Kann das Thomasevangelium der erste christliche Text sein?

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Warum ist das (Abhängigkeit des EvTh vom Diatessaron) zeitlich kaum vorstellbar?
Das Diatessaron wird auf 175 n. Chr. datiert. Es musste kopiert und in Umlauf gebracht werden. Ein Autor musste es benutzt haben, um ein neues Werk (EvTh) auf dieser Grundlage zu erschaffen. Dieses völlig unbekannte und damit doch auch unbedeutende Werk musste sich bis nach Mittelägypten in eine Provinzstadt verbreiten und dort eines der meistgelesenen Texte werden. Verdammt wenig Zeit.
 
Das Diatessaron wird auf 175 n. Chr. datiert. Es musste kopiert und in Umlauf gebracht werden. Ein Autor musste es benutzt haben, um ein neues Werk (EvTh) auf dieser Grundlage zu erschaffen. Dieses völlig unbekannte und damit doch auch unbedeutende Werk musste sich bis nach Mittelägypten in eine Provinzstadt verbreiten und dort eines der meistgelesenen Texte werden. Verdammt wenig Zeit.

Wieso kommst du darauf, dass ein Text, der in Syrien die kanonischen Evangelien eine zeitlang sogar ersetzte, unbekannt/unbedeutend gewesen sei?
Wir reden hier über ein sehr aktive Zeit und einen sehr aktiven Raum. Wir wissen, dass die christlichen Gemeinden untereinander eifrig korrespondierten somit ist es nicht weiter verwunderlich, wenn das um 170 geschrieben Diatessaron (es war so unbedeutend, dass es noch im Mittelalter gebräuchlich war und sogar ins Althochdeutsche übersetzt wurde) dreißig Jahre später auch in den christlichen Gemeinden in Ägypten bekannt war, so dass das Thomasevangelium daraus schöpfen konnte.
 
Da der Barnabasbrief ca. 100 entstanden sein soll, stimmt Deine Datierung.

Er soll aber, z.B. nach Meinung von Ferdinand Prostmeier und Martin Hengel, 130-132 entstanden sein.

Vieles spricht also dafür, dass die Gnosis und das rechtgläubige Christentum gleichzeitig entstanden sind und zwar vor den Paulusbriefen.

Das Wort "rechtgläubig" ist für mein Empfinden zu wertend, so als sei der gemeinte Glaube faktisch "recht" (bzw. eine richtige Auslegung) in Bezug auf eine hypothetische Urlehre. "Orthodox" ist neutraler. Gemeint ist letztlich der Katholizismus des 2. Jahrhunderts.

Eine "gleichzeitige" Entstehung halte ich für unwahrscheinlich, da die diversen Christusvorstellungen in der Orthodoxie und der Gnosis sowie die theologischen Mythologien so stark voneinander abweichen bis hin zum absoluten Gegensatz (fleischgeworden vs. doketisch), dass ein gemeinsamer Ursprung dieser Vorstellungen kaum denkbar ist (was ja Voraussetzung für Gleichzeitigkeit wäre). Nach orthodox-katholischer Ansicht hat sich die Gnosis aus der Orthodoxie entwickelt wie eine ins Phantastische ausufernde Wucherung. Die antithetische Position ist, dass umgekehrt die Orthodoxie aus gnostischen Ideen entstand, indem sie die - in der Gnosis übernatürlich konzipierte - Jesusgestalt vermenschlichte und historisierte und deren Lehre stark vereinfachte, vor allem unter dem Aspekt der Transformation des genuinen Ideals der Gnosis (unmittelbare Erkenntnis, d.h Wissen) in das orthodoxe (katholische) Ideal des "Glaubens". In der gnostischen Typologie entsprachen diese Gläubigen den "Psychikern", die abgegrenzt wurden von den Hylikern (Materialisten) und den Pneumatikern (eben jene unmittelbar Wissenden, zu denen die Gnostiker sich selbst rechneten).

Da die Quellenlage für das 1. Jahrhundert sowohl, was die Gnosis, als auch, was den Katholizismus betrifft, praktisch zero ist, kann man über die Chronologie nur spekulieren - das aber mit Argumenten.

