Kalkriese - Archäologische Befunde und antike Schriftquellen
Achim Rost hat für die Darstellung der Varusschlacht in Kalkriese einen Bericht in "Archäologie in Niedersachsen", Schwerpunkt: Der historische Moment, 2003, S.25-29 veröffentlicht.
Aufrgund der immer wieder angezweifelten richtigen Bewertung der Münzfunde, die die bisherige Eindeutigkeit der Aussage in Zweifel stellt (auch hier im Forum), hat A.Rost eine Erklärung für den Grassodenwall (als Bestätigung der Festlegung des Varusschlachtortes in Kalkriese) verfaßt.
A.Rost zieht jetzt den Besuch des Germanicus (Tacitus, Annalen I 61-62) zur Bewertung der bisherigen archäologischen Untersuchungen heran.
So sei die Annahme, daß der Grassodenwall als ein Teil des letzten unvollendeten Römerlager des Varus gewesen sein soll, nicht richtig.
Da Tacitus nicht persönlich vor Ort gewesen war, äußert er, daß die Berichterstattung aus 2.Hand war und Germanicus erst 6Jahre später den Ort des Geschehens besuchte. So mußten sich die Römer erst ein Bild über den Ablauf des Kampfes bilden.
A.Rost kommt jetzt zu der Überlegung, daß der Grassodenwall einer Fehldeutung seitens Germanicus unterlag und er ihn für eine römische Konstruktion hielt (das letzte Lager). So schreibt er: "...Aus einem halbzerstörten Wall und einem flachen Graben wurde darauf geschlossen, dass hier die stark reduzierten Reste eines Heeres gelagert hatten. Die halbverfallene und eventuell z.T. überwucherte Anlage in ihrem Verlauf zu erfassen, dürfte in der Situation des Jahres 15 n.Chr. im Zuge der unter Bedrohung durch den Feind durchgeführten Bestattungsaktivitäten fast unmöglich gewesen sein....". Danach fragt er sich, wieviele Römer die Varusschlacht überlebt haben und bei diesem Germanicus-Feldzug dabei waren? So meint er dann, daß wenn keine konkreten Informationen der Überlebenden vorlagen, der Wall als germanisch anzusehen sei und die Römer einer Fehldeutung unterlagen.
A.Rost schreibt ferner, daß in den römischen Schriftquellen keine germanische Schanzung erwähnt wurde. Aber hier vermutet er, daß Paterculus mit dem Wort "Hinterhalt" nicht nur natürliche Begebenheiten gemeint hat, sondern damit auch einen Grassodenwall umschrieben haben kann. Die irrtümlichen römischen Interpretationen des Grassodenwalles könnten auch Tacitus getäuscht haben, sodaß er den Drainagegraben als flachen Graben vor dem Wall beschrieben hat. So sollen die Legionäre des Germanicus die eigentliche Kampfzone (zum Moor hin) als "Innenraum des Lagers" gedeutet haben. Das würde auch bedeuten, daß Florus eine als unglaubwürdige eingestufte Überlieferung vom Lagerüberfall damals niederschrieb.
Ein weiterer Satz fiel mir im Text noch auf:
"...Die schriftlichen Informationen über die Feldzüge des Germanicus (14 bis 16 n.Chr.) machen auch für die Auseinandersetzung des Caecina mit den Germanen (15n.Chr.;Tacitus Annalen I, 63-68), die wiederholt für die Interpretation der Fundstelle Kalkriese als Alternative zur Varusschlacht genannt wurden, eine derartige Möglichkeit, Angriffe auf römische Militärverbände an vorhersehbarer und damit rechtzeitig mit einer Wallanlage präpärierbarer Stelle vorzubereiten, nicht in vergleichbarer Weise wahrscheinlich..."
Meine Meinung:
Tacitus hat berichtet, daß die Überlebenden dem Germanicus genau beschreiben konnten, wo die Legaten, Legionäre und Varus fielen. Selbst die genauen Orte der Adlerverluste wurden benannt. Und da wurde angeblich nicht vermerkt, daß die Germanen einen kriegsentscheidenden Wall gebaut haben? Obwohl das doch völlig atypisch ist.....:grübel:
Ich gehe auch davon aus, daß die Armee des Germanicus schon römische Schanzarbeiten erkennen konnte und diese von evtl. germanischer Bauweise unterscheiden konnte. Wieso gehen die "Experten für Kalkriese" immer davon aus, daß die Römer sich in ihren Berichten irrten?:S
Ferner habe ich hier schon in den ersten Beiträgen beschrieben, daß der Grassodenwall auch römisch gewesen sein kann und auch kein unvollendetes Lager gewesen sein muß.
Auch den letzten zitierten Satz sehe ich anders. Tacitus beschrieb, daß Caecina auf bekannten Wegen zurückziehen sollte. Wenn die Germanen schon einen Wall bauten, dann doch eher bei einer bekannten Route! Von Varus wird eher der Zug durch unbekanntes Gebiet berichtet und die dadurch mögliche Wegänderung. Und dort kann es in Urwäldern etliche Hinterhalte gegeben haben......aber der Hellweg vor dem Samtforte war eine bekannte Strecke in einer bekannten germanischen Kulturlandschaft (wie 2Berichte vorher beschrieben) und auch bewohnt. Würde ein Wallbau nicht auffallen?:grübel:
Weiterhin frage ich mich, warum der Wall parallel zum Weg verläuft und nicht diesen abriegelt?
Seit einiger Zeit wird in Kalkriese behauptet, daß dort keine Vernichtungsschlacht stattgefunden hat. Das widerspricht den ursprünglichen Gedanken, daß dort Varus am 3.Tag vernichtet wurde. Schon vor einigen Jahren erzählte mir ein Archäologe, daß dort keine Vernichtungsschlacht stattgefunden hat, weil der Heereszug sich nach Fundlage wie ein Reißverschluß aufspaltete und durch die Engstelle kam.
Nachdem auch Militärhistoriker (ich glaube amerikanische Experten für den Bürgerkrieg) befragt wurden, ist der Gedanke der Vernichtungsschlacht in Kalkriese endgültig verworfen worden. Jetzt schaut man auch weiter westlich nach Funde.....
Die Erklärung, die ich in Kalkriese gehört habe, daß die Römer am Germanenwall entlangzogen und immer wieder vereinzelt angegriffen wurden, halte ich für wenig glaubhaft. 3 kampferprobte Legionen im Gänsemarsch, wie das Vieh zur Schlachtbank?:grübel:
Fazit: Es gibt immer noch keine eindeutigen Beweise für die Varusschlacht in Kalkriese!!! Nur Vermutungen und Spekulationen....:grübel: