Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Wobei man natürlich sagen muss, dass die Bodenproben, mit denen die Geographen jetzt gearbeitet haben, wohl Bodenproben aus den Grabungskampagnen 2016 bis 2019 sind und nicht Bodenproben von den Grabungen der Jahre 1988 ff., als man die Maultiere fand.
 
Dann wären sie unter den 1000 Jahre jüngeren Sedimenten - aber @El Quijote meinte:
Ist das Sediment denn unterhalb und oberhalb der Knochen 1.000 Jahre jünger?
Wobei man natürlich sagen muss, dass die Bodenproben, mit denen die Geographen jetzt gearbeitet haben, wohl Bodenproben aus den Grabungskampagnen 2016 bis 2019 sind und nicht Bodenproben von den Grabungen der Jahre 1988 ff., als man die Maultiere fand.
Ah, das bietet Spielraum für einen Datierungsfehler.
 
Ist eigentlich die Besiedlungsgeschichte der Gegend nach der Schlacht erforscht?
War die Gegend durchgängig besiedelt oder wurde sie durch Germanicus als Rache menschenleer gemacht?
Ganz sicher nicht. Zwar hat Germanicus ganz sicher heldenhafte Berichte nach Rom geschrieben, über die große und großartige römische Rache. Aber dafür fehlte die Zeit. Germanicus musste dankbar dafür sein, lebend aus dem von ihm selbst verschuldeten Schlamassel heraus zu kommen:
Die Siege des Germanicus waren strategisch verheerender als die Niederlagen des Varus.

Es zeigte sich, dass mit brachialer Gewalt und Einsatz aller römischer Logistik dieser Krieg nicht zu gewinnen, vor allem aber ein wirtschaftlich sinnvoller Frieden nicht zu erreichen war.

Zu Deiner Frage: am Ort der Schlacht führten die Germanen fortan ungestört Altmetallrecycling durch. Der Handelsweg bei Kalkriese wurde auch weiterhin genutzt. Landwirtschaft war möglich. Alles auf dem Boden einer Subsistenzwirtschaft, mit gemächlichem germanischem Tempo.
 
Direkt am Wall, unter dem Material des eingestürzten Walls,
Ach so!
Dann war das
Aber natürlich muss geklärt werden, wie anderthalb 2000jähirge Maultiere erhalten wurden, wenn die Sedimente, in denen sie erhalten wurden, knapp 1000 Jahre jünger sind.
ein wenig irreführend ;)
Also waren die Maultierüberbleibsel weder durcheinandergebracht noch innerhalb des jüngeren Sediments.
Dann kann ich meinen ersten Eindruck von der Neuigkeit (Wall/Graben "hochmittelalterlich") wiederholen: dass man dort auch jüngeres (und älteres) findet, war zu erwarten. Für das Thema hier relevant sind die eindeutig römischen und germanischen Funde augustäischer Zeit. Und da zeigt sich halt, dass ein Wall/Graben nicht dazu gehört.
 
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Ganz sicher nicht. Zwar hat Germanicus ganz sicher heldenhafte Berichte nach Rom geschrieben, über die große und großartige römische Rache. Aber dafür fehlte die Zeit. Germanicus musste dankbar dafür sein, lebend aus dem von ihm selbst verschuldeten Schlamassel heraus zu kommen:
Die Siege des Germanicus waren strategisch verheerender als die Niederlagen des Varus.

Es zeigte sich, dass mit brachialer Gewalt und Einsatz aller römischer Logistik dieser Krieg nicht zu gewinnen, vor allem aber ein wirtschaftlich sinnvoller Frieden nicht zu erreichen war.

Zu Deiner Frage: am Ort der Schlacht führten die Germanen fortan ungestört Altmetallrecycling durch. Der Handelsweg bei Kalkriese wurde auch weiterhin genutzt. Landwirtschaft war möglich. Alles auf dem Boden einer Subsistenzwirtschaft, mit gemächlichem germanischem Tempo.
Könnte man nicht auch sagen dass es Germanicus im Prinzip so erging wie den USA im Vietnamkrieg?
 
