Kannst du die Argumente von ihm evtl. zusammenfassen?
Jein, ich habe aber in einer Datei noch eine handvoll Zitate, bzw. Exzerpte gefunden, die ich mir mal rausgeschrieben hatte, ich gebe sie mal ungefiltert weiter, kann aber nicht mit Bestimmtheit sagen, ob ich damit Barcelós Fazit auch gerecht werde:
Pedro Barceló:
Karthago und die iberische Halbinsel vor den Barkiden. Studien zur karthagischen Präsenz im westlichen Mittelmeerraum von der Gründung von Ebusus (VII. Jh. v. Chr.) bis zum Übergang Hamilkars nach Spanien (237 v. Chr.). Bonn 1988.
Kapitel II.3 Gades und Karthago
„Die Beziehungen zwischen den phönikischen Niederlassungen im Süden der Iberischen Halbinsel und Karthago
werden nirgends literarisch erwähnt, was unter Umständen ein Hinweis auf ihre verhältnismäßig untergeordnete Bedeutung sein könnte. Einzig das Verhältnis zwischen Gades und Karthago ist in der schriftlichen Überlieferung festgehalten worden. Für die vorbarkdische Zeit sind die Nachrichten knapp und dunkel. Erst ab 237 v. Chr. fließen die literarischen Quellen reichlicher. […] Gades erscheint in dieser Epoche als Ausgangspunkt zahlreicher militärischer Unternehmungen der Karthager. Die Stadt diente zeitweilig als Winterquartier und Brückenkopf der barkidischen Heere. Daraus ergaben sich Spannungen zwischen der Bürgerschaft und dem karthagischen Militär. So führte Gades im Jahr 206 v. Chr. Verhandlungen mit Scipio über die Auslieferung des karthagischen Feldherren Mago samt Besatzung.“ S. 37 f.
„Die archäologischen Spuren einer vorbarkidischen karthagischen Präsenz im Südteil der Iberischen Halbinsel sind
äußerst dürftig. Es lässt sich
nicht nachweisen, dass die Karthager, die im Verlauf des VI. Jh. v. Chr. Aufgegebenen phönikischen Siedlungen an der andalusischen Küste neu besiedelten. Von einer direkten Übernahme des wirtschaftlichen und politischen Erbes der hispanischen Westphöniker kann schwerlich die Rede sein. […] Wie die Analyse des Verhältnisses Gades-Karthago zeigt,
erlauben die dazu vorhandenen Quellenfragmente keinerlei begründete Aussagen darüber, dass Karthago eine Art Oberherrschaft über die hispanischen Phönikersiedlungen errichtet hätte. Im Gegensatz zu den Behauptungen der modernen Forschung
wird dies in den antiken Quellen nirgends gesagt oder auch nur angedeutet.“ S. 42
Kapitel III.1 Tartessos und Karthago
„Ab dem Ende des VI. Jh. v. Chr sollen schließlich die Karthager eine maßgebliche Rolle im südhispanischen Raum gespielt haben. Diesbezüglich erschloss die Forschung folgenden Ereignisablauf:
Die karthagische Metropole als neue westsemitische Hegemonialmacht soll nach dem Zerfall der tyrischen Mutterstadt zur Schirmherrin sämtlicher phönikischer Siedlungen des Westens aufgesteigen sein. In dieser Eigenschaft versuchten die Karthager durch die Absperrung der Meerenge von Gibraltar jede fremde Konkurrenz, besonders die der griechischen Seefahrer, vom südhispanischen Markt auszuschalten, um damit ihre Monopolstellung in der Region zu begründen. Doch damit nicht genug; weiterhin sollen die Karthager Tarschisch erobert und zerstört haben...
