Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Sepiola, wenn Germanicus nach 6 Jahren noch Waffenreste vorgefunden hat, so ist das sehr merkwürdig. Für einen germanischen Dorfschmied war jedes Stück Metall ein Schatz.

Wo steht, dass Germanicus metallene Waffenreste in erwähnenswerter Menge vorgefunden hat?


Schleppschreck, die Martergruben sollen zum Köpfen der Hineingebrachten benutzt worden sein.

Wo steht das?
 
Welchen Grund hätte Tacitus haben sollen, die Bestattung in allen Einzelheiten beschreiben zu wollen? Dass er sie überhaupt erwähnt, kennzeichnet sie als absoluten Ausnahmefall. Keine andere römische Quelle erwähnt einen ähnlichen Vorgang, kein Archöologe hat bis heute Spuren von "Feldbestattungen" gefunden, die aus jener Zeit stammen.
Wieviele römische Schlachtfelder des 1.Jhds. sind bekannt und ausgegraben? Und wieviele davon sind mit dem Varus-Schlachtfeld vergleichbar - eine vernichtende Niederlage in Feindesland, entsprechend keine Möglichkeit, mit den Gefallenen zeitnah in regulärer Art und Weise umzugehen? Ich halte es für schwierig, mit dem Fehlen von archäologischen Funden aus Parallelfällen zu argumentieren.

Stichwort Parallelen - eine sei genannt: Gnaeus Domitius Corbulo verhandelt in 63 mit den Parthern auf dem Schlachtfeld, auf dem die Parther den Römern unter Paetus ein Jahr zuvor eine verheerende Niederlage beibrachten. Tacitus berichtet (Ann. 15,28):
neque infamia Paeti angebatur, quod eo maxime patuit, quia filio eius tribuno ducere manipulos atque operire reliquias malae pugnae imperavit
Also auch hier kümmert man sich mit einigem zeitlichen Abstand um die sterblichen Überreste der Gefallenen. Zwei Erwähnungen formulieren fast schon eine Regel...
 
Sepiola, Germanicus hatte genug trockenes Holz. Ob die Waffenteile aus Metall bestanden, ist unbekannt. Holzteile hätten aber nach 6 Jahren schon recht modrig ausgesehen. Und dass die Germanen nicht einmal die angenagelten Köpfe wieder abnahmen, um an die wertvollen Nägel zu kommen, ist noch rätselhafter, wenn man an ihre feuergehärteten Holzspeere denkt. Auch wenn man nun römische Waffen im Überfluss hatte, waren Eisennägel ein hochwertiges Gut. Es sieht tatsächlich nach einem Tabu aus. Gruß
 
Und dass die Germanen nicht einmal die angenagelten Köpfe wieder abnahmen, um an die wertvollen Nägel zu kommen, ist noch rätselhafter, wenn man an ihre feuergehärteten Holzspeere denkt. Auch wenn man nun römische Waffen im Überfluss hatte, waren Eisennägel ein hochwertiges Gut.
vorausgesetzt, dass zum Köpfe annageln Eisennägel überhaupt üblich waren (bei Versenkungen im Moor pflegte man die Leichen mit Holzpflöcken zu befestigen, eine Praxis, die auch beim Vampire erlegen...:D...) - niemand von uns weiß, ob die Germanen des frühen 1. Jhs. die Köpfe der geopferten Gegner mit Eisennägeln, Holzpflöcken oder sonstwie "an Bäumen befestigten".
 
Dekumatland, versuch doch bitte mal, mit einem Holzpflock etwas an einen Baum zu nageln! Das ginge nur bei einer Korkeiche. Und selbst, wenn der, mit Fleisch und Gehirn, recht schwere Kopf kurzzeitig am Baum bleiben würde, wäre der Holznagel, und ein Strick ebenso, nach 6 Jahren mürbe und beim ersten Sturm läge der Kopf unten. Gruß
 
Dekumatland, versuch doch bitte mal,
...du willst mich doch hoffentlich nicht dazu anstiften, makabre Experimente mit abgehauenen Köpfen zu machen... ;) :D

ich nehme an, dass man einen angespitzten Hartholzpflock (muss ja nicht dick wie Obelix sein; die Spitze kann feuergehärtet oder metallverstärkt sein) mit einem rustikalen Donarshammer (der bietetsich im Kontext aus lokalpatriotischen Gründen an) recht fest und ergo recht dauerhaft in einen Baumstamm hämmern kann.

freilich sind lange große "Zimmermannsnägel" ebenso praktikabel

aber einen Grund aus Römerperspektive, diese Nägel sowie eventuell umherliegende Waffentrümmer zusammen mit den Restknochen der 6 Jahre zuvor Gefallenen und Geopferten zu bestatten, kann ich nirgendwo ausmachen.

hat man denn bei Kalkriese "Zimmermannsnägel" oder gar germanische Altare (wie auch immer die beschaffen sein mögen) gefunden? Schädel mit Löchern vom nageln?
 