Was das EvThom betrifft, ist dessen "gnostischer" Charakter in einem wesentlichen Punkt anzweifelbar, festzumachen an Logion 114:

Simon Petrus sagte zu ihnen: "Mariham soll von uns gehen. Denn die Frauen sind des Lebens nicht würdig!" Jesus sagte: "Siehe, ich werde sie ziehen, damit ich sie männlich mache, damit auch sie zu einem lebendigen Geist werden, der euch Männern gleicht. Denn jede Frau, wenn sie sich männlich machen wird, wird in das Königreich der Himmel eingehen."

Ich will nicht behaupten, dass die Gnosis eine theologische Gleichstellung der Geschlechter zur Gänze realisiert habe, aber sooo misogyn war sie nun wirklich nicht.

Weibliche Gottheiten (gnostisch: Äonen), vor allem Barbelo, mit welcher das männliche "Ur-Eine" die anderen Götter zeugt (darunter auch den himmlischen Christus), spielen entscheidende Rollen in der gnostischen Mythologie. Damit harmoniert obiges Logion überhaupt nicht. Ich weise auch auf Markellina hin, eine wichtige gnostische Lehrerin um die Mitte des 2. Jh., und auf das "Evangelium der Maria", in welchem Maria Magdalena eine bedeutendere religiöse Rolle zukommt als den männlichen Jüngern.

Wie also schätzt du dieses Logion ein?

Zu den Paulusbriefen: Sie treten erst ab etwa 140 nachweisbar in die Geschichte ein.
 
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Das Wort "rechtgläubig" ist für mein Empfinden zu wertend, so als sei der gemeinte Glaube faktisch "recht" (bzw. eine richtige Auslegung) in Bezug auf eine hypothetische Urlehre. "Orthodox" ist neutraler. Gemeint ist letztlich der Katholizismus des 2. Jahrhunderts.

Da orthodox nichts anderes ist als das griechische Wort für 'rechtgläubig' (gegenüber katholisch 'allumfassend') ist damit niemandem geholfen, zumal man heute unter orthodox die Ostkirchen, sofern sie sich nicht mit Rom uniert haben, versteht.
 
Was das EvThom betrifft, ist dessen "gnostischer" Charakter in einem wesentlichen Punkt anzweifelbar, festzumachen an Logion 114:

Simon Petrus sagte zu ihnen: "Mariham soll von uns gehen. Denn die Frauen sind des Lebens nicht würdig!" Jesus sagte: "Siehe, ich werde sie ziehen, damit ich sie männlich mache, damit auch sie zu einem lebendigen Geist werden, der euch Männern gleicht. Denn jede Frau, wenn sie sich männlich machen wird, wird in das Königreich der Himmel eingehen."
eine prekäre Textstelle!
(Spaßvögel könnten eine berühmte Verkleidungsszene in "Life od Brian" darauf zurückführen :D)
interessant hierzu S.13-14 in http://www.kath-akademie-bayern.de/...ungen/zur_debatte/pdf/2006/2006_07_klauck.pdf
 
Auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt nerve:

Werter Judas Phatre, welche Intention verfolgst Du mit Deiner Hypothese? Ich verstehe noch nicht so ganz den Sinn dahinter für Diskussionen in einem reinen Geschichtsforum. Die Kirchengeschichte ist Fakt und lässt sich auch durch die mögliche Feststellung, Texte, die die Gemeinschaftsbildung (und spätere Kirchenbildung) nicht zum Inhalt haben, seien die ersten christlichen Texte und beinhalteten daher die Wahrheit, nicht ungeschehen machen. Sinn können doch in dem Zusammenhang nur Diskussionen über die Lehre machen, die dann aber mE in den theologischen Bereich gehörten.

(nicht ganz ernst gemeint: Oder denkst Du, wir Öllekes hier an unseren Tastaturen sollten mit Hilfe des Thomasevangeliums die Kirche abschaffen?)
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Wort "rechtgläubig" ist für mein Empfinden zu wertend, so als sei der gemeinte Glaube faktisch "recht" (bzw. eine richtige Auslegung) in Bezug auf eine hypothetische Urlehre. "Orthodox" ist neutraler. Gemeint ist letztlich der Katholizismus des 2. Jahrhunderts.
Ich hatte mich im Deinem thread schon darüber geäußert (für dessen Sperrung ich leider mitverantwortlich war und was mir leid tut).

