Lager der Römer in Thüringen

Mein Problem mit der 22km-Hypothese ist, außer den vielen Gleichsetzungen heutiger Orte mit römischen Orten, das, dass hier nachgeweisene römische Anwesenheit jeglicher Form in das System gepresst wird. Eine Villa rustica ist eben eine Villa rustica und keine militärische Einrichtung, auch eine mansio im Sinne einer Einrichtung an einer Straße wäre niemals in der Lage gewesen, eine Legion irgendwie aufzunehmen oder zu versorgen.

Einen Hinweis, dass man seine Villa rustica nicht an einer Militärstraße anlegen solle, kenne ich nicht. Ich kenne lediglich den Hinweis, dass die Villa rustica nahe einer Stadt als Absatzmarkt liegen solle, da ansonsten die Transportkosten die Gewinne überstiegen.

Und zu guter letzt haben wir ja überlieferte Itinerarien, die alle KEIN System erkennen lassen. Und auch auf der Tabula Peutingeriana finden wir ja Entfernungsangaben zwischen verschiedenen Stationen, die wiederum voneinander abweichen.

Das Itinierarium Gaditanum als Nachzeichnung oder Abklatsch und das Itinerarium Antoninum in einer mittelalterlichen Handschrift auf Pergament:
 

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Es bleibt eine Hypothese, vielleicht sogar eher ein Sandkastenspiel?

Man muss hat schauen, ob sich die Hypothese bewährt, auch wenn sie nicht beweisbar scheint.

Danke für Deine Ausführungen zu den Villae. Wie aber passen die bekannten selbstversorgenden militärischen Straßenstationen in dieses Bild?


Aber bei Großkorbetha klingelt es sofort.
Cirka 1km nördlich liegt die sog. Suumeburg Wengelsdorf.
Grundriß exakt wie das späte kleinere Römerlager Eining, das in das größere frühe Lager hineingebaut wurde. Auffälligste Übereinstimmung ist das Clavicula-Tor. Dieses Lager ist von der Bauweise zeitlich eher in den Harzhornhorizont einzuordnen.

Das ist ja hochinteressant! Danke für die Information, das war mir unbekannt. Leider funktioniert Dein Luftbildlink nicht.



Mein Problem mit der 22km-Hypothese ist, außer den vielen Gleichsetzungen heutiger Orte mit römischen Orten, das, dass hier nachgeweisene römische Anwesenheit jeglicher Form in das System gepresst wird. Eine Villa rustica ist eben eine Villa rustica und keine militärische Einrichtung, auch eine mansio im Sinne einer Einrichtung an einer Straße wäre niemals in der Lage gewesen, eine Legion irgendwie aufzunehmen oder zu versorgen.

Du siehst das zu strikt. Die Archäologen räumen ja ein, dass die Ansprache eines Mauerrestes oft schwierig ist - wo ist der Unterschied zwischen einer Villa mit angeschlossener Gastronomie und Hotellerie und einer selbstversorgenden Mansio?

Die Versorgung einer in der Nähe lagernden Legion für eine Nacht sehe ich nicht als Problem. Rechnen wir mal, pro Mann setze ich an:
200 g Gerste, 200 g Dinkelmehl, 40 g Öl oder Schmalz, 10 g Trockenfleisch, 5 g Garum - macht bei 5000 Mann also 1 t Gerste, 1 t Mehl, 200 kg Fett, 50 kg Trockenfleisch, 25 kg Garum. Da die Legion sicher nicht unangemeldet erscheint, sollte das durchaus machbar sein, für die Aufbewahrung reicht ein kleiner Schuppen.

Und zu guter letzt haben wir ja überlieferte Itinerarien, die alle KEIN System erkennen lassen.

Die Itenarien geben Entfernungen zwischen Städten an, nicht zwischen Mansiones und Villae. Die Städte existierten zudem oft schon vor dem Straßenausbau durch die Römer.

Und auch auf der Tabula Peutingeriana finden wir ja Entfernungsangaben zwischen verschiedenen Stationen, die wiederum voneinander abweichen.

Bitte, in der Peutingertafel stimmt kaum ein Wert. Entweder die Vorlage befand sich in sehr schlechtem Erhaltungszustand oder der Kopist war betrunken.

Das Itinierarium Gaditanum als Nachzeichnung oder Abklatsch und das Itinerarium Antoninum in einer mittelalterlichen Handschrift auf Pergament:

Danke, dazu später mehr.
 
