Hofsprache Französisch.

Kleine Anekdote am Rande, aus dem Uralt-Schinken "Austerlitz":
Die Oberkommandierenden der russischen und österreichischen Armeen treffen sich am Vorabend der Schlacht, um die alliierten Pläne zu beraten.
Da die Russen nicht Deutsch verstehen und die Österreicher nicht Russisch muss man notgedrungen auf die Sprache des Feindes ausweichen...
Auch wenn man dem Film als "Unterhaltung " ansehen muss, halte ich das doch für authentisch.
Auch die Karrieren verschiedener adeliger Generale vor-napoleonischer Zeit lassen vermuten, dass Französisch in den oberen Kreisen gekonnt werden musste.
Ich wüsste auch keine andere "Hilfssprache" im festlandeuropäischen Austausch in jener Zeit.
 
Die Oberkommandierenden der russischen und österreichischen Armeen treffen sich am Vorabend der Schlacht, um die alliierten Pläne zu beraten.
Da die Russen nicht Deutsch verstehen und die Österreicher nicht Russisch muss man notgedrungen auf die Sprache des Feindes ausweichen...
Ich ehrlich gesagt nicht unbedingt, weil es in der russischen Armee eigentlich immer genügen deutschbaltische Offiziere gab.

Zu den Russischen Befehlshabern bei Austerlitz gehörte unter anderem ein gewisser Friedrich von Buxhoeveden


Der wird im Rahmen der Planungen der Oberkommandierenden sicherlich in der Lage gewesen sein, den Übersetzer zwischen den deutschsprachigen Militärs auf der Österreichischen Seite und den Russen zu geben und auch sonst, würde man auf russischer Seite sicherlich genügend der deutschen Sprache mächtigen Adjutanten gefunden haben, die dass durchaus vermitteln konnten.

So lange kein Zeitdruck und kein Chaos vorhanden war und es sich um die theoretische Planung der anstehenden Schlacht handelte, werden Besprechungen auf deutsch und russisch möglich gewesen sein und möglicherweise auch besser/zielführender, wenn sie von jemandem vermittelt wurden, der tatsächlich in beiden Sprachen aufgewachsen war und beides aus dem FF beherrschte, was möglicherweise helfen konnte Fehlerquellen zu minimieren, da dann nur einmal, statt zweimal überssetzt werden musste, nämlich direkt von Deutsch auf Russisch oder Russisch auf Deutsch, ohne noch den Umweg über das Französische zu nehmen.

Während der laufenden Operation, wenn sich deutschsprachige und russischsprachige Truppenführer miteinander verständigen mussten und im Chaos gerade keine Deutschbalten auffindbar waren, die den Verbindungsoffizier hätte machen können, oder wenn Entscheidungen unter Zeitdruck ad hoc getroffen werden mussten und keine Zeit war einen Übersetzer hinzu zu ziehen, dann wird Französisch die sinnvollere Wahl gewesen sein.
Aber nicht unbedingt bei den vorrausgehenden Planungen.

Ich bin nicht darüber im Bilde, inwiefern Zar Alexander, der ja bei Austerlitz das Kommando über die russischen Koalitionstruppen selbst führte, der deutschen Sprache mächtig war, aber angesichts der Geschichte der Zarenfamilie und des Umstands, dass er mit einer badischen Prinzessin verheiratet war also auch weiterhin Familienbande in den deutschsprachigen Raum aufrecht erhalten wurden, würde ich das nichtmal für unwahrscheinlich halten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin nicht darüber im Bilde, inwiefern Zar Alexander, der ja bei Austerlitz das Kommando über die russischen Koalitionstruppen selbst führte, der deutschen Sprache mächtig war

"Für die russischen Zaren hatte das Deutsche lange Zeit eine hohe Stellung inne. So sprach der russische Zar Alexander I. auf seiner Londonreise 1814 Deutsch, obwohl er auch Englisch beherrschte (vgl. Ostrower 1965: 344)."