Eine "gleichzeitige" Entstehung halte ich für unwahrscheinlich, da die diversen Christusvorstellungen in der Orthodoxie und der Gnosis sowie die theologischen Mythologien so stark voneinander abweichen bis hin zum absoluten Gegensatz
Es gab auch viele Gemeinsamkeiten, doch ich möchte nicht zu tief in theologische oder inhaltliche Belange einsteigen. Der wichtigste gemeinsame Aspekt war wohl der soziale Zusammenhalt.
Mein Modell sieht vor, dass die Lehre gewissermaßen zwischen Christentum und Gnosis lag und weit mehr als nur diese Gegensätze vereint. Aber ich verweise auf die Lektüre des Thomasevangeliums. Viele Dinge sind auch aus den gängigen kommentierten Übersetzungen ersichtlich.

Da die Quellenlage für das 1. Jahrhundert sowohl, was die Gnosis, als auch, was den Katholizismus betrifft
Das ist stark übertrieben. Wie gesagt liegen uns die Korintherbriefe vor und auch aus späterer rückblickender Sicht wird Simon Magus als Ursprung der Gnosis gesehen. Da ich hinter der Erfindung dieser Figur durch ihre Gegner kein Motiv erkennen kann, halte ich sie für historisch. Noch der erste Clemensbrief richtet sich an dieselbe Gemeinde in Korinth und versucht dort "römische Verhältnisse" herzustellen. Die anderen kanonischen Briefe richten sich gegen Gnostiker. Selbst außerkirchliche Quellen passen sich ein.

Was das EvThom betrifft, ist dessen "gnostischer" Charakter in einem wesentlichen Punkt anzweifelbar, festzumachen an Logion 114
Ich werde keine inhaltlichen oder philosophischen Diskussionen ohne klaren geschichtlichen Bezug führen. Ich kann nur so viel sagen: Innerhalb meines Modells kann ich eine in sich schlüssige Erklärung anbieten.

Zu den Paulusbriefen: Sie treten erst ab etwa 140 nachweisbar in die Geschichte ein.
Das verstehe ich nicht, Du müsstest mir das genauer auseinandersetzen.
 
Wieso kommst du darauf, dass ein Text, der in Syrien die kanonischen Evangelien eine zeitlang sogar ersetzte, unbekannt/unbedeutend gewesen sei?
Wieder ein Missverständnis. Nicht das Diatessaron, sondern das Thomasevangelium wird doch wohl nach seiner Entstehung als unbedeutend einzuordnen gewesen sein, wenn es erst als Antwort auf Tatians Werk entstanden ist. Mit der Verbreitung im provinziellen Ägypten bezog ich mich auf die 3 griechischen Kopien des EvTh.
 
Werter Judas Phatre, welche Intention verfolgst Du mit Deiner Hypothese? Ich verstehe noch nicht so ganz den Sinn dahinter für Diskussionen in einem reinen Geschichtsforum. Die Kirchengeschichte ist Fakt.
Wissenschaft und Dogmendenken sind inkompatibel. Ansonsten:
"[FONT=&quot]If these conclusions are accepted, then the Gospel of Thomas can take a place in scholarship and in Christian self-understanding which it is now denied. I am less concerned that any specific conclusions I draw about the meaning of Thomas be accepted than that the text be accorded a place in the mid-first Century, for only then will the question of the meaning of Thomas for Christian history be re-opened."
(Davies, The Gospel of Thomas and Christian Wisdom, 1983, S.3)[/FONT]
 
Wissenschaft und Dogmendenken sind inkompatibel. Ansonsten:
"[FONT=&quot]If these conclusions are accepted, then the Gospel of Thomas can take a place in scholarship and in Christian self-understanding which it is now denied. I am less concerned that any specific conclusions I draw about the meaning of Thomas be accepted than that the text be accorded a place in the mid-first Century, for only then will the question of the meaning of Thomas for Christian history be re-opened."
(Davies, The Gospel of Thomas and Christian Wisdom, 1983, S.3)[/FONT]
Auch wenn jetzt die englische Sprache bemüht wird, wird das Sujet aus meiner Sicht deshalb nicht passender für ein reines Geschichtsforum, zumal der Text mit einem IF-CLAUSE beginnt.

