Historische Romane

:friends:
Assoziiere weiter (auch die erotischen Pfade sollte der brave Historiker nicht aus seinem Wissensschatz ausklammern): Fanny Hilll
Lustig heute sind immer noch die Verbote des Buches. Dabei handeln viele Protagonisten des Buches für die Verhältnisse des 18. Jh. moralisch. Kulturhistorisch ist der Roman von allererster Güte, in einem Zug vermutlich mit "Die Nonne" (Diderot), Casanovas Memoiren, "Pamela" (1740 von Samuel Richardson), "Moll Flanders" (1722 Defoe)...
Aber hier in dem Thread geht es ja um historische Romane und nicht um literarische Zeitzeugnisse.:devil:
 
Auf all diese Werke bezieht sich der Roman, nur eben aus der persönlichen Sicht der Fanny Hackabout Jones. Es ist durchaus ein historischer Roman. Wenn die Szenen eines Hexensabbats in Stonehenge und der anschließende Lynchmord an "weisen Frauen" für die Georgianische Zeit überaus unwahrscheinlich ist, so sind die Szenen in London ausgesprochen gut geraten, mit ihrer großen Detailgenauigkeit. Das Newgate Prison, der Puff der Madame Coxart, das Vereinslokal des berüchtigten Hell Fire Friars Club, die Gespräche mit Pope, Swift, Hogarth, auf diesem Terrain bewegt sich Erica Jong mit großer Sicherheit. natürlich ist ihre Heroine Fanny Hackabout Jones sehr modern, etwa in ihrer Ablehnung Neugeborene fest zu schnüren und ihr Baby selbst zu stillen.
Pittoresk und unwirklich werden dann wieder die Seeabenteuer der Heroine, es scheint als wolle Jong wirklich alles zum Thema 18. Jahrhundert hineinpacken, aber immerhin die Sachkenntnis über Piraterie und Sklavenhandel ist wirklich gut. Meisterhaft die Beschreibung der Verführung des dann doch nicht so schwulen Lancelot Robinson und des latent bisexuellen Schwarzen Horatio durch Fanny und die berüchtigte Piratin Anne Bonney.
Insgesamt sowohl ein Meisterwerk des historischen, wie des erotischen Romans, absolut lesenswert!
 
*Thread enstaub*

Meine Lieblingswerke in Sachen historische Bücher sind die Werke von Rebbeca Gablé. Klar ist es immer ein ähnliches Strickmuster, aber ich bin jedes mal erstaunt, wie perfekt sie es schafft, ihre Geschichte in den wahren historischen Kontext einzubetten...
Auf 1000 Seiten Unterhaltungsliteratur kein einziger historischer Schnitzer... Ich ziehe meinen Hut... und das Buch hervor... Die Bücehr gehören mittlerweiel zu den einzigen die mich noch vom PC wegziehn. Und sie haben mich nachhaltig für das englische Mittelater begeistert^^
 
Auf 1000 Seiten Unterhaltungsliteratur kein einziger historischer Schnitzer... Ich ziehe meinen Hut... und das Buch hervor... Die Bücehr gehören mittlerweiel zu den einzigen die mich noch vom PC wegziehn. Und sie haben mich nachhaltig für das englische Mittelater begeistert^^


Das ist ein Argument. Auch ohne Kopfbedeckung.
 
Scorpios Laudatio zu "Fanny" von Erica Jong schließe ich mich gern an. Und wie der Zufall es will, habe ich grad den Roman "Der König der purpurnen Stadt" von Rebecca Gablé begonnen.
 
