@Shinigami bezweifelt (auch bei anderer Gelegenheit) eine maßgebende imperialistische Neigung des DR. Er bleibt, wie stets, eine seine Ansicht stützende Quellen schuldig.
Und dürfte ich mal fragen, wo genau er diese Neigung bezweifelt?
Ich habe lediglich zum Ausdruck gebracht, dass ich der Meinung bin, dass es für den Status der Meerengen an und für sich keinen Unterschied machte, ob diese nun unter einer wie auch immer gearteten direkten oder indirekten deutschen Kontrolle standen, da im Kriegsfall Russland sich ohnehin auf Grund seiner wohlbekannten Ambitionen sich niemals auf das Wohlwollen des Osmanischen Reiches verlassen konnte und im Falle eines großen Krieges mit den
Zentralmächten ohnehin auch zunächst andere militärische Prioritäten haben musste.
Sicherlich war das Gebaren des DR an dieser Stelle ein imperialistisches. Die Frage ist nur, was dass denn tatsächlich änderte.
Politisch befand sich dadurch, dass Russland stets ein Auge auf die Meerengen hatte das OR mehr oder minder zwangsläufig in Opposition zu Russland und damit auch zur Entente, sofern diese bereit war Machtverschiebungen zu Gunsten Russlands auf dem Balkan und in der Schwarzmeer-Region auf Kosten des OR hinzunehmen.
Insofern stellt das politische Handeln Deutschlands in dieser Hinsicht nicht einmal einen entscheidenden Beitrag zur Veränderung der äußeren Politik des OR dar, sondern man griff lediglich das ab, was einem auf Grund der gegebenen Konstellation und der Bedrohungslage des OR durch Russland in der Tendenz ohnehin vorgegeben war.
Wenn du dafür Quellen einforderst, würde ich mit dem gleichen Recht gerne mal deinen Quellen dafür sehen, dass ein deutsches Kommande über die Meerengen maßgeblich dafür war, dass diese im Konfliktfall unter Involvierung Russlands geschlossen würden, bzw. dass Russland ohne weiteres in der Lage gewesen wäre die, die Meerengen abriegelnden Kräfte zu überwinden.
Da sieht es mit deinen Nachweisen nämlich auch mau aus.
Oder war das auf die Start und Enddaten des Italienisch-Osmanischen Krieges und des ersten Balkankrieges gemünzt oder auf die Tatsache, dass ersterer in Libyen, der Levante in Teilen sogar im Jemen ausgetragen wurde, mit entsprechender Verteilung von Kräften?
Oder bezweifelst du generell, dass es Geld kostet ein Jahr lang einen, wenn auch begrenzten Krieg zu führen und das ein solcher ein weitegehend vorindustrielles Staatswesen mitunter arg strapazieren konnte?
Oder bezweifelst du, dass auf Grund der Schauplätze in Libyen, der Levante und im Jemen Teilstreitkräfte des OR, als es nahezu zeitgleich mit dem Friedensschluss mit Italien auf dem Balkan losging, dort nicht zur Verfügung standen, da es dem Sultan einmal nicht möglich war, sie von einem Platz zum anderen zu zaubern?
Oder bezweifelst du, dass die Belassung von Teilkräften in Kleinasien um die Grenze zu Russland zu decken und dieses nicht dazu einzuladen, sich kampflos noch einen eigenen Bissen osmanisches Territorium unter den Nagel zu reißen, unter damaligen Gesichtspunkten sinnvoll gewesen ist?
