Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Zweifel an Kalkriese bleiben nun mal leider bestehen, weil die Schlacht ja auf dem Gebiet der Cherusker gewesen sein soll.

Wo steht das noch mal genau?


Der Münzhorizont von Barenau enthielt sehr wohl auch jüngere Funde.
Nämlich?

Es ist nicht hinnehmbar, dass es solche bei Kalkriese nicht gegeben haben soll.
Warum ist das "nicht hinnehmbar"? Die Fakten halten sich nicht daran, was wir für hinnehmbar halten. Umgekehrt wird ein Schuh draus, wie haben die Fakten hinzunehmen.


Ich konnte mir noch nie vorstellen, dass der gottgleiche Augustus es geduldet hätte, dass ihm zu Lebzeiten ein schnödes VAR mitten in sein Konterfei (und nicht auf den Rand) geschlagen wurde.

Du glaubst also, dass der Haufen Legionäre, denen der Feldherr, der sein von den Kollegen heiß ersehntes Geldgeschenk verteilen möchte/muss, im Nacken sitzt, sich großartig die Mühe macht, mehrere tausend gegenzustempelnde Münzen auf das abgegriffene und kaum erkennbare Konterfei eines mehrere hundert km entfernten Greises zu untersuchen, nur um bloß nicht dessen Gesicht zu beschädigen? Eine seltsame Vorstellung... Das muss zügig gehen, die Kollegen und der Feldherr sind ungeduldig.

Tiberius war im Übrigen vor Varus Statthalter in Germanien...
 
Also ich verliere höchst selten mal eine Münze... Das muss schon ein seltsamer Zufall sein, wenn etwa 1600 Münzen an einem Ort verloren worden sind, davon mehr Goldmünzen als sonst an allen germanischen Fundplätzen zusammen...
jetzt muss ich ganz dumm fragen: sind diese 1600 Münzen, unter denen obendrein viele Goldmünzen waren, ausgerechnet dort verloren und von keinem Schlachtfeldfledderer gefunden worden? Allerlei Waffen/Metallsachen sollen ziemlich abgegrast worden sein, bevor die geblichenen Knochen 6 Jahre später beigesetzt wurden, und beim vorangegangenen "abgrasen" sind so viele Münzen übersehen worden?
 
Eine Münze ist schnell in den Matsch getreten und dann unsichtbar, manche der Münzen scheinen auch eilig vergraben worden zu sein, so jedenfalls werden manche Fundzusammenhänge interpretiert, vor allem am nordwestlichen Rand des Schlachtfeldes.
 
Was erklärbar ist, wenn am Oberesch nicht das Ende kam. Nach ein bis zwei Tagen hat sich das Gras wieder so weit aufgerichtet, dass es manches überdeckt, was die systematische Plünderung erschwert.
 
Es ist nicht normal, Geld einfach so zu verlieren, passiert aber, hat jeder schon mal---
Nicht die Mengen, die man in Kalkriese da gefunden hat, sondern die Einzelstücke sind interessant.
Beim Plündern versacken schon ne Menge im "Schlamm", aber beim Arbeiten werden denn auch schon einige verloren.
Und wenn da so reichlich Legionen arbeiten, ist nun mal mit Funden von ihnen zu rechnen. Außerdem fehlt zu den bestattenden Legionen irgendwie noch deren Lager, oder?
 
Ich finde jede Woche ein oder zwei Münzen beim Staubsaugen wieder. Wenn also die Hälfte der Römer ähnlich schlecht ihr Geld zusammen hielten, haben Germanicus Männer bei der Beerdigungsaktion, von sagen wir mal 2,5 Tagen, also in etwa 1/3 Woche (1,5*40.000)/3 verloren. Das sind 20.000 Münzen. Gut, ich bin da wahrscheinlich ein Sonderfall, aber da waren nun mal wirklich viele Römer. Wenn nur jeder 20. eine verloren hat, was ich als realistisch betrachten würde, sind es immer noch 4.000! Aber an dem konkreten Ort der Beerdigungsaktion waren es wohl eher viel weniger. Denn da fummelte ja keiner am Geldbeutel herum. Suchen müsste man beim Lager. Soweit mir bekannt ist, hat man in Zusammenhang mit römischen Lagern noch immer Münzen entdeckt. Selbst auf der Sparrenberger Egge!