Oh ja die Bücher von Rebecca Gablé sind toll. Mich nervt das angesprochene Strickmuster, das einem immer wieder schon bekannt vorkommt, doch ich bin darüber begeistert, wie die Autorin es schafft mich als Leser zu fesseln. Ich habe immer wieder mit Protagonisten und Antagonisten mitgefiebert und war zum Schluß traurig, als die Geschichten vorbei waren.
 
vor kurzem habe ich "Der Schatten des Kaisers" gelesen, von j. soyener, der hier schon mit "Der Meister des siebten Siegels" mehrfach auftaucht (und meiner meinung nach zu schlecht wegkommt)

in seinem neuesten Buch geht es um jean-dominique larrey, den chefchirurgen napoleons, der wegweisend für die militär-medizin werden sollte. das buch erzählt in rückblenden aus sicht von larrey die napoleonischen kriege nach, von toulouse bis nach waterloo. ich halte es für ausserordentlich gut recherchiert und einen guten einstieg ins thema (und es hat wesentlich weniger seiten als "Krieg und Frieden"). es sollte sich aber neimadn an der sehr sachlichen art stören, wie amputationen beschrieben werden...


Ich muss mal den alten beitrag raufholen.

Ich habe das Buch vor ein paar Monaten auch gelesen, ebenfalls sehr begeistert. Ich habe selten so intensiv miterlebt, wie unerträglich die Hitze Ägyptens oder die ält sein Russland sein kann. Wirklich lobenswert! :yes:

Ansonsten freut es mich, zu lesen, dass nicht nur ich von Rebecca Gablé so begeistert bin ^^ Habe vor kurzem "Der König der purpurnen Stadt" zuende gelesen, und konnte mich kaumvon Jonah, Giselle und allen anderen trennen. Was Gablé für mich so lesenswert macht íst außerdem, dass ich die historischen Persönlichkeiten so kennenlerne, dass ich danach möglichst viel über sie herasufinden - ich öchte nicht wissen wie oft ich nach dem Genuss von "Das Lächeln der Fortuna" den Namen John of Gaunt in die Suchmaschinen des Web eingegeben habe :D
 
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@Phillippa
War ja klar, dass wir uns HIER treffen :winke:, ich möchte auch in diesem Thread mal auf einige MEINER historischen Lieblingsbücher aufmerksam machen:

DIE UNSELIGEN KÖNIGE von Maurice Druon:
(ein Zyklus in 6 Bänden: 1. Der Fluch aus den Flammen, 2. Der Mord an der Königin,
3. Das Schicksal der Schwachen, 4. Die Macht des Gesetzes, 5. Die Wölfin von Frankreich, 6. Lilie und Löwe)

Es beginnt mit Philip IV, dem SCHÖNEN von Frankreich, Anfang des 14.Jahrh.
Seine Tochter war die Mutter Edwards III von England und da ihre 3 Brüder alle ohne MÄNNLICHE Nachkommen starben, erhob der englische König Anspruch auf den französischen Thron.
Die Franzosen haben damals das "salische Gesetz" ausgekramt, nach dem Frauen nicht erbberechtigt waren und da die natürlich kein "Anhängsel" von England sein wollten, schlossen sie auch die Erbfolge eines Mannes über seine MUTTER aus. Dadurch kam es zum 100jährigen Krieg
Was ICH an den Büchern so toll finde: Es gibt eine Menge "Fussnoten", die alles ganz genau belegen.
Druon bringt allerdings auch ein paar Sachen ein, die NICHT historisch SICHER sind, die aber so gewesen sein KÖNNTEN.... so wird seiner Schilderung nach der kleine Sohn Ludwigs X (ältester Sohn von Philipp IV), der 5 Monate nach dem Tod seines Vaters geboren wurde und daher schon als Neugeborener KÖNIG Johan I war, bei seiner Taufe mit dem Sohn der Amme vertauscht, weil DIESER gesünder aussieht. Als der "kleine König" den Vasallen gezeigt werden soll, wird er dabei vergiftet und niemand ahnt, dass er nicht der ECHTE König ist.
Auch DAFÜR bringt Druon "Beweise", die man akzeptieren KÖNNTE.... es ist also möglich, dass die Familie VALOIS, die nach den KAPETINGERN auf den Thron kam, gar nicht rechtmässig dort sass.

