Trajan
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Hallo Cato,
ich wollte noch auf Deine Anmerkungen eingehen, auch wenn ich mich gerade im rheinischen Karnevalstress befinde.
Sehr richtig, statt sich in Endlosschleifen um Kalkriese zu verbrauchen, sollte man jetzt gezielt nach dem Schlachtfeld von Idistaviso suchen: Kalkriese sollte man einfach mal abhaken, zumindest solange sich da nicht wirklich neue relevante Fakten ergeben! Nach den jetzt gesicherten Erkenntnissen ist Kalkriese der Endpunkt der Varusschlacht, dass ist unter professionellen Historikern weitgehend akzeptiert. Grundlegende Zweifel gibt es wenig, da wird zwar noch viel poliert und wissenschaftliche Eitelkeiten gepflegt, aber lassen wir das doch einfach mal so stehen und konzentrieren uns auf die so wichtigen Anschlussthemen.
Die Suche nach Idistaviso ist genauso aufwendig wie die Suche nach dem Varusschlachtfeld. Wir hätten aber die Chance, dass es diesmal schneller ginge als die elend langen 100 Jahre zwischen Mommsen und Clunn. Das Jahrhundert hat man zu einem guten Teil mit der Pflege von Eitelkeiten vertan, anstatt der eigentlich zu Mommsen Zeiten schon überdeutlichen Fundstatistik von Kalkriese Glauben zu schenken.
Irgendwo in der Nähe der mittlerern Weser ist es zu finden, die besten Tips könnte man durch systematisches Vorgehen mit moderner Prospektionstechnik ausloten. Dazu müsste man allerdings ordentlich in die Hände spucken und einiges Geld locker machen. Im Vergleich dazu ist es jedoch angenehmer, durch unendliches Auspressen dünner Quellen weiteres Papier zu produzieren.
Man muss da sehr vorsichtig sein: Dass das Gelände unwegsam sein sollte, ist ein Römischer topos, denn es musste (!) einfach unwegsam sein, wie sollte man sonst dieses tapfere Heer denn bezwingen können ? Tacitus und auch die anderen römischen Historiker schreiben immer wieder, dass es in Germanien eben Urwälder, Schluchten und Moore gibt, dazu reichlich Regen und Sturm, dass gehört einfach zur Dramaturgie. Und ganz falsch war dieser topos ja auch nicht, schau Dir mal ein Satellitenbild der Norddeutschen Tiefebene an, da siehst Du heute noch deutlich die meist schon trockengelegten gigantischen Moorgebiete: Die ganze Ebene, von der Nord- und Ostsee bis zu den beginnenden Gebirgszonen des Mittelgebirges war ein unglaubliches, kaum enden wollendes Sumpfgebiet. Und die Wälder, die uns heute nur noch als Rumpfgebiete zwischen Neubau- und Industriezonen bekannt sind, waren damals wirklich dicht. Das war für Rom ein Horror alla Vietnam.
Nun, inmitten dieses Szenarios gab es die von Dir zu Recht erwähnten Heerwege. Diese waren einigermassen befestigt und gesichert und man tat gut daran sie auch zu benutzen. Das Problem für Arminius war es nun, den Varuszug genau von diesen Heerwegen runterzulocken. Das Kalkriese, wie Du richtig bemerkst nun selbst wieder an so einem Heerweg liegt, ist jedoch kein Gegenargument: denn erstens liegt Kalkriese eben genau am taktisch heikelsten Punkt dieses Heerwegs und zweitens lag der geniale Trick des Arminius darin, Varus zum Queren zwischen zwei Heerwegen zu verleiten.
Und das funktionierte so: Das Sommerlager lag irgendwo zwischen Minden und Höxter an der Weser, wo genau ist nicht so wichtig, möglicherweise auch bei Rinteln oder Hameln. Nehmen wir z.B. Hameln, so nimmt Varus für den Heimmarsch erstmal den Heerweg Richtung Paderborn/Lippe. Auf halber Wegstrecke kriegt er nun die berühmte fingierte Nachricht, dass sich nicht allzu weit entfernt ein Aufstand abspielt, nach unserer Annahme Kalkriese also in nördlicher Richtung, am Heerweg vor dem Wiehengebirge. Jetzt hat Varus im Prinzip vier Möglichkeiten: (a) er kann sichere Wege wählen, also wenden und zurück über den Heerweg wieder nach Hameln, die Weserebene hoch bis Minden und dann entlang des Wiehengebirges nach Kalkriese. (b) Oder zweitens er quert einfach dass sehr viel kürzere Stück zwischen dem südlichen Heerweg und dem nördlichen Heerweg. (c) Eine dritte Möglichkeit wäre noch gewesen, Tross und Heer weitgehend zu trennen, den Tross an die Lippe zu schicken und mit den Truppen alleine dem Auftsand nach zu gehen. (d) Viertens hätte er einfach den Aufstand erstmal ignorieren können mit der Massgabe sich später darum zu kümmern, wenn der Sommerzug erstmal in Sicherheit wäre.
