren, abgesehen von der meist nicht behandelten Frage von Aktion <-> Reaktion und die jeweils wie kommunizierende Röhren sich aufschaukelnden Prozesse.
 
Das was ich schrieb, bezog sich eigentlich eher auf europäische Staaten, wo der Grundsatz "cuius regio eius religio" galt.
 
Also erstmals Danke fürs Willkommenheißen in diesem wunderbaren Forum!

In der Tat wurden alle Beiträge ab dem Dritten wegen Ironie gelöscht. In der Tat muss man natürlich den Osmanen anrechnen, dass sie wirklich fortschrittlich für ihre Zeit waren (ich denke da nur an das Habsburgerreich). Auch ihren Küchenkulturellen Einfluss muss man hoch anrechnen.

Allerdings gebe ich dir auch Recht dass das Aufzwingen der Religion wohl den meisten Staaten in Europa Brauch war, ABER

wie ich eben im Protobulgarenbeitrag geschrieben hatte, hätten die Bulgaren gut und gerne auf die Osmanenherrschaft verzichten können, sie waren auch ohne den Osmanen kulturell hoch entwickelt.
Das mit der Knabenlese in Bosnien war mir neu, bin mir aber im Falle Bulgariens da nicht so sicher.
Natürlich könnte man Aufzählen, unter welchen Herrschern es den Bulgaren schlechter ging, als unter anderen, aber ich glaube die Liste würde sehr lang werden.
Es geht mir außerdem darum, dass die Kriegsverbrechen zB von Sif Kladenez oder von Batak nicht etwa im Mittelalter oder in der Neuzeit geschehen sind, sondern noch im 19. und 20. Jahrhundert! Und das man dann hergeht und mir dann sagt, dass das Osmanische Reich doch nicht so schlecht war, ist für mich schon ein starkes Stück! Da könnte ich genauso Sagen "Ach, die Spanier haben zwar ganze Völker ausradiert, haben aber dafür einiges an Kultur hingebracht!" Das ist für mich Verharmlosung, genauso es für mich Dämonisierung ist, wenn man den Osmanen verbrechen anrechnet, die sie gar nicht getan haben.

Ich möchte mich hier allerdings entschuldigen, dass ich in dieser Frage doch etwas überreagiert habe, aber wenn man mit seinen eigenen Augen diese zerstörte Kirche in Sif Kladenez gesehen hat, noch immer teile der Daches komplett verrußt ist, und man weiß, das da drinnen die gesamte Bevölkerung des Dorfes eingesperrt und bei lebendigem Leib mitverbrannt wurde, und sich dann das restliche Dorf ansieht, dass zwar reich schien, aber von manchen Häusern nur noch ein paar Wände standen, ist das schon sehr schwer zu verkraften, wenn man die Grausamkeit, mit der die Osmanischen Truppen vorgingen, als "Märchen" bezeichnet.

Daher verstehe ich auch den Anti-Turanismus in der Bulgarischen Geschichtsschreibung, auch wenn man Sagen sollte, dass man das auch nicht pauschalisieren kann.

@ lynxxx:

Mag sein, dass das mit dem Glaubensszwang nicht stimmt, doch hatten sie sehr wohl, und das wirst auch du nicht abstreiten können, extreme Beschränkungen gemacht, was den Bau von Kirchen anbelangt. Das ist "passive" Glaubensaufzwingung.

Außerdem würde die Iwan Wazow klar und deutlich widersprechen. Auch das die Bulgaren damals aus Bulgarien nach Ungarn (Banatbulgaren), Bessarabien und in die Ukraine flohen. Teilweise wegen Ländereien, teilweise wegen Religion, nicht dafür, das es unter Osmanischer Herrschaft besonders angenehm gewesen war.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Alles fing damit an, dass ein Pauschalurteil abgegeben wurde: "500 Jahre Skalverei" (du aber nicht von Genozid dabei sprechen willst, es aber immerhin erwähnst, dich also in Kreisen bewegst, die diese Absurdität vertreten) und den heute entkräfteten Begriff "Türkenjoch" verwendet hast.

Du kannst meinetwegen viele Massaker aufzählen, die alle schrecklich waren, du kannst auch Massaker aufzählen, die an den Muslimen begangen wurden, die du vielleicht nicht kennst.

