Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Ich habe unabhängig von der Germnicus/Varus-Frage das Gefühl das Barkhausen mit Kalkriese in Zusammenhang stehen könnte und somit weitere Marschlager dazwischen zu finden sein müssten!
Du bist nicht der einzige, der das denkt. Manche meinen z.B., Barkhausen sei das bei Cassius Dio genannte Lager an der Weser, von dem aus Varus aufgebrochen sei, um den kleinen Aufstand niederzuschlagen. Belegt ist das aber nicht. Sicher ist, dass man in zwei bis drei Tagesmärschen auf direktem Weg von Barkhausen nach Kalkriese käme, zwischen Wiehengebirge und Großem Moor. Das heißt aber nicht automatisch, dass beide Fundorte in unmittelbaren Zusammenhang zueinander stehen. Vor solchen Automatismen sollten wir uns in Acht nehmen. Es kann sein, dass Kalkriese varianisch und Barkhausen germanicianisch ist. Es kann sein, dass beide Orte varianisch sind und es kann sein, dass beide Orte germanicianisch sind. Solange aber keine besseren Argumente für eine Ansprache Kalkrieses als germanicianisch kommen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kalkriese varianisch ist, die höchste.
Bei Barkhausen war auch mal von einer Mehrfachbelegung die Rede - leider erinnere ich mich nicht mehr, ob das eine Hypothese war, um Barkhausen für beide Ereignisse, 9 und 16, zu retten oder ob das auch archäologisch nachgewiesen werden konnte. Ich befürchte aber, dass es sich nur um eine Hypothese handelte.
 
Du bist nicht der einzige, der das denkt. Manche meinen z.B., Barkhausen sei das bei Cassius Dio genannte Lager an der Weser, von dem aus Varus aufgebrochen sei, um den kleinen Aufstand niederzuschlagen. Belegt ist das aber nicht. Sicher ist, dass man in zwei bis drei Tagesmärschen auf direktem Weg von Barkhausen nach Kalkriese käme, zwischen Wiehengebirge und Großem Moor. Das heißt aber nicht automatisch, dass beide Fundorte in unmittelbaren Zusammenhang zueinander stehen. Vor solchen Automatismen sollten wir uns in Acht nehmen. Es kann sein, dass Kalkriese varianisch und Barkhausen germanicianisch ist. Es kann sein, dass beide Orte varianisch sind und es kann sein, dass beide Orte germanicianisch sind. Solange aber keine besseren Argumente für eine Ansprache Kalkrieses als germanicianisch kommen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kalkriese varianisch ist, die höchste.
Bei Barkhausen war auch mal von einer Mehrfachbelegung die Rede - leider erinnere ich mich nicht mehr, ob das eine Hypothese war, um Barkhausen für beide Ereignisse, 9 und 16, zu retten oder ob das auch archäologisch nachgewiesen werden konnte. Ich befürchte aber, dass es sich nur um eine Hypothese handelte.

Soweit ich gelesen habe, handelte es sich bei Barkhausen um ein Marsch-Lager welches scheinbar nur für wenige Tage benutzt wurde. Es hatte vermutlich noch nicht einmal einen Spitzgraben sondern bestand vor Allem aus Zelten und co.. Wenn das so ist klingt das für mich sehr nach Germanicus' Urlaubsreise an die Weser! Aber das könnte man nur widerlegen oder beweisen wenn man nach den anderen zwei Lagern forscht und dort auch was Entsprechendes findet.
 
Eine persönliche Motivation für mich zu glauben dass es sich bei der Ganzen Ecke da oben um des Germanicus Einsatzgebiet handelt habe ich durchaus aber die lasse ich mal hinten an! Es ist äußerst schade auch nach tausenden von Jahren beklagen zu müssen dass ein gewisser Mann namens Velleius Paterculus seinen Traum von einem umfassenden Zeitzeugenbericht über die Varusschlacht nicht wahr gemacht hat oder sein Zeugnis verloren gegangen ist. Es wäre wirklich ein Wunder wenn er tatsächlich etwas geschrieben hätte und das ganze nur noch immer auf seine Entdeckung wartet! Dann könnten wir das Ganze vermutlich besser lokalisieren! Dies würde auch die anderen Schlachten in einen anderen Kontext setzen.
 
Soweit ich gelesen habe, handelte es sich bei Barkhausen um ein Marsch-Lager welches scheinbar nur für wenige Tage benutzt wurde. Es hatte vermutlich noch nicht einmal einen Spitzgraben sondern bestand vor Allem aus Zelten und co.. Wenn das so ist klingt das für mich sehr nach Germanicus' Urlaubsreise an die Weser! Aber das könnte man nur widerlegen oder beweisen wenn man nach den anderen zwei Lagern forscht und dort auch was Entsprechendes findet.

Das ist unscharf.

Ein Spitzgraben wurde in Barkhausen nicht identifiziert.
Dass Spitzgräben vorhanden waren, kann nicht ausgeschlossen werden.
Die Grabungen umfassten nur einen kleinen (Bruch-)Teil des Lagers/der vermutlichen Gesamtfläche des Lagers.
Deswegen besteht bis heute keine Klarheit/Gewissheit, ob es einen Spitzgraben gab oder nicht gab.
 
Das ist unscharf.

Ein Spitzgraben wurde in Barkhausen nicht identifiziert.
Dass Spitzgräben vorhanden waren, kann nicht ausgeschlossen werden.
Die Grabungen umfassten nur einen kleinen (Bruch-)Teil des Lagers/der vermutlichen Gesamtfläche des Lagers.
Deswegen besteht bis heute keine Klarheit/Gewissheit, ob es einen Spitzgraben gab oder nicht gab.