Diese und ähnliche Erklärungsversuche begegnen uns bis auf einige Ausnahmen in der einschlägigen althistorischen Literatur zum Thema Tartessos. Setzt man aber die wenigen zum Problemfeld vorhanden Quellen zu den daraus gezogenen Schlussfolgerungen in Beziehung, so wird bald ersichtlich, dass die meisten
reine Annahmen ohne zwingende Quellenbelege erfolgten, also als reine Vermutungen einzuschätzen sind, die einen geringen Wahrscheinlichkeitsgrad besitzen.“ (S. 46)
Kapitel III.1 Tartessisch-karthagische Kontakte
„Literarische Zeugnisse, aus denen sich unmittelbar oder nur als Reflex irgendwelche Beziehungen der Karthager zu Tartessos ablesen lassen,
gibt es nicht. Da aber das Vorhandensein der alten phönikischen Siedlungen an der andalusischen Küste sowie die späteren griechischen Fahrten nach Tartessos in unseren schriftlichen Quellen vermerkt werden,
wäre das völlige Verschweigen eines möglichen karthagischen Engagements im südhispanischen Raum erstaunlich und unerklärlich.“ (S. 47)
„Über Kontakte zwischen Phokäern und Tartessos berichtet Herodot ausgiebig, […] Die neuesten Funde hochwertiger griechischer Ware in Huelva, die eine beachtenswerte Handelstätigkeit von Beginn bis zum letzten Drittel des VI. Jahrhunderts belegen... [die dazugehörige Fußnote ergänzt:] Dieser bricht während der letzten Dekade des VI., Jh. v. Chr. Ab, und es dauert fast ein volles Jahrhundert, bis etwa zu Beginn des IV. Jh. wieder griechische Importware in Huleva in großen Mengen auftaucht.“ (S. 50 s.a. FN 25)
Kapitel III.3 Die karthagische Meerengenpolitik
In Bezug auf die Eratosthenesstelle:
„Im Grunde genommen zeigt der uns hier besonders interessierende Passus primär doch nur, dass sich die Karthager, wie die meisten ihrer umliegenden Nachbarn auch, gegen fremde, unerwünschte Konkurrenz zur Wehr setzten und dabei sicherlich energisch vorgingen. Dass man aber - wohl aus der Nennung der Säulen des Herakles – eine Absperrung der Meerenge für die gesamte Navigation deuten kann, vermag man kaum einzusehen. Dazu lässt der vorliegende Text eine ganze Reihe von Fragen offen, die sich nicht so einfach beantworten lassen. Wie soll man etwa die ebenfalls vorkommende Nennung Sardiniens interpretieren? […] Die bisherige Skepsis wird nicht geringer angesichts der unscharfen chronologischen Konturen, die der fraglichen Episode zugrunde liegen. Auf welche Zeit bezieht sich die Notiz? […] der historische Kern der Nachricht könnte auf eine Situation gemünzt sein, die erst zu Eratosthenes Zeiten passt.“ (S. 58 f.)
„Die Strabo/Eratosthenes-Stelle ergibt erst einen Sinn, wenn man sie im Zusammenhang mit dem 2. römisch-karthagischen Vertrag von 348 v. Chr. Sieht.“ (S. 61) Hier kann ich Barceló nicht zustimmen, da der Vertrag ein Freundschaftsvertrag war, die Versenkung der Schiffe feindlicher Mächte aber selbst bei Vertragsbruch einer Seite kein zu erwartendes Verhalten ist.
„Dass dieses entschiedene karthagische Vorgehen der Grund für eine Nachrichtensperre aus dem Westen gewesen sein soll – wie Strabo andeutet -, klingt ganz unglaubwürdig angesichts der
grundsätzlichen Zugänglichkeit der hispanischen Küsten für die meisten Mächte dieser Zeit. Die Frage drängt sich auf, welches Ziel denn Karthago mit der Absperrung der Straße von Gibraltar verfolgt haben soll.“ (S. 60)
„Die bisherigen Beobachtungen haben gezeigt, dass es
keine Anhaltspunkte für eine militärische Intervention der Karthager im südhispanischen Raum gibt. Der Gedanke einer Eroberung und Zerstörung von Tartessos durch die Karthager ist daher ganz abwegig.“ (S. 61)
„Was unsere zweite Frage betraf, so lässt sich die vielfach beschworene Absperrung der Straße von Gibraltar durch die Karthager
weder aus den verfügbaren Quellen nachweisen,
noch scheint sie im Hinblick auf die im Tartessosgebiet vorherrschenden Verhältnisse
sinnvoll und nötig gewesen sein;
abgesehen von der schieren Unmöglichkeit eine solche Blockade technisch wirksam durchzuführen.“
- Die fragwürdige erste karthagische Okkupation Hispaniens um 500 v. Chr.
