Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Das ist kaum der Punkt. Anhand eines verlorenen Sandalennagels oder eines Zeltherings etc. kannst du nicht datieren. Bzw. anhand eines römischen Sandalennagels kannst du in der Zeit der Republik schon relativ gut datieren (sofern du innerhalb der Fachmannschaft für römisch-republikanische Archäologie auch noch Fachmann/frau für die Datierung von Sandalennägeln bist) aber in augusteischer Zeit konsolidiert sich die Form der Sandalennägel, so dass nicht zu entscheiden ist, von wann genau einer stammt. Die Frage ist, ob die Soldaten andauernd ihr Geld verloren. Denn das ist die Fiktion, die uns hier von Hermundure vorgeführt wird. Und bei den Anforderungen, die an Kalkriese gestellt werden, könnte man keinen Ort als Ort der Varusschlacht identifizieren, weil einerseits bloß nichts auftauchen darf was nach 9 zu datieren ist (durchaus sinnvolle Forderung) jetzt aber plötzlich etwas auftauchen muss, was nach 9 (aber vor 15) zu datieren ist, weil sonst sei ja Germanicus nicht vor Ort gewesen. Und immer wieder wird ignoriert, bagatellisiert oder umerklärt, dass wir Bestattungen in Kalkriese haben.
 
Das ist kaum der Punkt. Anhand eines verlorenen Sandalennagels oder eines Zeltherings etc. kannst du nicht datieren. Bzw. anhand eines römischen Sandalennagels kannst du in der Zeit der Republik schon relativ gut datieren (sofern du innerhalb der Fachmannschaft für römisch-republikanische Archäologie auch noch Fachmann/frau für die Datierung von Sandalennägeln bist) aber in augusteischer Zeit konsolidiert sich die Form der Sandalennägel, so dass nicht zu entscheiden ist, von wann genau einer stammt. Die Frage ist, ob die Soldaten andauernd ihr Geld verloren. Denn das ist die Fiktion, die uns hier von Hermundure vorgeführt wird. Und bei den Anforderungen, die an Kalkriese gestellt werden, könnte man keinen Ort als Ort der Varusschlacht identifizieren, weil einerseits bloß nichts auftauchen darf was nach 9 zu datieren ist (durchaus sinnvolle Forderung) jetzt aber plötzlich etwas auftauchen muss, was nach 9 (aber vor 15) zu datieren ist, weil sonst sei ja Germanicus nicht vor Ort gewesen. Und immer wieder wird ignoriert, bagatellisiert oder umerklärt, dass wir Bestattungen in Kalkriese haben.
Salve,
doch, die Soldaten verlieren auch Geld. Pause im Feldlager, der Spiess-LKW kommt und verkauft Schokolade und Cola. Die Soldaten fingern müde und frierend in ihren Taschen nach Kleingeld. Da geht auch schon mal eine Münze zu Boden, die man im Gestrüpp oder Matsch nicht mehr finden wird, bzw. die Suche gar nicht beginnt. Zumindest bei mir war es so, bei meiner Anwesenheit hätte man folglich besser datieren können=)
 
Dass viel verlorengeht, kann ich grundsätzlich bestätigen (wenngleich ich es mir nicht so recht erklären kann). Als unsere Kompanie einmal eine Woche lang in einem verschneiten Wald kampierte, wurde hinterher auch einiges vermisst.
Eine andere Frage ist allerdings, wie viel auch wieder gefunden wird. In unserem Fall gingen wir den Wald Mann neben Mann ab und fanden so gut wie nichts. Wie viel wohl in 2000 Jahren dort noch zu finden sein wird?
 