Achso, ok. Ja das mag sein. Das Ganze ist ja auch nur auf der letzten unbebauten Fläche entdeckt worden die es dort gab. Und das nach 2000 Jahren!
 
Das "mag" nicht so sein, das ist so.

Es ist immer ratsam, vor den Hypothesen (oder aufgetürmten Hypothesen) klarzustellen, auf welcher Grundlage man startet.

Kein Grund sofort aggressiv zu werden! Ich habe keinerlei Hypothese aufgestellt sondern lediglich gesagt dass dieses Lager auch genauso gut von Germanicus stammen könnte! Hier scheint man generell sofort ultra aggressiv zu werden wenn man auch nur den Eindruck erweckt es könnte irgendwas gegen die eigene, absolut richtige und unhinterfragbare, Sichtweise verstoßen!
Es ist denke ich bald an der Zeit dieses Forum zu verlassen denn hier geht es ja wirklich, ohne Übertreibung, zu wie einst in Germanien!
 
Es fehlt eben der ultimative Beweis für oder gegen Varus. Es ist ein Indizienprozess. Deshalb ja auch die langwierigen Diskussionen. Was feststeht, ist, dass es sich bei Kalkriese um einen ganz herausragenden Fundort handelt und dass dort eine Schlacht stattgefunden hat.

Ave,


den vielen guten Fragen und Beiträgen zu der Verunsicherung möchte ich eine weitere Frage hinzufügen, die sich zuerst indirekt auf die Varsusschlacht bezieht, bzw. aus der sich Hinweise für eine Verortung der Schlacht ergeben könnten. Dh. Ich unterstelle, dass die Quellen durchaus einen glaubhaften Verlauf schildern und möchte einige Funde im Licht dieser Berichte betrachten.


Mich interessiert im Zusammenhang mit der Plausibilität von Kalkriese der generelle Umgang der römischen Heeres mit Gefallenen, von denen zwar 20 in einer Grube bei Kalkriese gefunden wurden, die Grablegung aber zeitlich nicht genau datiert werden kann. Sie müsste wahrscheinlich direkt nach, bzw. kurz nach der Schlacht geschehen sein.


Leider fehlt mir oder auch uns jeder Hinweis oder ein Bericht auf die Handlungen des römischen Heeres in den Nächten zwischen den üblicherweise tagsüber geführten Schlachten. Aber es ist wohl anzunehmen, dass die Römer ihre Wunden und Waffen versorgten, sich aber auch um ihre Verwundeten kümmerten, die sicherlich, soweit möglich zu einem Lager gebracht wurden, wenn sie es nicht selber erreicht hatten. Von diesen dürften nicht wenige in den Nächten in den Lagern verstorben sein.


Muss man annehmen, dass diese Gestorbenen dann liegen gelassen wurden oder schnell vor dem geordneten Aufbruch außerhalb des Lagers oder gegen die Sitten innerhalb des Lagers verscharrt wurden? Im Fall des ersten Lagers des Varus müssten dann im oder in direkter Nähe begrabene Gebeine oder persönliche Gegenstände zu finden sein. Diese dürften dann in einer oder mehreren flachen Gruben zusammen liegen.


Tacitus berichtet vom Besuch des Germanicus am Schlachtfeld der Varusschlacht:


Nun erwachte in dem Caesar das verlangen, jenen Soldaten und ihrem Heerführer die letzte Ehre zu erweisen, wobei das ganze anwesende Heer von schmerzlichen Mitgefühl erfüllt war wegen der leidvollen Kriege und des menschlichen Loses. Caecina wurde vorausgeschickt, um die entlegenen Waldgebiete zu durchforschen und über das sumpfige Gelände und den Trügerischen Moorboden Brücken und Dämme zu führen. Und nun betraten sie die Unglücksstätte, grässlich anzusehen und voll schrecklicher Erinnerungen. Das erste Lager des Varus wies an seinem weiten Umfang und der Absteckung des Hauptplatzes auf die Arbeit von drei Legionen hin. Dann erkannte man an dem halb eingestürzten Wall und dem niedrigen Graben, dass die schon zusammengeschmolzenen Reste sich dort gelagert hatten. Mitten im freien Feld lagen die Gebeine zerstreut oder in Haufen, je nachdem die Leute geflohen waren oder Widerstand geleistet hatten.


Ich interpretiere den übersetzten Bericht so, dass das erwähnte erste Lager das zum Abend des zweiten Tages der Schlacht angelegte war. Zu diesem Zeitpunkt waren die Legionen und der Tross schon dezimiert, aber noch handlungsfähig und konnten ein der Truppenstärke entsprechendes Lager errichten. Der erwähnte eingestürzte Wall und der niedrige Graben dürften das letzte notdürftige Lager am Abend des dritten Tages und vor der endgültigen Niederlage markieren. Hier folgt die Textstelle zu den im Gelände verstreuten oder auf Haufen liegenden Leichen.


