Karthago besiegt Rom; und dann?

Jetzt schaukelt das ganze Thema doch nicht so hoch, fuer alternative Geschichte kann ich per PM gerne ein englisches Forum zu diesem Thema empfehlen, falls da ein Bedarf besteht, die haben ein reiches Sammelsurium.
Ich respektiere auch die Ansicht der Forenleitung, solltet ihr solche Themen hier ungerne sehen (da ja auch kein Unterforum existiert), dann halte ich mich davon zukuenftig fern.
Zumal, das muss man leider auch sagen, bisher keiner wirklich auf die eigentliche Frage hier eingegangen ist.
 
Jetzt schaukelt das ganze Thema doch nicht so hoch, fuer alternative Geschichte kann ich per PM gerne ein englisches Forum zu diesem Thema empfehlen, falls da ein Bedarf besteht, die haben ein reiches Sammelsurium.
Ich respektiere auch die Ansicht der Forenleitung, solltet ihr solche Themen hier ungerne sehen (da ja auch kein Unterforum existiert), dann halte ich mich davon zukuenftig fern.
Zumal, das muss man leider auch sagen, bisher keiner wirklich auf die eigentliche Frage hier eingegangen ist.


Das stimmt nicht, es haben verschiedene Diskussionsteilnehmer die "eigentliche Frage" aufgegriffen und überzeugend argumentiert, dass es auf diese "eigentliche Frage" gar keine sinnvolle Antwort, These, Hypothese geben kann, eben weil es sich um reine Spekulation handelt.
 
Das stimmt nicht, es haben verschiedene Diskussionsteilnehmer die "eigentliche Frage" aufgegriffen und überzeugend argumentiert, dass es auf diese "eigentliche Frage" gar keine sinnvolle Antwort, These, Hypothese geben kann, eben weil es sich um reine Spekulation handelt.

Wenn es an meiner Formulierung liegt, dann entschuldige ich mich. Aufgreifen wollte ich in erster Linie, welche Macht aehnliche Optionen wie die Roemer haette haben koennen.
Diese Frage wurde meiner Ansicht nach nicht konkretisiert. Hab ich hier etwas ueberlesen?
 
Wenn es an meiner Formulierung liegt, dann entschuldige ich mich. Aufgreifen wollte ich in erster Linie, welche Macht aehnliche Optionen wie die Roemer haette haben koennen.
Diese Frage wurde meiner Ansicht nach nicht konkretisiert. Hab ich hier etwas ueberlesen?

Kontrafaktische Überlegungen à la "Was wäre geschehen, wenn..." haben wir schon einige im Geschichtsforum gehabt. Natürlich sind diese sehr spekulativ (das nennen wir hier auch "Spekulatius" - paßt ja schon fast zur Auslage in den Supermärkten=)).

Aber gehen wir von der These aus, dass in einem der Punischen Kriege - sagen wir mal im 2. Punischen Kriege - Hannibal nach Cannae Rom angreift, erobert und zerstört. Kein Stein auf dem anderen und Römer und Römerinnen auf den Sklavenmärkten entlang des Mittelmeeres. Was wäre dann gewesen?

Hätten sich dann die ehmaligen Bundesgenossen Roms an Karthago gewandt als neue Hegemonialmacht? Vielleicht hätten wir dann im Laufe der Zeit ein Imperium Punicum gehabt, dessen Grenzen wie die des späteren Imperium Romanum gewesen wären. Vielleicht würden wir dann - wie in einem der vorherigen Beiträge als Witz gemeint - dann Punisch lernen. Aber waren denn eigentlich die Punier denn so große Krieger, die die Welt erobern wollen? War das nicht eher eine Nation von Kaufleuten? Vielleicht hätten sich die Karthager nach der Zerstörung Roms wieder zurückgezogen. Vielleicht wäre irgendein anderes Kaff in Italien zur neuen Macht aufgestiegen...

Vorstellen kann man sich viel, aber da kommen wir schon in den Bereich der Fantasterei.
 
Es geht ja auch gar nicht um die Idee, dass die Punier Rom ersetzen, sondern nur vernichten, sodass irgendjemand anders deren Weltmachtstellung einnehmen kann.
Wer exakt Rom nun kaputtmacht als zukuenftige Imperialmacht, ist fuer diesen Spekulatius :D nicht wichtig, sondern nur, wer danach die tatsaechlichen Moeglichkeiten hat, deren Stellung einzunehmen, da stehen neben Karthago ja auch die Ptolimaeer, Seleukiden, Makedonen, Samniten, Thraker, Epeiroten et cetera in den Startloechern, darauf war die Frage ja abgezielt.
 