Salve,
doch, die Soldaten verlieren auch Geld. Pause im Feldlager, der Spiess-LKW kommt und verkauft Schokolade und Cola. Die Soldaten fingern müde und frierend in ihren Taschen nach Kleingeld. Da geht auch schon mal eine Münze zu Boden, die man im Gestrüpp oder Matsch nicht mehr finden wird, bzw. die Suche gar nicht beginnt. Zumindest bei mir war es so, bei meiner Anwesenheit hätte man folglich besser datieren können=)


Wir wissen nicht, wieviele Soldaten im Rahmen der Germanicus-Feldzüge in Kalkriese waren (unter der Annahme, dass in Kalkriese die Varusschlacht war). Aber da sie nicht in Kampfhandlungen verwickelt waren, dürften sie wohl wesentlich weniger verloren haben als die Varus-Truppen.

Dass viel verlorengeht, kann ich grundsätzlich bestätigen (wenngleich ich es mir nicht so recht erklären kann). Als unsere Kompanie einmal eine Woche lang in einem verschneiten Wald kampierte, wurde hinterher auch einiges vermisst.
Eine andere Frage ist allerdings, wie viel auch wieder gefunden wird. In unserem Fall gingen wir den Wald Mann neben Mann ab und fanden so gut wie nichts. Wie viel wohl in 2000 Jahren dort noch zu finden sein wird?

[SCHERZKEKSMODUS ON]
:rofl:

Ich hoffe, da wird nicht noch der ein oder andere getarnte Panzer/Haubitze/LKW oder gar ein getarnter Recke vermißt.

[SCHERZKEKSMODUS OFF]
 
Der erste Leo oder Leo 2 der BW soll unter Wasser liegengeblieben sein. Es habe ein paar Tage gedauert, bis man die richtige Stelle wiedergefunden hat. Also: Ja, die BW hat schon Panzer verlegt.

Germanicus nicht. Und der Großteil dessen, was er verloren hat, dürfte nicht genau genug zu datieren sein. Die Dolabra nördlich des Walls, wenn sie nicht geworfen wurde, kann z.B. auch von einem Legionär des Germanicus stammen. Nur als Beispiel.

Sagen wir, Germanicus Leute hätten 5 Münzen verloren. Dann wären nur die ihm zuzuordnen, die nach 9 n.Chr. zu datieren sind. Sagen wir zwei. Eine könnte schon vor Jahrhunderten gefunden worden sein, wäre also verloren. Dann wäre in einem Areal von 20*5 km eine Münze zu finden, die sich darüber hinaus erhalten haben müsste.

Was ich schon öfter gesagt habe: Sucht nach den Lagern. Es ist nicht die Frage, ob sie existierten, sondern wo sie lagen. Das des Germanicus ist jenes, das nicht umkämpft war.
 
Eigentlich sollte man auf dem Varusschlachtfeld nur einen Beleg von Germanicus Anwesenheit finden: Die Bestattung von Toten. Allenfalls noch Marschlager in der näheren Umgebung.

Falls Germanicus von Haltern nach Kalkriese marschiert ist (laut Googel Maps im Fußgängermodus sind das ca. 110 km), müßten sich mehrere Marschlager auf dem Weg befinden. Dabei unterstelle ich die Gleichsetzung des Römerlagers Aliso mit dem von Haltern.


In Bezug auf Varus hatte ich schon in diesem Thread zur möglichen Zugstrecke des Varus und der Lokalisierung seiner Marschlager geschrieben:

http://www.geschichtsforum.de/f28/zugstrecke-des-varus-45010/

Mein Gedanke war, dass unter der Voraussetzung, dass
  1. in Kalkriese die Varusschlacht war und
  2. Varus über den Hellweg am Berg und
  3. er von dem Römerlager Porta Westfalica aufgebrochen ist,
sich bei der Entfernung zwischen dem Römerlager Porta Westfalica und Kalkriese von 60 km* doch mindestens zwei Marschlager (bei einer Tagesleistung von 15 bis 20 km) an der Strecke liegen müßten. Die nächste Frage wäre, ob davon noch etwas nachweisbar wäre, wenn 20.000 Menschen für eine Nacht an einem Ort gezeltet haben. Möglicherweise der Graben um das Lager, der eine oder andere vergessene Zelthering...