Das mit den 22 km ist ja ganz toll, und scheint ja auch weltweit als Tagesmarsch zu stimmen.
Es hilft nur dann nicht, wenn man nicht weiß, in welcher Richtung die Straße verläuft.
Wir wissen 3 Dinge:
Die Römer zogen gern gerade aus , auch über "Hindernisse" hinweg
Es gab "Straßen/Fernstraßen" schon vor den Römern, die allerdings um Hindernisse herum führten.
Flüsse waren bevorzugte Transportwege.

Die Frage bei allem bleibt:
Wo nahmen die Römer eine "Abkürzung"? Wo folgten sie den älteren Handelswegen? Von wo nach wo nutzten sie den Wasserweg? Wobei natürlich die Anlegestellen auch so ~ dem 22 km Muster folgen, wenn denn getreidelt wurde. Nur fehlen dann die Flußverläufe zur entsprechenden Zeit
 
Man muss hat schauen, ob sich die Hypothese bewährt, auch wenn sie nicht beweisbar scheint.
Klar lässt sie sich beweisen: Durch entsprechende archäologische Funde. Eine andere Möglichkeit fällt mir da nicht ein.

Und wenn ich mir die da in den letzten Tagen präsentierten Orte anschaue, die sich ja vor allem dadurch auszeichnen, dass sie in der richtigen Entfernung zueinander liegen und weniger dadurch, dass an allen römische Funde vorhanden sind, dann scheint dies im Augenblick eher gegen die Hypothese zu sprechen.
 
Die Route von Cádiz nach Córdoba nach dem Itinerarium Gaditanum:

Bist Du Dir sicher, dass die moderne Autobahn auch nur halbwegs auf der römischen Trasse verläuft? Aber schaun wir mal:

Für die erste Etappe von Cadiz nach Mesas de Asta messe ich jedenfalls 45 km, also 20 Leugen bzw. 30 Meilen.

22,2 km weiter befinden wir uns genau querab Lebrija an der Straßenkreuzung.

44 km weiter befinde ich mich genau im Zentrum von Utrera.
 
Du wirst lachen, Hüfingen passt ins System,

Nicht wirklich, denn es zeigt sich gerade am Beispiel Tengen sehr schön, dass es nicht sinnvoll ist, moderne Orte als Zielpunkt zu wählen.

Denn der römische Gutshof von Tengen (übrigens eine sehr interessante Anlage!) liegt deutlich außerhalb der Ortschaft Tengen, die deine ca. 22 km vom vorigen Punkt entfernt liegt.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/20/Karte_Römischer_Gutshof_Büßlingen.png

Schlatt - Tengen/Büßlingen: ca. 18,1 km Der Gutshof liegt etwas östlich vom hier angegebenen Zielpunkt, aber das dürfte bei der Strecke keinen wesentlichen Unterschied machen.

Daraus wird dann nach Hüfingen: ca. 25,3 km

Es passt also nicht wirklich.

Wobei aber bei Hüfingen genau das gleiche Problem besteht wie bei Tengen. Das Römerlager liegt nicht am angezeigten Endpunkt der Karte, sondern ca. 1 km entfernt.

Daher also ein weiterer Kritikpunkt - wie aber gestern schon erwähnt - dass es doch fragwürdig ist, die Entfernungen anhand der modernen Orte zu wählen, da sich die nachgewiesenen römischen Fundstätten doch oft in gewisser Entfernung zu den Endpunkten befinden, die google-maps so angibt.
 
Bist Du Dir sicher, dass die moderne Autobahn auch nur halbwegs auf der römischen Trasse verläuft?

Bist du dir sicher, dass die Wege, die google-maps findet, auch nur halbwegs auf den römischen Trassen verlaufen?

Gerade bei deiner Südbaden-Tour von Augst nach Norden weichst du gerade was Wasenweiler angeht, deutlich von der nachgewiesenen Trasse deutlich ab. Denn hier verläuft die Römerstraße ziemlich genau dort, wo heute die B3 ist. Und da ist Wasenweiler weit entfernt davon!

Wasenweiler zeichnete sich ja vor allem dadurch aus, dass der Ort in der richtigen Entfernung zu Heitersheim liegt. Was zur Folge hat, dass der nachgewiesene Römerstandort Riegel nicht ins System passt, obwohl dies auch dazu noch ein Ort von besonderer strategischer Bedeutung war - engste Stelle zwischen Schwarzwald und Kaiserstuhl.