WALD DER ERWARTUNG von Hella Haasse
Hinter diesem merkwürdigen Titel versteckt sich eine der BESTEN Romanbiografien, die ich je gelesen habe.

Sie erzählt das Leben des Herzogs Charles von Orleans, Sohn des ermordeten Bruders von König Karl VI (dem Wahnsinnigen) und Cousin Karl VII, (den die JUNGFRAU von Orleans zum König machte).
Charles wurde dadurch in die Kämpfe um den französischen Thron gezogen, obwohl er eigentlich ein friedliebender Mensch und einer der größten DICHTER seiner Zeit war.
In AZINCOURT wurde er gefangen genommen und verbrachte über 25 Jahre in England.
Als er endlich freikam, heiratete er noch einmal und wurde der Vater des späteren Ludwig XII, der auf den Thron kam, weil Ludwig XI, (der Sohn Karl VII) keinen männlichen Nachkommen hatte...

BRUDER CADFAEL von Ellis Peters

Die 20 Bände um den "Detektiv in der Mönchskutte" spielen im 12.Jahrhundert zur Zeit des englischen Thronstreites zwischen der "Kaiserin" Mathilde (Tochter und einzige Erbin Heinrichs I von England) und ihres Cousins Stephan von Blois. Ich finde es einfach faszinierend, wie gut die echten damaligen Ereignisse in die Handlung integriert sind, aber hier mal hauptsächlich aus Sicht der "kleinen Leute" dargestellt werden.
 
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@Désirée: :friends:

Ich füge hier mal noch Robert Merle hinzu. Von ihm stammt ein Zyklus über die Zeit der Glaubenskriege in Frankreich, beginnend unter Katharina von Medici und endend unter Louis XIV. Im Mittelpunkt steht dabei die Familie de Siorac. Das Besondere: Vater Siorac ist Hugenotte, die Mutter ist gläubige Katholiken. Da bleiben Streitigkeiten nicht aus. Und so wachsen die Nachkommen der Familie in einem sehr toleranten Umfeld auf, weil sie beide Religionen selbst erleben. Die liebevollen Charaktere, historische Feinheiten (soweit ich das beurteilen kann) und ein beeindruckender Schreibstil.

Die Reihenfolge:

1. Fortune de France
2. In unseren grünen Jahren
3. Die gute Stadt Paris
4. Noch immer schwelt die Glut
5. Paris ist eine Messe wert
6. Der Tag bricht an
7. Der wilde Tanz der Seidenröcke
8. Das Königskind
9. Die Rosen des Lebens
10. Lilie und Purpur
11. Ein Kardinal vor La Rochelle
12. Die Rache der Königin
13. Der König ist tot (erscheint wohl im herbst 2007)
 
Möchte auch mal auf ein gutes Buch aufmerksam machen das ich vor einigen Jahren gelesen hab.

"Die Töchter der Steppe" von Alan Savage und Karin Meddekis.

Der Titel ist selten dämmlich in Anbetracht der Tatsache das sich die Handlung in den wilden Bergen des Kaukasus abspielt. Die Storie ist simpel aber doch spannend zu lesen. Die englische Ritterstochter Edith, die mit ihrer Familie auf den weg ins heilige Land ist, wird von dem georgischen Prinzen Demna entführt. Nachdem dieser in einer Schlacht gegen seinen verfeindeten Vetter König Georg III. von Georgien unterliegt und ein hartes Schicksal erfährt erwartet Edith das Schicksal als Sklavin der Prinzessin Tamar im rauen Georgien. Nachdem diese schließlich ihren Vater auf dem Thron nachfolgte erlangt Edith als Leibwächterin und Bettgefährtin der Königin Einfluss am Hofe. Doch schon bald tauchen aus den Weiten Asiens mongolische Invasoren auf und bedrohen dabei auch das Kaukasusreich.