Es ist anzunehmen, dass die drei Hinweise in der Übersetzung (1. Das erst Lager des Varus, 2. Ein halb eingestürzter Wall, 3. Mitten im Feld lagen die Gebeine) den verschiedenen Stadien der Flucht und so verschiedenen Plätzen gelten. Die Suche nach dem Ort der Schlacht würde sich vereinfachen, wenn dieses erwähnte große erste Lager identifiziert werden könnte. Der o.g. folgend angelegte eingestürzte Wall dürfte allein schon wegen seiner wohl provisorischen Ausführung die Zeiten nicht überstanden haben. Die o.g. Leichen wurden von Germanicus begraben, wenn sie nicht schon verscharrt waren! So folgt, dass das genannte Lager den Hinweis geben könnte.


Ausgehend von der These, dass die Varusschlacht wegen der Beschreibungen zum Gelände, des fehlenden Tumulus und der merkwürdigen Lage im Bezug auf das Lager Aliso (Haltern) nicht in Kalkriese stattfand, stellt sich die Frage nach Funden an anderen Orten. Mit der alternativen These, dass die Schlacht südlich von Paderborn im Gebiet der Marser stattfand, die Germanicus zuerst ohne Gnade für Geschlecht oder Alter tötete, bekommt das besondere Marschlager Kneblinghausen, evtl. eine wichtige Bedeutung. Es ist wohl gezwungenermaßen aus strategischen Gründen auf einer Anhöhe ohne Wasserquelle angelegt worden und mit seinem später verkleinerten Umfang (Zwischenzeit völlig unklar) eine Besonderheit. Anders als z.B. das neu entdeckte Lager bei Oerlinghausen, direkt am Senner Hellweg, einem Teil des Frankfurter Weges, genau 30 km vom wichtigen Paderborn und Bad Lippspringe, liegt Kneblinghausen nicht an aber einige km von einer Altstraße (Hellweg Richtung Haltern) entfernt mitten im unwegsamen Gelände.


Aus den Berichten zu den leider bisher sehr spärlichen Grabungen gehen keine Hinweise auf Funde zu Grabstellen oder Gruben hervor, da man sich hauptsächlich auf den Wallverlauf des Bodendenkmals konzentriert hat. Natürlich wurden die evtl. Gräber von den Römern nicht in den mühsam errichteten Wällen angelegt, sondern entweder davor oder dahinter, so dass man eben keine solchen Hinterlassenschaften finden konnte.


Geben die originalen Texte oder andere Berichte und Funde Hinweise auf die Versorgung der Verwundeten und die Bestattung der Verstorbenen bei mehrtägigen Schlachten? Mit solchen Hinweisen könnte sicher gezielter nach Evidenz durch Funde gesucht werden.

Hinweise sind sehr willkommen
 
Zuletzt bearbeitet:
Mich interessiert im Zusammenhang mit der Plausibilität von Kalkriese der generelle Umgang der römischen Heeres mit Gefallenen, von denen zwar 20 in einer Grube bei Kalkriese gefunden wurden, die Grablegung aber zeitlich nicht genau datiert werden kann. Sie müsste wahrscheinlich direkt nach, bzw. kurz nach der Schlacht geschehen sein.

Moin
Nein, genau dies ist wohl nicht der Fall! Die in den Gruben bestatteten Gebeine müssen nach bisherigen Erkenntnissen recht lange an der Oberfläche gelegen haben und weisen wohl auch Fraßspuren durch Wild auf.
 
Mich interessiert im Zusammenhang mit der Plausibilität von Kalkriese der generelle Umgang der römischen Heeres mit Gefallenen, von denen zwar 20 in einer Grube bei Kalkriese gefunden wurden, die Grablegung aber zeitlich nicht genau datiert werden kann. Sie müsste wahrscheinlich direkt nach, bzw. kurz nach der Schlacht geschehen sein.

Moin
Nein, genau dies ist wohl nicht der Fall! Die in den Gruben bestatteten Gebeine müssen nach bisherigen Erkenntnissen recht lange an der Oberfläche gelegen haben und weisen wohl auch Fraßspuren durch Wild auf.

Die Anthropologen haben eine Liegezeit der 17 Kalkrieser Individuen von zwei bis zehn Jahren an der Erdoberfläche bestimmt. Tacitus berichtet von sechs Jahren Liegezeit.
2-6-10

Leider fehlt mir oder auch uns jeder Hinweis oder ein Bericht auf die Handlungen des römischen Heeres in den Nächten zwischen den üblicherweise tagsüber geführten Schlachten. Aber es ist wohl anzunehmen, dass die Römer ihre Wunden und Waffen versorgten, sich aber auch um ihre Verwundeten kümmerten, die sicherlich, soweit möglich zu einem Lager gebracht wurden, wenn sie es nicht selber erreicht hatten.
Ärztebesteck ist gefunden worden und Rost deutet den Erhalt von Handknochen als Hinweis auf einen verharzten Verband.

Von diesen dürften nicht wenige in den Nächten in den Lagern verstorben sein.

Muss man annehmen, dass diese Gestorbenen dann liegen gelassen wurden oder schnell vor dem geordneten Aufbruch außerhalb des Lagers oder gegen die Sitten innerhalb des Lagers verscharrt wurden? Im Fall des ersten Lagers des Varus müssten dann im oder in direkter Nähe begrabene Gebeine oder persönliche Gegenstände zu finden sein. Diese dürften dann in einer oder mehreren flachen Gruben zusammen liegen.
Die übliche Bestattungsform war das Verbrennen und Niederlegen der Asche in einer Urne. Es gibt aber auch - auch zu der fraglichen Zeitstellung - Körperbestattungen.
Die Scipionen waren bekannt dafür, dass sie entgegen der üblichen Sitte Körperbestattungen bevorzugten und bei einem augustäischen Gräberfeld des oppidum Ubiorum (Köln) hat man eine Menge Körperbestattngen gefunden (die gegenüber den Brandbestattungen natürlich die Minderheit darstellte). Darunter auch das grab einer jungen gallischen Mutter, die im Kindbett gestorben ist, eines der wenigen Zeugnisse, wo ein römischer Grabstein einem bestimmten Grab zuzuordnen ist.