Es geht ja auch gar nicht um die Idee, dass die Punier Rom ersetzen, sondern nur vernichten, sodass irgendjemand anders deren Weltmachtstellung einnehmen kann.
Wer exakt Rom nun kaputtmacht als zukuenftige Imperialmacht, ist fuer diesen Spekulatius :D nicht wichtig, sondern nur, wer danach die tatsaechlichen Moeglichkeiten hat, deren Stellung einzunehmen, da stehen neben Karthago ja auch die Ptolimaeer, Seleukiden, Makedonen, Samniten, Thraker, Epeiroten et cetera in den Startloechern, darauf war die Frage ja abgezielt.

:grübel: keine Ahnung - aber standen die denn alle in den Startlöchern, um das Mittelmeer zu beherrschen? War denn andererseits bereits im Dritten Jahrhundert vor Christus abzusehen, dass Rom alle beherrschen wird?
 
Da geht es wohl eher wieder um eine theoretische Einschaetzung des ganzen; was hatte Rom dass es in den Startloechern stehen koennte (meiner Meinung nach die Option in diverse Vacua einzustossen), was andere nicht (genutzt) hatten?
Abzusehen war gar nichts, aber folgenrichtig waren doch die Bedingungen gegeben, aye?
 
Da geht es wohl eher wieder um eine theoretische Einschaetzung des ganzen; was hatte Rom dass es in den Startloechern stehen koennte (meiner Meinung nach die Option in diverse Vacua einzustossen), was andere nicht (genutzt) hatten?
Abzusehen war gar nichts, aber folgenrichtig waren doch die Bedingungen gegeben, aye?
Na, ich glaube schon, dass es diverse römische "Tugenden" gab, welche eine besondere Entwicklung bevorzugten - und die in den konkurrierenden Staaten nicht gegeben waren.
Diese Tugenden waren m. E. weder Tapferkeit, Standhaftigkeit, Stärke oder gar Treue (spätestens hier würden mich die Senatoren zur Tür rausschmeissen) sondern Adaptivität, bürgerliche Teilhabe, Technokratie und Opportunismus.
Adaptivität in der Gabe, sich auf veränderte Verhältnisse mit geändertem Verhalten einzustellen: Notstandsgesetze, Zwangslagen führen nicht zum Zerbrechen des Staates und Übernahme durch "Warlords" sondern selbst die Dictatoren wurden kontrolliert und befristet ermächtigt. Und hatten den Anstand, danach wieder in die zweiten Reihen zurückzutreten (in einer morbiden Version machte das sogar Sulla noch als "Pensionär"). Zu Teilhabe und Technokratie habe ich schonmal geschrieben; Opportunismus insofern als dass ein exzellentes Geschick darin bestand, Zwangslagen der Gegner und/oder potentiellen Opfer zu erkennen und auszunutzen. Siehe Annektion Sardiniens während sich Hamilkar Barkas mit seinen Ex-Söldnern herumprügelte.

Noch eins ist mir aufgefallen: der römische Senat hatte 300 Mitglieder, bei einem relativ hohen politischen Gewicht des Einzelnen. Ich habe nicht allzuviele Hinweise auf die Größe der karthagischen Gerusia gefunden, es scheinen ebenfalls 300 gewesen zu sein, aus denen sich aber ein wichtigerer Kreis von 104 rekrutierte; d. h. 2/3 weniger Gehirnmasse und weniger Sozialkontrolle, dafür mehr persönliche Bereicherungsmöglichkeit als in Rom. Das kann eine Nebensache sein, aber trotzdem interessant.
 
In der Tat, hochinteressante Informationen, hast du denn eventuell zum karthagischen Senat eine Quellenangabe ueber Zusammensetzung und einzelne Funktionen? Finde diese Gegenueberstellung als Mitfaktor der Leistungsfaehigkeit sehr interessant.
 
Da fängt doch schon das Problem dieser Was-wäre-wenn-Fragestellungen an: Wenn Karthago im Ersten Punischen Krieg gesiegt hätte, wäre es dann überhaupt zu einem Zweiten Punischen Krieg gekommen? Hätte es überhaupt einen Aufstieg der barkidischen Familie gegeben, der eng mit der Erschließung der iberischen Silberminen und der Eroberung der sie umgebenden Gebiete verknüpft war? Die Niederlage im Ersten Punischen Krieg hatte Karthago an den Rand der ökonomischen Existenz gebracht, während er Rom Sardinien, Korsika und das reiche Sizilien brachte. Karthago musste, um seine Schulden bezahlen zu können, doch nach Iberien ausgreifen und dieses Ausgreifen wiederum ist Grundlage für die Notwendigkeit aus römischer Sicht gewesen, den Zweiten Punischen Krieg mit Saguntum als Vorwand vom Zaun zu brechen.

Von konjunktivistischer Geschichtsschreibung ist nicht m.E. nicht viel zu halten.