Wenn ich an Weihnachten Ostereier an den Baum hängen sollte, haben wir deswegen auch noch lange nicht Ostern.

Bemühen wir doch lieber die englischen Chöre, denn die englische Sprache, und bitten sie ein helles "Jauchzet, frohlocket" anzustimmen::chor:
Und mit den besten Wünschen für das bevorstehende Weihnachtsfest verabschiede ich mich aus diesem Thread.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hatte mich im Deinem thread schon darüber geäußert (für dessen Sperrung ich leider mitverantwortlich war und was mir leid tut).

Null problemo. Hier haben der oder die Betreiber das Hausrecht, also gelten deren Spielregeln. Ich halte die Grenzen für zu eng gezogen, weil der innere Zusammenhang zwischen Theologie und Geschichte von den Machern nicht oder zu wenig erkannt und gewürdigt wird. Beide Ebenen bedingen sich - in den Jahrhunderten, die wir hier behandeln - wechselseitig, man kann das eine nicht vom anderen isolieren und sagen, Theologie hat mit Geschichte nichts zu tun. Zudem ist es sehr einseitig, über die historische Entwicklung einer Religion zu räsonnieren, ohne zugleich auf deren Inhalte einzugehen. Das sollte gerade aus meinen beiden Eröffnungsbeträgen des "Ausbreitungs"-Thread klargeworden sein.

Aber egal.

Es gab auch viele Gemeinsamkeiten, doch ich möchte nicht zu tief in theologische oder inhaltliche Belange einsteigen. Der wichtigste gemeinsame Aspekt war wohl der soziale Zusammenhalt.

Vielleicht platziere ich demnächst einen Thread über die Entstehungsgeschichte der Gnosis, dort können wir das (hoffentlich) genauer besprechen.

Zu meiner Behauptung der Zero-Quellensituation im 1. Jh.:
Das ist stark übertrieben. Wie gesagt liegen uns die Korintherbriefe vor und auch aus späterer rückblickender Sicht wird Simon Magus als Ursprung der Gnosis gesehen. Da ich hinter der Erfindung dieser Figur durch ihre Gegner kein Motiv erkennen kann, halte ich sie für historisch.

Mit "Quellenlage" meine ich zeitgenössische Quellen, in diesem Fall also Quellen aus dem 1. Jh. Die über Simon Magus berichtenden Quellen stammen aus dem 2. Jh. und sind zudem keine gnostischen, sondern christliche Texte, davon sind die Pseudoklementinen der vermeintlich früheste (Anfang 1. Jh.?), wobei diese Datierung aber unsicher ist. Auch ist nicht gewährleistet, dass sich alle Magus-bezogenen Quellen wirklich auf die selbe Person beziehen, da die Beschreibungen z.T. sehr unterschiedlich ausfallen. Ich möchte einen historischen Kern dieser Figur aber nicht bestreiten.

Die Korintherbriefe sind zwar angeblich im 1. Jh. entstanden, was aber historisch durch unabhängige Quellen nicht gesichert ist. Dazu auch folgendes:

Ich schrieb: "(Die Paulusbriefe) treten erst ab etwa 140 nachweisbar in die Geschichte ein":

Das verstehe ich nicht, Du müsstest mir das genauer auseinandersetzen.

Der Gnostiker Marcion hat kurz vor 140 die ersten historisch bekannten Briefe eines Paulus herausgegeben (innerhalb des "Apostolikon"), und zwar 10 an der Zahl: Gal, 1. und 2. Kor, Röm, 1. und 2. Thess, Eph, Kol, Philipper und Philemon. Die Tim-Briefe und der an Titus waren nicht dabei. Die herausgegebenen Briefe hatten z.T. eine andere Gestalt als die später von der katholischen Kirche überlieferten. Das "Apostolikon" umfasste etwa 2/3 des Lukasevangeliums und jene 10 Briefe. Auch dieses LukEv tritt mit Marcion erstmals ins Licht der Geschichte.
 