Wohl unter Claudius wie unter Vespasian wurde die strategische Bedeutung des Ortes erkannt. Aber die Römer unter Augustus sollen da vorbeimarschiert sein? Weil man ja noch die 22 km bis Kenzingen voll machen musste?
 
Nicht wirklich, denn es zeigt sich gerade am Beispiel Tengen sehr schön, dass es nicht sinnvoll ist, moderne Orte als Zielpunkt zu wählen.

Denn der römische Gutshof von Tengen (übrigens eine sehr interessante Anlage!) liegt deutlich außerhalb der Ortschaft Tengen, die deine ca. 22 km vom vorigen Punkt entfernt liegt.
[...]

Daher also ein weiterer Kritikpunkt - wie aber gestern schon erwähnt - dass es doch fragwürdig ist, die Entfernungen anhand der modernen Orte zu wählen, da sich die nachgewiesenen römischen Fundstätten doch oft in gewisser Entfernung zu den Endpunkten befinden, die google-maps so angibt.

Ein wenig unfair ist das jetzt schon, da ich das gestern nur auf die Schnelle gemacht hatte, ohne im Einzelnen genau zu recherchieren.

Normalerweise benutze ich natürlich die Koordinaten bekannter Fundstätten, jedenfalls soweit ich sie ermitteln kann.

Als Arbeitshypothese halte ich die Punkte im 9/10-Leugen-Raster für ursprünglich militärische Straßenstationen, die im Laufe der Zeit unterschiedliche Entwicklungen durchlaufen haben. An manchen entstanden Kastelle, insbesondere in Limesnähe, manche wurden Vici, andere Villae, Mansiones und Mutationes, wobei die Übergänge hier sehr fließend erscheinen.

Viel eher als aus einem einmal genutzten und dann zerstörten Marschlager entsteht aus einer Straßenstation eine zivile Marktsiedlung, und das besonders dort, wo es bislang noch keine Städte gibt, womit wir dann wieder in Germanien wären.
 
Ein wenig unfair ist das jetzt schon, da ich das gestern nur auf die Schnelle gemacht hatte, ohne im Einzelnen genau zu recherchieren.

Es ist nicht ersichtlich gewesen, wie viel Recherche hinter deinem Beitrag stand. Es fiel mir nur auf, weil ich mich in der Gegend dummerweise ein wenig auskenne und die meisten römischen Fundstellen der Region auch aus eigener Anschauung kenne. Daher fiel mir das einfach schnell auf.
Normalerweise benutze ich natürlich die Koordinaten bekannter Fundstätten, jedenfalls soweit ich sie ermitteln kann.

Das wäre auf jeden Fall sinnvoll, ja. Deswegen ja die Hinweise auf Orte, wo es offenbar nicht passt.
Als Arbeitshypothese halte ich die Punkte im 9/10-Leugen-Raster für ursprünglich militärische Straßenstationen, die im Laufe der Zeit unterschiedliche Entwicklungen durchlaufen haben.

Was sich über entsprechende archäologische Funde belegen lassen könnte. Aber wie auch gestern geschrieben, haben deine Orte, die im richtigen Abstand zueinander liegen, offenbar nur zu ca. 50% entsprechende Funde oder Fundstätten zu bieten.

Was Anlass geben könnte, die Arbeitshypothese doch zu überdenken.
 
Bist du dir sicher, dass die Wege, die google-maps findet, auch nur halbwegs auf den römischen Trassen verlaufen?

Gerade bei deiner Südbaden-Tour von Augst nach Norden weichst du gerade was Wasenweiler angeht, deutlich von der nachgewiesenen Trasse deutlich ab. Denn hier verläuft die Römerstraße ziemlich genau dort, wo heute die B3 ist. Und da ist Wasenweiler weit entfernt davon!

Wasenweiler zeichnete sich ja vor allem dadurch aus, dass der Ort in der richtigen Entfernung zu Heitersheim liegt. Was zur Folge hat, dass der nachgewiesene Römerstandort Riegel nicht ins System passt, obwohl dies auch dazu noch ein Ort von besonderer strategischer Bedeutung war - engste Stelle zwischen Schwarzwald und Kaiserstuhl.

Gestern hatte ich Dir doch schon Recht gegeben und Wasenweiler hinaus geworfen. Gottenheim ist jetzt drin.