Kann man dies überhaupt so sagen? Also dass das Ausgreifen nach Spanien nur an der Niederlage lag? Auch zuvor gabs doch schon karthagischen Einfluss auf der iberischen Halbinsel. Diesen auszuweiten wäre auch bei einem Sieg über Rom das nächste Ziel gewesen. Dann nur noch stärker wegen dem stärkerem Handel mit Sardinien und Korsika.

Aber Spanien war zu diesem Zeitpunkt schon eine ganze Weile im Fokus der Aufmerksamkeit Karthagos.
 
Ich empfehle dazu Pedro Barceló, Karthago und die iberische Halbinsel vor den Barkiden. Bonn 1988. Wenn ich auch andere Schlussfolgerungen Barcelós weniger überzeugend finde, ich finde, dass er in diesem Buch (wenn ich mich richtig erinnere) recht überzeugend darlegt, dass ein karthagischer Einfluss auf die iberische Halbinsel vor den Barkiden, wie er in der älteren Literatur behauptet wird, nicht belegt werden kann.
 
Muss ich mir mal anschauen - ich bin da wahrscheinlich wirklich noch auf einem älterem Stand. Ich habe es so in Erinnerung gehabt dass man in Südostspanien und auf den Balearen zu diesem Zeitpunkt schon gut 100 Jahre aktiv war.

Kannst du die Argumente von ihm evtl. zusammenfassen?
 
Kannst du die Argumente von ihm evtl. zusammenfassen?

Jein, ich habe aber in einer Datei noch eine handvoll Zitate, bzw. Exzerpte gefunden, die ich mir mal rausgeschrieben hatte, ich gebe sie mal ungefiltert weiter, kann aber nicht mit Bestimmtheit sagen, ob ich damit Barcelós Fazit auch gerecht werde:

Pedro Barceló: Karthago und die iberische Halbinsel vor den Barkiden. Studien zur karthagischen Präsenz im westlichen Mittelmeerraum von der Gründung von Ebusus (VII. Jh. v. Chr.) bis zum Übergang Hamilkars nach Spanien (237 v. Chr.). Bonn 1988.


Kapitel II.3 Gades und Karthago


„Die Beziehungen zwischen den phönikischen Niederlassungen im Süden der Iberischen Halbinsel und Karthago werden nirgends literarisch erwähnt, was unter Umständen ein Hinweis auf ihre verhältnismäßig untergeordnete Bedeutung sein könnte. Einzig das Verhältnis zwischen Gades und Karthago ist in der schriftlichen Überlieferung festgehalten worden. Für die vorbarkdische Zeit sind die Nachrichten knapp und dunkel. Erst ab 237 v. Chr. fließen die literarischen Quellen reichlicher. […] Gades erscheint in dieser Epoche als Ausgangspunkt zahlreicher militärischer Unternehmungen der Karthager. Die Stadt diente zeitweilig als Winterquartier und Brückenkopf der barkidischen Heere. Daraus ergaben sich Spannungen zwischen der Bürgerschaft und dem karthagischen Militär. So führte Gades im Jahr 206 v. Chr. Verhandlungen mit Scipio über die Auslieferung des karthagischen Feldherren Mago samt Besatzung.“ S. 37 f.


„Die archäologischen Spuren einer vorbarkidischen karthagischen Präsenz im Südteil der Iberischen Halbinsel sind äußerst dürftig. Es lässt sich nicht nachweisen, dass die Karthager, die im Verlauf des VI. Jh. v. Chr. Aufgegebenen phönikischen Siedlungen an der andalusischen Küste neu besiedelten. Von einer direkten Übernahme des wirtschaftlichen und politischen Erbes der hispanischen Westphöniker kann schwerlich die Rede sein. […] Wie die Analyse des Verhältnisses Gades-Karthago zeigt, erlauben die dazu vorhandenen Quellenfragmente keinerlei begründete Aussagen darüber, dass Karthago eine Art Oberherrschaft über die hispanischen Phönikersiedlungen errichtet hätte. Im Gegensatz zu den Behauptungen der modernen Forschung wird dies in den antiken Quellen nirgends gesagt oder auch nur angedeutet.“ S. 42


