Ich schließe mich El Quijote an: Auch ich bin bis jetzt immer davon ausgegangen, dass sich im späten 17. und im 18. Jhdt. jeder größere und kleinere deutsche Fürst an Frankreich und Versailles orientiert hat und an seinem großen oder kleinen Hof Französisch gesprochen wurde.
Da sieht man wieder einmal, wie wenig Schulwissen mitunter anscheinend taugt.
Einige deutsche Höfe waren schon stark frankophon ausgerichtet. Hessen-Kassel hat eine recht große Zahl von Hugenotten aufgenommen, es gab in der Landgrafschaft ganze Dörfer, die wie der Ort Frankenhain, heute ein Stadtteil von Schwalmstadt, als Hugenottensiedlungen gegründet wurden.
Die Hugenotten haben noch Generationen später Französisch gesprochen. Theodor Fontane erinnert berichtet in "Aus meinen Kindertagen", dass die Familie Fontane zwar glühende preußische Patrioten wurden, aber erst nach dem Debakel von Jena und Auerstedt aufhörten, Französisch in der Familie zu sprechen.
Der Hof von Kassel lockte im 18. Jahrhundert eine recht große Zahl von Franzosen an: Baumeister, Landschaftsarchitekten, Wissenschaftler, Gartenkünstler, Schauspieler und auch eine Anzahl von Glücksrittern, die mit Empfehlungsschreiben ausgestattet, sich dort eine Stellung erhofften.
Zur Zeit Friedrichs II. (1760-1785) gab es ein französisches Theater und eine italienische Oper, das Fridericianum war das erste oder eines der ersten Museen in Europa, das der Öffentlichkeit zugänglich war. Es muss auch Gazetten in französischer Sprache gegeben haben.
Briefe aus dem 18. Jahrhundert zeigen, wie sicher sich manche Zeitgenossen in der französischen Sprache und Literatur bewegten. Martin Ernst von Schlieffen, hessischer Premier unter Friedrich II. und Wilhelm IX. beherrschte Französisch, Englisch und Latein, Schlieffen vermied aber Fremdwörter und hatte die Angewohnheit, selbst Worte wie Offizier einzudeutschen, wodurch seine Korrespondenz mitunter etwas mühsam zu lesen ist.
An einigen deutschen Höfen gab es eine Reihe von Diplomaten, Beamten und Literaten, die solide Französisch sprachen, die es völlig beherrschten und Racine, Molliere und Voltaire sicher zitieren konnten, und in Preußen oder Hessen spielten Hugenotten eine bedeutende Rolle, die bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts noch Französisch als Muttersprache gelernt hatten, und es gab vielerorts französische Architekten, Wissenschaftler, Schauspieler, Ärzte, Gartenbaufachleute aus Frankreich oder Ausländer, die in Frankreich ausgebildet wurden.
Trotzdem würde ich keineswegs davon ausgehen, dass alle Personen des Hofes sich so sicher im Französischen bewegten, wie es einige Intellektuelle tatsächlich taten.
Bei einem nicht unerheblichen Teil würde ich davon ausgehen, dass sie lediglich einige Grundkenntnisse besaßen, dass häufig französische Fremdwörter gebraucht wurden, dass man wie bei Denglisch parlierenden Zeitgenossen lediglich den Anschein erweckte, so tat als ob.
Bei etlichen war die Sprachkompetenz sicher sehr gering.
Ein Offizier aus dem Stab des Braunschweiger Generals von Riedesel schrieb:
"Le courier porte la lettre avec- Der Kurier bringt den Brief mit."