Na, die Nägel sollte man natürlich nicht mit in die Gräber werfen. Waffenteile schon. Aber da ergibt sich eine neue Frage: feuergehärtetes Holz verrottet kaum. Und man hat nicht eine einzige germanische Holzspeerspitze gefunden. Von metallischen ganz zu schweigen! Die Fundzusammensetzung ist unerklärbar. Gruß
 
Es gibt übrigens noch ein weit besseres Beispiel: Aus dem Eisenteil der Reitermaske hätte der Dorfschmied beispielsweise herrliche Klingen für Rasiermesser schmieden können. Warum wirft man das weg?
 
Schleppschreck, die Martergruben sollen zum Köpfen der Hineingebrachten benutzt worden sein. Es müssten sich also ein paar davon finden lassen.

Wie wären die Römer denn in die Martergruben hineingesteckt worden, mit Teilen ihrer Ausrüstung, oder eher so wie Jupiter sie erschuf? Sprich könnten evtl. metallische Spuren im Boden ein Indiz für so eine ehemalige Martergrube sein?
 
LegvII, das wissen wirklich nur die Götter! Ich vermute mal, dass man Rüstung und natürlich Helm entfernt hat. Ließ man das Opfer dann in der Grube stecken, nahm man natürlich vorher alles brauchbare weg. Kam er wieder raus, weil die Gruben nicht reichten, so konnte man das hinterher regeln. Vom Blut mal abgesehen. Aber die Form der Grube- tiefer als der Querschnitt, könnte ein Hinweis sein. Mit einem Detektor lässt sich aber da nichts machen. Es gibt, und das ist einzigartig, nicht einen einzigen gefundenen Römer mit Rüstung. Und das bei dem ständig angeführten Sumpf und Morast. Gruß
 
und nicht nur die, auch von Marterhölzern (was auch immer das sein mag) ist bei Tacitus die Rede:
4c Von welcher Rednerbühne aus Arminius gesprochen hatte, wieviele Marterhölzer den Gefangenen, wo Martergruben, und wie er die Zeichen und Adler durch Hochmut verachtete.
an die Lateinkenner: sind die Übersetzungen "Marterhölzer, Martergruben" eigentlich ok?
 
Stichwort Parallelen - eine sei genannt [...] Zwei Erwähnungen formulieren fast schon eine Regel...
Noch eine dritte vergleichbare Situation, wenn auch ein paar Jahrzehnte früher: 67 v.Chr. verlieren die Römer nach der Überlieferung im Krieg gegen Mithridates in der Schlacht von Zela rund 7000 Mann. Drei Jahre später besucht Pompeius das Schlachtfeld, während er Mithridates verfolgt, berichtet Plutarch (zitiert nach der Übersetzung von Schirach):
Auf dem Marsche ließ er die noch unbegraben liegenden Römer, die unter dem Triarius in dem unglücklichen Gefechte gegen den Mithridates geblieben waren, mit allen schicklichen Ehrenzeichen begraben, durch deren Vernachlässigung eben sich Lucullus einen großen Theil jenes Hasses, in welchem er stand, zugezogen hatte.
Drei Fälle also, in denen die Römer mit deutlichem zeitlichen Abstand an den Ort einer Niederlage zurückkehren und das Bestatten ihrer Toten nachholen, als sich Gelegenheit ergibt - für mich sieht das nicht nach Ausnahme aus, sondern wirklich nach Regel. Mehr noch: Laut Plutarch hat Lucullus, Vorgänger des Pompeius als Befehlshaber gegen Mithridates, offenbar seine Pflicht in dieser Hinsicht versäumt und sich damit den Haß seiner Untergebenen zugezogen.
 
und nicht nur die, auch von Marterhölzern (was auch immer das sein mag) ist bei Tacitus die Rede:
an die Lateinkenner: sind die Übersetzungen "Marterhölzer, Martergruben" eigentlich ok?

"patibula" und "scrobes"...

"patibulum" steht in meinem Wörterbuch als "Marterholz; Querbalken des Kreuzes; Kreuz, Galgen"
"scrobis" ist schlicht "Grube".
 