Und die Münzen die bei Kalkriese gefunden wurden, deuten in ihrer geographischen Verteilung und auch in der Verteilung der verlorenen Münzwerte auf Verlust bei der Flucht hin.
 
Es ist nicht normal, Geld einfach so zu verlieren, passiert aber, hat jeder schon mal---
Nicht die Mengen, die man in Kalkriese da gefunden hat, sondern die Einzelstücke sind interessant.
Beim Plündern versacken schon ne Menge im "Schlamm", aber beim Arbeiten werden denn auch schon einige verloren.
Und wenn da so reichlich Legionen arbeiten, ist nun mal mit Funden von ihnen zu rechnen. Außerdem fehlt zu den bestattenden Legionen irgendwie noch deren Lager, oder?

Dass Marschlager im Umkreis von Kalkriese im Abstand von x km waren, ist anzunehmen. Seien es die der Varuslegionen oder die der späteren Feldzüge. Aber bisher ist noch keins gefunden worden.
 
Ach, ja 1.600 Münzen bei 20.000 Leuten an einem Tag wie in Kalkriese vermutet. Das Machte für einen 29,2 im Jahr. Für des Germanicus 80.000 ergäbe das an 2 Tagen: 12.800. Da noch wesentlich mehr Münzfunde zu vermuten sind, wird der zufällige Verlust ziemlich unwahrscheinlich, selbst wenn man von den 20.000 nach meinem Vorbild ausgeht. Somit muss man allein schon deshalb von einem außerordentlichen Ereignis ausgehen. Aber genau das ist ja, egal wie man es interpretiert, nachgewiesen.
 
Und ganz ehrlich, das läßt mich grübeln....
Keine bisher gefundenen Marschlager, keine germanischen Ausrüstungsgegenstände, keine zerbrochenen Spaten o.ä., wenn dann alles römisch ...

Auch den auf die Römer wartenden Germanen mußten Essen und verwendeten Geschirr. Wenn Kalkriese Teil der Varusschlacht ist, haben die beim Warten auch gegessen...
Und nun geht Kochgeschirr auch mal kaputt, Eßgeschirr auch. Nicht in Massen, aber auf sonem Mittelaltermarkt mit 1000 Darstellern so ~ 5-10 Teile.

Bei aller Mühe beim Aufräumen , so 10 Häringe, 3 Becher u.ä. bleiben immer, auch die Kochstellen sind zu finden. Und als die Römer kamen, hatten die Germanen keine Stunden Zeit, das /die Lager spurlos abzubrechen....
 
Und ganz ehrlich, das läßt mich grübeln....
Keine bisher gefundenen Marschlager, keine germanischen Ausrüstungsgegenstände,
vielleicht lassen nur Verlierer Federn, während Gewinner alles hübsch beisammen halten? (Spaß beiseite) hat man nur erstaunlich wenige oder gar keine als germanisch deutbare Funde in/um Kalkriese gemacht?
 
Denn da fummelte ja keiner am Geldbeutel herum.

Kurze Zwischenfrage, weil ich mir ueberlege, wie man Geld verlieren kann:
Wie/wo bewahrte der gemeine Legionær eigentlich sein Geld auf? Im Lederbeutel am Guertel befestigt, oder wie kann man sich das vorstellen? Hosentaschen passen wohl nicht in die Zeit...

Gruss, muheijo
 
El Q, es war der alte Strabo, der das Cheruskergebiet klar und eindeutig benannte.
In Barenau gab es neben 77 republikanischen, 60 cäsorischen 43 augustaischen auch 32 nachaugustaische, mit Antonius Pius beginnend, sowie Kupfermünzen u.a. aus dem Jahr 22. Eine ähnliche Zusammensetzung findet man auch bis zur Elbe in Mitteldeutschland.
Die Zer-Stempelung des Kopfbildes unterscheidet sich in ihrer psychologischen Wirkung nur wenig von der Zerstörung durch Messerstiche, geht man von einer damals gewünschten Funktion von Münzbildern aus. Gruß
 
Riorhamus, ja, du bist da offensichtlich ein Sonderfall... Vielleicht gehst du auch besonders nachlässig mit deinem Kleingeld um. Und hier liegt der Haken, du findest beim Staubsaugen Münzen. Die Analogie zum römischen Geld wären vom Wert her eher Scheine...