Meinst Du einen Datierungsfehler bei den Maultierresten?
Nein, beim Sediment. Die ~30 Jahre zwischen Erstentdeckung der Maultiere und Entnehmen einer Sedimentprobe lassen Spielraum für Fehler zu. Zum Beispiel Durchmischung von Sediment.

Es kann also sein, dass die Maultiere auf 2000 Jahre altem Sediment lagen, aber durch den Wallbau/einsturz mit nur 1000 Jahre altem Sediment bedeckt waren.
 
Was soll da wie durchmischt worden sein? Der Bereich (des Walles) in dem die Maultiere gefunden wurden, wurde durch die Grabungen auf denen die Sedimentuntersuchungen beruhen gar nicht berührt.
Die Maultiere dürften durch die Beifunde sicher in den varuszeitlichen Horizont gehören. Der Wall ist eben 1000 Jahre jünger.
 
Die Maultiere dürften durch die Beifunde sicher in den varuszeitlichen Horizont gehören. Der Wall ist eben 1000 Jahre jünger.
Und hier beginnt das Problem: Wie haben sie sich erhalten? Sie müssen noch während des Kampfgeschehens oder spätestens wenige Tage danach von Erde überdeckt gewesen sein. Die Kadaver liegen nicht 1000 Jahre da herum und dann rutscht 1000 Jahre später ein Wall ab und begräbt sie.
 
Was soll da wie durchmischt worden sein? Der Bereich (des Walles) in dem die Maultiere gefunden wurden, wurde durch die Grabungen auf denen die Sedimentuntersuchungen beruhen gar nicht berührt.
Die Maultiere dürften durch die Beifunde sicher in den varuszeitlichen Horizont gehören. Der Wall ist eben 1000 Jahre jünger.
Ich weiß nicht, ob wir aneinander vorbei reden oder ich etwas nicht verstehe.

Die von DonQuiote gestellte Fragestellung war: Warum liegen 2.000 Jahre alte Maultiere in 1.000 Jahre altem Sediment?
Und er hat gesagt, dass zwischen Maultierfund(1988) und Sedimententnahme(2016-...) einzige Zeit vergangen ist.

Darauf habe ich gesagt: Der lange Zeitraum lässt Spielraum für Datierungsfehler.
Vielleicht lagen die Maultiere auf 2.000 Jahrem Sediment und wurden mit 1.000 Jahrem alten Sediment beim Wallbau zugschüttet.
Vielleicht war die Datierungsprobe nur von Sediment, welches auf den Tieren lag. Nicht unter den Tieren.
Oder man hat die Probe versehentlich an der Stelle entnommen, an der sich altes und neues Sediment vermischen.


Ich stimme ja komplett zu: Die Maultiere sind 2.000 Jahre alt und der Wall hat nix mit Varus zu tun.
Es ging nur um die Fragestellung: Warum ist das Sediment um die 2.000 Jahre alten Maultiere nur 1.000 Jahre alt?


Und hier beginnt das Problem: Wie haben sie sich erhalten? Sie müssen noch während des Kampfgeschehens oder spätestens wenige Tage danach von Erde überdeckt gewesen sein.
Warum die zeitliche Nähe zum Kampfgeschenen?
Es dauert Monate, bis so ein großes Tier im Herbst/Winter an der Oberfläche verwest.

Kalkriese war doch Feuchtgebiet, oder? Versanken die Kadaver im Schlamm/Morast, so dass nach Verwesung die Knochen unter der Erde waren? Eventuell in Kombination mit Herbstlaub, was auf die Kadaver fiel?

Sind eigentlich Fraßspuren von Tieren an den Knochen vorhanden?
 