Einfach mal OT:
Wenn ich lese, wieviele Römer so in einzelnen Schlachten gefallen sein sollen und Legionär nur werden konnte, wer das römische Bürgerrecht hatte, wo kamen die alle her??? Heute wäre das für Berlin oder Hamburg je fast ein ganzer Jahrgang oder , setzt man das Alter der Legionäre von 20-30 an, eben 10% der männlichen Bevölkerung, so ganz grob.
Nach dieser Quelle (http://www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html?id=118354)hatte die italische Halbinsel ~5 1/2 Millionen Einwohner ...
Davon sind so ~die Hälfte Frauen, Sklaven und Fremde sind da auch drin enthalten, wenn Varus so 6 000 Römer verloren hat, sind das ~10 % der männlichen , wehrfähigen Bevölkerung Italiens, 6 Jhre später taucht dann Germanicus mit der 3- fachen Zahl auf....

Irgendwas sehe ich da falsch
OT Off
 
Einfach mal OT:
Wenn ich lese, wieviele Römer so in einzelnen Schlachten gefallen sein sollen und Legionär nur werden konnte, wer das römische Bürgerrecht hatte, wo kamen die alle her??? Heute wäre das für Berlin oder Hamburg je fast ein ganzer Jahrgang oder , setzt man das Alter der Legionäre von 20-30 an, eben 10% der männlichen Bevölkerung, so ganz grob.
Nach dieser Quelle (http://www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html?id=118354)hatte die italische Halbinsel ~5 1/2 Millionen Einwohner ...
Davon sind so ~die Hälfte Frauen, Sklaven und Fremde sind da auch drin enthalten, wenn Varus so 6 000 Römer verloren hat, sind das ~10 % der männlichen , wehrfähigen Bevölkerung Italiens, 6 Jhre später taucht dann Germanicus mit der 3- fachen Zahl auf....

Irgendwas sehe ich da falsch
OT Off



Bei der Bürgerzählung 14 n. Chr. kam Augustus auf knapp 5 Millionen Bürger:
Latein-Imperium.de - Augustus - Res Gestae Divi Augusti - Deutsche bersetzung (Druckansicht)

Die Legionäre dienten bis zu 25 Jahren, also waren ca. 25% der männlichen Bevölkerung im wehrfähigen Alter.

Das macht gut 600.000 wehrfähige Bürger.

6.000 wären 1% davon, nicht 10%.
 
Zur Frage, warum man die Maske wegschmiss.

Wir wissen nicht, ob man sie wegschmiss. Sie kann auch schlicht verloren worden sein. Allerdings gehörte sie zum Plünderungsgut, da man ihr das Silberblech abgezogen und unfachmännisch entfernt hat. In den Anfangszeiten hat man spekuliert, dass sie in Reparatur war, aber seitdem man die unfachmännische Ablösung des Silberblechs entdeckt hat, ist man davon weg.

Rost ist der Auffassung, dass der Wall nach seiner Nutzung in der Kalkrieser Schlacht nach römischem Vorbild als tropaion verwendet wurde. Dafür spricht seiner Auffassung nach, dass so viele Schildrandbeschlagfragmente am Wall gefunden worden, bis auf ein transportfähig gefaltenes nirgends sonst.
Anders als die Römer, denen ein tropaion heilig war, hätten die Germanen es dann nach den Feierlichkeiten abgeräumt.
Zumindest aber kann man anhand der nach Fundgruppen sortierten Verteilungskarten im letzten Fundkatalog von Kalkriese erkennen, dass das Schlachtfeld zumindest teilweise nach System geplündert wurde.

Die eiserne Maske könnte, nach den Mengen an Eisen, die auf dem Schlachtfeld direkt nach de Schlacht gelegen haben müssen, einfach für den Augenblick wertlos gewesen sein. Jeder Ökonom weiß, was im Überfluss vorhanden ist, verliert seinen Wert. Schwerter sind, bis auf ein Fragment, gar nicht gefunden worden. Auch das ist durchaus logisch. Wenn der Sieger nach der Schlacht über das Schlachtfeld geht, sorgt er als allererstes dafür, dass verletzte und tote Gegner entwaffnet werden, einfach, um Risiken zu vermeiden.

Was die Angabe angeht, gehärtetes Holz verginge nicht: was vergeht und was erhalten bleibt, ist immer eine Frage der Erhaltungsbedingungen. Sind diese günstig oder nicht, darauf kommt es an.
 
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