Möglicherweise sind solche Örtlichkeiten überbaut oder 1.000-mal überpflügt worden, so dass die Suche nach der Nadel im Heuhaufen eine Kleinigkeit im Vergleich zu vergessenen Zeltheringen in der westfälischen Provinz wäre.




*siehe Karte auf Google Maps: Im Römerlager, 32457 Porta Westfalica nach Museumspark Varusschlacht - Google Maps

Die Strecke folgt dem Nordrand des Wiehengebirges. Wie genau diese Trasse dem Hellweg vor dem Berge folgt, kann ich aber nicht beurteilen.
 
Germanicus ist allerdings laut Tacitus von einem Gebiet weiter östlich zum Schlachtfeld marschiert.

'Das' Lager an der Lippe kann auch 'ein' Lager an der Lippe den, da das Lateinische keine Artikel kennt. Daher kann damit bei jedem Feldzug ein anderer Ort gemeint sein. Und an der Stelle wird, wenn ich es richtig im Kopf habe, kein Lager erwähnt, sondern nur das Ziel der vorhergehenden Operation genannt.

Zudem ist der Name 'Aliso' für Oberaden nachgewiesen, nicht für Haltern. Der Name ist nach Aufgabe von Oberaden auf ein anderes Lager übertragen worden. Es ist naheliegend, hier Haltern zu vermuten. Im Gegensatz zu Latrinenparolen würde Aliso im Winter 9 auf 10 n.Chr. während einer Belagerung durch Flucht aufgegeben. Nun ist die Frage, ob Germanicus Haltern oder ein anderes Lager, vielleicht auf ewig durch Verlagerung der Lippe verloren, als Aliso bezeichnete, gleichsam der nämlichen Funktion den nämlichen Namen folgen ließ.

Wenn Germanicus sich zwischen den Oberläufen von Lippe und Ems befand, hat er jedenfalls einen anderen Weg genommen.

(Ich hatte schon mal irgendwo im Forum vorgeschlagen, von Aliso I, Aliso Ii und Aliso III zu reden, um die Diskussion zu vereinfachen. Allerdings hängt die Identifikation von Haltern mit Aliso II an der Identifikation von Oberaden mit Aliso I. Diese basiert außer der Zuordnung zu Drusus auf dem Ortsnamen Else und Dendrochronologie, wobei das letztere eigentlich methodisch nicht als Argument herhalten kann, da die Dendrochronologie in unserem Raum anhand der Gleichsetzung von Oberaden mit Aliso fixiert wurde. Dagegen spricht der Begriff Kastell, wofür natürlich mehrere Erklärungen möglich sind. Ganz kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass schon Drusus das Lager verlegt hat. Dann gäbe es noch ein Aliso 0.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Germanicus ist allerdings nach den uns bekannten Angaben nicht von Aliso zum Varusschlachtfeld marschiert sondern von einem unbekannten Punkt an der Ems ins Ems-Lippe-Stromgebiet von dort aus zu den hintersten (östlichsten?) Brukterern (eine ebenfalls nur vage Angabe) und von dort aus zum "nahe" gelegenen Varusschlachtfeld.
 
Der Name ist als Else erhalten. Ja, da habe ich nachlässig formuliert, aber ich habe es auch erläutert, wie erfahren wird, wenn weitergelesen wird. Ich habe es mit Sternchen versucht, was die Autokorrektur nicht wollte. Nach dem 3. Mal habe ich aufgegeben, weil ich hier weiter machen musste.
 
Zuletzt bearbeitet:
Germanicus ist allerdings nach den uns bekannten Angaben nicht von Aliso zum Varusschlachtfeld marschiert sondern von einem unbekannten Punkt an der Ems ins Ems-Lippe-Stromgebiet von dort aus zu den hintersten (östlichsten?) Brukterern (eine ebenfalls nur vage Angabe) und von dort aus zum "nahe" gelegenen Varusschlachtfeld.