Kurze Zwischenfrage, weil ich mir ueberlege, wie man Geld verlieren kann:
Wie/wo bewahrte der gemeine Legionær eigentlich sein Geld auf? Im Lederbeutel am Guertel befestigt, oder wie kann man sich das vorstellen? Hosentaschen passen wohl nicht in die Zeit...
Die Römer hatten Lederbeutel mit einer engen Öffnung, diese kann man u.a. auf der Columna Traiana bestaunen. Wo sie ihr Geld aufbewahrten, ob in diesen Lederbeuteln noch mal gesondert verpackt oder näher am Körper wird wohl individuell verschieden sein.

El Q, es war der alte Strabo, der das Cheruskergebiet klar und eindeutig benannte.

Da unterschlägst du aber was (und das hatten wir bereits vor ca. zwei Wochen geklärt). Nämlich zum einen, dass Strabo ca. 21 - 25 Jahre in zwei Sätzen zusammenfasst (von der clades Lolliana bis zur clades Variana) und noch viel wichtiger, dass Strabon schreibt:
die Cherusker und ihre Untertanen/Verbündeten, in deren Land drei römische Legionen mit ihrem Feldherren Varus in einem Hinterhalt und unter Bruch des Vertrages vernichtet wurden​
Nun... Worauf bezieht sich nun "in deren Land"?
Die Cherusker? Dann müsste man den Satz so lesen: "...die Cherusker (und ihre Verbündeten), in deren Land..."
Die Verbündeten? Dann wäre der Satz so zu lesen: "...die Cherusker (und ihre Verbündeten, in deren Land...)

Oder auf beide? Das lässt sich nämlich tatsächlich am Text nicht entscheiden. Der Text lässt offen, welche der drei Varianten gemeint ist. Zudem stellt sich die Frage, wie gut sich Strabon mit den germanischen Verhältnissen tatsächlich auskannte. Dazu empfehle ich, den Herrn Geographen mal nach der Fließrichtung der germanischen Flüsse zu befragen. Da zeigt dich nämlich, dass er kein Kenner der hiesigen Geographie war und somit nicht nur uneindeutig schreibt sondern auch noch unzuverlässig ist.



In Barenau gab es neben 77 republikanischen, 60 cäsorischen 43 augustaischen auch 32 nachaugustaische, mit Antonius Pius beginnend, sowie Kupfermünzen u.a. aus dem Jahr 22.
Wo kann ich das nachlesen?


Die Zer-Stempelung des Kopfbildes unterscheidet sich in ihrer psychologischen Wirkung nur wenig von der Zerstörung durch Messerstiche, geht man von einer damals gewünschten Funktion von Münzbildern aus.

Ich stelle mir gerade bildlich vor, wie römische Legionäre vor einer gegenzustempelnden Münze stehen, hinter sich zwei geöffnete Kisten, die eine voller noch nicht gegengestempelter Münzen und die andere leer, für gegengestempelte Münzen bestimmt. Draußen tobt der Mob und sie diskutieren:

- Hey Quintus, meinst du, ich soll den Stempel dort ansetzen?
- Spinnst du?! Da triffst du ja die Nase unseres geliebten Princeps! Du hast deinen Namen echt verdient, Brutus.
- Na, dann setzt ich den Stempel eben dort an...
- Waaaaaas?! Um die Haarpracht des Imperators zu ruinieren?!
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Zuletzt bearbeitet:
El Quijote schrieb: "Du glaubst also, dass der Haufen Legionäre, denen der Feldherr, der sein von den Kollegen heiß ersehntes Geldgeschenk verteilen möchte/muss, im Nacken sitzt, sich großartig die Mühe macht, mehrere tausend gegenzustempelnde Münzen auf das abgegriffene und kaum erkennbare Konterfei eines mehrere hundert km entfernten Greises zu untersuchen, nur um bloß nicht dessen Gesicht zu beschädigen? Eine seltsame Vorstellung... Das muss zügig gehen, die Kollegen und der Feldherr sind ungeduldig."

Volle Zustimmung, besonders, wenn die meuternden Truppen in 14 den Feldherrn quasi als Geisel genommen hatten!
 