Und ich weiß nicht wo Dein Problem mit Riegel ist, liegt es doch genau an der Straße von Gottenheim nach Kenzingen. Es wurde nicht jede römische Einrichtung direkt an einer Straßenstation gebaut ;)

Wohl unter Claudius wie unter Vespasian wurde die strategische Bedeutung des Ortes erkannt. Aber die Römer unter Augustus sollen da vorbeimarschiert sein? Weil man ja noch die 22 km bis Kenzingen voll machen musste?

Wie kommst Du jetzt auf Augustus? Dessen Truppen marschierten linksrheinisch.
 
Es fiel mir nur auf, weil ich mich in der Gegend dummerweise ein wenig auskenne und die meisten römischen Fundstellen der Region auch aus eigener Anschauung kenne. Daher fiel mir das einfach schnell auf.
[...]
Deswegen ja die Hinweise auf Orte, wo es offenbar nicht passt.

Wofür ich sehr dankbar bin. Darum veröffentliche ich hier ja alle meine Daten.

Was sich über entsprechende archäologische Funde belegen lassen könnte. Aber wie auch gestern geschrieben, haben deine Orte, die im richtigen Abstand zueinander liegen, offenbar nur zu ca. 50% entsprechende Funde oder Fundstätten zu bieten.

Was Anlass geben könnte, die Arbeitshypothese doch zu überdenken.

Nun, in der Schweiz ergeben sich wesentlich höhere Trefferquoten wie ich oben gezeigt habe, und in Frankreich sieht es ähnlich aus.
 
Aber nicht in der richtigen Entfernung.

Warum sollten die Römer nicht wenige Kilometer neben einer Straßenstation ein Kastell gebaut haben?

Und auch in Gottenheim fehlen meines Wissens römische Funde.

Die fehlen auch in Kneblinghausen. ;)

Der Name Gottenheim ist ganz interessant, besonders, da es einen ähnlichen Namen an der selbigen Straße gibt, nämlich Götzenhain.

Offenbar haben die germanischen Einwanderer an beiden Orten 'Gotten' bzw. Götzen vorgefunden, also sehr wahrscheinlich römische Götterstatuen oder -statuetten.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Wilfried

Es gilt die Grundregel: Je gebirgiger, desto sicherer lassen sich die alten Wege finden, wie das absolut perfekte Beispiel aus dem Berner Oberland zeigt.

Von wo nach wo nutzten sie den Wasserweg? Wobei natürlich die Anlegestellen auch so ~ dem 22 km Muster folgen, wenn denn getreidelt wurde. Nur fehlen dann die Flußverläufe zur entsprechenden Zeit

Hier habe ich zum Beispiel zwei schöne Anlegestellen an der Werra oberhalb von Hedemünden mit perfektem Anschluss an die oben beschriebene Wegstrecke von Frankfurt nach Erfurt:
____

Wanfried

22,3 km

Mihla

20,0 km

Kahlenberg
____
 
Zuletzt bearbeitet:
Warum sollten die Römer nicht wenige Kilometer neben einer Straßenstation ein Kastell gebaut haben?

Wenn es an deinen Orten nur Straßenstationen gegeben hätte.

Es bleibt eben dabei, dass du nur eine Trefferquote von ca. 50% hast.

Man könnte dies zum Anlass nehmen die Hypothese zu überdenken.

Bislang zeigst du eigentlich nur, dass sich bei google-maps Orte finden lassen, die ca. 22 km voneinander entfernt liegen, von denen manche netterweise römische Funde oder Fundstellen besitzen.

Und da sich an vielen Orten mit römschen Fundstellen diese deutlich außerhalb der modernen Orte befinden, ist es ziemlich fragwürdig, ob Entfernungen zwischen heutigen Orten irgendeine Beweiskraft besitzen können.

Lange Rede, viele Beiträge, kurzer Sinn: Mich überzeugen archäologische Funde mehr als solche Zahlenspielchen anhand von google-maps.
 
Alternative Route:

Erfurt - Straußfurt: 23,8 km

Straußfurt - Gorsleben: 22 km

Gorsleben - Mönchpfiffel/Nickolausrieth: 21,4 km

Mönchpfiffel/Nickolausrieth - Obhausen: 22,4 km

Obhausen - Angersdorf (westliches Saale-Ufer): 21 km

So, und nun? Weitere Routen lassen sich sich auch noch finden. Und nein, ich suche jetzt keine nach Hedemünden.
 
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