Oder bezweifelst du, dass die verbliebenen osmanischen Balkanprovinzen damals einmal nicht mehrheitlich von ethnischen Türken und Muslimen bewohnt wurde, die man sicherlich auf Grund nationalistischer oder religiöser Motive, spontan zum mindestens passiven Widerstand gegen etwaige eindringende "fremdländische" und "falschgläubige" Invasoren hätte annimieren können, sondern dass in den meisten dieser Gebiete die Balkanmächte mindestens mal nennenswerte Anzahlen an Sympathisanten hatten und darüber hinaus den Vorzug, dass auch die von ihnen eingesetzen Kräfte mit den lokalen Sprachen und Gebräuchen der Bevölkerungen vertraut waren und somit auch ganz andere Mittel hatten, in ihrem Sinne dort einzuwirken, als das bei einem x-beliebigen Eroberungskrieg gegen ein Land irgendwo anders aus dem Erdball der Fall gewesen wäre und dass die Geschwindigkeit der Vereinnahmung der europäischen Balkanprovinzen sich gegebenenfalls auch daraus ergibt, dass auf Grund dieses Umstands, die Kontrolle des rückwärtigen, eroberten Terrains erheblich vereinfachte, während sich für die osmanische Seite die Verteidigung im entsprechenden Maße erschwerte?
Viel mehr als das, habe ich argumentativ überhaupt nicht angebracht und ich halte das durchaus nicht für eine wie auch immer geartete abstruse Meinung, sondern schlicht für eine angemessene Würdigung des historischen Kontextest.
Ich stehe ehrlich gesagt, was das weitere betrifft, auch auf dem Standpunkt, dass es, wenn man es, wie oben getan auf die einzelnen Einwände herunterbricht, auf dem Standpunkt, dass es unnötig ist separat zu bequellen, dass Kriege kostenintensiv sind, auch das Osmanische Reich seine Truppen nicht an zwei oder drei Orten gleichzeitig haben konnte (jedenfalls nicht in voller Stärke), auf Grund der historischen Gegebenheiten die Rolle Russlands als passiver Faktor, auch wenn es letztendlich nicht in den ersten Balkankrieg eingriff zu berücksichtigen ist, etc.
Das sind Dinge, die sich mMn von selbst verstehen und die ich bei deiner Betrachtung so ein wenig vermisste, wenn du da einfach abschätzig über die "Minimächte" vom Balkan herschwadronierst, dabei aber unterschlägst, dass die bisher keine Kriegsbeteiligung zu stämmen hatten, dass sie auf dem Balkan nur eine Front hatten, während auf der anderen Seite die Tinte unter dem Friedensvertrag mit Italien noch nicht trocken war und Russland als zu berücksichtigender Faktor sich im Rücken des OR befand, ergo nicht damit zu rechnen war, dass das OR seine gesammelte militärische Macht denn auch wirklich Zeitnah mittels der bekanntermaßen übermäßig stark und nur für diesen Zweck ausgebauten Osmanisches Reichsbahn, auf den Balkan verschieben konnte, wie eben auch die Haltung der Bevölkerung der betreffenden Territorien, die von der Lebensweise her mit den Invasoren mitunter mehr Gemeinsamkeiten hatte, als mit den Verteidigern.
Ich behaupte an dieser Stelle mal ganz braun, dazu allein, bedarf es keiner Spezialliteratur.
Was das Thema Imperialismus als solchen betrifft, verbitte ich mir in Zukunft Unterstellungen, ich würde solche Ambitionen im Allgemeinen negieren, wenn du sie nicht belegen kannst, was du nicht kannst, weil ich derlei nie geäußert habe.
Ich lehne es lediglich ab, die Bestrebung sich im OR ein informal Empire zu errichten mit ortsgebundenen Allmachtsphantasien gleichzusetzen oder mich in die Behauptung einzulassen ein paar Händen voll deutscher Militärs, die sich auf Wunsch des OR vor Ort befanden, wäre ein entscheidender Faktor in der Außenpolitik des OR zugekommen, während die Russischen Ambitionen in Richtung Meerengen und deren Rückkopplung mit der europäischen Bündniskonstellation dabei keine Rolle spielten oder die Einlassung, dass das OR ohne dem militärisch nicht in der Lage gewesen wäre die Meerengen zu sperren.
Gerade letzteres, wo wir beim Über- und Unterschätzen imperialistischer Tendenzen sind, halte ich übrigens nebst dem abschätzigen Komentar in Richtung "Minimächte" für eine ziemlich chauvinistische (und im übrigen ebenfalls in keiner Weise bequellte) Einlassung.