Die Geschichte des Buches ist mit Sicherheit historisch nur bedingt korrekt. Gerade was die Zeichnung der historischen Persönlichkeiten, allen voran Tamar, angeht scheinen die Autoren sich viele Freiheiten heraus genommen zu haben. So erweckt das Buch den Eindruck das der mittelalterliche georgische Königshof eine Ansammlung lesbischer Sadomasochistinnen ist. Auch vernachlässigt die Geschichte eine nähere Darstellung Tamars als Regentin ihres Reiches. Sie tritt hauptsächlich als männerhassende Amazone gegen die äußeren Feinde ihres Reiches in Erscheinung.
Neben ihr haben aber noch einige andere historische Personen interessante Auftritte: z.B. das bayzantinische Entfant Terrible Andronikos Komnenos oder der russische Suffkopp und Schläger Jurij Bogoljubskij.

Trotz seiner Schwächen empfehle ich diesen Roman gerne weiter. Denn er ist gut und schnell zu lesen (ich habe glaub ich 2 Tage gebraucht) und die Geschichte ist sehr abwechslungsreich.
Besonders positiv rechne ich dem Werk aber an, dass es das Interesse eines Geschichtsfan auf ein, bei Autoren, nahezu völlig vernachlässigtes Gebiet des Mittelalters lenkt. Während bei Gablé oder Lawhead englische Prinzen oder edle Kreuzfahrer im Mittelpunkt stehen richtet Savage das Augenmerk des Leseres auf die fast unbekannte Geschichte des mittelalterlichen Georgiens und macht dabei Appetit auf mehr.
 
Hallo Desirée,

das Buch "Wald der Erwartungen" habe ich auch gelesen und kann es nur empfehlen, obwohl ein relativ dicker Schinken, ist es intressant geschrieben und gut zu lesen.

Die Buchreihe über die unseligen Könige hört sich auch ausgesprochen gut an und, wenn ich es richtig verstanden habe, ist das Thema der Hundertjährige Krieg.
Leider gibt es wenig Literatur über den Hundertjährigen Krieg, ich zumindest habe bisher noch nicht viel daürber gefunden und finde es schade.....

Hallo Mercy,

gerade schaue ich in den Spiegel und stelle fest, ich habe ja mein Aussehen radikal verändert - wahrlich ein Mysterikum

merci, cher Mercy......
 
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@Josephine

Eigentlich wird hier beschrieben, WIE es zum 100jährigen Krieg überhaupt kam und WARUM der englische König Edward III Anspruch auf den französischen Thron erhob (meiner Meinung nach völlig zu Recht)
"Der Fluch aus den Flammen" beginnt im Jahr 1314, als Philipp IV (der Schöne) von Frankreich die Vernichtung des Templerordens abschloss, indem er dessen höchste Würdenträger auf den Scheiterhaufen schickte.
Der Großmeister Jacques de Molay forderte im Sterben den Papst, den König und dessen Minister "vor Gottes Thron" und tatsächlich starben alle drei innerhalb eines Jahre, wie "angekündigt"
Obwohl Philipp 3 Söhne hatte, starb das Haus der Kapetinger in der Hauptlinie mit dem letzten, Karl IV 1328 aus.
Mit der Übertragung des uralten "Salischen Gesetzes" auf die Thronfolge hatten sie ihre Töchter selbst davon ausgeschlossen, ihre Söhne starben jedoch schon im Kindesalter.
So war tatsächlich der Sohn ihrer Schwester Isabella, Edward III von England der einzige männliche Nachkomme Philipps des Schönen.
Auch ER musste sich gegen seine Mutter und deren Liebhaber erst seinen Thron erkämpfen.
Es handelt sich also um eine Geschichte beider Länder über einen Zeitraum von ca. 50 Jahren.
DRUON hat 20 Jahre später noch einen siebten Band geschrieben: "Ein König verliert sein Land", den ICH aber nicht mehr zu diesem Zyklus zählen würde, denn er ist in einem völlig anderen (sehr schwer lesbaren) Stil geschrieben und zudem in der ICH-Form. Der Kardinal von Périgord erzählt darin die Geschichte weiter, konzentriert sich dabei aber mehr auf seine eigene Befindlichkeit und redet mehr über seine Krankheiten, die schlechten Straßen und den Zustand der Gasthäuser, als die historischen Vorgänge. Wer die anderen Bände kennt, wird enttäuscht sein, ICH habe es in 20 Jahren noch nicht fertig gebracht, das Buch RICHTIG zu lesen...."Quer" hat mir gereicht

