Karl VI. Reanimierung des Kaisertums oder Totengräber desselben?

Da bin ich ganz deiner Meinung Dieter! Die Kaiserwürde gehörte (von den realpolitischen Auswirkungen die hier diskutierenderweise bejaht oder verneint werden mal abgesehen) zum Selbstverständnis des Erzhauses einfach dazu! Man kanns durchaus "neudeutsch" als Image-Pflege bezeichnen. Dies merkt man sehr gut an Maria Theresia die ja als ersten Titel immer "Augusta et Imperatrix" führte obwohl der Kaiser ja ihr Mann Franz Stephan war. (Friedrich II nannte Maria Theresia grundsätzlich nur Königin von Ungarn und Böhmen um sie zu ärgern). Eine ähnliche Sprach spricht ein Fresko in der kleinen Galerie zu Schönbrunn das unmittelbar nach der Krönung Franz Stephans entstand, die "Apotheose des Hauses Habsburg-Lothringen". Ein alter Mann (das Reich) krönt mit der Reichskrone (nicht der Rudolfskrone!) eine blühende junge Frau (die neue Dynastie Habsburg-Lothringen) und das gesamte allegorische Personal rundherum freut sich und feiert.

Image ist alles....
 
Indirekt hat man dadurch sogar seinen Feinden Angriffsfläche gegeben (Schlagwort: Undeutsche Politik Österreichs, eine der Lieblingstheorien preuß. Geschichtsschreibung).
Obwohl die preußische Geschichtstheorie für die damaligen Ereignisse (zum Glück ;) ) noch keine Rolle spielte, stimmt es schon, dass Österreich den Argumentationen für eine Polemik, die Österreichs Politik als gegen das Reich gerichtet, kennzeichnete, einige Mittel in die Hand gab. Das Bündnis mit Frankreich, von Friedrich II. propagandistisch ergiebig ausgenutzt, gehört für mich aber schon allzu sehr in die Zeit nach Karl VI..

"
1.
@Personalressourcen aus dem Reich: Natürlich entstammten viele wirtschaftliche, militärische, künstlerische Persönlichkeiten am Wiener Hof den von dir genannten Reichsstände, aber genausoviele kamen entweder aus den ohnehin habsburgischen Landen (Vorderösterreich, Niederlande) oder aus Italien bzw. Lothringen (vor allem ab nach 1737, welch Überraschung) bzw. von sonst wo her (Lacy aus Irland, Sylva-Tarouca aus Portugal).
2.
@Verankerung im Westen
Diese war ohnehin durch die Österreichische Niederlande, den Streubesitz im Südwesten und natürlich die italienischen Besitzungen gegeben.
3.
Nur ist´s wie gesagt sehr schwierig zu sagen was wäre gewesen wenn Habsburg nicht mehr die Kaiserkrone getragen hätte. Die paar Jahre Karl VII reichten ja nicht aus um ein Modell eines Reichs ohne Habsburg zu bieten.
1.
Da aber die Personalressourcen genutzt wurden, wurden diese Abkömmlinge samt ihrem Hause (Geschlecht/Familie) näher an das Kaiserhaus gebunden. Das sehe ich schon als eklatant wichtig an, vielleicht als wichtiger als die Heiratspolitik, die oftmals genau ins Gegenteil umschlug (Die Beispiele anhand von der Gemahlin FW I. zum Bsp. führte ich anderswo schon an, woraus ein Konflikt mit England fast resultierte!) Damit konnte ein Gegengewicht zu den natürlichen Einflüssen der führenden Mächte innerhalb ihrer Kreise wie Sachsen, Bayern und Preußen geliefert werden und wie ausgeführt, sogar eine gewisse Übermacht.
2.
Dass die Niederlande an Österreich gehalten werden konnten hängt vielleicht auch an der Kaiserwürde. Außerdem waren die Österreicher starke Kaiser mit großer Hausmacht, welche die Sicherung des Reiches betrieben und zumindest einigermaßen die Instrumentalien des Reiches auszunutzen verstanden. Die Kaiserwürde in Händen eines Pfälzers? Wie hätte er mit zu vernachlässigender eigener militärischer Macht, die Reichstruppen mit eigenen Verbänden koordiniert und erfolgreich einsetzen können? Die Begehrlichkeiten Frankreichs Richtung Osten aufhalten - zumindest eindämmen? Man sollte sich, wenn man einen Gedankengang wie den Unnutz der Kaiserkrone oder gar eine Schädlichkeit für das Haus Österreich verfolgt, auch die anderen Optionen und anderen Geschlechter im Reiche prüfen, die dafür in Frage gekommen wären. Vielleicht das auch noch unter der Berücksichtigung, dass die Kaiserwürde eine katholische war.
Sonst ist Karls wankelnde Politik nicht verständlich. Joinville geht da schon gedanklich in die richtige Richtung, meiner Meinung nach.
3. siehe zum Teil 2.
Reichssicherung und Kaiser bzw. Hausmacht dessen sind kaum voneinander zu trennen.

Aber gute Fragezeichen, Rovere. Die Theoretiker gegen meine Thesen werden damit natürlich weiterhin Gehör erhalten.:D :fs:
 
. Dabei muss man sich frei machen von dem Gedanken, dass Staaten aus Gründen der Güte etwa für andere tun, wie das Andreas oben anklingen lässt. Anscheinend war den Habsburgern das Reich trotz seines Niedergangs immer noch soviel wert, dass sie auf eine Kaiserkrone nicht verzichten mochten.
Seckendorf in "Teutscher Fürstenstaat" 1656 sagte immer noch, dass das HRR
"den Ehrenvorzug vor allen und jeden Staaten in ganz Europa"
habe.
Dieser monströser (die Begrifflichkeit wird auch von Historikern verwendet) Körper des HRR hatte eben noch Gewicht trotz der Lähmung der Handlungsfähigkeit nicht nur auf militärischer und verwaltungstechnischer sowie juristischer Sicht (mit der Herauslösung von Teilen des Reiches war scheinbar allein juristisch das Reich überfordert). Denn trotz alledem wurde eine unglaubliche Vielzahl von Interessen und ein großes strategisch imposantes Potential, so abstrakt es klingen mag, in Form der Reiches gebündelt. Die jahrzehntelange Suche nach Identität nach Ende des Reiches, zeigt für mich, wieviel es doch im Prinzip noch ausmachte - in Europa.

Ohne diese Überlegungen sind wohl viele Handlungen Karl VI. gänzlich unverständlich, was das Debüt seiner Herrschaft als auch was seine Ahnungen betreffend der Nachkommen anbelangt.
Karl sah das Kräftevakuum, das mit dem Verlust der Kaiserwürde einher ging, kommen. Er erkannte (oder zumindest Eugen tat es), dass kein Haus wie das Haus Österreich über die Mittel verfügte, die Instrumente des Kaisers auszunutzen, denn darin liegt ja das eigentliche Scheitern Karl VII. für mich begründet.
Vielleicht war Karl VI. eben doch verantwortungsbewusst hinsichtlich der Zukunft und über die Interessen seines Hauses hinaus, selbst wenn er die Meinung Prinz Eugens in einem entscheidenden Falle ignorierte.
 
Nur die Machtbasis der Habsburger war ausreichend, die zentrifugalen Kräfte des Reichs einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Das zeigte sich sehr deutlich, als die Wittelsbacher mit Karl VII. Albrecht von 1742-1745 den Kaiser stellten. Ihre Machtbasis war einfach zu schmal, um den Anforderungen als Reichsoberhaupt zu genügen, was sich auf viele Faktoren bezieht: Heer, Ländermasse, Verwaltung, Institutionen, Ansehen und nicht zuletzt die fianziellen Ressourcen.

Die Frage dieses Threads scheint damit im Wesentlichen beantwortet zu sein: Toten gräber des Reichs war Karl VI. gewiss nicht und für eine echte "Reanimierung" des Reichs war die Zeit längst verstrichen.
 
Hab mir da mal ein paar Beiträge durchgelesen. Na zum Glück ists nix mit der Wittelsbach-Heirat geworden! Wären wir schon längst ausgstorben (oder an den dicken Maxl I. gefallen. Montgelaserei im heiligen Österreich, um Gotts Willen)*
Nun ja, hier wird nach "skrupelloser Politik" gerufen für die es keine Ressourcen gab (wenn einem die Türken im Gnack sitzen). Der spanische Erbfolgekrieg wurde nicht verloren, das war einfach ein Pech (musste Joseph I. denn unbedingt zu früh sterben?). **

Ich sehe auch Karls Politik als nicht gescheitert an, ganz im Gegenteil. Er hat das lose Gefüge der Erblande so gefestigt dass Marie Theresia diese (bis auf Schlesien und Parma) halten konnte. (Was nicht selbstverständlich war).
Seine Nachfolger reformierten diese Erbe so weit dass dieses Österreich weitere 160 Jahre in der Mitte Europas bestand (vom kulturellen Erbe, das heute noch von Praha bis Ljubljana und Temesvar zu spüren ist ganz zu schweigen).

Ich gestatte mir mal einen persönlichen Exkurs:
Ich mag den Karl VI einfach! Er hat ein Kulturreich geschaffen und den Spätbarock zur vollen Blüte gebracht. Und der prächtigste Bau von allen war die Hofbibliothek, heute Nationalbibliothek, ein wahrer Tempel für das Wissen und schon damals für die Öffentlichkeit zugänglich.
Sein Versuch durch Verträge einen friedlichen Übergang zur nächsten Generation zustande zu bringen haben von "Blut und Eisen" berauschte Historikergenerationen als Schwäche ausgelegt. Seine Rechnung ist zwar nur zu einem kleinen Teil aufgegangen, aber Karl VI. hats zumindest VERSUCHT Lösungen auf dem Verhandlungstisch statt dem Schlachtfeld zu finden.

Und ein begabter Musiker, der selber ganz anständig komponiert hat (zwar nicht so gut wie sein Pappa Leopold I, aber immerhin) war er auch.
Ich mag ihn halt.
Persönlicher Exkurs ENDE

*Vorsicht Ironie
**Ironie mit ein bissl Wahrheit
 
@ Rovere
Du magst halt den Karl VI. und ich wie Du schreibst. ;)
Eine persönliche Beziehung zu einer historischen Person kann manchmal auch was schönes sein, dadurch werden ja Deine Beiträge nicht subjektiver, scheint mir.

Trotz aller Deiner Lorbeeren für denjenigen, der sich nur allzugern damit abbilden ließ, noch ein paar Anmerkungen von mir.

Möglicherweise deutet man tatsächlich, ich vorneweg :red: , aus der "Zukunft", der Zeit nach ihm, zuviel in Karl VI. eigenes Handeln. Immerhin starben zwei wichtige Herrscher des HRR 1740. Das wird manchmal vernachlässigt. Nicht nur trat Friedrich II. in Preußen die Regierung an, sondern Friedrich Wilhelm I. starb auch. Bei allem Konfliktpotenzial zw. Österreich und Preußen durch die Reichspolitik FW I., war er doch bis zum Schluss eine Stütze auch des Kaisers.

Vielleicht werden mir meine ewigen Vergleiche verübelt... Mit Karl VI. starb aber eben auch der letzte barocke Kaiser. So wenig ich mich Prestige mit barocker Prachtentfaltung gleich setzen möchte, so ist eines für mich beachtlich: Friedrich Wilhelm I. und Karl VI. kamen ungefähr zeitgleich 1713 bzw. 1711 an die Regierung. Während Friedrich Wilhelm mit seiner Herrschaft charakterlich als untypisch in seinem Zeitalter gelten mag, kann man ihn auch einfach als ersten Vertreter eines ganz neuen Typus von Herrscher ansehen in Europa(!).
 
Während Friedrich Wilhelm mit seiner Herrschaft charakterlich als untypisch in seinem Zeitalter gelten mag, kann man ihn auch einfach als ersten Vertreter eines ganz neuen Typus von Herrscher ansehen in Europa(!).
So hab ich FW I noch nie gesehen! (Kompliment Monsieur Brissotin;), da magst gar nicht so unrecht damit haben).

Ich muss da nur gleich nochmals reinsubjektivieren, Friedrich Wilhelm I. ist für mich einer der unsympathischsten, spiessig-kleinbürgerlichsten (trotz seiner Neo-"Königskrone") dumpf-brutalsten Persönlichkeiten seiner Zeit.
Da lob ich mir unseren barocken Karl und seine weiße Liesl aus Braunschweig-Wolfenbüttel....
 
Friedrich Wilhelm I. erscheint mir immer wieder als sehr zwiespältig. Zerrissen zwischen Herzensgüte und zärtlicher Behandlung seiner Kinder und wohl auch Liebe gegenüber seiner Gemahlin und brutalster Misshandlungen gegen seine Kinder, dabei fast noch mehr gegenüber Wilhelmine als gegen Friedrich. Dabei darf man aber auch seine Geisteskrankheit nicht vergessen. http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=209546&postcount=15
Karl VI. und Friedrich Wilhelm I. sind sicherlich ganz entgegen gesetzte Charaktere, der eine musikalisch veranlagt, der andere alles Musische verachtend bis hassend, wobei letzteres scheinbar aus dem bloßen Hass gegen alles, was seinen Vater betraf zusammenhängt. Der eine (FW I.) hatte eine Stellung die gerade durch seinen Vater nicht nur gefestigt sondern auch noch entscheidend für die Zukunft ausgebaut worden war, während der andere (Karl VI.) in einen Krieg geworfen wurde, den er zum Ende führen musste. Derweil standen FW I. alle Optionen hinsichtlich seiner außenpolitischen Aktivitäten offen, während Karl VI. sein politischer Weg vorgezeichnet war (durch den Krieg) oder durch seine unglücklich dynastische Situation erzwungen wurde.
Hatte aber Karl VI. in der Hauptsache die Mittel auch die Gefolgsmänner seines Vorgängers übernommen und ging mehr als bedächtig an Reformen etc., so berief FW I. als erstes den Danckelmann wieder in Amt und Würden und schlug einen neuen Weg in eine „modern“ Bürokratie und effiziente Verwaltung ein, was für einen neuzeitlichen Fürstenstaat unerlässlich war. Erst nach Karl VI. wurden die entscheidenden Reformen angefasst, aber das dann auch nach preußischem Vorbild. Auch die Militärverwaltung des verdienstvollen aber ergrauten Prinzen Eugen schaffte nicht die entscheidenden Schritte.
Der Vergleich muss natürlich mit Vorsicht genossen werden, da Preußen nun einmal Vorreiter war, wobei ich gerne zustimme, dass Wien nun einmal ein kulturelles Zentrum ersten Ranges war, was Berlin erst (wieder ?) werden musste.

@ Rovere
Da Du schon mal mit Vereinfachungen angefangen hast. FW I. würde ich halt als einen der ersten „arbeitenden“ Monarchen ansehen. In der Richtung sehe ich natürlich auch Friedrich II. in Preußen, Maximilian III. Joseph von Bayern und eingeschränkt Carl Theodor; bei den Österreichern kann ich in Kaiser Joseph II. auch ein Exemplar par excelence erkennen.

Ich weiß, das erscheint sehr, sehr vereinfacht… (mir ist bewusst, dass Arbeit zum Alltag des Herrschers auch schon zuvor gehörte)
 
Hallo, habe mich bis jetzt aus dem Thema etwas herausgehalten, weil ich erst einmal nachlesen möchte, wie das mit Karl VI. war: Da versuchte ein Kaiser seine gesamte Regierungszeit eine neue Erbfolgeregelung für die eigenen Erblande (nicht mal für die Kaiserkrone) duchzusetzen, erhält nach und nach auch tatsächlich eine breite nationale und internationale Zustimmung, bis auf ein paar Ausnahmen in Deutschland selbst und so kommt es nach seinem Tod, 1740, doch zu einem Erbfolgekrieg. Was ich an der ganzen Sache jedoch nicht verstehe ist: Maria Theresia sollte ihn - Karl VI. - beerben, tat es ja auch. Nun heiratete sie aber bereits 1733 Franz Stephan v. Lothringen. Frage:
1.) Wäre es da sicherer für den Erhalt der habsburgischen Lande gewesen, einfach Franz Stephan das Erbe zu "vermachen"?
Zumal er ja später auch Kaiser wurde und so auch über eine Hausmacht im Reich verfügt hätte. So, wie es nun lief, war er ab 1737 ja "nur" Großherzog der Toskana, ein Fürstentum außerhalb des Reiches. Dazu gleich noch eine Frage:
2.) War Franz Stephan seit 1737 eigentlich noch Reichsfürst? Oder mußte er diese Stellung zusammen mit seinem Herzogtum Lothringen 1737 abgeben?
Das sind so die Dinge, die mir noch nicht klar geworden sind. Ich bin gespannt auf eure Antworten.
:fs:
 
Zuletzt bearbeitet:
1) Ich glaube das ging eben nicht, auch weil Karl VI. immernoch darauf hoffte einen eigenen männlichen Erben zu zeugen. Das war Karl sehr wichtig. Er legte bei der Vermählung schon fest, dass Maria Theresia im Falle eines männlichen Nachkommens Karl VI. von der Erbfolge zurück treten musste. Das wurde extra vertraglich gereagelt. Dass Karl sterben würde, war ja nicht sicher. Außerdem wurden Kuraufenthalte in den 1730ern noch unternommen, wovon man sich erhoffte, dass die Kaiserin noch weitere Kinder bekommen würde. Überdies war ja auch ein Tod der Kaiserin möglich und dass Karl VI. erneut heiraten würde. Das alles wird sicherlich zu seinem Entschluss beigetragen haben. Im Falle, dass es doch noch einen männlichen Nachkommen gegeben hätte, wäre es sicherlich zu einem innerösterreichischen Konflikt wenn nicht Krieg gekommen, hätte Karl schon zu früh die Gebiete an Franz Stephan abgetreten. Davon abgesehen darf man nicht vergessen, dass die Lothringer bei Hofe ohnehin schon eine starke Partei, u.a. mit Prinz Karl von Lothringen (der spätere Verlierer von Leuthen) waren. Vielleicht befürchtete Karl VI. auch eine lothringische Dominanz und dass die Lothringer, die Rechte seiner Töchter doch noch einmal nach seinem Tode beiseite geschoben hätten. Ein Gatte kann sich während einer Ehe ja auch ändern. Das war für Karl VI. nicht akzeptabel. Es fragt sich auch, ob die Stände einen Nicht-Habsburger anerkannt hätten.
2) Meines Wissens trug er nach wie vor noch den Titel eines Herzogs von Lothringen, auch wenn eine Rückkehr in seine Besitzungen ausgeschlossen war. Genauer kenne ich mich dazu nicht aus. Ich glaube aber, dass es nicht zwingend notwendig war, ein Reichsfürst zu sein, um die Kaiserwürde zu erlangen. Franz I. von Frankreich, hatte sich ja auch im 16.Jh. darum beworben. (siehe: http://fr.wikipedia.org/wiki/François_Ier_de_France )
 
Zuletzt bearbeitet:
Man darf bei der Eheschliessung zwischen Maria Theresia und Franz Stephan den persönlichen Aspekt nicht vergessen! Wir haben es hier mit einer der seltenen Liebesheiraten im Haus Habsburg zu tun (die dann auch mehr oder weniger funktioniert hat). Maria Theresia war ein Dickschädel sonder gleichen und hat sich ihren "Franzl" eingebildet. Dieser wurde ja am Wiener Hof erzogen, sie kannte ihn von Kindheit an.
Die lothringischen Titel legte er nie ab und führte das Wappen weiterhin (sein Heroldsrock ist noch in der Wiener Schatzkammer zu sehen).

Maria Theresia hat halt unbedingt ihr "Mäusl" haben wollen und diese große Herrscherin (deren Arbeitspensum kaum durch ihre 16 Niederkunften beeinträchtig wurde) wusste eben was sie wollte.

(Leider hab ich heute zu wenig Zeit um umfassender zu antworten, hoffe ich komme heute Abend dazu).
 
@ Rovere
Ich habe einmal gelesen, Maria Theresia sei eben auf das Regieren hin nicht ausgebildet worden, da ja Karl VI. immer noch auf einen männlichen Erben hoffte. Deswegen soll aus der Jugend der späteren Kaiserin auch wenig bekannt sein. Sicherlich weißt Du mehr dazu? Infos hierzu würden ja auch viel über Karl aussagen, denn die Erziehung der Kinder ist stets für eine Bewertung eines Monarchen wichtig, vor allem was die polititsche Weitsicht anbelangt.

Die Gründe für Karls Entscheidung hatten wir sowohl im politischen als auch in der Mentalität bereits gesucht. http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=210905&postcount=34 Die Liebesheirat will ich auch nicht vernachlässigen, dass diese doch ein wenig hinausgezögert wurde, würde ich dann schon so in der Hinsicht werten, dass Karl die Tragweite dieser Entscheidung bewusst war. Ich weiß nicht, in wie weit Prinz Eugen in der Phase noch Einfluss nahm. An der Hochzeit selber konnte er schon wegen Krankheit nicht mehr teilnehmen.

Gibt es Hinweise, darauf, wie sich Prinz Eugen und Maria Theresia miteinander verstanden? Ich las, dass sie wie auch der Kaiser betrübt waren, dass der alte Prinz nicht mehr an der Hochzeit teilnehmen konnte.

Sicherlich wollte Karl VI. für seine(n) Nachfolger(in) optimale Bedingungen schaffen. Das kann man ihm immer wieder zu Gute halten. Nachdem die Einführung der Erbmonarchie in Ungarn gescheitert war, hatte Karl scheinbar auch für eine entspannte Lage dort gesorgt. Den Hintergrund muss man sich auch dazu denken, für wen, wenn nicht seinen Nachfolger, soll er so gehandelt haben.
Wohlmöglich sah Karl auch in Franz Stephan für die junge Maria Theresia einen Ausgleich, in dem Falle der Regierung, die stressig genug werden durfte.
Franz Stephan erwies sich ja auch tatsächlich nicht als der Mann, der seine Gemahlin beiseite schob, um selber die Herrschaft über das Habsburgerreich an sich zu reißen. Das wird sicherlich auch in die Kalkulation Karls hinein gespielt haben.
:fs:
 
Vielleicht etwas wunderlich, aber ich grabe das Thema mal aus. Und zwar aus einem Grund. In Wien sieht man ja sehr schön noch heute, welchen Anspruch Karl VI. erhob und welche Vorrechte er mit der Kaiserwürde verband.
Wie weit die Lücke zwischen diesem Anspruch und der Realität klaffte kann man ja aus dem Frieden nach dem Poln. Erbfolgekrieg, noch mehr als schon vorher erkennen. In den Titeln blieb der Anspruch auf Spanien eigentlich erhalten. Da ich mich parrallel ein bisschen mit August II. von Polen beschäftige, kommen naheliegende Vergleiche auf. Beide verfügten eigentlich nicht über die Mittel, welche ihre Ansprüche auf eine Führungsposition nötig machten. Beide fanden eigentlich zum Ende ihrer Regierung hin immer weniger Alliierte, die wirklich ehrlich eine Unterstützung ihrer Ziele erwogen. Im Unterschied zu August II. dürfte Karl VI. allerdings ungefähr die Lage der Kaiserwürde im Reich oder überhaupt die politische Lage im Reich gekannt haben, die der Kurfürst Friedrich August I. möglicherweise in Polen nicht kannte. (Vielleicht hat dazu jemand genauere Angaben.) Die Reihe der Parrallelen ließe sich durchaus fortsetzen, wie die eigentlich erfolglosen Bemühungen vor dem Ableben den Erben durch die umliegenden Staaten anzuerkennen. Während allerdings August II. auf einen Absolutismus in Polen hinarbeitete, dürfte dieser im Reich schon zu Zeiten Karl VI. mehr als illusorisch gewesen sein. Außerdem investierten beide in die Bauwerke, während beiden bewusst wurde, wie wichtig eine Vermehrung des Militärs wäre. Zumindest August II. gestand an seinem Lebensende ein, viele Fehler begangen zu haben.

Was haltet ihr davon? Kann man diese Vergleiche ziehen? Gibt es spezielle Literatur, die sich primär mit dem Verhältnis zwischen August und Karl beschäftigt? Das erscheint mir nämlich ein interessantes Thema, denn eigentlich überschätzten sich beide und schätzten sich eigentlich gegenseitig verkehrt ein. So soll der Reichsvikar August ja angeblich mit dem Gedanken der Kaiserwürde gespielt haben, unterschätzte aber wohl Karl und hätte sich letzten Endes damit eine weitere teure und wenig einbringende Würde an den Hals gebunden.
 
2.) War Franz Stephan seit 1737 eigentlich noch Reichsfürst? Oder mußte er diese Stellung zusammen mit seinem Herzogtum Lothringen 1737 abgeben?
Meines Wissens war Franz Stephan noch Herzog von Teschen, welches er von seinem Vater Leopold Joseph von Lothringen geerbt hatte. Dieses Teschen wurde später an den Schwiegersohn Albert-Kasimir von Sachsen vergeben.
Ich glaube Teschen müsste noch innerhalb des Reiches gelegen haben.
 
Weiß ich doch, nur kam dabei dauerhaft, wie Du ja angeschnitten hast, nichts dabei heraus.

Das ist die Frage.
Anerkennung der weiblichen Erbfolge im Hause Habsburg.
Was doch immerhin das Weiterbestehen der Dynastie für 150 Jahre gesichert hat.
Ich habe es mal hierher verschoben.

Nun noch meine Meinung dazu:
Meines Erachtens haben der Fürst von Liechtenstein bei Piacenza und Khevenhüller durch die Besetzung Bayerns etc. weit mehr für den Fortbestand der Dynastie getan - Maria Theresia nicht zu vergessen. Sicherlich ist der Kampf Karl VI. um die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion verständlich aus seiner Perspektive, in Anbetracht des Bruches der meisten Vereinbarungen nach seinem Tod scheint dies alles aber recht wirkungslos gewesen zu sein.