Kapitel III.1 Tartessos und Karthago
„Ab dem Ende des VI. Jh. v. Chr sollen schließlich die Karthager eine maßgebliche Rolle im südhispanischen Raum gespielt haben. Diesbezüglich erschloss die Forschung folgenden Ereignisablauf:
Die karthagische Metropole als neue westsemitische Hegemonialmacht soll nach dem Zerfall der tyrischen Mutterstadt zur Schirmherrin sämtlicher phönikischer Siedlungen des Westens aufgesteigen sein. In dieser Eigenschaft versuchten die Karthager durch die Absperrung der Meerenge von Gibraltar jede fremde Konkurrenz, besonders die der griechischen Seefahrer, vom südhispanischen Markt auszuschalten, um damit ihre Monopolstellung in der Region zu begründen. Doch damit nicht genug; weiterhin sollen die Karthager Tarschisch erobert und zerstört haben...
Diese und ähnliche Erklärungsversuche begegnen uns bis auf einige Ausnahmen in der einschlägigen althistorischen Literatur zum Thema Tartessos. Setzt man aber die wenigen zum Problemfeld vorhanden Quellen zu den daraus gezogenen Schlussfolgerungen in Beziehung, so wird bald ersichtlich, dass die meisten reine Annahmen ohne zwingende Quellenbelege erfolgten, also als reine Vermutungen einzuschätzen sind, die einen geringen Wahrscheinlichkeitsgrad besitzen.“ (S. 46)


Kapitel III.1 Tartessisch-karthagische Kontakte


„Literarische Zeugnisse, aus denen sich unmittelbar oder nur als Reflex irgendwelche Beziehungen der Karthager zu Tartessos ablesen lassen, gibt es nicht. Da aber das Vorhandensein der alten phönikischen Siedlungen an der andalusischen Küste sowie die späteren griechischen Fahrten nach Tartessos in unseren schriftlichen Quellen vermerkt werden, wäre das völlige Verschweigen eines möglichen karthagischen Engagements im südhispanischen Raum erstaunlich und unerklärlich.“ (S. 47)


„Über Kontakte zwischen Phokäern und Tartessos berichtet Herodot ausgiebig, […] Die neuesten Funde hochwertiger griechischer Ware in Huelva, die eine beachtenswerte Handelstätigkeit von Beginn bis zum letzten Drittel des VI. Jahrhunderts belegen... [die dazugehörige Fußnote ergänzt:] Dieser bricht während der letzten Dekade des VI., Jh. v. Chr. Ab, und es dauert fast ein volles Jahrhundert, bis etwa zu Beginn des IV. Jh. wieder griechische Importware in Huleva in großen Mengen auftaucht.“ (S. 50 s.a. FN 25)


Kapitel III.3 Die karthagische Meerengenpolitik
In Bezug auf die Eratosthenesstelle:
„Im Grunde genommen zeigt der uns hier besonders interessierende Passus primär doch nur, dass sich die Karthager, wie die meisten ihrer umliegenden Nachbarn auch, gegen fremde, unerwünschte Konkurrenz zur Wehr setzten und dabei sicherlich energisch vorgingen. Dass man aber - wohl aus der Nennung der Säulen des Herakles – eine Absperrung der Meerenge für die gesamte Navigation deuten kann, vermag man kaum einzusehen. Dazu lässt der vorliegende Text eine ganze Reihe von Fragen offen, die sich nicht so einfach beantworten lassen. Wie soll man etwa die ebenfalls vorkommende Nennung Sardiniens interpretieren? […] Die bisherige Skepsis wird nicht geringer angesichts der unscharfen chronologischen Konturen, die der fraglichen Episode zugrunde liegen. Auf welche Zeit bezieht sich die Notiz? […] der historische Kern der Nachricht könnte auf eine Situation gemünzt sein, die erst zu Eratosthenes Zeiten passt.“ (S. 58 f.)
„Die Strabo/Eratosthenes-Stelle ergibt erst einen Sinn, wenn man sie im Zusammenhang mit dem 2. römisch-karthagischen Vertrag von 348 v. Chr. Sieht.“ (S. 61) Hier kann ich Barceló nicht zustimmen, da der Vertrag ein Freundschaftsvertrag war, die Versenkung der Schiffe feindlicher Mächte aber selbst bei Vertragsbruch einer Seite kein zu erwartendes Verhalten ist.


„Dass dieses entschiedene karthagische Vorgehen der Grund für eine Nachrichtensperre aus dem Westen gewesen sein soll – wie Strabo andeutet -, klingt ganz unglaubwürdig angesichts der grundsätzlichen Zugänglichkeit der hispanischen Küsten für die meisten Mächte dieser Zeit. Die Frage drängt sich auf, welches Ziel denn Karthago mit der Absperrung der Straße von Gibraltar verfolgt haben soll.“ (S. 60)


„Die bisherigen Beobachtungen haben gezeigt, dass es keine Anhaltspunkte für eine militärische Intervention der Karthager im südhispanischen Raum gibt. Der Gedanke einer Eroberung und Zerstörung von Tartessos durch die Karthager ist daher ganz abwegig.“ (S. 61)
„Was unsere zweite Frage betraf, so lässt sich die vielfach beschworene Absperrung der Straße von Gibraltar durch die Karthager weder aus den verfügbaren Quellen nachweisen, noch scheint sie im Hinblick auf die im Tartessosgebiet vorherrschenden Verhältnisse sinnvoll und nötig gewesen sein; abgesehen von der schieren Unmöglichkeit eine solche Blockade technisch wirksam durchzuführen.“