Ich erblasse und erröte zugleich.:rotwerd: mea culpa:weinen:

Ich hatte falsch in Erinnerung gehabt, dass Germanicus von Aliso nach Kalkriese marschiert ist. Ich habe das wohl mit der Tacitus-Stelle verwechselt, die von der Belagerung von Aliso und der Zerstörung des Varus-Grabhügels berichtet.

Aber unabhängig von wo Germanicus nach Kalkriese gekommen ist, müssen irgendwo im Umkreis, (vermutlich entlang der antiken Verkehrswege) Marschlager seiner Legionen liegen. Allerdings ist der Nachweis wohl sehr schwierig. Vielleicht hilft hier ein Zufallsfund irgendwann weiter.
 
Germanicus ist allerdings nach den uns bekannten Angaben nicht von Aliso zum Varusschlachtfeld marschiert sondern von einem unbekannten Punkt an der Ems ins Ems-Lippe-Stromgebiet von dort aus zu den hintersten (östlichsten?) Brukterern (eine ebenfalls nur vage Angabe) und von dort aus zum "nahe" gelegenen Varusschlachtfeld.

Du verdrehst die Reihenfolge: "Von dort führte er das Heer bis zu den Äußersten der Brukterer und verwüstete soviel zwischen den Strömen Ems und Lippe, kaum weit vom Teutoburger Wald, in dem, wie gesagt wurde, die Überreste des Varus und der Legionen unbestattet waren."

Damit müssten sich die äußersten Brukterer zwischen Ems und Lippe befinden, eben zwischen den Oberläufen jener Flüsse.

Aber wir haben es mit Tacitus zu tun, heißt das also nur, dass er das ganze Gebiet der Brukterer durchzog und zwischen Lippe und Ems wütete? Aber auch so käme er in den Osten. Wenn er von dort nach Kalkriese zog, kommt er woher? Richtig, durch das Gebiet östlich der Ems, wo er ebenfalls noch Brukterersiedlungen zum Verwüsten findet. Das unterschlägt Tacitus. Er mag, wenn wir die nördliche Ams beiseite lassen, den Satz als schön empfunden haben. Weiter nördlich passt das 'haud procul', 'kaum weit' besser. Diese kleine Sachkritik mag das alte Rätsel lösen.

Dennoch bleibt die Ortsangabe: äußerste Brukterer, zwischen Ems und Lippe. Wenn wir argumentieren, dass er alle Gebiete der Brukterer treffen wollte, muss er bis in den Raum Delbrück gezogen sein. So sagt es Tacitus ja auch. 'Soviel zwischen' den Flüssen lag, wurde verwüstet. Und damit ging es bei den Brukterern nicht weiter. Es sei denn, man schwenkt nach Norden, wo Brukterer übrig waren und auch das Basislager erreichbar war.

Das erklärt nicht alles. Das Lager an der Lippe/Aliso III, dass sowohl in erreichbarer Nähe sowohl des Drususdenkmal, als auch des Varus-Grabhügels liegend dargestellt wird, ist ja nicht gestrichen. Aber gerade das macht es glaubwürdig, dass Tacitus die Brukterer zwischen Ems und Osning wegließ. Setzt man Kalkriese als ein Ort der Varusschlacht voraus, verrät Tacitus sein Sprachgebrauch: 'haud procul'. Denn an der anderen Stelle deutet er nur an.
 
Ich hatte falsch in Erinnerung gehabt, dass Germanicus von Aliso nach Kalkriese marschiert ist. Ich habe das wohl mit der Tacitus-Stelle verwechselt, die von der Belagerung von Aliso und der Zerstörung des Varus-Grabhügels berichtet.
Da marschiert Germanicus von Vetera nach Aliso und wieder zurück und fährt dann zur Emsmündung.