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Es ging nur um die Fragestellung: Warum ist das Sediment um die 2.000 Jahre alten Maultiere nur 1.000 Jahre alt?
Dem ist ja nicht so. Die Aussage "in" von El Quijote war falsch. Siehe weiter oben.
Und nochmal: Der Bereich (des Walles) in dem die Maultiere gefunden wurden, wurde durch die Grabungen auf denen die Sedimentuntersuchungen beruhen gar nicht berührt.
 
Darauf habe ich gesagt: Der lange Zeitraum lässt Spielraum für Datierungsfehler.
Vielleicht lagen die Maultiere auf 2.000 Jahrem Sediment und wurden mit 1.000 Jahrem alten Sediment beim Wallbau zugschüttet.
Vielleicht war die Datierungsprobe nur von Sediment, welches auf den Tieren lag. Nicht unter den Tieren.
Oder man hat die Probe versehentlich an der Stelle entnommen, an der sich altes und neues Sediment vermischen.
Bevor das weiter ins Kraut schießt: Die Grabungen der Jahre 2016 bis 2019 fanden nicht dort statt, wo die Grabungen 1988 ff. stattfanden. Die Proben wurden aber in den Jahren 2016 bis 2019 entnommen.

k'riese grabungen über die Jahrzehnte.jpg

Wo genau die Grabungen 2018 und 2019 stattfanden, weiß ich nicht. Das Google-Maps-Bild stammt vermutlich von der Grabungskampagne 2017 (Beginn oder nach Abschluss.
 
Hier noch mal eine Karte mit den tatsächlichen Grabungen vor 2018 und 2018 und 2019, Sektio 55 (2018) schneidet den Wall:

k'riese sekktion 55-2018.png


Urheber der Originalkarte: MuP Kalkriese/Uni Osnabrück, Ausschnitt und ovale Markierung von mir.
 
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Warum die zeitliche Nähe zum Kampfgeschenen?
Es dauert Monate, bis so ein großes Tier im Herbst/Winter an der Oberfläche verwest.

Wir müssen in Kalkriese zwei oder unterschiedliche Knochengruppen ausmachen:
  1. die anderthalb Maultiere, die ungestört waren
  2. die Zähne, die noch im Verbund, aber ohne zugehörigen Kieferknochen erhalten waren
  3. die Knochen aus den Knochengruben, die auch mit Verbissspuren
Als die Knochen bestattet wurden, wurden Tier- und Menschenknochen durcheinander bestattet. Bis auf die rätselhaften Handknöchelchen, für die die Erklärung ist, dass diese sich in einem bei der Bestattung noch erhaltenen Verband befanden und so gemeinsam bestattet wurden, waren hier nichts mehr mit Verbund und man darf davon ausgehen, dass nicht mehr unterschieden werden konnte, ob es sich um Menschen- oder Tierknochen handelte. Jedenfalls lagen die Knochen laut anthropologischen Befund der Uni Braunschweig zwischen zwei und zehn Jahren obertägig, bevor sie bestattet wurden (Germaicus' Bestattungsaktion: sechs Jahre nach der Vrausschlacht).
Die anderhalb Maultiere wurden nicht gefunden bzw. waren besser erhalten - das zweite natürlich nur zur Hälfte.

Was an Knochen erhalten wurde, blieb erhalten, weil Kalkstein mit in den Knochengruben war (Kalkriese, der Name kommt nicht vin ungefähr), ansonsten ist der Boden in der Region so kalziumarm, dass Knochen keine lange Erhaltungsdauer beschieden ist: Sie die Zahnreihe ohne Kiefer: die Zähne können nur mit Kiefer in den Boden gekommen sein, so wie sie gefunden wurden, Zähne sind das Härteste und Dauerhafteste im Säugetierkörper.

Füchse, Ratten, Wölfe, Marder, Bären, Krähen, Raben etc. dürften die Knochen in den Tagen, Wochen und Monaten nach der Schlacht ziemlich durcheinander gebracht haben. Deshalb müssen die Maultiere zeitnah verschüttet worden sein.