Ob die Römer in der Varusschlacht Abends und in der Nacht noch kräftemäßig in der Lage waren, ihre Toten zu bestatten, können wir nur mutmaßen.

Ich interpretiere den übersetzten Bericht so, dass das erwähnte erste Lager das zum Abend des zweiten Tages der Schlacht angelegte war.
Da das nicht auf der Hand liegt, müsstest du das erläutern.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Legionen und der Tross schon dezimiert, aber noch handlungsfähig und konnten ein der Truppenstärke entsprechendes Lager errichten.
Man sah das Werk der Hände dreier Legionen, schriebt Tacitus sinngemäß.

Der erwähnte eingestürzte Wall und der niedrige Graben dürften das letzte notdürftige Lager am Abend des dritten Tages und vor der endgültigen Niederlage markieren. Hier folgt die Textstelle zu den im Gelände verstreuten oder auf Haufen liegenden Leichen.
Genau.

Der o.g. folgend angelegte eingestürzte Wall dürfte allein schon wegen seiner wohl provisorischen Ausführung die Zeiten nicht überstanden haben.
Eine Überlegung, die durchaus auf den Befund des Kalkrieser Walls zutrifft, der eine Überraschung war.
 
Guten Tag Xander und El Quijote,

Danke für Eure schnelle Antwort. Hier meine Gedanken zu den Informationen:

Die Anthropologen haben eine Liegezeit der 17 Kalkrieser Individuen von zwei bis zehn Jahren an der Erdoberfläche bestimmt. Tacitus berichtet von sechs Jahren Liegezeit.
2-6-10
Zu den 17 Individuen (Sorry, ich dachte es wären 20 gewesen) danke ich für die Richtigstellung zur Anzahl und den Hinweis zur Dauer der Exposition vor der Beisetzung. Eine Erklärung für die geringe Zahl habe ich nicht. Aber damit ist klar, dass des Schlachtfeld von Kalkriese wiederholt von Römern betreten wurde. Der von den Anthropologen bestimmte Zeitraum von 2 bis 10 Jahren passt geradezu wie die Faust aufs Auge zu den 6 Jahren zwischen der Varusschlacht und dem Feldzug des Germanicus. Das ist ein Punkt, aber er passt nicht zu der nach den Berichten zu vermutenden Anzahl der Opfer. Auch nicht zu dem Bericht der Bestattung der Opfer in einem Grabmal. Da der Fund also von den Quellen abweicht, kann ich nur vermuten, dass hier wiederholt Truppen des Germanicus das am Hellweg unter dem Berg gelegene Schlachtfeld betreten haben. Z.B. bei Schlacht an den Pontes longi...

Ärztebesteck ist gefunden worden und Rost deutet den Erhalt von Handknochen als Hinweis auf einen verharzten Verband.

Es wäre auch nicht vorstellbar gewesen, wenn es nicht wenigstens eine einfache medizinische Versorgung gegeben hätte. Bestimmt waren einige Wundpfleger und Heiler bei den Legionen dabei. Schließlich waren die Legionäre teuer ausgebildet und ausgerüstet. Das Invest wollten die Kaiser sicher nicht wegen nicht-lethaler Schnitt- Stich- Hiebwunden verlieren.

Die übliche Bestattungsform war das Verbrennen und Niederlegen der Asche in einer Urne. Es gibt aber auch - auch zu der fraglichen Zeitstellung - Körperbestattungen.
Die Scipionen waren bekannt dafür, dass sie entgegen der üblichen Sitte Körperbestattungen bevorzugten und bei einem augustäischen Gräberfeld des oppidum Ubiorum (Köln) hat man eine Menge Körperbestattngen gefunden (die gegenüber den Brandbestattungen natürlich die Minderheit darstellte). Darunter auch das grab einer jungen gallischen Mutter, die im Kindbett gestorben ist, eines der wenigen Zeugnisse, wo ein römischer Grabstein einem bestimmten Grab zuzuordnen ist.

Ob die Römer in der Varusschlacht Abends und in der Nacht noch kräftemäßig in der Lage waren, ihre Toten zu bestatten, können wir nur mutmaßen.

Sicher kam im Verlauf mehrtägiger Schlachten keine Kremierung in Frage. Da blieb nur liegen lassen oder wenigstens begraben (Varus und einige Offiziere, die sich selbst getötet hatten, wurde nach den Quellen begraben, aber die Leichen von den Barbaren wieder ausgegraben und geschändet…

Interessant wäre, ob es Hinweise zur Lage von solchen Gräbern in oder bei den Marschlagern gibt.