Du verdrehst die Reihenfolge: "Von dort führte er das Heer bis zu den Äußersten der Brukterer und verwüstete soviel zwischen den Strömen Ems und Lippe, kaum weit vom Teutoburger Wald, in dem, wie gesagt wurde, die Überreste des Varus und der Legionen unbestattet waren."
Das eine ist das Ziel das andere das was auf dem Weg dorthin passierte.

Damit müssten sich die äußersten Brukterer zwischen Ems und Lippe befinden, eben zwischen den Oberläufen jener Flüsse.
Ja, in etwa.

Aber wir haben es mit Tacitus zu tun, heißt das also nur, dass er das ganze Gebiet der Brukterer durchzog und zwischen Lippe und Ems wütete?
Vergiss nicht, dass Caecina bereits vor dem Treffen an der Ems das Gebiet der Brukterer verwüstete.

Das Lager an der Lippe/Aliso III, dass sowohl in erreichbarer Nähe sowohl des Drususdenkmal, als auch des Varus-Grabhügels liegend dargestellt wird, ist ja nicht gestrichen.
Das Problem haben wir schon häufiger diskutiert. Allerdings steht bei Tac. ann. II, 7 bei genauerer Betrachtung nicht, dass der Altar und der Grabhügel bei Aliso lagen. Es ist naheliegend und wäre, hätten wir nur den Text, auch die wahrscheinlichste Annahme, aber wirklich dort stehen tut es nicht (normalerweise bilde ich keine Infinitiv+tun-Konstruktionen).

Aber gerade das macht es glaubwürdig, dass Tacitus die Brukterer zwischen Ems und Osning wegließ. Setzt man Kalkriese als ein Ort der Varusschlacht voraus, verrät Tacitus sein Sprachgebrauch: 'haud procul'. Denn an der anderen Stelle deutet er nur an.
Ich würde deinem Gedankengang gerne folgen können...

Der Name ist als Else erhalten.
Ich kenne wohl Elsen bei Schloss-Neuhaus, aber bei Oberraden nur den Bach Seseke, der allerdings eine ganze Ecke von Oberaden/Beckinghausen entfernt in die Lippe fließt. Allerdings wurde Oberaden ja bereits tpq 8 v. Chr. wieder aufgelassen. Insofern würde Oberaden zwar zeitlich zu Cassius Dio passen, der von einer Lagergründung des Drusus an der Lippe berichtet, aber topographisch eben nicht: Denn Oberaden liegt eben nicht an einer Mündung in die Lippe.
Auch zu den Velleius Paterculus- und Tacitus-Stellen passt Oberaden schon aufgrund seiner archäologischen Datierung nicht.

Für Haltern spricht die Lage und die Vielphasigkeit des Lagers und, dass Aliso das einzige in historischen Quellen namentlich benannte Lager an der Lippe ist, was gut zu den dortigen Einrichtungen passen würde. Allerding gibt auch Haltern das Problem auf, da hier ja tiberianisches Material gefunden werden müsste, es aber archäologisch dasselbe Enddatum wie Kalkriese hat, also offenbar 9 oder spätestens 10 aufgegeben wurde.
 
@ El Quijote

Mal sehen:

1. Ziel/Weg: Zur übertragenen Bedeutung komme ich, wie dargestellt auch.
2. Caecina hat auf dem Weg zum Treffen natürlich nur den Teil des Bruktererlandes verwüstet, den er durchquert hat.
3. Aliso III/Denkmal/Schlachtfeld: Ich sage nur, dass Tacitus den Eindruck erweckt. Wir reden schließlich von einem Autor, der sehr auf die Wirkung seiner Worte achtete.
4. Tacitus nutzt unbewußt einen Ausdruck, den er für höchstens 20 km verwendet, während er in einer ganz anderen Gegend ist. Die Entscheidung des Germanicus wird also nicht zwischen Ems und Lippe gefallen sein, sondern näher am Schlachtfeld. Sei es, dass etwas verschwiegen werden sollte, oder die Darstellung so an Eleganz gewinnen sollte. Die andere Stelle muss man schon zweimal lesen, damit auffällt, dass die Orte nicht beieinander liegen müssen. Und es ist nicht die einzige Stelle, in der Tacitus uns nicht die ganze Geschichte erzählt und dadurch die Gedanken in eine bestimmte Richtung lenkt. Das geschieht auch an der 'haud procul'-Stelle, allerdings in der Hinsicht, dass die Unbestatteten nach einer Reaktion schreien. Daher hätte auch hier der Leser die Nähe herausgelesen. Damit ist das 'haud procul' sinnvoll, wenn man von einer Verkürzung von Tacitus ausgeht. Nochmal eine Verwüstung zu erwähnen, wäre nicht elegant. Das bringt uns zur Vermutung, dass Tacitus den korrekten Ort der Entscheidung im Kopf hatte. Ja, dass ist nur eine mögliche Erklärung, aber eine solche Fehlleistung ist vergleichsweise einfach.
5. Else: Johann-Sebastian Kühlboxen, Oberaden, Stadt Bergkamen, Kreis Unna, und Beckinghausen, Stadt Lünen, Kreis Unna (= Römerlager in Westfalen 3) zitiert S. 2 Franz Hülsenbeck, Das römische Kastell Aliso an der Lippe, nachgewiesen und aufgefunden von Fr. Hülsenbeck, Paderborn 1873: Die kleine Bauerschaft in der sie liegt, heißt Else, in einer Urkunde vom J. 1226 Elseie; von den drei Bauernhöfen, die sie bilden, heißt der eine Schulze-Else, ein anderer Elsemann." Die alten Namen kleiner Bauerschaften und die alten Ortsgrenzen werden heute meist nicht berücksichtigt. Bei Lippstadt liegt noch ein Else oder so ähnlich an der Lippe. Elsen bei Paderborn ist zuerst allerdings als 'Ilasan' erwähnt.
6. Mündung: Kühlborn, wie oben, S.1: "Von allen Seiten wird die Erhebung geschützt durch Wasserläufe und Sumpfgebiet. Im Süden und Osten ist es die Seseke mit dem Kuhbach, im Westen und Norden die Lippe mit dem Roten Bach." Zudem ist fraglich, wo Seseke oder Roter Bach vor 2000 Jahren mündeten.
7. Zeitliche Einordnung: Da gibt es keinerlei Widerspruch aus den Quellen. Der Name wurde mit der Funktion auf Haltern übertragen. Solch ein Umzug ist naheliegend, kommt in der Geschichte mitunter vor. Es ist zudem klar bezeugt, dass Aliso im Winter 9 auf 10 aufgegeben wurde. Damit braucht auch das Aliso des Germanicus nicht in Haltern liegen. (Ganz abgesehen davon, dass das Lager an der Lippe und Aliso nicht identisch sein müssen.)
8. Die Dendrochronologie soll ja inzwischen anders begründet sein. Daher ist die Datierung nicht von der Hand zu weisen. Damit ist Oberaden das 11 vor Christus von Drusus bei der Mündung des Elison errichtete Kastell. (Obwohl ich nicht gerne so argumentiere.) Nimmt man die Bezeichnung Kastell ernst, wurde die Anlage des castrum von der Besatzung des castellum vorbereitet.
9. Wer das Kastell des Drusus nicht mit Aliso gleichsetzt, hat das Problem, dass die Gleichsetzung von Haltern mit Aliso nur aufgrund der Einbildungskraft erfolgt. Ich würde dann wegen des Ellerbachs, des Elsener Bachs und der Stemmecke Anreppen zu Aliso erklären und hätte mit dem Ellerbachs, der bei der nahen Furt mündet und mit der Stemmecke, die direkt beim Lager mündet und im Süden und Westen einen natürlichen dritten Graben bildet, sogar Argumente jenseits des Wunsches.
10. Nimm bitte zur Kenntnis, dass ich von der Übertragung des Namens schreibe und schrieb. In der Entdeckungsgeschichte häufig. Für die Römer fallen mir verlegte Etruskischen Städte ein. Dunkel erinnere ich mich an ein oder zwei römische Beispiele, die nicht so weit verlegt wurden.
 