Riorhamus, ja, du bist da offensichtlich ein Sonderfall... Vielleicht gehst du auch besonders nachlässig mit deinem Kleingeld um. Und hier liegt der Haken, du findest beim Staubsaugen Münzen. Die Analogie zum römischen Geld wären vom Wert her eher Scheine...

Für die moderne Währungspolitik kann ich nun wirklich nichts. ;)

Aber auch 10, 20 oder 100€ Münzen sind in einem Lager oder der Natur nicht schnell gefunden. Und viel Zeit zum Suchen hat der Soldat meist nicht.
 
Womit wir wieder bei der Frage wären, ob es normal ist, physisch Geld zu verlieren...
Definiere "normal".

Wir sind ja einer Meinung: Der typische Legionär ging sicherlich sehr sorgsam um mit seinem Geld. Trotzdem ist nicht auszuschließen, daß es zu Verlusten kam. Andernfalls dürfte es in römischen Marschlagern keinerlei Münzfunde geben - bewußtes Deponieren von Horten o.ä. halte ich in Marschlagern für ausgesprochen unwahrscheinlich.

Die Frage ist also eigentlich nicht digital zu stellen, ob normal oder nicht normal. Vielmehr interessiert uns ganz analog, wieviele Münzen der Norm-Legionär typischerweise verliert im Zeitraum x. Wenn sich das beantworten ließe, eben z.B. aus dem Befund in einem nur für eine Nacht belegten Marschlager, hätten wir einen brauchbaren Erwartungswert für solche Verlustfunde in Situationen wie in Kalkriese.
 
Also, damals bei der Bundeswehr (once upon a time) ...
Es gab 5 und 2DM Stücke, und bei ~10 Soldaten, 4 Übungen a´3 Tagen waren das übers Jahr so grob 5 Verlustfälle ...
Hochgerechnet bei 12 000 Mann am Tag also in etwa 500 Münzen, wirklich nicht viel, aber bei der akribischen Suche der Archäologen eine nicht unerhebliche Menge
 
Hochgerechnet bei 12 000 Mann am Tag also in etwa 500 Münzen, wirklich nicht viel, aber bei der akribischen Suche der Archäologen eine nicht unerhebliche Menge

Vor allem wenn man bedenkt, dass die 12.000 Mann ja nicht nur einen Tag lang in Germanien unterwegs waren.
Nach Deiner Rechnung haben die im Lauf eines Jahres 182.500 Münzen verloren.
In den rund 500 Jahren, in denen römische Legionen an der Rheingrenze stationiert waren, müssten 12.000 Mann insgesamt über 90 Millionen Münzen verloren haben.

(Wenn wir das mal auf die Fläche von Nordhrein-Westfalen beziehen, müssten pro Quadratkilometer 2684 römische Münzen auf den Boden gekullert sein.)
 
Schöne Hochrechung. Das demonstriert wohl sehr schön, wie sinnig solche Berechnungen sind, wenn es eigentlich nur Unbekannte in der Gleichung gibt:

Wie viele Münzen verliert der normale römische Legionär am Tag?
Haben die Legionäre des Germanicus so viele Münzen verloren, wie der normale römische Legionär? Oder mehr? Oder weniger?
Wie viele Tage waren die Legionäre des Germanicus vor Ort?
Wie viele Münzen zum Verlieren hatten die Legionäre des Germanicus überhaupt dabei?
 
Wenn der Strabo allein nicht eindeutig ist, nehmen wir den Dio zu Hilfe: lockten ihn fern vom Rhein ins Land der Cherusker und zur der Weser. Keine Rede von anderen Stämmen.
Die Münzen werden genannt in der lesenswerten Schrift:"Die Varusschlacht, ihr Verlauf und ihr Schauplatz › Dritter Teil. Die Münzfunde von Barenau". Hier ging man sehr richtig von einer ursächlichen Trennung von frühen und späten Münzen aus, wobei man die ersteren aber vorsichtig "vor den Germanicuszügen" einordnet und die späteren auf Handelsbeziehungen zurückführte. Die gab es tatsächlich reichlich bis zur Elbe mit entsprechenden Verlusten, anscheinend nur nicht an der Handelsstraße in Kalkriese.
Die Gegenstempelungen dürften wohl kaum immer unter Stress ausgeführt worden sein.
Gruß
 
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