Ich komme noch einmal auf Sepiolas Scherz zurück:
Das ist einfach: Weil das Thomas-Evangelium das wahre Evangelium war, war es überaus weit verbreitet.
Und weil es so weit verbreitet war, musste es gut getarnt werden, damit man das nicht bemerkt.
Darum taucht es nur unter allerlei Decknamen wie "Hebräerevangelium" oder "Matthäusevangelium" auf.
Wahrscheinlich hast Du es für einen Witz gehalten...
Natürlich ist das die einzige mögliche Erklärung. Was es so lustig erscheinen lässt, ist die scheinbare Überlieferungslücke für das Thomasevangelium, die auch nur partiell aufgefüllt wird, wenn man das Ägypter- und das Hebräerevangelium als verdeckte Zitate und einige Äußerungen der Kirchenväter ab Clemens von Rom hinzunimmt.
Wie ich aber bereits erwähnt habe, beziehen sich viele kanonische Briefe und auch das Lukasevangelium auf "Irrlehren", die offensichtlich gnostisch und spätestens zur Zeit Paulus' aktiv waren.
Wenn man das akzeptiert, dann klafft sowieso eine lange Überlieferungslücke. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass fast alles, was wir an gnostischen Texten besitzen, archäologische Funde aus Ägypten sind, dann bliebe uns ohne diese Zeugnisse nur die Erwähnung bei den Kirchenvätern als Referenz.
Das zeigt mit welcher Energie andere Meinungen durch die rechtgläubige Kirche ausgemerzt wurden. Gute Beispiele dafür sind auch das gefälschte Testimonium flavianum, der Verlust der Papias-Exegese und die spätere Behauptung, das Thomasevangelium wäre eigentlich nur das Erzeugnis eines Mani-Schülers (Kyrill v. Jerusalem, Katechese 6,31, ca. 348 n.Chr.).
Man sieht also mit wievel Lüge und Betrug in diesem Bereich gearbeitet wurde. Allein schon die Vielzahl der "Pseudoepigraphien" von rechtgläubiger, aber auch von gnostischer Seite runden das Bild ab.
Wenn man sich dieser Situation klar wird, dann ist mein Modell gar nicht mehr so absurd, wie es einem unbedarften Beobachter:
Hulda schrieb:
Die Kirchengeschichte ist Fakt und lässt sich auch durch die mögliche Feststellung, Texte, die die Gemeinschaftsbildung (und spätere Kirchenbildung) nicht zum Inhalt haben, seien die ersten christlichen Texte und beinhalteten daher die Wahrheit, nicht ungeschehen machen.
erscheinen mag.
Betrügern muss man mit kriminalistischen Methoden beikommen, die allermeisten Wissenschaftler setzten aber eine "friedliche" Tradition voraus. Dafür fehlt jeder Grund.
 
Der Gnostiker Marcion hat kurz vor 140 die ersten historisch bekannten Briefe eines Paulus herausgegeben (innerhalb des "Apostolikon"), und zwar 10 an der Zahl: Gal, 1. und 2. Kor, Röm, 1. und 2. Thess, Eph, Kol, Philipper und Philemon. Die Tim-Briefe und der an Titus waren nicht dabei. Die herausgegebenen Briefe hatten z.T. eine andere Gestalt als die später von der katholischen Kirche überlieferten. Das "Apostolikon" umfasste etwa 2/3 des Lukasevangeliums und jene 10 Briefe. Auch dieses LukEv tritt mit Marcion erstmals ins Licht der Geschichte.
Ich glaube, das verkompliziert die Situation unnötig. Paulus ist ganz offensichtlich nicht von den Synoptikern abhängig, während diese zumindest eine deutliche Abhängigkeit von Paulus' Theologie zeigen. Die konventionelle Datierung erscheint mir kaum angreifbar. Die frühesten Textzeugnisse stammen insgesamt erst aus dem 2. Jhdt. Die Tatsache, dass bei den Briefen redigiert wurde, würde ich nicht bestreiten, aber das Abfassungsdatum lässt sich so kaum in Zweifel ziehen.
 
ein.


Ich werde keine inhaltlichen oder philosophischen Diskussionen ohne klaren geschichtlichen Bezug führen. Ich kann nur so viel sagen: Innerhalb meines Modells kann ich eine in sich schlüssige Erklärung anbieten.


Das verstehe ich nicht, Du müsstest mir das genauer auseinandersetzen.