Noch ein sehr schönes Buch, dass sich auch mit dem Thema befasst:

"Die heimliche Krone" von Rosemary Jarman erzählt die Geschichte Heinrichs V von England, seine kurze Ehe mit Katharina von Frankreich und seinen Sieg von Azincourt. Durch seinen frühen Tod verlor England sehr bald alles, was bisher in Frankreich erobert wurde. Die "Jungfrau von Orleans" führte die Franzosen zum Sieg und Karl VII nach Reims zur Krönung.
OWEN TUDOR, der mit der verwitweten Königin mehrere Kinder hat, wird der Stammvater einen neuen Herrscherhauses.
 
Zuletzt bearbeitet:
An einen historischen Roman hab ich den Anspruch, dass er möglichst Nahe an der Realität liegt. Doch was ist ein Buch wert, welches nicht zu fesseln vermag? Im Zweifelsfall geht mir die Spannung aber vor. Jemand der sinn für Historische Geschehen hat kann ja nachrecherchieren.
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Der Medicus:

Für mich das wichtigste Buch meines Lebens.... in maximal 2 Tagen gelesen.
Und das bereits zum 2. Mal.
Entflammte in mir das Feuer zum historischen Roman und eine anschließende Recherche zum Thema "Die Geschichte der Medizin".


Colorado Saga von Jamea A. Michener:
Mal was anderes... Die Geschichte des Staates Colorado... Hat mich schon als kleines Kind (lange vor dem Medicus) bis in die frühen Morgenstunden vom Schlafen abgehalten.
Würde ich auch heute gerne wieder lesen, wenn es nicht so viel ungelesenes gäbe :)

Papillon!!
Wahnsinn


Die Säulen der Erde??
Komisch hat mich von Beginn nicht fesseln können. Mehrmals zur Seite gelegt...Aber ich geb dem Schmöker noch eine Chance. So viele Menschen können sich nicht irren und letztendlich haben mich Ken Folletts "Die Brücken der Freiheit" auch begeistert (in einem Rutsch gelesen).
 
@Prinz Eugen: Ich hab bei "Die Säulen der Erde" auch ein wenig gebraucht, bis ich drin war, kann verstehen, dass es da am Anfang mancher zur Seite legt. Aber durchhalten lohnt sich.
 
Die Säulen der Erde??
Komisch hat mich von Beginn nicht fesseln können. Mehrmals zur Seite gelegt...Aber ich geb dem Schmöker noch eine Chance. So viele Menschen können sich nicht irren...
Ich hab bei "Die Säulen der Erde" auch ein wenig gebraucht, bis ich drin war, kann verstehen, dass es da am Anfang mancher zur Seite legt. Aber durchhalten lohnt sich.

Dieses Buch zu lesen, lohnt sich auf jeden Fall - Ken Follet hat den historischen Hintergrund gut recherchiert; hier gibt's noch Fans: http://www.geschichtsforum.de/gesch...-der-erde-historische-grundlagen-korrekt.html
 