Ich lasse es aber mal dahin gestellt sein, ob diese Massaker alle (!) so stattgefunden haben, wie die bulgarische Historiographie des letzten Jahrhunderts es weismachen will, denn sie hat in ihrer Nationalitätenbildung öfters gefälscht und Propaganda verstreut.
Wenn du mir allerdings einen Beleg aufführst, von einem renommierten neutralen (!) Historiker, oder auch einen der oben erwähnten bulgarischen Historiker der neueren Generation, dann nehme ich alles gerne zur Kenntnis und ich bezweifle auch nicht, dass es sowas gab, aber bei konkreten Ereignissen möchte ich gerne Belege sehen.

Natürlich will kein Volk gerne unterworfen werden, es sei denn die Bevölkerung zahlt weniger Steuern als vorher, oder die Religion kann freier ausgeübt werden als vorher. (Einer der zahlreichen Gründe für den langen Fortbestand des Osmanischen Reiches, und der schnellen und dauerhaften (!) Ausbreitung des Islam im 7. Jh.) Die Eliten des Landes werden aber davon oftmals trotzdem nicht begeistert sein, streichen ja nun andere Herren die Einnahmen ein. Entsprechende Chroniken sind dann auch verfasst worden.

Ich habe auch nie von einem Zuckerschlecken der Osmanischen Periode gesprochen, bitte aber um Differenzierung, welches Jahrhundert wir meinen, welche Schicht wir meinen, usw.

Wusstest du das arme muslimische Familien ihren christl. Nachbarn ihre Kinder gegeben haben, wenn mal wieder die Knabenlese fällig war? Warum? Weil sie sie teilweise nicht mehr durchbringen konnten oder sie dadurch evtl. einen Sohn hatten, der ihnen Geld oder dergleichen zukommen lassen konnte, wenn er aufstieg.

Oder dass die Bosnier protestierten, als sie Muslime wurden, dass bei ihnen keine Knabenlese mehr durchgeführt wurde? Das hat scorpio gemeint. Oder wie selten die Knabenlese überhaupt durchgeführt wurde, und dass sie neueren Untersuchungen zufolge wohl keine demographischen Folgen hatte? Weisst du überhaupt, wieviele Janitscharen es gab? Und demzufolge wie viel "Nachschub" erforderlich war? Weisst du, wie die umliegenden christl. Reiche mit ihren Kriegsgefangenen umgegangen sind, oder mit eroberten musl. Gebiete? Wer auf ihren Galeeren oder Minen Dienst tun musste?

Natürlich ist die Knabenlese kein tolles Instrument gewesen, nach heutigen Maßstäben. Aber damals waren die Zeiten eben überall anders.

Wenn die Osmanen so schreckliche starre und brutale Herrschaft so eindimensional ausgeübt hätten, wie du oder andere weismachen wollen, dann wäre das Reich ebenso schnell von der Weltbühne verschwunden, wie die Reiche von Dschingis Khan oder Timur.

E gab natürlich Beschränkungen, z.B. beim Kirchenbau, es gab eben Pflichten, aber es gab auch Rechte. Solche Rechte, die in der osm. Blütezeit einen hohen Stand hatten. Und das wichtigste: Es gab einen ungeheuren Pragmatismus. Das heisst, nicht jede Regel aus Istanbul wurde penibel überall eingehalten, z.B. haben Kadis (Richter) bei einigen geschäftlichen Angelegenheiten nicht das Recht oder die Aufgabe, diese der Christen zu erledigen. Aber sie haben diese Regel umgangen, mit einigen advokatischen Kniffen, damit die Christen z.B. notarielle Dokumente erhalten konnten. und so weiter.

Du kannst ja mal anfangen dir die neutralen Historiker durchzulesen, die ich oben in den Links gepostet hatte.