Mit dem "Modell" Pipi Langstrumpf Rollgardina Schokominza ("Ich-mach-mir- die Welt- wie- sie-mir-gefällt) ist das aber nun wirklich keine Kunst. Was zum "Modell St Spekulatius" passt, wird adaptiert, was nicht passt, wird passend gemacht, notfalls auch durch entstellen von Zitaten.

Genaues weiß man sowieso nicht, und das was man weiß, ist von "der Kirche" gefälscht. Ein Brett vorm Kopf haben nur die anderen, während man sich selbst im Besitz der "absoluten Wahrheit" jedenfalls der Kenntnis der "wahren Worte" Jesu glaubt.

Was da an sophistischen Taschenspielertricks" zum Besten gegeben und aus dem Hut gezaubert wird, hat zweifellos großen Unterhaltungswert, ist aber inhaltlich reichlich abenteuerlich.
Was ist eigentlich mit den verheißenen "Indizien" für kannibalistische Praktiken im frühen Christentum geworden?

Ich hoffte auf Rezepte a la Appicius: "man nehme einen Säugling, schön fett, garniere ihn mit tscherkassischen Badesklavinnen- schön heißgetanzt und garniere ihn mit Garum und Brunnekresse....":rofl:
 
Ich glaube, das verkompliziert die Situation unnötig. Paulus ist ganz offensichtlich nicht von den Synoptikern abhängig, während diese zumindest eine deutliche Abhängigkeit von Paulus' Theologie zeigen. Die konventionelle Datierung erscheint mir kaum angreifbar. Die frühesten Textzeugnisse stammen insgesamt erst aus dem 2. Jhdt. Die Tatsache, dass bei den Briefen redigiert wurde, würde ich nicht bestreiten, aber das Abfassungsdatum lässt sich so kaum in Zweifel ziehen.

Paulus ist theologiegeschichtlich eine bekanntermaßen sehr umstrittene Figur. Vieles spricht dafür, dass die unzweifelhaft gnostischen Elemente und Formulierungen in seinen Briefen (bzw. den ihm zugeschriebenen, aber auch den mit breitem Konsens als unecht eingestuften) eine Entwicklungsstufe des gnostischen Denkens reflektieren, die im 1. Jh. vermutlich noch gar nicht erreicht war.

Manche Religionswissenschaftler halten Paulus für den ursprünglichen Inspirator gnostischer Ideen, z.B. Prof. Elaine Pagels von der Princeton University in ihrem Buch "The Gnostic Paul" von 1975. Allerdings wird in den Briefen gegen die Gnosis argumentiert. Das weist auf die Möglichkeit unterschiedlicher Textebenen hin, von denen eine pro-gnostisch und die andere anti-gnostisch ist, wobei letztere Ebene die spätere sein könnte, hinzugefügt durch katholische Redaktoren.

Das aber nur am Rande, mehr dazu im geplanten Gnosis-Thread. Dass Paulus den ´historischen´ Jesus fast gar nicht im Blick hat (außer seine Kreuzigung) und auch gar kein Interesse an ihm zeigt, ist bekannt.

Zu diesen Thema auch:

http://www.geschichtsforum.de/f30/datierung-der-evangelien-44521/
 
Genaues weiß man sowieso nicht, und das was man weiß, ist von "der Kirche" gefälscht. Ein Brett vorm Kopf haben nur die anderen, während man sich selbst im Besitz der "absoluten Wahrheit" jedenfalls der Kenntnis der "wahren Worte" Jesu glaubt.
:D:D
Was da an sophistischen Taschenspielertricks" zum Besten gegeben und aus dem Hut gezaubert wird, hat zweifellos großen Unterhaltungswert, ist aber inhaltlich reichlich abenteuerlich.
ich fürchte, hier irrst du: das ist nicht mehr abenteuerlich, sondern (festhalten!) mittlerweile "kriminalistisch", so a la Sherlock Holmes kombiniert die wahren Jesusworte:
Betrügern muss man mit kriminalistischen Methoden beikommen, die allermeisten Wissenschaftler setzten aber eine "friedliche" Tradition voraus. Dafür fehlt jeder Grund.

Was ist eigentlich mit den verheißenen "Indizien" für kannibalistische Praktiken im frühen Christentum geworden?