  1. Die fragwürdige erste karthagische Okkupation Hispaniens um 500 v. Chr.
„In Anlehnung an [ältere] Arbeiten gingen A. Schulten und die meisten Forscher nach ihm von der Annahme aus, dass die Karthager nach der Schlacht von Alalia […] eine direkte Herrschaft über die Iberische Halbinsel errichtet hätten. […] Diese erste Inbesitznahme Hispaniens durch die Karthager setzten die Befürworter der These um 500 v. Chr, an; das Datum stand für sie in Zusammenhang mit der ab dieser Zeit angeblich nicht mehr feststellbaren Erwähnung der Stadt Tartessos in den antiken Quellen. Daraus wurde geschlossen, dass Tartessos damals von den Karthagern dem Erdboden gleichgemacht wurde. Diese Einschätzung der historischen Rahmenbedingungen mit all ihren Konsequenzen blieb erstaunlich stabil und bis heute maßgeblich, da die spätere Forschung das von a. Schulten entworfene Bild entweder guthieß, unbesehen übernahm oder aber höchstens marginale Korrekturen daran vornahm.“ (S. 63 f.)



  1. Karthago und die iberische Halbinsel im ersten römisch-karthagischen Vertrag


„vornehmlich die römische Optik der Ereignisse“ drückt sich im Begriff 1. oder 2. Karthagervertrag aus, obwohl „gerade zum Zeitpunkt der ersten beiden römisch-karthagischen Verträge Rom der bei weitem unwichtigere Vertragspartner einer zur damaligen zeit bedeutenden Großmacht, nämlich der Stadt Karthago war.“ S. 86) „[…] so muss überraschen, dass sich die moderne Forschung […] kaum davon freizumachen vermochte“ (S. 86 f.)


Zum 1. Vertrag:
„Weder in der Vertragsurkunde, noch in den von Polybios anschließend angestellten Überlegungen gibt es erkennbare Hinweise dafür, dass Hispanien in irgendeiner Form als Kontext zu den aus dem Vertragstext ersichtlichen territorialen Einteilungen angenommen werden kann.“ (S. 87)
„Ein wesentliches kriterium für die geopolitische Einordnung der Iberischen Halbinsel ergibt sich allerdings aus der in der Forschung kontrovers beurteilten Zuordnung der im Vertrag erwähnten karthagischen Sperrzone. Zwar hat die althistorische Forschung […] mehrheitlich die Bestimmung 'nicht über das Schöne Vorgebirge hinaus zu fahren' so ausgelegt, dass damit sämtliche westlich Karthago gelegene Küstengebiete gemeint seien, was in Bezug auf Hispanien einer eindeutigen Festlegung des Landes innerhalb der karthagischen Einflusssphäre gleichkäme, aber diese Interpretation ist alles andere als überzeugend. Zusätzlich zu dem […] Versuch Chr. Mareks, das Schöne Vorgebirge einschließlich der Sperrzone östlich von Karthago zu lokalisieren, gibt es einige weitere Stützen für diese Ansicht.“ (S. 87/88)


Verständnis des Terminus [FONT=Times New Roman, serif]Λιβύη[/FONT][FONT=Times New Roman, serif]?[/FONT]


„[FONT=Times New Roman, serif]Den […] naheliegenden Gedanken, dass [/FONT][FONT=Times New Roman, serif]Λιβύη hier für Afrika steht [den gesamten Erdteil einschließend] zweifeklt R. Werner mit dem Argument an, damit werde 'eine Besonderheit der karthagischen Politik unberücksichtigt gelassen, nämlich das Bestreben, alle Seefahrer vom westlichen Teil des Mittelmeeres fernzuhalten'.“ (S. 88)[/FONT]


„Außerdem fragt man sich, ob eine solche Annahme wahrscheinlich ist und welche Quellenbelege es dafür gibt. Dazu ist zu sagen, dass die Vorstellung einer Monopolisierung des westlichen Mittelmeeres durch die Karthager – unter Ausschluss der Griechen – und die damit verbundene Politik der Sperrung der Meerengen zwar in der einschlägigen modernen Literatur anklingt, nicht aber in unseren Quellen...“ (S. 89).


zweiter römisch-karthagischer Vertrag 348 v. Chr.: jenseits von Mastia Tarseios (vermutl. im Großraum Cartagena) für fremde Schifffahrt unzugänglich. (S. 92) „trotz“ der Abwesenheit karthagischer Herrschaftsstrukturen „beinhaltet der Vertrag einen deutlichen karthagischen Anspruch“ (S. 93)
„Diese Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass nicht jeder Prohibitivklausel über ein bestimmtes Land dessen direkte karthagische Beherrschung vorangehen musste, sondern ein besonders begründetes Interesse Karthagos, das durch seine jeweiligen Vertragspartner anerkannt wurde, zur Formulierung einer entsprechenden Klausel ausreichte.“ (S. 93) „Im ersten römisch-karthagischen Vertrag lässt sich aber nichts davon für die iberischen Halbinsel feststellen.“ (Ebd.)