Maria Theresias Charisma oder Durchsetzungsvermögen ist wohl auch zu verdanken (oder gab es dazu vielleicht eine Abmachung in den Heiratskontrakten), dass trotz des Aussterbens in direkter männlicher Linie doch die Bezeichnung "Habsburg" erhalten blieb. (Man denke im Vergleich dazu an den Übergang von Valois zu Bourbon durch Heirat!)
 
In Memoriam - heute (17. April 2011) vor 300 Jahren starb Kaiser Joseph I.

"Was wäre gewesen wenn"-Spielereien sind in diesem Forum sehr beliebt - obwohl wenig zielführend und meistens nur absurd spekulativ. Heute jedoch ist der 300. Jahrestag eines Ereignisses das wirklich die Weltgeschichte in eine andere Richtung lenkte. Wäre Joseph nicht an den Pocken erkrankt und verstorben, das europäische Machtgefüge wäre ein anderes geworden.

Mit Joseph I. starb zum einen ein Reformherrscher der österreichischen Erblande der vieles des aufgeklärten Absolutismus seiner Nichte Maria Theresia vorwegnahm (wie zum Beispiel die Regulierung des Robots, für eine gänzliche Abschaffung war es wohl noch zu früh). Von seinen anderen Sozialreformen hat sich eine Institution bis heute gehalten, das berühmte Wiener Auktionshaus Dorotheum das 1707 von ihm gegründet wurde um die Pfandleihe zu regulieren.

Zum anderen betraf sein Tod aber die politische Situation am Kontinent. Er starb mitten im spanischen Erbfolgekrieg, sein Bruder Karl residierte in Barcelona als spanischer König und es schien nur noch eine Frage der Zeit bis sich die österreichisch-englische Allianz engültig gegen Frankreich durchsetzen sollte.

Der frühe Tod Josephs I. änderte alles. Die Chance der Wiederherstellung der habsburgischen Hegemonie in Kontinentaleuropa war endgütlig vorüber.

Josephs Nachfolger war sein ungeliebter Bruder Karl. Eine Vereinigung von Spanien samt seiner Nebenländer, der Erblande und des Reiches unter ihm als alleinigen Monarchen war den Verbündeten zu gefährlich. England begann Geheimverhandlungen mit Louis XIV. Der Krieg dauerte dennoch 2 Jahre weiter bis Karl endgültig auf den spanischen Thron verzichten musste.

Joseph I. ist heute weitgehend vergessen, dafür sorgte auch sein Bruder Karl. Schon 1713 erliess er die Pragmatische Sanktion. Dieses für Österreich so wichtige Dokument - manche Rechtshistoriker bezeichnes es sogar als Vorform einer Verfassung - beinhaltete aber auch eine Enterbung der Töchter Josephs I., die gegenüber den Töchtern Karl eigentlich vorrangig gewesen wären.

Es war auch kein Zufall dass Karl VI. die Bauarbeiten an Josephs ergeizigstem Projekt einstellen liess, dem Bau von Schloss Schönbrunn. Joseph wollte diesen Palast vor den Toren Wiens dem Versailles des Sonnenkönigs entgegensetzten und stattete das Schloss im Inneren prächtig aus. Bis heute ist ein Fresko erhalten dass einst den Speisesaal Josephs zierte.
Nach 35 Jahren der Vernachlässigung übernahm die junge Maria Theresia das leerstehende Schloss und liess es fertigbauen - aus dem Speisessaals ihres Onkels Joseph machte sie ein Treppenhaus. Und über diese blaue Stiege betritt man bis heute die einstige Sommerresidenz der österreichischen Kaiser.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es war auch kein Zufall dass Karl VI. die Bauarbeiten an Josephs ergeizigstem Projekt einstellen liess, dem Bau von Schloss Schönbrunn. Joseph wollte diesen Palast vor den Toren Wiens dem Versailles des Sonnenkönigs entgegensetzten und stattete das Schloss im Inneren prächtig aus.
Allerdings hatte Karl VI. eben auch andere Prioritäten als Bauherr. Er steckte das Geld lieber in den Ausbau von Stift Klosterneuburg, das zu einem österreichischen Gegenstück des Escorial werden sollte. Sein Plan wurde aber nie fertiggestellt, die heutige (durchaus beeindruckende) Anlage ist nur ein Schimmer dessen, was eigentlich geplant war.
 