„In Anlehnung an [ältere] Arbeiten gingen A. Schulten und die meisten Forscher nach ihm von der Annahme aus, dass die Karthager nach der Schlacht von Alalia […] eine direkte Herrschaft über die Iberische Halbinsel errichtet hätten. […] Diese erste Inbesitznahme Hispaniens durch die Karthager setzten die Befürworter der These um 500 v. Chr, an; das Datum stand für sie in Zusammenhang mit der ab dieser Zeit angeblich nicht mehr feststellbaren Erwähnung der Stadt Tartessos in den antiken Quellen. Daraus wurde geschlossen, dass Tartessos damals von den Karthagern dem Erdboden gleichgemacht wurde. Diese Einschätzung der historischen Rahmenbedingungen mit all ihren Konsequenzen blieb erstaunlich stabil und bis heute maßgeblich, da die spätere Forschung das von a. Schulten entworfene Bild entweder guthieß, unbesehen übernahm oder aber höchstens marginale Korrekturen daran vornahm.“ (S. 63 f.)
- Karthago und die iberische Halbinsel im ersten römisch-karthagischen Vertrag
„vornehmlich die römische Optik der Ereignisse“ drückt sich im Begriff 1. oder 2. Karthagervertrag aus, obwohl „gerade zum Zeitpunkt der ersten beiden römisch-karthagischen Verträge Rom der bei weitem unwichtigere Vertragspartner einer zur damaligen zeit bedeutenden Großmacht, nämlich der Stadt Karthago war.“ S. 86) „[…] so muss überraschen, dass sich die moderne Forschung […] kaum davon freizumachen vermochte“ (S. 86 f.)
Zum 1. Vertrag:
„Weder in der Vertragsurkunde, noch in den von Polybios anschließend angestellten Überlegungen gibt es erkennbare Hinweise dafür, dass Hispanien in irgendeiner Form als Kontext zu den aus dem Vertragstext ersichtlichen territorialen Einteilungen angenommen werden kann.“ (S. 87)
„Ein wesentliches kriterium für die geopolitische Einordnung der Iberischen Halbinsel ergibt sich allerdings aus der in der Forschung kontrovers beurteilten Zuordnung der im Vertrag erwähnten karthagischen Sperrzone. Zwar hat die althistorische Forschung […] mehrheitlich die Bestimmung 'nicht über das Schöne Vorgebirge hinaus zu fahren' so ausgelegt, dass damit sämtliche westlich Karthago gelegene Küstengebiete gemeint seien, was in Bezug auf Hispanien einer eindeutigen Festlegung des Landes innerhalb der karthagischen Einflusssphäre gleichkäme, aber diese Interpretation ist alles andere als überzeugend. Zusätzlich zu dem […] Versuch Chr. Mareks, das Schöne Vorgebirge einschließlich der Sperrzone östlich von Karthago zu lokalisieren, gibt es einige weitere Stützen für diese Ansicht.“ (S. 87/88)
Verständnis des Terminus [FONT=Times New Roman, serif]Λιβύη[/FONT][FONT=Times New Roman, serif]?[/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Den […] naheliegenden Gedanken, dass [/FONT][FONT=Times New Roman, serif]Λιβύη hier für Afrika steht [den gesamten Erdteil einschließend] zweifeklt R. Werner mit dem Argument an, damit werde 'eine Besonderheit der karthagischen Politik unberücksichtigt gelassen, nämlich das Bestreben, alle Seefahrer vom westlichen Teil des Mittelmeeres fernzuhalten'.“ (S. 88)[/FONT]
„Außerdem fragt man sich, ob eine solche Annahme wahrscheinlich ist und welche Quellenbelege es dafür gibt.