Ich hoffte auf Rezepte a la Appicius: "man nehme einen Säugling, schön fett, garniere ihn mit tscherkassischen Badesklavinnen- schön heißgetanzt und garniere ihn mit Garum und Brunnekresse....":rofl:
:rofl::rofl::rofl:
 
Mit dem "Modell" Pipi Langstrumpf Rollgardina Schokominza ("Ich-mach-mir- die Welt- wie- sie-mir-gefällt) ist das aber nun wirklich keine Kunst. Was zum "Modell St Spekulatius" passt, wird adaptiert, was nicht passt, wird passend gemacht, notfalls auch durch entstellen von Zitaten.
Wenn das alles so hanebüchen ist, dann liefer doch einfach ein Argument, statt Dein Kinderbuchregal nach Zitaten durchzuschauen. Ich habe die Grundzüge meines Modells dargelegt und es kann einem erwachsenen Menschen doch nicht schwer fallen ein einziges Factum aufzuführen, dass das Pipi-Langstrumpf-Konstrukt in sich zusammenbrechen lässt.
 
Das aber nur am Rande, mehr dazu im geplanten Gnosis-Thread. Dass Paulus den ´historischen´ Jesus fast gar nicht im Blick hat (außer seine Kreuzigung) und auch gar kein Interesse an ihm zeigt, ist bekannt.
Ich gebe zu, dass man im frühen Christentum an vielen Schrauben drehen kann, aber es muss doch einen guten Grund dafür geben, die Evangelien oder die Paulusbriefe aus dem klassischen Modell zu lösen. Welche Vorstellung steht dahinter? Was kannst Du besser auf diese Weise erklären?
Die Tatsache, dass Paulus Jesus nur einmal zitiert ([FONT=&quot]1 Kor 11:24–25) [/FONT]deutet auf einen Konflikt zu seiner eigenen Theologie hin und passt gut zu meiner Theorie, wie bereits dargelegt. Übrigens ist das eine uralte Erkenntnis. Ich meinerseits brauche nur das Thomasevangelium auf einen Zeitpunkt zu setzen, den ihm mehrere Wissenschaftler wie S. Davies oder H. Koester schon vor langer Zeit zuerkannt haben. (Von A. Lindgren ist mir allerdings nichts bekannt).
Einen neuen thread, der im Grunde das Hauptthema dieses threads übernimmt empfinde ich zur Zeit noch als überflüssig.

Vielleicht sollte ich beginnen, die Rätsel anzusprechen, die mein Modell zu lösen hilft:
1. Warum zitiert Paulus Jesus nicht?
Die Botschaft des Thomasevangeliums steht der Stoa nahe. Auf diese Philosophie gründet sich die Gnosis. Erkenntnis ist der Weg zur "Erlösung", "Gott" hat keinen menschlichen Willen, er ist die Natur.
Damit konnte Paulus nichts anfangen, sondern hat die berühmte Märtyrergestalt des Jesus von Nazareth benutzt, um das rechtgläubige Christentum zu gründen, eigentlich eine Fortsetzung des Judentums. Er übernahm aber einzelne Aspekte wie die Aufhebung der Speisegebote und die (teilweise) Abschaffung Beschneidung. Das Wichtigste aber war die Übernahme der stoischen Ethik und das Sozialmodell.

Vielleicht könnten die "Kritiker" meines Modells eine bessere Erklärung liefern?
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn das alles so hanebüchen ist, dann liefer doch einfach ein Argument, statt Dein Kinderbuchregal nach Zitaten durchzuschauen. Ich habe die Grundzüge meines Modells dargelegt und es kann einem erwachsenen Menschen doch nicht schwer fallen ein einziges Factum aufzuführen, dass das Pipi-Langstrumpf-Konstrukt in sich zusammenbrechen lässt.

Du hast mehrmals behauptet es gäbe Indizien, dass einige frühchristliche Gemeinden tatsächlich Ritualmorde begangen, dem Kannibalismus gefrönt und Artgenossen verspeist haben. Fakten, schriftliche Quellen, Inschriften oder archäologische Überreste die diese Behauptungen belegen können oder sie zumindest für möglich erscheinen lassen, kannst du jedenfalls nicht vorlegen. Aus der Tatsache, dass es Ritualmordvorwürfe gegen Christen gab, die du anscheinend für glaubwürdig hältst, lässt sich nicht ableiten, dass wohl schon etwas drangewesen sein muss.
 
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