Kriegszustimmung der SPD 1914: Später Erfolg Bismarcks?

Da wurde mit allen Tricks gearbeitet, um die Sozis klein zu halten.

Mit "Tricks" hat das nichts zu tun, hier handelt es sich lediglich um eine bekannte "Schwäche" des Mehrheitswahlrechts, indem Wahlkreise nicht angepaßt wurden. In GB (was ja gern als so demokratisch dargestellt wird) ist diese Problematik m.W. noch heute aktuell. :fs:
 
@Silesia:
Verstehe ich Simon richtig, dass die Zustimmung zum Krieg nun hinsichtlich einer vermuteten Kontinuität seit einem früheren Richtungswechsel hinterfragt werden soll?
Da verstehst du mich richtig, ja.
Allerdings schliest das ja auch die Frage nach den Ursachen des früheren Richtungswechsel mit ein, womit ich wieder bei Bismarks politik wäre^^


Was das Zentrum und die Frage nach der Volkspartei angeht, entwickelte diese sich meiner einschätzung nach erst nach dem 2.WK zu einer Volkspartei, als bürgerlich liberale und konservative Klein- und Kleinstparteien verschwanden und aus dem Zentrum die Union wurde.
 
Was das Zentrum und die Frage nach der Volkspartei angeht, entwickelte diese sich meiner einschätzung nach erst nach dem 2.WK zu einer Volkspartei, als bürgerlich liberale und konservative Klein- und Kleinstparteien verschwanden und aus dem Zentrum die Union wurde.

Die Union mag zwar aus Resten des Zentrums hervorgegangen sein, aber sie war immer überkonfessionell, nicht dezidiert katholisch.
 
Da verstehst du mich richtig, ja.
Allerdings schliest das ja auch die Frage nach den Ursachen des früheren Richtungswechsel mit ein, womit ich wieder bei Bismarks politik wäre^^

In dieser Logik wäre demnach die Zustimmung zum Krieg im früheren Richtungswechsel begründet (welchen Du wiederum auf Bismarck zurückführst)?
 
In dieser Logik [von Simon] wäre demnach die Zustimmung zum Krieg im früheren Richtungswechsel begründet (welchen Du wiederum auf Bismarck zurückführst)?

Da ist sicher etwas Wahres daran, wiewohl ich skeptisch bin, inwieweit Bismarck noch nachwirkte. Es gab in den 1900er Jahren starke Richtungskämpfe in der Sozialdemokratie (siehe Namen wie Bernstein, Kautsky usw.), die Dieter Groh in "Negative Integration und revolutionärer Attentismus: Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkriegs" (1973) sehr ausführlich - grade für die letzten Jahre - beschrieben hat.

Ich habe die beinahe 800 Seiten vor langen Jahren gelesen und will nicht endlos zitieren. Deshalb nur ein kurzer Hinweis auf die "Ursachen für den Motivationsüberschuß [sic!] der Sozialdemokratie bei Kriegsausbruch", die Groh (S. 718 ff.) resümierend unter folgende Überschriften fasst:
- Glaube an den Verteidigungskrieg (mit Rußlandfeindschaft usw.)
- Organisationspatriotismus
- Augusterlebnis

Die politische Führung des Reiches, insbesondere Bethmann-Hollweg, hat es Groh zufolge (S. 577-675) auch sehr geschickt verstanden, die SPD-Führung "hineinzuziehen", so dass dann in der finalen Debatte am 3.8.1914 Parteirechte und -mitte sich klar durchsetzten.
 
Deshalb nur ein kurzer Hinweis auf die "Ursachen für den Motivationsüberschuß [sic!] der Sozialdemokratie bei Kriegsausbruch", die Groh (S. 718 ff.) resümierend unter folgende Überschriften fasst:

Nimmt man noch die eher taktischen Überlegungen von David dazu, wird es nachvollziehbare Realpolitik, die die Haltung des rechten Flügels erklärt:

"Wie andere führende Sozialdemokraten aus Süddeutschland auch erstrebte David eine systematische Bündnispolitik mit gemäßigten Parteien und Gruppen des Bürgertums zur Durchsetzung von demokratischen und sozialen Forderungen. Diese Position wurde parteioffiziell bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs abgelehnt."
http://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_David

jschmidts Darstellung der Richtungskämpfe habe ich ebenso in Erinnerung, aus diversen Dissertationen, die dann in der Schriftenreihe Friedrich-Ebert-Stiftung zu diesen Jahren verlegt worden sind. An Bismarcks "Einfluss" würde ich eher zweifeln.
 
@jschmidt:
Danke für den Buch tipp.

aber nochmals:
Um auf die von dir genannten drei punkte(Verteidigungskrieg,Orga.patriotismus,Augusterlebnis) anzuspringen, hat es im Vorfeld tatsächlich Veränderungen in der SPD bedurft(siehe den vergleich zu den Grünen und den Kosovokrieg). Diese Veränderungen zeigten sich in den Richtungskämpfen um Bernstein, Kautsky etc.
Dass aber eben der revormistische Flügel "gewann" leite ich auf Bismarks Politik zurück.
 
Dass aber eben der revormistische Flügel "gewann" leite ich auf Bismarks Politik zurück.
Das sollte aber dann ein wenig mehr untermauert werden!
Schon die Ausgangsthese, Bismarcks Sozialgesetzgebung wäre ein "Integrationsangebot" an die damalige SAP gewesen, halte ich für nicht stichhaltig; ebensowenig kann ich mir (noch) unter dem vermuteten Einfluss Bismarcks auf Bernstein und dessen ab 1896 geführte Revisionismusdebatte vorstellen.
 
Gerade die Sozialgesetzgebung als Integration halte ich durchaus für logisch nachvollziehbar. Ich weis nicht ob das explizit Bismarks absicht war. Aber die Sozialgestze wirkte doch eindeutig auf moderate Kräfte in der Arbeitschaft, die sich mit dem staat arangieren konnten und stärkten diese.
Dass sich das erst etwas zeitlich versetzt bemerkbar machte, liegt ja in der Natur der Sache, dass solche vorgänge nicht von heut auf morgen gehen
 
Man sollte bezüglich der Sozialgesetzgebung zwischen Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung (speziell SPD) differenzieren.
 
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