„Von einer ähnlichen Beanspruchung Hispaniens oder Teilen davon ist im Vertrag […] keine Rede und das muss verwundern, wenn man die Wichtigkeit des hispanischen Marktes oder gar die strategisch wichtige Stellung des Landes als Brücke zwischen Europa und Afrika bzw. als Nadelöhr zwischen Mittelmeer und Atlantik in Rechnung stellt.“ (S. 93)


„Obwohl es auf hispanischem Boden auch […] alte phönikische Niederlassungen gab […] so wird Hispanien – aus der Optik des Vertrages gesehen – von Karthago offenbar nicht ins engere Blickfeld seiner künftigen Politik gerückt.“ (S. 93)


G. López Monteagudo, Panorama actual de la colonización semita en la Península Ibérica, In Rivista di Studi Fenici 5, 1977, S. 195 – 204, kommt ganz ohne eine Erwähnung Karthagos aus – behauptet Barceló, S. 95.


„Das in der Forschung vermutete aggressive Vorgehen der Karthager gegen massaliotische Pflanzstädte an den hispanischen Küsten (etwa Mainake oder Hermeroskopeion) ist schon deswegen als gegenstandslos zu betrachten, weil die betreffenden Siedlungen bislang nicht als griechische Kolonien nachgewiesen werden konnten.“ (S. 114)
„Die Niederlassung von Los Nietos an der Grenze des tartessisch-iberischen Siedlungsgebietes, wo nebeneinander griechische und karthagische Händler direkt mit den einheimischen Produzenten verkehrten, könnte las ein Beispiel für viele andere gelten. Ähnliches lässt sich für Ampurias […] feststellen.“ S. 114.


„Sicher ist dabei, dass die Rolle Karthagos auf der Iberischen Halbinsel stets überschätzt oder überbewertet worden ist. Bisher vertretene Meinungen über eine ab der Mitte des VII. Jhs. v. Chr. einsetzende karthagische Kolonisation von Ebusus oder eine gegen Ende des VI. Jhs. v. Chr. erfolgte Eroberung weiter Teile Hispaniens sowie die These einer karthagischen Blockade der Straße von Gibraltar lassen sich ebenso wenig halten wie die angenommene Militanz der Karthager gegenüber griechischen bzw. iberischen Siedlungen an der hispanischen Ostküste.“ (S. 144)
 
Mhh...bei den meisten Punkten würde ich sogar aus dem Stand heraus zustimmen - von einer echten Militäraktion oder Inbesitzname in Südspanien habe ich zu dem Zeitpunkt auch nicht gehört.

Aber darum ging es ja auch nicht, sondern um die Frage wie das Interesse an Spanien zu dieser Zeit war. Und das würde ich durchaus als vorhanden darstellen.
 
Untergruppe Alternative Geschichte

Ich finde Dieters Vorschlag eine solche Untergruppe zu gründen gut.

Man kommt sich, wenn man hier ausgehend von einer faktischen historischen Situation ein kontrafaktisches Szenario entwirft, herablassend behandelt vor. Etwa so als hätte man geschrieben: "Ufos landen 216 BC in Italien, machen die Römer fertig, fliegen wieder weg, und Karthago gewinnt den Krieg".