Oder lese dir in der Vorschau bei Amazon und googlebooks, mal diese Einleitungen und Rezensionen durch:


Amazon.de: English Books: The Cambridge History of Turkey: Volume 3, the Later Ottoman Empire, 1603-1839: Later Ottoman Empire, 1603-1839 v. 3 (Cambridge History of Turkey)

Amazon Online Reader : Osman's Dream: The History of the Ottoman Empire

H-Net Review: Viorel Panaite <viorelpanaite@idilis.ro> on The Ottoman Empire, 1700-1922

H-Net Review: Virginia Aksan on Osman's Dream: The Story of the Ottoman Empire, 1300-1923

H-Net Review: Renee Worringer on The Ottoman Empire, 1300-1650: The Structure of Power

H-Net Review: Christoph K. Neumann on The Ottoman Empire, 1300-1650: The Structure of Power

Osmanlý Araþtýrmalarý - Ansiklopedi

oder schau mal hierein auf S. 77:
Der Osmanische Staat 1300-1922 - Google Buchsuche

Die weniger starke Entfaltung der bulgarischen Kirche kann man auch nicht immer direkt den Osmanen ankreiden, sondern dafür war die griechisch-orth. Kirche zuständig, die sich natürlich über ihren Machtzuwachs freute, ja, unter den Osmanen gar teilweise mehr Einfluss hatte, als noch zu byzantinischen Zeiten. Trotzdem gab es im 17. in Bulgarien 200 Klöster mit 2000 Priestern.

Und eines solltest du bei aller Betrachtung von Geschichte nie vergessen:

Betrachte die Zeit in ihrem Kontext. Nicht nach heutigen Maßstäben. Wenn du z.B. die Sklaven der Osmanen anschaust, und bewerten willst, dann z.B. im Vergleich mit den Sklaven der Kolonialmächte.
Und versuche auch mal den Kontext einzubeziehen. Wenn z.B. wegen Missernten Janitscharen keinen Sold bekamen, anfingen zu hungern, und dann marodierend durchs Land zogen und die Dörfer plünderten, dann war das keine Politik der Hohen Pforte, sondern die Umstände und die menschliche Eigenschaft zum Tier zu werden, wenn es um die nackte Existenz geht. Das war nichts spezifisch türkisches/osmanisches, sondern es gab auch andere (slawische) Banden mit gleicher Handlungsweise.

Und dann müssen wir die verschiedenen Jahrhunderte uns anschauen, so war das 19. Jh. natürlich ein ganz anderer Schnack, als zu Zeiten der sog. Pax Ottomanica.

Aber wie gesagt, lese dich mal ein, und stelle dann konkrete Fragen.
 
Alles fing damit an, dass ein Pauschalurteil abgegeben wurde: "500 Jahre Skalverei" (du aber nicht von Genozid dabei sprechen willst, es aber immerhin erwähnst, dich also in Kreisen bewegst, die diese Absurdität vertreten) und den heute entkräfteten Begriff "Türkenjoch" verwendet hast.

Der Begriff des "Genozids" ist für mich eindeutig übertrieben. Mir ist meistens aufgefallen, dass dieser Begriff gerne bei Kommunikation mit Kurden eingesetzt wird. Mag sein, dass 500 Jahre nicht ganz stimmt, aber es gab ständig Aufstände, und diese Aufstäde entstehen nicht einfach aus Spaß.

...Muslimen begangen wurden, die du vielleicht nicht kennst.

Ich wüsste von Bulgarischer Seite keinen, allerdings bin ich gerne bereit, umgestimmt zu werden.

Ich lasse es aber mal dahin gestellt sein, ob diese Massaker alle (!) so stattgefunden haben, wie die bulgarische Historiographie des letzten Jahrhunderts es weismachen will, denn sie hat in ihrer Nationalitätenbildung öfters gefälscht und Propaganda verstreut.
Wenn du mir allerdings einen Beleg aufführst, von einem renommierten neutralen (!) Historiker, oder auch einen der oben erwähnten bulgarischen Historiker der neueren Generation, dann nehme ich alles gerne zur Kenntnis und ich bezweifle auch nicht, dass es sowas gab, aber bei konkreten Ereignissen möchte ich gerne Belege sehen.

Im Falle von Sif Kladenez kann ich keine genauen Zeugnisse ablegen. Es liegt daran, dass es keinerlei Überlebenden (meines Wissens nach) gab, und erst, als die Bulgarische Armee vorbeikam, dies bekannt wurde. Das Schlachten von Batak ist ein typisches Beispiel für Vorgehensweise der Osmanen gegen Aufstände.


