Ich glaube, das hast du Maelonn falsch verstanden. Es ging nicht darum, dass die Kasse etwa in Rom blieb, sondern, dass sie in Vetera zurückgelassen wurde, als es gegen die Cherusker ging. Und damit ist auch bei pontes longi kein erhöhtes Münzaufkommen (erst Recht mit Goldmünzen!!) zu erwarten.
Genauso meinte ich es. Danke.
Das kann man nicht verallgemeinern, schon gar nicht für die Germanicus-Zeit.
Im Zuge der Meuterei der Rheinlegionen 14 n.Chr. wurde Germanicus zur Auszahlung der ausstehenden Soldzahlungen gezwungen....
Richtig. Und aus der von Dir zitierten Tacitus-Stelle geht klar hervor, dass es ungewöhnlich war, all das Geld in der marschierenden Legion mitzuführen. So ungewöhnlich, dass Tacitus es in den von Dir zitierten Zeilen als "ein hässliches Bild" bezeichnet.
Aus dieser Quelle geht hervor, dass es in jenen Jahren bei den Rheinlegionen zu Verzögerungen der Soldzahlungen kam, die zur Meuterei der Legionen führten. Germanicus musste auf Druck der Legionen 14 n.Chr. eine höhere Auszahlung veranlassen.
Aus der Quelle geht keineswegs hervor, dass es zu verzögerten Zahlungen gekommen ist. Woraus liest Du das ab? Die Gründe für die Meuterei werden klar benannt: Die Jungs wollten erzwingen, dass sie nach Ende ihrer Dienstzeit auch tatsächlich entlassen wurden, und sie wollten MEHR Geld.
Das ist nicht richtig. Für die Schlacht an den Pontes longi schreibt Tacitus, dass die Legionen des Caecina einen Großteil ihrer Ausrüstung einbüßen mussten
Okay. Stimmt. Ich leiste Abbitte. Auch bei Pontes longi ist ein guter Teil des Trosses verloren gegangen. Bei Kalkriese sind die Spuren des Trosses aber auf einer großen Fläche vermischt mit den Spuren der gewaltsamen Plünderung gefallener Legionäre. Das spricht dafür, dass die Römer dort nicht in der Lage waren, ihre Gefallenen und Verwundeten zu bergen. Diese Situation nennt man im Allgemeinen "Niederlage". Und Pontes longi war keine Niederlage der Römer. Allenfalls ein Patt, wenn man den Germanen schmeicheln will.
Ich denke auch, dass die jeweilige Situation von Bedeutung ist. Während einer Meuterei zählen Dienstvorschriften wenig.
Wie auch immer, die Kasse wurde gewöhnlich beim Aquilifer geführt.
Allerdings handelt es sich im Jahre 14 n.Chr. um eine besondere Situation der Meuterei und des Misstrauens. Es ist möglich, dass zahlreiche Legionäre ihr Geld bei sich führten.
Das halte ich für völlig überinterpretiert.
Man muss zwei Arten unterscheiden, wie Geld (Münzen) auf ein Schlachtfeld gelangen und dort verlorengehen kann:
1. Es handelt sich um Münzen, die einzelne Soldaten im Strumpf mitschleppen. Fällt der Soldat, verrotten Körper und Strümpfe und zurück bleiben die Münzen.
2. Es handelt sich um Münzen, die der Kommandeur in einer Truhe hortet. Und zwar genau in der Truhe, in die er greift, wenn für die Legionäre Zahltag ist oder wenn ein Stammeshäuptling bestochen werden will oder....
Diese beiden Arten von Geld unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt: Der einzelne Legionär kann mal eine Münze verlieren. Wenn er zum Beispiel besoffen durch das Lager stolpert, der Strumpf runterrutscht und eine Münze rausrutscht. Dass sowas passiert, ist unwahrscheinlich, denn zu allen Zeiten der Geschichte haben die Menschen sich bemüht, ihr Geld zu behalten. Deshalb gibt es ja nur so wenige Münzen, die bei archäologischen Ausgrabungen gefunden werden. Das Zeug war wertvoll. Darauf hat man aufgepasst. Dass "zufällig" einzelne Münzen aus der Kriegskasse des Heerführers verschwinden können, ist dagegen völlig unmöglich. Die einzige Art, wie solche Münzen zu einem archäologischen Fundstück werden konnten, ist: Die ganze Kriegskasse geht verloren und kann nicht geborgen werden.
So, nun zu Kalkriese und den beiden "Geldarten":
1. Wenn man behaupten will, dass es sich bei den Münzen, die bei Kalkriese gefunden wurden, um dem Besitz einzelner Soldaten handelte, dann muss man zwei Fragen beantworten. Erstens muss man erklären, warum kleine Soldaten so viele Goldmünzen besitzen sollten. Zweitens muss man erklären, warum sie diese Goldmünzen mitgeschleppt haben sollten. Denn, wie Du selbst sagst: Die Legionäre übergaben ihr Geld dem Aquilifer zur Verwaltung. Das haben sie aus zwei Gründen getan: Erstens besteht in einem Krieg immer das Risiko, dass man mit leichtem Gepäck flüchten muss. Dann verliert man all sein Geld. Muss doch nicht sein. Zweitens besteht in einem Krieg immer die Möglichkeit, dass man stirbt. Dann hat niemand mehr was vom Geld der Gefallenen. Die Legionäre bildeten aber eine verschworene Lebensgemeinschaft. Das Geld der Gefallenen konnte also den Kameraden "vererbt" werden - wenn es beim Aqulifer lag. Könnte es sich so erklären, dass Velleius vom Vorwurf berichtet, Asprenas habe "die Erbschaft" der mit Varus gefallenen Legionäre angetreten? Das hätte er nur tun können, wenn die Legionäre ihr Geld NICHT im Strumpf mitgetragen hätten. Ein glaubwürdiges Argument dafür, dass die Germanicus-Legionäre fürchten mussten, ihr Geld könne ihnen weggenommen werden, wenn es beim Aqulifer verbleibt, müsstest Du nochmal vortragen.
2. Wenn man behaupten will, dass die bei Kalkriese gefundenen Münzen aus der Kriegskasse eines Legionskommandanten stammten, dann muss man ebenfalls erklären, warum jener Kommandeur die Kriegskasse mitgeschleppt haben sollte. Während eines Feldzugs muss man keinen Sold auszahlen (schon gar nicht in Gold). Und irgendwelche Häuptlinge werden dann auch nicht mit Gold bestochen, sondern mit Stahl erstochen. GERMANICUS hat ganz sicher nicht seinen Goldschatz mit auf den Feldzug genommen. Schon die Tatsache, dass bei Kalkriese so viele Münzen mit hohem Nennwert gefunden wurden, ist ein Indiz dafür, dass die Römer, die dort gestorben sind, nicht auf einem Kriegszug waren/sein wollten. Selbst wenn man annimmt, dass es sich um das Varus-Gold handelte, gibt es bislang noch keine zufriedenstellende Erklärung, warum Varus das mitgeschleppt haben soll. Das ist hier an anderer Stelle schon breit diskutiert worden. Die Erklärungsversuche fand ich nicht zufriedenstellend. Aber gemäß diesen Argumenten ist es jedenfalls sehr, sehr viel wahrscheinlicher, dass Varus Gold mitgeschleppt hat, als dass Germanicus das getan hat. Bezüglich Varus kann man sich noch Gründe ausdenken, warum das sinnvoll gewesen sein könnte. Bezüglich Germanicus nicht.
MfG