Am besten konnte er wahrscheinlich Französisch, die Sprache seines Erziehers:
 
In Beitrag 27 hast Du die falsche Behauptung aufgestellt: "der Adel sprach Französisch. Aber das nicht wirklich, sondern nur als Unterscheidungsmerkmal zu anderen gesellschaftlichen Schichten."
So, so, ich hätte falsche Behauptung aufgestellt. Dabei war das gar nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern ich übernahm das aus den Büchern von Killius und Polenz.

Weil mir das Buch von Killius nicht mehr zur Verfügung steht, hier ein Zitat aus Polenz (1994, S. 49):

Eines der wesentlichen Kennzeichen der deutschen Sprachentwicklung in der absolutistischen Zeit war das beträchtliche Ausmaß des Fremdsprachengebrauchs, vor allem des Französischen. Er reichte von echter Zwei oder Mehrsprachigkeit bei wenigen in den Oberschichten bis zum Gebrauch einzelner fremdsprachlicher Elemente im Deutschen in fast allen Bevölkerungsschichten.
(…)
Partielle oberschichtliche Dreisprachigkeit Deutsch/Latein/Französisch im späteren 17. und im 18. Jh. mit der Tendenz zur höfischen und bildungsbürgerlichen Vorzugsstellung des Französischen, aufgrund intensiverer Sprachenkontakte durch literarische Bildung, besonders in der Aufklärungszeit, mit sozialdistanzierender Wirkung auf die Unterschichten ( 5 . 3 L - S ) .

Auf das Thema der Zweisprachigeit kommt Polenz (Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart Band II) auf Seite 70 zu sprechen, und da schreibt er:

"In der neueren Forschungsliteratur und in Handbüchern ist es umstritten, ob und in welcher Weise es in Deutschland im 17./18. Jh. überhaupt eine wirkliche Zweisprachigkeit Deutsch/Französisch gegeben habe."
Das sagte ich weiter oben mit „… der Adel sprach Französisch. Aber das nicht wirklich, …“ auch. Und du gehst hin und sagst im selben Beitrag, das wäre eine falsche Behauptung.

Andererseits waren die französiche Sprache und Kultur schon wichtig, „besonders in der Aufklärungszeit“ – selbst Leibniz, einer der herausragenden Vertreter der Aufklärung, schrieb seine Bücher in lateinischer und französischer Sprache.

Und zu Kultur schreibt Polenz (1994, S. 64:

Auch ein , K o n s u m z w a n g ' deutscher Fürstenhöfe in Bezug auf moderne Luxuswaren aus dem merkantilistisch fortschrittlichen Frankreich hat dabei eine Rolle gespielt (Brunt 1983, I f f . , 51 ff.; s. 5 . 4 E ) . Hier war also — noch vor der unwiderstehlichen Ausstrahlung des Versailler Hofes unter Ludwig X I V . — modernisierendes europäisches Kulturprestige das M o t i v für den G e b r a u c h des Französischen. So ist es zu erklären, d a ß trotz der ablehnenden Haltung gegen die Expansionspolitik Frankreichs seit etwa 1680 in der öffentlichen M e i n u n g in Deutschland die kulturelle N a c h a h m u n g Frankreichs bis kurz nach der Französischen Revolution anhielt (Brunt 1983, 2 2 f f . ) .

Das reicht, oder?
 
Das sagte ich weiter oben mit „… der Adel sprach Französisch. Aber das nicht wirklich, …“ auch.

Den zweiten Teil des Zitats wollen wir doch nicht unterschlagen: "... nicht wirklich, sondern nur als Unterscheidungsmerkmal zu anderen gesellschaftlichen Schichten." Und das ist halt Quatsch, sowas behauptet weder Killius noch Polenz.
 
... hier ein Zitat aus Polenz (1994, S. 49):

Eines der wesentlichen Kennzeichen der deutschen Sprachentwicklung in der absolutistischen Zeit war das beträchtliche Ausmaß des Fremdsprachengebrauchs, vor allem des Französischen. Er reichte von echter Zwei oder Mehrsprachigkeit bei wenigen in den Oberschichten bis zum Gebrauch einzelner fremdsprachlicher Elemente im Deutschen in fast allen Bevölkerungsschichten.
(…)
Das erinnert mich ein wenig an Quentin Tarrantinos Django Unchained. Calvin Candie liebt das Französische. Aber er kann es nicht. deshlab werden die Leute angewiesen, nur frz. Brocken einzuwerfen aber niicht frz. zu sprechen. Wenn ein Verlienr Troittoir, Paraplü und Paravo (Paraplus, Paravent) sagt und ein Düsseldorfer Fisimatenten, dann sind das keine Französischkenntnisse, sondern ihrer Wortbedeutung entkernte Ausdrücke.
 
Parapluie!


... dürfte eher nicht aus dem Französischen kommen:

"Die Herkunft ist unklar, doch legt die Lautgestalt eine lat. Ausgangsform nahe. Im 16. Jh. bezeugtes visepatenten ‘dummes Zeug, Nichtigkeiten’ (mnd. visepetenten) läßt an ein kanzleisprachliches mlat. *visae patentes (litterae) ‘ordnungsgemäß geprüfte Patente’ (s. Patent und Visum) denken."
 
Ich schließe mich El Quijote an: Auch ich bin bis jetzt immer davon ausgegangen, dass sich im späten 17. und im 18. Jhdt. jeder größere und kleinere deutsche Fürst an Frankreich und Versailles orientiert hat und an seinem großen oder kleinen Hof Französisch gesprochen wurde.
Da sieht man wieder einmal, wie wenig Schulwissen mitunter anscheinend taugt.

Einige deutsche Höfe waren schon stark frankophon ausgerichtet. Hessen-Kassel hat eine recht große Zahl von Hugenotten aufgenommen, es gab in der Landgrafschaft ganze Dörfer, die wie der Ort Frankenhain, heute ein Stadtteil von Schwalmstadt, als Hugenottensiedlungen gegründet wurden.

Die Hugenotten haben noch Generationen später Französisch gesprochen. Theodor Fontane erinnert berichtet in "Aus meinen Kindertagen", dass die Familie Fontane zwar glühende preußische Patrioten wurden, aber erst nach dem Debakel von Jena und Auerstedt aufhörten, Französisch in der Familie zu sprechen.

Der Hof von Kassel lockte im 18. Jahrhundert eine recht große Zahl von Franzosen an: Baumeister, Landschaftsarchitekten, Wissenschaftler, Gartenkünstler, Schauspieler und auch eine Anzahl von Glücksrittern, die mit Empfehlungsschreiben ausgestattet, sich dort eine Stellung erhofften.

Zur Zeit Friedrichs II. (1760-1785) gab es ein französisches Theater und eine italienische Oper, das Fridericianum war das erste oder eines der ersten Museen in Europa, das der Öffentlichkeit zugänglich war. Es muss auch Gazetten in französischer Sprache gegeben haben.

Briefe aus dem 18. Jahrhundert zeigen, wie sicher sich manche Zeitgenossen in der französischen Sprache und Literatur bewegten. Martin Ernst von Schlieffen, hessischer Premier unter Friedrich II. und Wilhelm IX. beherrschte Französisch, Englisch und Latein, Schlieffen vermied aber Fremdwörter und hatte die Angewohnheit, selbst Worte wie Offizier einzudeutschen, wodurch seine Korrespondenz mitunter etwas mühsam zu lesen ist.

An einigen deutschen Höfen gab es eine Reihe von Diplomaten, Beamten und Literaten, die solide Französisch sprachen, die es völlig beherrschten und Racine, Molliere und Voltaire sicher zitieren konnten, und in Preußen oder Hessen spielten Hugenotten eine bedeutende Rolle, die bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts noch Französisch als Muttersprache gelernt hatten, und es gab vielerorts französische Architekten, Wissenschaftler, Schauspieler, Ärzte, Gartenbaufachleute aus Frankreich oder Ausländer, die in Frankreich ausgebildet wurden.