Kalkriese war doch Feuchtgebiet, oder? Versanken die Kadaver im Schlamm/Morast, so dass nach Verwesung die Knochen unter der Erde waren? Eventuell in Kombination mit Herbstlaub, was auf die Kadaver fiel?
Die Maultiere befanden sich - wie der Wall - in der Hangsandzone, also im trockenen Gelände, wo es nach Süden hin zum Kalkrieser Berg ansteigt.
 
Wir müssen in Kalkriese zwei oder unterschiedliche Knochengruppen ausmachen:
Das wir nicht von den übrigen, später von Germanicus fortgeschafften Soldatenknochen reden, sondern nur von den liegengelassenen Maultierknochen, ist klar.
Füchse, Ratten, Wölfe, Marder, Bären, Krähen, Raben etc. dürften die Knochen in den Tagen, Wochen und Monaten nach der Schlacht ziemlich durcheinander gebracht haben. Deshalb müssen die Maultiere zeitnah verschüttet worden sein.
Ich glaube, die Aasfresser hatten da mit den ganzen unbestatteten Soldaten(und Tier-)leichen soviel zu fressen, als dass die Maultiere(und Soldaten) nur oberflächlich verzehrt worden sind.

Insofern konnte die Maultiere (und Soldaten) in Ruhe verwesen, ohne dass die Knochen nennenswert von Aasfressern durcheinander gebracht wurden.

Dann konnten sich Pflanzenreste drüber legen, die zu einer Erdschicht zerfallen.

Das erklärt, warum die Knochen "ordentlich" im Boden lagen.

Und 1000 Jahre später wurde ein Wall gebaut, der nochmal zusätzlich auf die verbuddelten Knochen drauf stürzte.
 
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Das wir nicht von den übrigen, später von Germanicus fortgeschafften Soldatenknochen reden, sondern nur von den liegengelassenen Maultierknochen, ist klar.

Ich glaube, die Aasfresser hatten da mit den ganzen unbestatteten Soldaten(und Tier-)leichen soviel zu fressen, als dass die Maultiere(und Soldaten) nur oberflächlich verzehrt worden sind.

Insofern konnte die Maultiere (und Soldaten) in Ruhe verwesen, ohne dass die Knochen nennenswert von Aasfressern durcheinander gebracht wurden.

Dann konnten sich Pflanzenreste drüber legen, die zu einer Erdschicht zerfallen.

Das erklärt, warum die Knochen "ordentlich" im Boden lagen.

Und 1000 Jahre später wurde ein Wall gebaut, der nochmal zusätzlich auf die verbuddelten Knochen drauf stürzte.
Wie schon von jemandem gesagt;: Das dauert viel zu lange. Bis der Boden so angewachsen wäre, das die Kadaver überdeckt gewesen wären, wären die Knochen längst vergangen gewesen. 1 cm Waldboden braucht ca. 100 Jahre.
 
Noch ein kleiner anatomischer Nachtrag: Handwurzelknochen bleiben im anatomischen Verbund, weil sie durch Ringbänder (die bei uns allen die Sehnen führen und so uns das Beugen der Hand ermöglichen) zusammengehalten werden.

Das wussten auch die Bildhauer des Mittelalters, die in Grabmalen mit Memento mori dem andächtigen Betrachter zeigten, was verweste und was nicht.

Zum Spitzgraben und zum Wall: der Spitzgraben kann im Rahmen der Plaggenwirtschaft angelegt worden sein, zur Drainage. Der Wall andererseits, ob als angelegtes germanisches Näherungshindernis oder als vorbestehende landschaftliche oder landwirtschaftliche Struktur, ist mir nach wie vor plausibel. Die einzige Ausbruchsmöglichkeit für die römischen Truppen war hangaufwärts nach Süden/ Südwesten zum Kalkrieser Berg, im Norden waren Bach und Sumpf.
 
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