Dazu ist zu sagen, dass die Vorstellung einer Monopolisierung des westlichen Mittelmeeres durch die Karthager – unter Ausschluss der Griechen – und die damit verbundene Politik der Sperrung der Meerengen zwar in der einschlägigen modernen Literatur anklingt, nicht aber in unseren Quellen...“ (S. 89).
zweiter römisch-karthagischer Vertrag 348 v. Chr.: jenseits von Mastia Tarseios (vermutl. im Großraum Cartagena) für fremde Schifffahrt unzugänglich. (S. 92) „trotz“ der Abwesenheit karthagischer Herrschaftsstrukturen „beinhaltet der Vertrag einen deutlichen karthagischen Anspruch“ (S. 93)
„Diese Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass nicht jeder Prohibitivklausel über ein bestimmtes Land dessen direkte karthagische Beherrschung vorangehen musste, sondern ein besonders begründetes Interesse Karthagos, das durch seine jeweiligen Vertragspartner anerkannt wurde, zur Formulierung einer entsprechenden Klausel ausreichte.“ (S. 93) „Im ersten römisch-karthagischen Vertrag lässt sich aber nichts davon für die iberischen Halbinsel feststellen.“ (Ebd.)
„Von einer ähnlichen Beanspruchung Hispaniens oder Teilen davon ist im Vertrag […] keine Rede und das muss verwundern, wenn man die Wichtigkeit des hispanischen Marktes oder gar die strategisch wichtige Stellung des Landes als Brücke zwischen Europa und Afrika bzw. als Nadelöhr zwischen Mittelmeer und Atlantik in Rechnung stellt.“ (S. 93)
„Obwohl es auf hispanischem Boden auch […] alte phönikische Niederlassungen gab […] so wird Hispanien – aus der Optik des Vertrages gesehen – von Karthago offenbar nicht ins engere Blickfeld seiner künftigen Politik gerückt.“ (S. 93)
G. López Monteagudo,
Panorama actual de la colonización semita en la Península Ibérica, In
Rivista di Studi Fenici 5, 1977, S. 195 – 204, kommt ganz ohne eine Erwähnung Karthagos aus – behauptet Barceló, S. 95.
„Das in der Forschung vermutete aggressive Vorgehen der Karthager gegen massaliotische Pflanzstädte an den hispanischen Küsten (etwa Mainake oder Hermeroskopeion) ist schon deswegen als gegenstandslos zu betrachten, weil die betreffenden Siedlungen bislang nicht als griechische Kolonien nachgewiesen werden konnten.“ (S. 114)
„Die Niederlassung von Los Nietos an der Grenze des tartessisch-iberischen Siedlungsgebietes, wo nebeneinander griechische und karthagische Händler direkt mit den einheimischen Produzenten verkehrten, könnte las ein Beispiel für viele andere gelten. Ähnliches lässt sich für Ampurias […] feststellen.“ S. 114.
„Sicher ist dabei, dass die Rolle Karthagos auf der Iberischen Halbinsel stets überschätzt oder überbewertet worden ist. Bisher vertretene Meinungen über eine ab der Mitte des VII. Jhs. v. Chr. einsetzende karthagische Kolonisation von Ebusus oder eine gegen Ende des VI. Jhs. v. Chr. erfolgte Eroberung weiter Teile Hispaniens sowie die These einer karthagischen Blockade der Straße von Gibraltar lassen sich ebenso wenig halten wie die angenommene Militanz der Karthager gegenüber griechischen bzw. iberischen Siedlungen an der hispanischen Ostküste.“ (S. 144)