Nun (a) hätte ein sehr kompliziertes Wendemanöver eines wenigstens 20 km langen Zuges bedeutet und man hätte gut 170 km Wegstrecke bis Kalkriese gehabt.
(b) wäre deutlich kürzer, via Detmold durchstechen auf den Heerweg vor dem Wiehengebirge, macht nur 85 km also die Hälfte aus, und braucht zudem kein Wendemanöver. (c) den Tross abtrennen und ihn ungeschütz lassen, na dass hätte aber lustig werden können, den Spott über den gerupften Varus zu Hause in Rom hätte man sich gut vorstellen können, schliesslich noch (d), aber die Chuzpe brachte er bekanntlich nicht auf. In diesem Jahre 9 hätte er den Aufstand dann wohl nicht mehr ausreichend bekämpfen können und bis ins Jahr 10 hätte sich daraus vielliecht ein Flächenbrand ergeben und er hätte den dann in Rom verantworten müssen.
Nun (d) wäre richtig gewesen, aber Varus entschied sich für die scheinbar beste Lösung von vier schlechten, nämlich (b). In den ca. 50 km nun tatsächlich unwegsamen Gelände zwischen den beiden Heerwegen bezieht er nun soviel Prügel, dass er mehr tot als lebendig auf dem sicheren Heerweg vor dem Wiehengebirge anlangt und an der taktischen Engstelle von Kalkriese kriegt er den Rest.
Soweit die Geschichte, wie sie im Prinzip von Tony Clunn und anderen bevorzugt wird und die ich auch aus geographischen und militärtaktischen Gründen für richtig halte.
Da kann ich ihm nur Recht geben, dass ist geographisch mit Kalkriese bestens zur Deckung zu bringen: Wiehengebirge und Teutoburger Wald laufen spitz und direkt vor der Ems zusammen !
Nunja, Wissenschaft ist dass, was in anerkannten Fachblättern publiziert wird und nicht was in Erlebnisparks ausgestellt ist. Ich kann mich zwar auch nicht mit solchen Ungenauigkeiten anfreunden, aber es stimmt schon, es passt halt gut weil es genau diesen römischen Topos von Germanien beschreibt. Man könnte da jetzt noch eine ellenlange Erklärung einfügen wieso man hier dieses Zitat verwendet, aber dass liest dann wirklich keiner mehr. Und dann würde das "dumme Volk" von Kalkriese behaupten: "geh dort nicht hin, da gibts nur stinklangweiligen Wissenschaftskram, ich habe überhaupt nicht verstanden, was die mir eigentlich erzählen wollten !"
Nun denn, ich wünsche Dir einen schönen Karnval, bis die Tage, Trajan.
ich wollte noch auf Deine Anmerkungen eingehen, auch wenn ich mich gerade im rheinischen Karnevalstress befinde.
Cato schrieb:....das größte Problem, dem sich die Varusschlachtforschung gegenübersieht, ist jenes, dass es keinen weiteren Schlachtfeldfund dieser Zeit gibt, der zum Vergleich herangezogen werden könnte. Mit anderen Worten: es fehlt der Germanicus-Horizont, der die Thesen der Numismatiker bestätigen oder widerlegen könnte....
Sehr richtig, statt sich in Endlosschleifen um Kalkriese zu verbrauchen, sollte man jetzt gezielt nach dem Schlachtfeld von Idistaviso suchen: Kalkriese sollte man einfach mal abhaken, zumindest solange sich da nicht wirklich neue relevante Fakten ergeben! Nach den jetzt gesicherten Erkenntnissen ist Kalkriese der Endpunkt der Varusschlacht, dass ist unter professionellen Historikern weitgehend akzeptiert. Grundlegende Zweifel gibt es wenig, da wird zwar noch viel poliert und wissenschaftliche Eitelkeiten gepflegt, aber lassen wir das doch einfach mal so stehen und konzentrieren uns auf die so wichtigen Anschlussthemen.