Einen wirklich guten historischen Roman habe ich kürzlich in einem Antiquariat entdeckt: Dietlof Reiche, "Der Bleisiegelfälscher" Der Roman spielt in der Freien und Reichsstadt Nördlingen im Lodwebermillieu um 1613. Nördlingen ist ein Zentrum der Tuchindustrie, Nördlinger Loden werden im ganzen Reich gehandelt. Da aber die Weber von der durch die Zunft festgesetzten monatlichen Stückzahl nicht leben können, fälschen sie die Bleisiegelmarken, und die Tuchhändler dulden diese Fälschungen und versenden sie. Doch es gibt Ärger, die Fälschungen nehmen überhand, und der Ruf der Nördlinger Loden gefährdet. In dieser Situation beschließt der Rat, einen unbeliebten Meister als Sündenbock übermäßig hart zu bestrafen. Ein solcher ist der schlitzohrige Jörg Kratzer, der sich allzuoft mit der Zunft angelegt hat. Durch seinen eigenen Sohn denunziert, der arbeitslos ist und hofft, die Werkstatt selbst zu übernehmen. Doch seine Tochter und sein Geselle wollen Meister Kratzer freibekommen. Martin Kratzers Geselle gelingt es, den Kanzlisten Ostertag zu erpressen, ihm Einblick in die Akten zu gewähren, und er stellt mit Entsetzen fest, daß man Kratzer wegen eines nachgemachten Siegels mit der Folter zur Aussage gebracht hat, und sein Todesurteil besiegelt ist, da Kratzer auf der Folter gedroht hat, über die Machenschaften in Nördlingen aller Welt zu berichten. Martin und Magret, Kratzers Tochter beschließen einen riskanten Plan, eine Demonstration der Loderzunft, die Kratzers Freilassung fordert. Anfangs scheint das auch gutzugehen, indem sie andeuten, daß Kratzer auf der Folter Namen genannt hat, überreden sie die Gesellen und Meister teilzunehmen. Doch das riskante Unternehmen scheitert natürlich, und Kratzer wird am Ende hingerichtet. Kratzers Geselle aber darf die Stadt verlassen, weil man keinen Märtyrer will. Die Geschichte basiert übrigens auf Tatsachen und Dietlof Reiche ist ein sehr spannender und unkonventioneller Roman gelungen.
 
Guter Hinweis, Scorpio!

Das Buch "Bleisiegelfälscher" gibt es auch in der Version als Klassenlektüre und wird auch heute noch an den Schulen gelesen. Der Autor hat dafür seinerzeit mehrere Jugendbuchpreise gewonnen.
 
Hallo alle,

bei einem historischen Roman muß man einfach damit rechnen, dass zugunsten der Spannung und was auch immer, die historische Wahrheit etwas verfälscht wird, schließlich ist es nur ein Roman.
Mir hat das bisher noch keine Probleme gemacht. Etwas anderes ist es mit den Sachbüchern, da erwarte ich schon Genauigkeit.
Und speziell zum Thema Hundertjährigen Krieg fand ich bisher recht wenig Fachliteratur, ich meine natürlich deutsche, nach englischer habe ich noch nicht geschaut, abgesehen natürlich über Jeanne D'Arc, da gibt es vielfältige Literatur.

gute Nacht ...
 
... bei einem historischen Roman muß man einfach damit rechnen, dass zugunsten der Spannung und was auch immer, die historische Wahrheit etwas verfälscht wird, schließlich ist es nur ein Roman.
Mir hat das bisher noch keine Probleme gemacht. Etwas anderes ist es mit den Sachbüchern, da erwarte ich schon Genauigkeit...

Wie schon in früheren Beiträgen dieses Threads angesprochen, ist es eben Geschmackssache, welchen Anspruch bzw. welche Ansprüche man selbst an einen solchen Roman stellt.
Wenn historische Gegebenheiten nicht stimmen, so liegt dies mE aber zumeist nicht daran, daß der Autor mehr Spannung erzeugen wollte o.ä., sondern daß er schlecht recherchiert hat, den historischen Hintergrund (warum auch immer) oberflächlich wiedergibt, gängige Klischeebilder bedient (was auch immer dafür der Grund sein mag) o. dgl.
Wer damit leben kann, bitte schön - andere (ich zum Beispiel) können dem eben dann außer netter literarischer Unterhaltung nicht so viel abgewinnen. Geschmackssache eben...
Anm.: Natürlich muß auch hierbei der Zeit Rechnung getragen werden, in welcher der entsprechende Roman geschrieben worden ist - wer Walter Scott liest, sollte sich eben darüber im Klaren sein, daß es Romantik ist und z.T. vollkommen falsche Bilder vom englischen Mittelalter zeichnet, so daß sich die Frage nach historischer Korrektheit eigentlich erübrigt.