Da das nicht auf der Hand liegt, müsstest du das erläutern

Zur Frage nach der Reihenfolge der von Germanicus gesichteten Spuren des Varus verweise ich auf Cassius Dio: 56/21/3:

Cassius Dio schreibt von vier Tagen vom Beginn bis zur endgültigen Niederlage. Er beschreibt den Verlauf sehr illustrativ:

„…Denn da sie nicht irgendwie geordnet, vielmehr mitten zwischen den Wagen und dem unbewaffneten Tross marschierten, sich auch nicht so leicht zusammenschließen konnten und so den immer wieder angreifenden Feinden jeweils an Zahl unterlegen waren, erlitten sie viele Verluste, ohne selbst dagegen irgend etwas auszurichten. Sobald sie einen geeigneten Platz gefunden hatten, soweit dies in einem Waldgebirge überhaupt möglich war, schlugen sie dort ein Lager auf, dann verbrannten sie die Mehrzahl der Wagen und alles andere, was sie nicht unbedingt brauchten, oder ließen es zurück, brachen dann am anderen Morgen in etwas besserer Ordnung auf, so dass sie bis zu einer Lichtung kamen; doch war ihr Abzug nicht ohne blutige Verluste geblieben. Von dort brachen sie erneut auf und gerieten wieder in die Wälder,… So brach der vierte Tag ihres Marsches an, als erneut ein starker Regen und ein furchtbarer Sturm sie überfielen, so dass sie weder vorwärts kommen noch fest auf der Stelle stehen, ja nicht einmal ihre Waffen gebrauchen konnten…“

In dieser Verlaufsbeschreibung erwähnt er drei Morgen nach drei Übernachtungen im Feld. Germanicus berichtet von dem Werk dreier Legionen, dem eingesunkenen Wall und den verstreuten Toten, also nur von zwei Lagern und dem Ort der Niederlage. Wenn der eingesunkene Wall das letzte notdürftig errichtete Nachtlager der Truppen ist, bleiben zwei Abende nach dem Beginn der Schlacht. Es ist gut vorstellbar, dass die Römer im Hinterhalt des ersten Tages derart geschockt waren, dass sie kein großes Marschlager aufgebaut hatten. Evtl. hatten Sie sich auch mit den Wagen des Trosses eine Art Wagenburg gebaut. Von dieser dürfte dann sechs Jahre später nichts mehr zu sehen gewesen sein. Varus hat am zweiten Tag wieder die Marschordnung bei Gefährdung angeordnet und das Heer versuchte sich mit Einhaltung der römischen Kriegstaktik zu befreien. Dazu passt das gut angelegte Lager am Abend des zweiten Tages.

Eine Überlegung, die durchaus auf den Befund des Kalkrieser Walls zutrifft, der eine Überraschung war.

Der Wall nördlich vom bisher als „Germanenwall“ bezeichneten südlichen Wall lässt die ganze Situation in Kalkriese nun mit einem vermuteten römischen Marschlager völlig anders erscheinen. Ob der südliche Wall mit seinem unregelmäßigen Verlauf wirklich von den Römern angelegt wurde, ist schwer vorstellbar. Es könnte ja durchaus eine Doppelnutzung des Walles gegeben haben: Die Germanen hatten einen Hinterhalt mit dem getarnten, unregelmäßig verlaufenden Wall gelegt. Dann kam es zur Schlacht im Gelände vor dem Wall. Die Römer behielten die Oberhand, schlugen die Germanen zurück. Zur Versorgung und Vorbereitung des folgenden Tages wurde auf dem Schlachtgelände vor dem Wall ein Marschlager angelegt, dass den Germanenwall nun auf der Südseite als Schanzung nutzte. Sicher nicht ideal, aber pragmatisch, wie so vieles bei den Römern…

Was haltet Ihr von diesen Deutungen?

Mit freundlichen Grüßen
 
Eine Erklärung für die geringe Zahl habe ich nicht. Aber damit ist klar, dass des Schlachtfeld von Kalkriese wiederholt von Römern betreten wurde. Der von den Anthropologen bestimmte Zeitraum von 2 bis 10 Jahren passt geradezu wie die Faust aufs Auge zu den 6 Jahren zwischen der Varusschlacht und dem Feldzug des Germanicus.
Ich bin zwar der Meinung, dass es sich bei den 17 nachgewiesenen Individuen um von Römern bestattete Römer handelt, also Kalkriese ein Schauplatz der Varusschlacht ist, aber "klar" ist das damit noch nicht. Es ist ein Indiz. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Die Erklärung für die geringe Anzahl der in Kalkriese bislang nachgewiesenen Individuen liegt womöglich darin, dass man noch nicht alle Bestattungsplätze gefunden hat. Sicher ist aber, dass die Erhaltungsbedingungen für Knochen und Zähne in Kalkriese aufgrund der Bodenverhältnisse außerordentlich schlecht sind. Den Erhalt der bisherigen Knochenfunde (die leider zu schlecht erhalten sind, um DNA aus ihnen zu gewinnen (theoretisch bis 5000 Jahre möglich)), verdanken wir der Auskleidung der Knochengruben mit Kalksteinen, welche den Prozess der Kalzium-Entziehung verlangsamten.
Ein Individuum ließ sich anhand seines Schädels nachweisen. Also der Schädel an sich war gar nicht mehr da, aber die Zähne - als härtestes und dauerhaftestes Material des menschl. Köpers - fanden die Archäologen im Wallmaterial, wie sich das aus zahnärztlicher Sicht gehört (außer eben, dass die Kieferknoche mit dem Rest des Schädels verwest waren).

Das ist ein Punkt, aber er passt nicht zu der nach den Berichten zu vermutenden Anzahl der Opfer. Auch nicht zu dem Bericht der Bestattung der Opfer in einem Grabmal. Da der Fund also von den Quellen abweicht, kann ich nur vermuten, dass hier wiederholt Truppen des Germanicus das am Hellweg unter dem Berg gelegene Schlachtfeld betreten haben. Z.B. bei Schlacht an den Pontes longi...
Die Schlacht an den pontes longi muss südlich oder westlich der Ems stattgefunden haben, denn Germanicus kehrte nach der Bestattung der varianischen Truppen und einem kurzen Scharmützel mit Arminius an die Ems zurück, wo er die Truppen für die Heimkehr aufteilte.
Zudem wäre für die pontes longi zu erwarten, dass man im Münzhorizont Münzen der zweiten Lyoner Altarserie finden würde (Lugdunum II-Asse, Lugdunum II-Dupondien), in Kalkriese findet man aber nur Münzen der ersten Lyoner Alterserie und Gaius/Lucius-Denare bzw. Aurei als Schlussmünze.

Interessant wäre, ob es Hinweise zur Lage von solchen Gräbern in oder bei den Marschlagern gibt.
Cicero schreibt, dass die Bestattung in einer Stadt verboten sei. Und das entspricht auch weitestgehend dem archäologischen Befund von römischen Gräbern. Nur Kinder findet man hin und wieder auch innerstädtisch bestattet, v.a. Kleinkinder. Meistens befinden sich die Grabstellen entlang der Verkehrswege, da es den Römern wichtig war, in Erinnerung zu bleiben. Daher auch die teils selbst von mittleren und unteren Schichten so oppulent gestalteten Grabmale. Dabei ist interessant zu bemerken, dass die Römer auf Grabbeigaben offenbar wenig wert legten (anders als Gallier und Germanen z.B.), dafür aber selbst Handwerker (und wenn sie das Geld hatten sogar Sklaven) sich Grabsteine schaffen ließen, die von ihrem Leben erzählten.

Wir finden das auch bei Standlagern so. Die Gräber befinden sich i.d.R. an der Ausfallstraße außerhalb des Lagers. Bei Marschlagern ist das schwieriger. Die bestanden ja i.d.R. nur eine oder wenige Nächte und gestorben wurde i.d.R. nur bei Krankheiten und Schlachten oder eben in Ausnahmefällen. Ein 25jähriger kann aus dem Nichts heraus tot umfallen, aber die Regel ist das eben nicht. Daher dürfte der Nachweis von Bestattungen bei Marschlagern äußerst schwer sein. Ein umkämpftes Lager - für die Varusschlacht haben wir das nicht positiv überliefert, aber sowohl bei den pontes longi als auch bei Idisavisto wurde nachts gekämpft bzw. von Seiten der Römer angenommen, dass es zu nächtlichen Angriffen kommen könne - wird wohl kaum verlassen werden, um draußen eine Begräbniszeremonie zu veranstalten. Eine gebeutelte römische Armee, die seit mehreren Tagen entlang von Sümpfen und Gebirgszügen entlang sich ihren Weg in Richtung Rhein erkämpft und die es geschafft hat, ein Lager zu errichten, wird zusehen, dass die noch kampffähigen Soldaten möglichst noch einen Happen zu Essen bekommen und vielleicht auch ein Teil der Soldaten eine Mütze voll Schlaf, bevor der nächste Angriff kommt oder man am kommenden Morgen weitermarschiert. Irgendwann geht die Pietät gegenüber den Kameraden einfach verloren, wenn es nur noch ums nackte Überleben geht.

Was speziell Varus angeht, so scheinen die Römer ja tatsächlich noch versucht haben, ihn zu verbrennen, zumindest war sein Leichnam laut dem Zeugnis des Velleius Paterculus halbverbrannt: Vari corpus semiustum. Andere Szenarien würde ich aber nicht völlig ausschließen.

Ob der südliche Wall mit seinem unregelmäßigen Verlauf wirklich von den Römern angelegt wurde, ist schwer vorstellbar.
Ich war immer - und bin es auch eigentlich noch - Anhänger der Germanenwallhypothese. Jedoch muss ich einräumen, dass zur Zeit die Indizien eher in die andere Richtung zu weisen scheinen, dass es sich um einen römischen Lagerwall handelt. Lass mich dir helfen diese Deutungsmöglichkeit weniger schwer vorstellbar zu machen und schau dir mal den Aufbau des Lagers von Plumpton Head an.

Was die beiden bei Tacitus beschriebenen Lager und die Parallellesung mit Cassius Dio anbelangt:
Auch wenn Cassius Dio detaillierter als alle früheren Autoren ist (bzw. zu sein scheint) - was per se schon ein Grund zur Vorsicht sein sollte - so ist sein Text doch keineswegs ein Protokoll der Schlacht. Dass er es nicht für nötig hielt, für alle drei (bzw. vier) Marschtage den Bau eines Lagers gesondert zu erwähnen bedeutet nicht, dass die Römer an den drei ersten Marschtagen keines gebaut hätten. Es ist zumindest als wahrscheinlich anzunehmen, dass die Römer noch Lager (welcher Güte auch immer) bauten, keines zu bauen wäre wie ein Offenbarungseid gegenüber dem angreifenden Feind gewesen, hätte diesem signalisiert, dass die geschwächte Armee nicht mehr in der Lage sei, ihren Routinen zu folgen und sich zu schützen.
 