Natürlich will kein Volk gerne unterworfen werden, es sei denn die Bevölkerung zahlt weniger Steuern als vorher, oder die Religion kann freier ausgeübt werden als vorher. (Einer der zahlreichen Gründe für den langen Fortbestand des Osmanischen Reiches, und der schnellen und dauerhaften (!) Ausbreitung des Islam im 7. Jh.) Die Eliten des Landes werden aber davon oftmals trotzdem nicht begeistert sein, streichen ja nun andere Herren die Einnahmen ein. Entsprechende Chroniken sind dann auch verfasst worden.


Das mit dem Glaubensaufzwang hing meines Wissens vom jeweiligen Herrscher ab. Manche waren ausgesprochene Hardliner, andere tolerant, ähnlich wie im christlichen Europa.



Ich habe auch nie von einem Zuckerschlecken der Osmanischen Periode gesprochen, bitte aber um Differenzierung, welches Jahrhundert wir meinen, welche Schicht wir meinen, usw.

Vor allem während des 19. Jahrhunderts war es arg. Beispiel Batak (1876): Lt. Robert More wurden 3000 - 4000, lt. der Times 5000, lt. MacGahan ca. 7000 Männer, Frauen und Kinder umgebracht.

Wusstest du das arme muslimische Familien ihren christl. Nachbarn ihre Kinder gegeben haben, wenn mal wieder die Knabenlese fällig war? Warum? Weil sie sie teilweise nicht mehr durchbringen konnten oder sie dadurch evtl. einen Sohn hatten, der ihnen Geld oder dergleichen zukommen lassen konnte, wenn er aufstieg.

Nein, das wusste ich nicht, aber ich habe mich ja vor allem deswegen hier eingetragen, umd was zu lernen ;)


...wieviele Janitscharen es gab? Und demzufolge wie viel "Nachschub" erforderlich war?

Siehe oben

Weisst du, wie die umliegenden christl. Reiche mit ihren Kriegsgefangenen umgegangen sind, oder mit eroberten musl. Gebiete? Wer auf ihren Galeeren oder Minen Dienst tun musste?

Ich habe nicht gesagt, dass es unter Christen nicht viel anders war, aber diese werden oft genug verurteilt (berechtigterweise).

Natürlich ist die Knabenlese kein tolles Instrument gewesen, nach heutigen Maßstäben. Aber damals waren die Zeiten eben überall anders.

Ich wüsste ausser von den Mameluken keine anderen Sklavenkriegern.

Wenn die Osmanen so schreckliche starre und brutale Herrschaft so eindimensional ausgeübt hätten, wie du oder andere weismachen wollen, dann wäre das Reich ebenso schnell von der Weltbühne verschwunden, wie die Reiche von Dschingis Khan oder Timur.

Das lag wohl eher an den unorganisierten Aufständen.

Betrachte die Zeit in ihrem Kontext. Nicht nach heutigen Maßstäben. Wenn du z.B. die Sklaven der Osmanen anschaust, und bewerten willst, dann z.B. im Vergleich mit den Sklaven der Kolonialmächte.
Und versuche auch mal den Kontext einzubeziehen. Wenn z.B. wegen Missernten Janitscharen keinen Sold bekamen, anfingen zu hungern, und dann marodierend durchs Land zogen und die Dörfer plünderten, dann war das keine Politik der Hohen Pforte, sondern die Umstände und die menschliche Eigenschaft zum Tier zu werden, wenn es um die nackte Existenz geht. Das war nichts spezifisch türkisches/osmanisches, sondern es gab auch andere (slawische) Banden mit gleicher Handlungsweise.

Ich betrachte die Zeit sehr wohl in Ihrem Kontext, und die marodierenden Truppen sind für mich gar nicht erwähnenswert, da dies aus einer Notsituation entstand. Aber im 19. Jhdt, in diesem Ausmaß, diese Aufstände so derartig blutig nierderzuschlagen, ist wirklich nicht gerade ein Zeuge des "guten" Osmanischen Reiches". Meines Wissens ist nicht mal der Auftstand von 1848 so derart blutig Niedergeschlagen worden, daher kam es zurecht zu einem Riesen-Aufschrei in der Weltöfentlichkeit (darunter MacGahan, Victor Hugo, Darwin, Mendelew, Tolstoj, Turgenjew und Garibaldi).


Aber wie gesagt, lese dich mal ein, und stelle dann konkrete Fragen.

Danke ich gleich mal für die Links!
 
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