Zum Argument "bei Sachbüchern erwarte ich Genauigkeit"...
Sagen wir es so: ein historischer Roman kann, obwohl bzw. gerade weil er ein Sachbuch nicht ersetzen kann und auch nicht soll, trotz allem aber entweder gut recherchiert, ausreichend recherchiert oder aber schlecht recherchiert sein. Wieviel Wert man dem selbst neben der Art, wie gut oder schlecht er geschrieben ist, beimißt, ist - siehe oben - Geschmackssache ;)



Aber eigentlich wollte ich noch ein anderes Buch hier aufführen, auch wenn dieses sicher nicht so bekannt ist: Ulrich Komm "Forscher auf Piratenkurs" - Militärverlag der DDR, Berlin; Erstausgabe 1981, 3. Aufl. 1986 (mW nur noch antiquarisch verfügbar - vgl. bspw. Bolitho & Co. Marinehistorische Romane ~ Weitere Romane)
Erzählt wird die Lebensgeschichte des Freibeuters und Forschers - im 17. Jh. konnte man durchaus beides zugleich sein - William Dampier (1651-1715). Daß er der Nachwelt kaum in Erinnerung geblieben ist - von der Dampier-Straße an der Nordküste Neuguineas, der Dampier-Archipel an Australiens Westküste und der Stadt Dampier in Nordwestaustralien einmal abgesehen - liegt vor allem daran, daß er sowohl im Schatten eines bedeutenderen Freibeuters (Francis Drake) als auch eines bedeutenderen Forschers (James Cook) steht.
Ulrich Komm hat (wenngleich er einen proenglisch-antikatholischen Blickwinkel nicht verbergen kann, und obwohl auch bei ihm einige Details nicht mit historischen Tatsachen ganz übereinstimmen) ordentlich recherchiert und schildert plastisch wie detailliert gesellschaftliche und politische Verhältnisse des bürgerlichen England im Kontext mit den Entdeckungsfahrten des 17. Jh.
Zu Person und Wirken des William Dampier:
William Dampier - Wikipedia
William Dampier - Wikipedia, the free encyclopedia
 
Was die Ansprüche an historische Genauigkeit angeht, sitz ich sozusagen zwischen euren beiden Stühlen. Ích verlange - genau wie Timotheus - dass sich der Autor / die Autorin die Arbeit macht, genauestens zu recherchieren und - falls sie sich von der Wirklichkeit entfernt, dies dann zumindest in einem Anhang oder Nachwort erwähnt. Wie gesagt, das dürfen die historischen Schnitzer nur nicht zu haaresträubend sein.

Was ich hingegen sehr amüsant und unterhaltsam finde, sind die Spielchen mit unsicheren Fakten. Manchal besteht eben Spielraum, und wenn der Autor den nach seinem Gutdünken nutzt, um ihn der Geschichte anzupassen (oder eben eine der vielen Ansichten vertritt) find ich das gut. Es gibt dem Werk seine persönliche Note und schließlich befinden wir uns ja - wie Josephine schon sagte - bei Romanen, die selbst gewissen Kunstregeln unterworfen sind. Um mal Dumas frei zu zitieren: "Ich habe die Geschichte vergewaltigt - aber wenigstens ist dabei ein schönes Kind rausgekommen."

Auch eine gewisse subjektive Betrachtung bei historischen Ereignissen lass ich durchaus noch durchgehen, solange sich das im Rahmen hält. Schließlich sind die Figuren ja kaum zu einer objektiven beachtung ihrer Lage fähig.
 
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