Hallo El Quijote,

vielen Dank für die Erläuterungen.
Die Schlacht an den pontes longi muss südlich oder westlich der Ems stattgefunden haben, denn Germanicus kehrte nach der Bestattung der varianischen Truppen und einem kurzen Scharmützel mit Arminius an die Ems zurück, wo er die Truppen für die Heimkehr aufteilte.
Allerdings bin ich nicht sicher, dass die Deutung der Quellen zu der Schlacht an den Pontes longi zwingend eine Verortung südlich, westlich der Ems verlangt. Zumindest der Fund des Mundblechs mit der Gravur LPA für die 1. Legion und auch der Bohlenweg mit den Kampfspuren an hölzernen germanischen Waffen passt einfach zu gut zu der Beschreibung der Schlacht des Caecina. Kannst Du Deine Deutung der Quellen bezüglich der Lage zur Ems erläutern?

Ich war immer - und bin es auch eigentlich noch - Anhänger der Germanenwallhypothese. Jedoch muss ich einräumen, dass zur Zeit die Indizien eher in die andere Richtung zu weisen scheinen, dass es sich um einen römischen Lagerwall handelt. Lass mich dir helfen diese Deutungsmöglichkeit weniger schwer vorstellbar zu machen und schau dir mal den Aufbau des Lagers von Plumpton Head an.
Vielen Dank für den Hinweis zu Plumton Head. Interessant ist, dass das Lager keine übliche Rechteckform hat, sondern mit der Graben-Wallanlage ein etwas unregelmäßiges Quadrat beschreibt, dessen Wälle aber gerade und an den Ecken mit großen Radien verlaufen. Letztere Merkmale sind ja für die Marschlager typisch. Der Zusammenhang des mit dem „südlichen“ Walls mit dem neu gefundenen „nördlichen“ Wall, lässt nun ein zumindest kleines Marschlager an diesem Ort vermuten, an dem nach den Funden Kämpfe stattfanden. Was aber nicht passt ist die wellenförmige Auslegung des „südlichen“ Walls. Nach der Geländesituation ist der südliche Wall von Osten betrachtet ein Verlauf einer natürlichen Böschung, die den Weg entlang der Anhöhe und neben dem Morast zunehmend einschnürt. Stellen wir uns das Gebilde zwischen Gewachsener Vegetation mit Zweigen und Büschen getarnt vor, kann es ein leicht zu übersehender Hinterhalt sein. Darum verstehe ich sehr gut, dass Du ein Anhänger der Germanenwallhypothese bist.
Was spricht denn aus Funden nicht für die von mir angedeutete Idee, dass der südliche Wall eine Germanisch erbaute Falle ist, und nachdem die Römer bei den Kämpfen doch die Oberhand behielten, von diesen als südliche Begrenzung eines nördlich vor dem Wall schnell errichteten Marschlagers bildete? Die Römer mussten dazu nur südlich des Walls den Spitzgraben ausheben, dessen Verlauf irgendwie auffällig ist. Sind Dir Verlaufsbeschreibungen des südlichen Spitzgrabens und des nördlichen Walls bekannt? Und gibt es Erkenntnisse, die den zeitlichen Zusammenhang dieser Funde sichern?

Dass er es nicht für nötig hielt, für alle drei (bzw. vier) Marschtage den Bau eines Lagers gesondert zu erwähnen bedeutet nicht, dass die Römer an den drei ersten Marschtagen keines gebaut hätten. Es ist zumindest als wahrscheinlich anzunehmen, dass die Römer noch Lager (welcher Güte auch immer) bauten, keines zu bauen wäre wie ein Offenbarungseid gegenüber dem angreifenden Feind gewesen, hätte diesem signalisiert, dass die geschwächte Armee nicht mehr in der Lage sei, ihren Routinen zu folgen und sich zu schützen.
Wie eingangs gesagt, neige ich erstmal den Quellen zu, denn die sind bezüglich des Varus die einzigen Funde die es gibt, abgesehen der Münzen mit seiner Gegenprägung und dem Standbild in der Provinz Asia (Türkei). Die vier Tage sind in ihrem Ablauf auffällig plausibel beschrieben. Varus war unvorsichtig in die Falle gelaufen, das Heer vollkommen unvorbereitet in schwierigem Gelände in lang gestreckter ungeordneter Formation mit offenen Flanken, von Teilen des Begleittrosses unterbrochen. Eine Berichts- und Befehlskette war am ersten Tag fast unmöglich und die einzelnen Teile des Heeres mussten auf sich gestellt improvisieren. Der erste Tag dürfte extrem erschütternd verlaufen sein. Ob danach noch für die vielleicht 10.000 Überlebenden noch ein bis heute möglicherweise erhaltenes Lager errichtet wurde, ist absolut fraglich. Interessant ist, dass sich die Anzahl der gegnerischen Germanen nach den Berichten in den folgenden Tagen vermehrte. Dass passt zu der sich verbreitenden Kunde vom fast geschlagenen römischen Heer bei dem Beute zu machen war. Wenn es Varus war, der danach zu geordneter Vorbereitung des zweiten Tages, mit Auslosung der vorangehenden und das nächste Marschlager vorbereitenden Legion, der Erleichterung vom Ballast des Trosses und den Ordern zur kampffähigen Marschformation, fähig war, dann hatte da schnell und richtig gehandelt. Jedoch leider zu spät.

Auch wenn Cassius Dio detaillierter als alle fraufwendige üheren Autoren ist (bzw. zu sein scheint) - was per se schon ein Grund zur Vorsicht sein sollte - so ist sein Text doch keineswegs ein Protokoll der Schlacht.
Ja, das stimmt schon, aber bitte Vorsicht: Eine schnelle Infragestellung der Quellen im Bezug auf annähernd, aber eben nicht ganz passenden Funden, kann gefährlich zur beliebigen Auslegung führen. Solange große Zweifel und Unklarheiten bestehen, sollten alternative Hypothesen absolut gleichwertig betrachtet und verfolgt werden. Sicher eine kommunikative Belastung und dazu noch eine Vielzahl an aufwendigen praktischen Grabungskampanien. Politisch auch nicht einfach, denn die Kosten stehen bis zum Beweis dann nicht im Zusammenhang mit spektakulären Leistungsbeweisen.