2. Caecina hat auf dem Weg zum Treffen natürlich nur den Teil des Bruktererlandes verwüstet, den er durchquert hat.
Natürlich.


3. Aliso III/Denkmal/Schlachtfeld: Ich sage nur, dass Tacitus den Eindruck erweckt. Wir reden schließlich von einem Autor, der sehr auf die Wirkung seiner Worte achtete.
Völlig d'accord.

4. Tacitus nutzt unbewußt einen Ausdruck, den er für höchstens 20 km verwendet, während er in einer ganz anderen Gegend ist. Die Entscheidung des Germanicus wird also nicht zwischen Ems und Lippe gefallen sein, sondern näher am Schlachtfeld.
Zur haud procul-Diskussion haben wir - wie im Übrigen zu Aliso auch - ein ganz eigenes Thema.

5. Else: Johann-Sebastian Kühlboxen,
Hihi...

Oberaden, Stadt Bergkamen, Kreis Unna, und Beckinghausen, Stadt Lünen, Kreis Unna (= Römerlager in Westfalen 3) zitiert S. 2 Franz Hülsenbeck, Das römische Kastell Aliso an der Lippe, nachgewiesen und aufgefunden von Fr. Hülsenbeck, Paderborn 1873: Die kleine Bauerschaft in der sie liegt, heißt Else, in einer Urkunde vom J. 1226 Elseie; von den drei Bauernhöfen, die sie bilden, heißt der eine Schulze-Else, ein anderer Elsemann." Die alten Namen kleiner Bauerschaften und die alten Ortsgrenzen werden heute meist nicht berücksichtigt. Bei Lippstadt liegt noch ein Else oder so ähnlich an der Lippe. Elsen bei Paderborn ist zuerst allerdings als 'Ilasan' erwähnt.
Bist du sicher dass Kühlborn das affirmativ zitiert?

7. Zeitliche Einordnung: Da gibt es keinerlei Widerspruch aus den Quellen. Der Name wurde mit der Funktion auf Haltern übertragen. Solch ein Umzug ist naheliegend, kommt in der Geschichte mitunter vor.
Bei Vetera I und II liegen einige hundert Meter dazwischen. Bei Haltern und Oberaden lägen etwa 37 (oder fast 20 Leugen =)) auseinander. Die Annahme, dass der Ortsname von Oberaden nach Haltern transferiert wurde, ist daher eher nicht naheliegend.

Dunkel erinnere ich mich an ein oder zwei römische Beispiele, die nicht so weit verlegt wurden.
Es ist hin und wieder mal so, dass die Aufgabe keltischer Höhensiedlungen mit der Anlage einer römischen Stadt in unmittelbarer Nachbarschaft zeitlich korrelieren.
 
https://idw-online.de/de/news657125

"Museum und Park Kalkriese; Ludwig-Maximilians-Universität München; Deutsches Bergbau-Museum Bochum: Kalkriese als Ort der Varusschlacht? – Eine anhaltende Kontroverse (rd. 430.000 Euro)

Über die historische Einordnung des archäologischen Fundplatzes in der Region Kalkriese im Osnabrücker Land diskutiert die Wissenschaft seit vielen Jahren kontrovers. Stammen die Funde aus der Varusschlacht, auch bekannt als Schlacht im Teutoburger Wald, im Jahr 9 n. Chr., oder sind sie einer Schlacht unter Germanicus sechs Jahre später zuzuordnen? Für beide Interpretationen gibt es gute Argumente – jedoch wurde das archäologische Fundmaterial selbst bislang kaum in der Debatte berücksichtigt. Diese Lücke wollen die Projektpartner schließen: Sie wollen unter anderem Werk- und Gebrauchsspuren der Funde analysieren, archäometallurgische Untersuchungen vornehmen, um die beteiligten Legionen zuordnen zu können, sowie verschiedene Fundgruppen mithilfe digitaler Rekonstruktion erforschen. Die Ergebnisse sollen unter anderem in eine Sonderausstellung einfließen."