Da stimme ich dir nicht zu - das Klosterneuburg-Projekt beginnt erst fast 20 Jahre nach der Thronbesteigung Karls.
Schönbrunn war 1711 aber weitesgehend fertiggestellt, die Innenausstattung jedoch eine Verherrlichung Josephs I. Karl überliess daher das Schloss seiner Schwägerin Amalie von Braunscheig-Lüneburg und kümmerte sich nicht weiter darum. Kaiserin-Witwe Amalie nutzte Schnünbrunn kurz als Witwensitz bevor sie sich dem Ausbau ihrer Altersresidenz bei den Salesianerinnen am Rennweg widmete.

Karl VI war sicher der bedeutendste Bauherr des österreichischen Barocks, die Karlskirche, die Nationalbibliothek, Winterreitschule und Reichskanzleitrakt zeugen bis heute von seiner Bautätigkeit.

Aus meiner Sicht ist es aber kein Zufall dass sich Karl von Schönbrunn abwendete, dass so stark an seinen Bruder Joseph erinnerte. Das Schloss sah damals anders aus, es war viel monumentaler und imposanter als nach dem Pacassi-Umbau. Obwohl um ein Stockwerk niedriger prunkte der Schönbrunner Ehrenhof mit einer gewaltigen Auffahrstsrampe samt Springrunnen. Und anstelle eines Daches befand sich eine statuengeschmückte Terasse mit einer Triumph-Tempel-Architektur über dem Mitteltrakt. Die Innenräume waren weitesgehend freskiert und müsssen sehr der Innenausstattung des Palais Liechtenstein in der Rossau geähnelt haben. (Nur noch das Deckenfresko der Blauen Stiege ist davon erhalten).

Karl VI hingegen bezog anstelle von Schönbrunn die eher "bescheidene" Favorita als Sommerresidenz, das heutige Theresianum. Erst Maria Theresia nutzte Schönbrunn wieder, baute es aber im Inneren wie Äußeren komplett um.
 
Vielen Dank, Rovere, dass Du den Thread wiederbelebst!

Den Sinn ein Schloss zu wechseln bzw. aufzugeben, weil es zu sehr an einen Vorgänger erinnerte oder an eine frühere Regierungsweise habe ich nie verstanden, aber ich finde es interessant. Hätte Karl VI. ein eigenes riesiges Schloss im Maßstab von Ludwigsburg sich errichten lassen, so hätte man es vielleicht noch besser verstanden. Vielleicht mochte er dann ja das Bildprogramm seines Vorgängers nicht, ganz abgesehen davon, dass es natürlich auf diesen gemünzt war.:grübel:

Gibt es irgendwelche Unmutsbekundungen über Schönbrunn, welche Karl VI. schriftlich fixiert hat?
Er führte doch sowas wie ein Tagebuch, wenn ich mich recht entsinne.

Ich kenne das Wien aus Karl VI. Zeiten hauptsächlich durch:
Salomon Kleiner: "Das florierende Wien" (1724-1737) Die bibliophilen Taschenbücher - Harenberg Kommunikation, Dortmund, 1979:yes:
 
Mir sind keine Unmutsbekundungen Karls bezüglich Schönbrunn bekannt - er zog sich irgendwie elegant aus der Affaire indem er es seiner Schwägerin Amalie als Witwensitz übergab. Obwohl es wahrscheinlich etwas zu groß für einen Witwensitz war - bis auf den letzten Stock war das Schloss ja fertig.
1728 übernahm er es dann doch von seiner Schwägerin und nutze den Park für Jagden. Die einzige Veränderung, die er vornehmen liess, war ein riesiges Walmdach anstelle der bisherigen Terrasse (ich hab leider kein Bild online davon gefunden, hab aber eines in meinen Unterlagen - sah sehr strange aus).

Das interessante aber ist dass Karl VI erst relativ spät mit einem großen Residenzprojekt startete, dem Ausbau von Klosterneuburg ab 1730 als "österreichischen Escorial" (obwohl es eigentlich mehr an Mafra erinnert).
Zwar erweitert er die Hofburg, als Sommerresidenz dient jedoch die eher unscheinbare Favorita.

Naja, das Verhältnis der Habsburger zur Architektur ist ein Buch das erst geschrieben werden müßte.....
 

Anhänge

  • Schoenbrunn-Entwuf_II.jpg
    Schoenbrunn-Entwuf_II.jpg
    199,3 KB · Aufrufe: 641
Zurück
Oben