Ich danke sehr für die detaillierten Kommentare und Hinweise und grüße freundlich
 
Zuletzt bearbeitet:
Zumindest der Fund des Mundblechs mit der Gravur LPA für die 1. Legion und auch der Bohlenweg mit den Kampfspuren an hölzernen germanischen Waffen passt einfach zu gut zu der Beschreibung der Schlacht des Caecina.
Zunächst einmal ist ja die Deutung der Inschrift als LPA fraglich. Sollte sie richtig sein, dann ist die Frage, ob die Auflösung als Legio Prima korrekt ist, dafür gäbe es nämlich keinen weiteren Beleg.

Kannst Du Deine Deutung der Quellen bezüglich der Lage zur Ems erläutern?
Bei Tacitus steht:
mox reducto ad Amisiam exercitu
legiones classe, ut ad vexerat, reportat;
pars equitum litore Oceani petere Rhenum iussa;
Caecina, qui suum militem ducebat, monitus, quamquam notis itineribus regrederetur, pontes longos quam maturrime superare.

Dann führte er [Germanicus] das Heer zur Ems zurück.
Die Legionen trug er mit der Flotte zurück, wie er sie herbeigeführt hatte.
Die Reiterei erhielt den Befehl am Ufer des Ozeans zum Rhein zu streben.
Ceacina, der seine Soldaten führte, ward ermahnt, über bekannte Wege zurückzukehren, die langen Brücken eiligst zu überwinden.

Vielen Dank für den Hinweis zu Plumton Head. Interessant ist, dass das Lager keine übliche Rechteckform hat, sondern mit der Graben-Wallanlage ein etwas unregelmäßiges Quadrat beschreibt, dessen Wälle aber gerade und an den Ecken mit großen Radien verlaufen. Letztere Merkmale sind ja für die Marschlager typisch. Der Zusammenhang des mit dem „südlichen“ Walls mit dem neu gefundenen „nördlichen“ Wall, lässt nun ein zumindest kleines Marschlager an diesem Ort vermuten, an dem nach den Funden Kämpfe stattfanden. Was aber nicht passt ist die wellenförmige Auslegung des „südlichen“ Walls.
Genau so einen wellenförmigen Wall findest du in Plumpton Head, zudem passt sich die Form genau dem Gelände an.


Sind Dir Verlaufsbeschreibungen des südlichen Spitzgrabens und des nördlichen Walls bekannt? Und gibt es Erkenntnisse, die den zeitlichen Zusammenhang dieser Funde sichern?
Ja, sind mir bekannt, ich habe auch bereits welche hochgeladen.
Z.b. Die verschütteten Maultiere und die fundfreie Standspur des Walls.

Ja, das stimmt schon, aber bitte Vorsicht: Eine schnelle Infragestellung der Quellen im Bezug auf annähernd, aber eben nicht ganz passenden Funden, kann gefährlich zur beliebigen Auslegung führen.
Die Quellen, die wir haben, verfügen über Übereinstimmungen, Ergänzungen, aber auch Widersprüche. Cassius Dio wartet 200 Jahre nach der Schlacht mit Infos auf, die kein Autor vor ihm vertrat - so weit so gut - aber manche seiner Angaben sind physikalisch schlicht unmöglich. Wir kennen nicht seine Quelle zur Varusschlacht, aber wir wissen, dass er teilweise Caesar so zitiert, dass er dessen Aussagen fast in ihr Gegenteil verkehrt. Ich bin bei Cassius überaus skeptisch. Und die physikalischen Unmöglichkeiten beschränken sich bei ihm nicht auf die Varusschlacht.
 
die Deutung der Inschrift LPA als als Legio Prima scheint mir auch fraglich
Normalerweise wurden Legionesbezeichnungen wie bei der Mainzer"Hauslegion" ,der Legion XXII Primigenia pia fidelis in der Form LEG XXII P P F abgekürzt und auf Inschriften , Ziegelstempeln etc verwendet im übrigen meist im Zusammenhang mit dem Legionsemblem
Die Legio prima Martia aus Kaiseraugst kürzte sich auf ihren Inschriften mit LEG I MAR ab

Schon aus rein formellen Gründen scheint die Inschrift LPA daher nicht auf eine Legion hinzuweisen-
In der Nekropole von Chatelais wurde übrigens folgende Inschrift gefunden;
Hic q Labid lpa
 
Ich schaue mir immer gern das Bild mit dem rekonstruierten Wall an. Für das gezeigte Flechtwerk musste man eine große Anzahl geeigneter Schößlinge sammeln, diese entästen und einflechten. Eine sehr zeitraubende Tätigkeit. Im Rahmen von Kampfhandlungen undenkbar.
Abb_40_VARUSSCHLACHT_im_Osnabru__cker_Land.JPG.5503834.JPG
 
Mit Kopfweiden kein Problem. Es war ja keine menschenleere Gegend, sondern eine Sumpf- und Weidelandschaft in der die Menschen diese Techniken für Hausbau und Weidezäune seit Jahrhunderten nutzten.
 
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