Trotzdem würde ich keineswegs davon ausgehen, dass alle Personen des Hofes sich so sicher im Französischen bewegten, wie es einige Intellektuelle tatsächlich taten.
Bei einem nicht unerheblichen Teil würde ich davon ausgehen, dass sie lediglich einige Grundkenntnisse besaßen, dass häufig französische Fremdwörter gebraucht wurden, dass man wie bei Denglisch parlierenden Zeitgenossen lediglich den Anschein erweckte, so tat als ob.

Bei etlichen war die Sprachkompetenz sicher sehr gering.

Ein Offizier aus dem Stab des Braunschweiger Generals von Riedesel schrieb:

"Le courier porte la lettre avec- Der Kurier bringt den Brief mit."
 
Noch James Boswell versuchte sich aber mal in den 1760ern in Dtl. mit Latein zu behelfen, da keiner in einer dt. Provinzstadt Französisch bzw. Englisch beherrschte und sein Deutsch zu schlecht war.
Zum internationalen Austausch war Französisch gewiss bedeutend. An den Höfen aber wurde je nachdem Französisch, die Landessprache oder (wie beim Bsp. Karl VI.) auch eine andere Sprache gesprochen.
In Kassel gab es Verbindungen zum englischen Hof schon im 16. Jahrhundert. Landgraf Moritz der Gelehrte baute 1606 das Ottoneum, den ersten festen Theaterbau Deutschlands und er engagierte englische Schauspieler. Taufpatin seiner Tochter Elisabeth war Elisabeth I. Martin Bucer, der die Reformation in Hessen prägte, lehrte seit 1549 in Cambridge. Georg Forster ging nach der Weltumseglung mit James Cook als Dozent nach Kassel. Friedrich II. war Schwiegersohn Georg II., neben der französischen Kolonie gab es in Kassel auch eine englische mit einer eigenen Pfarrkirche St. Patrick. Mit Maria der Tochter Georg II. kamen auch englische Hofdamen nach Kassel.


James Boswell of Auchinleck reiste 1764 an den Hof von Kassel, wo er sich eine Audienz bei Landgraf Friedrich II. erhoffte, der ihn sehr interessierte.

Der Landgraf war als Erbprinz der nominelle Oberbefehlshaber der hessischen Hilfstruppen im Jakobitenkrieg gewesen. Auch Boswell hatte einmal mit dem Katholizismus geliebäugelt, bevor er in den Niederlanden Mitglied der Anglikanischen Kirche wurde

Boswell wurde anfangs kühl in Kassel empfangen, einige Zeit vorher hatte ein Ausländer sich als Sohn des Herzogs von Hamilton ausgegeben, der vom Kasseler Hof empfangen und ausgestattet wurde, der sich aber als Hochstabler erwies. Boswell sagte, dass man in Kassel Empfehlungen brauchte. Er wurde aber dann vom Erzieher des Landgrafen August von Donop, von einer Cousine des Landgrafen Prinzessin Charlotte und einigen Persönlichkeiten des Hofes empfangen und besuchte die Sehenswürdigkeiten darunter den Herkules mit den Wasserspielen und die Gemäldegalerie.

Im Komödienhaus war Boswell überrascht, dass dort ein Orchester ein Konzert von Lod Kelly spielte, die Musiker fand Boswell aber nicht gut. Mit einem hessischen General sprach Boswell Englisch, dieser beherrschte die englische Sprache anscheinend recht gut. Einer der Sänftenträger, die Boswell bei einer Stadtrundfahrt trugen, war 1745 mit den hessischen Truppen in Schottland gewesen, und er sprach von einer Stadt "Bart", womit vermutlich Perth gemeint war.
 
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