Anscheinend gehen dir Arbeiten nun los:

http://www.ruhrnachrichten.de/leben...cht-den-Ort-der-Varusschlacht;art1541,3222567

War Kalkriese der Ort der Varusschlacht? | NDR.de - Kultur - Geschichte

Interessant:

"Seit Jahrzehnten beschäftigen sich Wissenschaftler und Forscher mit der Frage, ob Varus wirklich in Kalkriese war. Denn bis heute bezweifeln einige Wissenschaftler, dass die Varusschlacht tatsächlich in dem Bramscher Stadtteil ausgetragen wurde. "Das sind zwar Minderheiten-Meinungen, aber die Argumente sind teilweise gut", räumt auch Sammlungsleister Stefan Burmeister vom Varusschlacht-Museum Kalkriese ein. ...
Denn möglich wäre auch, dass der römische Feldherr Germanicus die archäologischen Spuren einige Jahre später an dem Ort hinterlassen hat - in einem Rachefeldzug. Diesen Schluss ließen die ausgewerteten historischen Quellen sowie die Münzfunde durchaus zu, sagt Burmeister."

Falls im Geschichtsforum noch jemand so wie ich die Minderheits-Meinung vertritt würde mich interessieren, welche Germanicus-zeitliche Schlacht von denjenigen Forianern favorisiert wird. War bei Kalkriese der Angrivarierwall oder die Pontes Longi?
 
Beide passen nicht. Der Angrivarierwall war an der Weser, wahrscheinlich östlich derselben, die pontes longi müssen südlich oder westlich der Ems gelegen haben.
 
Nur, wenn man den Text so wie Du interpretierst, passen die pontes longi nicht. Aber das gehört nicht in diesen Thread, und ich habe nicht vergessen, dass ich meine Position noch erläutern will. Zur Zeit geht das nicht, da ich nicht so viel Zeit habe, aber ich bin darauf gestoßen, dass ich es schon getan hatte, der Post aber ignoriert wurde. Daher zweifele ich am Nutzen. Aber wenn ich nichts anderes zu tun habe, kommt es, weil ich daran noch etwas anderes herausbringen möchte.

Allerdings gibt es noch mehr Möglichkeiten:

Nach Errichtung des berühmt-berüchtigten Grabhügels wurde des Germanicus Reiterei in eine Falle gelockt und er musste sie heraushauen.

Dann mag Tacitus nicht alles berichten.

Ich würde auch Tiberius nicht ausschließen. Zu seinen Aktionen in Germanien wissen wir kaum etwas. Vielleicht, weil totgeschwiegen wurde, dass er in Kalkriese eine Schlappe einstecken musste und daher einen Status quo als Verhandlungserfolg darstellte? Das hätte den Vorteil des kaum veränderten Münzhorizonts, wenn es denn ein anderer Feldherr als Varus sein soll.
 
Nur, wenn man den Text so wie Du interpretierst, passen die pontes longi nicht. Aber das gehört nicht in diesen Thread, und ich habe nicht vergessen, dass ich meine Position noch erläutern will. Zur Zeit geht das nicht, da ich nicht so viel Zeit habe, aber ich bin darauf gestoßen, dass ich es schon getan hatte, der Post aber ignoriert wurde.

Den Post zu verlinken wird doch keinen so riesigen Zeitaufwand bedeuten?
 
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