Ich besitze 9 Hannibal Biographien u.a. Seibert, Barcelo, Dodge, Du Beer, außerdem Momsen gelesen, besitze Huss die Karthager, die Propyläen Weltgeschichte. Es ist die durchgänginge Auffasssung der Historiker dieser Werke, dass Hannibals Strategie nicht auf die Vernichtung und Eroberung Roms zielte, sondern auf die Zerschlagung von Roms Bündnissystem. Ich weiß nicht wieso ich dazu aufgefordert werde, das noch mal zu beweisen.
Ich habe auch eine Englische Übersetzung von Livius. Dieser hat eine andere Auffassung, schreibt aber dass Hannibal nach der Schlacht von Cannae, seinen Unterhändler Carthalo nach Rom schickte zum Aushandeln von Friedensbedigungen und Einzelheiten zum Austausch oder Auslösen von Kriegsgefangenen. Für stundenlanges Nachlesen und Zitieren aus diesen Werken fehlt mir aber einfach die Zeit.
Zu kontrafaktischen Überlegungen möchte ich noch anmerken, dass wohl jeder Feldherr solche vor einer Schlacht anstellt, sich dann aber für eine Möglichkeit entscheidet, die dann zu geschichtlichen Realität wird. Dennoch gab es noch vor der Schlacht andere Handlungsmöglichkeiten. Es ist legitim darüber zu diskutieren, was die Folgen solcher gewesen wären.
Ich gebe noch ein anderes Beispiel: Die Cunctatorstrategie Roms. Nach der Schlacht am Trasimerischen See wurde sie erstmals von Fabius angewandt. Im Jahre 216 gewannen aber die Befürworter eines aggressiven Vorgehens gegen Hannibal wieder die Oberhand und es kam zu Roms verheerender Niederlage bei Cannae. Roms Senat führte eine Strategiediskussion und die Cunctatorstrategie wurde wieder aufgenommen. Hannibal konnte keine Entscheidungsschlachten mehr schlagen, seine Armee wurde langsam ausgeblutet, die Entscheidung fiel anderswo.
Die Cunctatorstrategie bedeutete aber auch Hannibals Präsenz in Italien über lange Zeit zu dulden, was langfristig katastrophale Folgen für Italiens Infrastruktur hatte.
Nehmen wir nun mal an Rom wäre nach Cannae nicht zur Cunctatorstrategie zurückgekehrt und hätte versucht in einer Serie von offenen Feldschlachten Hannibal aus Italien zu vertreiben.
Ich frage die Gegner kontrafaktischer Überlegungen:
Ist jemand der nun annimmt, dass Hannibal diese Schlachten gegen einen zusammgewürfelten Haufen gewonnen hätte ein Spinner, macht er einfach willkürliche Annahmen oder ist diese Annahme realistisch?
Könnte man dann folgern, dass unter dieser Vorraussetzung Karthago den zweiten punischen Krieg gewonnen hätte, oder ist das einfach Willkür ohne jeden Bezug auf die Realität?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich frage die Gegner kontrafaktischer Überlegungen:
Ist jemand der nun annimmt, dass Hannibal diese Schlachten gegen einen zusammgewürfelten Haufen gewonnen hätte ein Spinner, macht er einfach willkürliche Annahmen oder ist diese Annahme realistisch?

Ich denke, man kann es sich aussuchen. Kann man mit Sicherheit sagen, dass Hannibal weitere Schlachten auch gewonnen hätte? Kann man nicht auch annehmen, dass die Römer sich vielleicht auch lernfähig erwiesen hätten?
Könnte man dann folgern, dass unter dieser Vorraussetzung Karthago den zweiten punischen Krieg gewonnen hätte, oder ist das einfach Willkür ohne jeden Bezug auf die Realität?

Wenn man annimmt, dass (1) Rom immer weiter Schlachten gegen Hannibal geschlagen hätte und (2) dass Hannibal alle diese Schlachten gewonnen hätte, dann ist die Schlussfolgerung vielleicht zwingend, dass Karthago dann den 2. Punischen Krieg gewinnen hätte können.

Da sind aber schon mal zwei Voraussetzungen nötig - und vielleicht noch mehr, denn (3) was machen die Verbündeten Roms? (4) Wie hoch sind die Verluste Hannibals? (5) Kann er sie ersetzen? (6) Kann Hannibal im Erfolgsfall die verschiedenen von Rom abgefallenen Verbündeten bei der Stange halten, die doch oft untereinander verfeindet waren? (7) Überlebt Hannibal persönlich alle Folgeschlachten?

Und selbst wenn wir unter diesen Voraussetzungen zu dem Schluss kommen, dass Hannibal den 2. Punischen Krieg hätte gewinnen können, was haben wir da jetzt gewonnen - als Erkenntnis? Was fangen wir mit dieser Erkenntnis an?
 
Ich besitze 9 Hannibal Biographien u.a. Seibert, Barcelo, Dodge, Du Beer, außerdem Momsen gelesen, besitze Huss die Karthager, die Propyläen Weltgeschichte. Es ist die durchgänginge Auffasssung der Historiker dieser Werke, dass Hannibals Strategie nicht auf die Vernichtung und Eroberung Roms zielte, sondern auf die Zerschlagung von Roms Bündnissystem. Ich weiß nicht wieso ich dazu aufgefordert werde, das noch mal zu beweisen.

Das ist offensichtlich eine Reaktion hierauf:

Hannibal wollte Rom nicht vernichten, das war auch nicht die Absicht Karthagos.

Woher willst du das wissen?

Weißt du, Name Dropping ("Ich besitze 9 Hannibal Biographien u.a. Seibert, Barcelo, Dodge, Du Beer, außerdem Momsen gelesen, besitze Huss die Karthager, die Propyläen Weltgeschichte.") interessiert mich nicht. Mich interessiert die Argumentation!!! Von mir aus kannst du 100 Biographien über Hanniba'al besitzen, die alle dasselbe aussagen. Wichtig ist nicht, dass die Biographien das alle aussagen, sondern woher sie diese Information beziehen. Meines Wissens sind von Hanniba'al keine Selbstaussagen überliefert - und selbst die wären, je nach Adressat, mit Vorsicht zu genießen.
Würde man mal alle Quellenkritik außer acht lassen und die Hanniba'al durch Cornelius Nepos gegenüber dem Seleukiden Antiochos III. in den Mund gelegte Selbstbeschreibung seines Verhältnisses zu Rom als tatsächlich von Hanniba'al rührend annehmen, wäre sogar eine Vernichtungsabsicht Hanniba'als Rom betreffend sehr nahe liegend:
Tempore dato adiit ad regem, eique cum multa de fide sua et odio in Romanos commemorasset, hoc adiunxit: 'pater meus' inquit 'Hamilcar puerulo me, utpote non amplius novem annos nato, in Hispaniam imperator proficiscens Karthagine Iovi optimo maximo hostias immolavit. Quae divina res dum conficiebatur, quaesivit a me vellemne secum in castra proficisci. id cum libenter accepissem atque ab eo petere coepissem ne dubitaret ducere, tum ille "faciam" inquit, "si mihi fidem quam postulo dederis." simul me ad aram adduxit, apud quam sacrificare instituerat, eamque ceteris remotis tenentem iurare iussit numquam me in amicitia cum Romanis fore. Id ego iusiurandum patri datum usque ad hanc aetatem ita conservavi, ut nemini dubium esse debeat, quin reliquo tempore eadem mente sim futurus.​
Übersetzung:
Er ging zu gegebener Zeit zum König und fügte, nachdem er an seine Treue und seinem Hass gegen die Römer erinnert hatte, noch Folgendes hinzu: "Als mein Vater Hamilkar, als ich ein Knabe von nicht mehr als neun Jahren war, im Begriff stand, als Feldherr von Karthago nach Spanien abzugehen, brachte er Iupiter, dem allmächtigen und allgütigen, Opfer dar. Während diese gottesdienstliche Handlung vollzogen wurde, fragte er mich, ob ich mit ihm in das Lager gehen wolle. Da ich dies freudig annahm und ihn zu bitten begann, mich unbedenklich mitzunehmen, erwiderte er: 'Ich will es tun, wenn du mir das Versprechen gibst, das ich fordere.' Zugleich führte er mich an den Altar, an dem das Opfer begonnen war, und ließ mich ihn anfassen, nachdem er die übrigen sich hatte entfernen lassen, und schwören, niemals mit den Römern Freundschaft halten zu wollen. Diesen Eid, den ich meinem Vater gelobt habe, habe ich bis in dieses Alter so treu gehalten, dass niemand zweifeln darf, ich werde auch in Zukunft dieses Geistes sein werde.
(ÜS entspricht weitgehend der hier angebotenen, ich habe nur an einigen Stellen die im Wortlaut recht freie ÜS durch eine texttreuere Wortwahl ersetzt. Im Kern gibt es aber keine Änderung.)
Wie deutlich geworden sein dürfte, bin ich überhaupt nicht geneigt, Cornelius Nepos hier ernst zu nehmen. Dennoch bleibt meine Frage bestehen, woher du wissen willst, was Hanniba'al tatsächlich vorhatte? Entweder du belegst das mit den Quellen (vielleicht ist mir ja der Privatbrief Hannibals an seine Frau in Castulo oder seine Geliebte im iberischen Qart Hadasht an mir vorbeigegangen) oder mit Argumenten Seiberts, Huss', Barcelós etc.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei kontrafaktischen Überlegungen kann man NIE etwas mit Sicherheit sagen, weil es ja historisch nicht stattfand. Man kann aber sagen, dass ein Sieg Hannibals gegen eine römische Armee nach Cannae viel wahrscheinlicher als das Gegenteil ist. Uns ist bekannt, wie arg improvisiert (ua. Sklaven und freigelassene Verbrecher) die römischen Armeen in der Zeit nach Cannae waren. Hannibal verlor in Cannae zwar 6000 Soldaten, war aber in der Lage durch freiwillige aus Italien sogar eine zweite Karthagische Armee in stärke von etwa 20 000 Mann aufzustellen.
Das beantwortet einen Teil Deiner Fragen. Ein "Restrisiko" bleibt bei jeder Wahrscheinlichkeitsannahme.
Was gewinnen wir damit?
Ich persönlich finde es interessant, sich mit solchen Fragen, wie eine Welt nach Karthagos fiktivem Sieg ausgesehen hätte, zu befassen. Andere offenbar nicht.
Ich kann Dir auch nicht sagen, warum ich mich für Geschichte inteessiere, aber nicht für Fussball und warum mich eine Geschichte des Fussballs völlig kalt läßt.
 
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