Die Suche nach Idistaviso ist genauso aufwendig wie die Suche nach dem Varusschlachtfeld. Wir hätten aber die Chance, dass es diesmal schneller ginge als die elend langen 100 Jahre zwischen Mommsen und Clunn. Das Jahrhundert hat man zu einem guten Teil mit der Pflege von Eitelkeiten vertan, anstatt der eigentlich zu Mommsen Zeiten schon überdeutlichen Fundstatistik von Kalkriese Glauben zu schenken.
Irgendwo in der Nähe der mittlerern Weser ist es zu finden, die besten Tips könnte man durch systematisches Vorgehen mit moderner Prospektionstechnik ausloten. Dazu müsste man allerdings ordentlich in die Hände spucken und einiges Geld locker machen. Im Vergleich dazu ist es jedoch angenehmer, durch unendliches Auspressen dünner Quellen weiteres Papier zu produzieren.
Cato schrieb:....Der tatsächliche Ort der Varusschlacht befand sich offensichtlich im unwegsamen Gelände, weitab besonderer Merkzeichen oder gar Heerwege........hätte Tacitus nicht auf solch eine umständliche, ungenaue Umschreibung des Ortes zurückgreifen müssen.......alle weiteren Chronisten waren überhaupt nicht in der Lage, eine Lokalisierung zu formulieren. Der tatsächliche Ort der Varusschlacht kann sich folglich nur im schwer zugänglichen „Niemandsland" ...
Man muss da sehr vorsichtig sein: Dass das Gelände unwegsam sein sollte, ist ein Römischer topos, denn es musste (!) einfach unwegsam sein, wie sollte man sonst dieses tapfere Heer denn bezwingen können ? Tacitus und auch die anderen römischen Historiker schreiben immer wieder, dass es in Germanien eben Urwälder, Schluchten und Moore gibt, dazu reichlich Regen und Sturm, dass gehört einfach zur Dramaturgie. Und ganz falsch war dieser topos ja auch nicht, schau Dir mal ein Satellitenbild der Norddeutschen Tiefebene an, da siehst Du heute noch deutlich die meist schon trockengelegten gigantischen Moorgebiete: Die ganze Ebene, von der Nord- und Ostsee bis zu den beginnenden Gebirgszonen des Mittelgebirges war ein unglaubliches, kaum enden wollendes Sumpfgebiet. Und die Wälder, die uns heute nur noch als Rumpfgebiete zwischen Neubau- und Industriezonen bekannt sind, waren damals wirklich dicht. Das war für Rom ein Horror alla Vietnam.
Nun, inmitten dieses Szenarios gab es die von Dir zu Recht erwähnten Heerwege. Diese waren einigermassen befestigt und gesichert und man tat gut daran sie auch zu benutzen. Das Problem für Arminius war es nun, den Varuszug genau von diesen Heerwegen runterzulocken. Das Kalkriese, wie Du richtig bemerkst nun selbst wieder an so einem Heerweg liegt, ist jedoch kein Gegenargument: denn erstens liegt Kalkriese eben genau am taktisch heikelsten Punkt dieses Heerwegs und zweitens lag der geniale Trick des Arminius darin, Varus zum Queren zwischen zwei Heerwegen zu verleiten.
Und das funktionierte so: Das Sommerlager lag irgendwo zwischen Minden und Höxter an der Weser, wo genau ist nicht so wichtig, möglicherweise auch bei Rinteln oder Hameln. Nehmen wir z.B. Hameln, so nimmt Varus für den Heimmarsch erstmal den Heerweg Richtung Paderborn/Lippe. Auf halber Wegstrecke kriegt er nun die berühmte fingierte Nachricht, dass sich nicht allzu weit entfernt ein Aufstand abspielt, nach unserer Annahme Kalkriese also in nördlicher Richtung, am Heerweg vor dem Wiehengebirge. Jetzt hat Varus im Prinzip vier Möglichkeiten: (a) er kann sichere Wege wählen, also wenden und zurück über den Heerweg wieder nach Hameln, die Weserebene hoch bis Minden und dann entlang des Wiehengebirges nach Kalkriese. (b) Oder zweitens er quert einfach dass sehr viel kürzere Stück zwischen dem südlichen Heerweg und dem nördlichen Heerweg. (c) Eine dritte Möglichkeit wäre noch gewesen, Tross und Heer weitgehend zu trennen, den Tross an die Lippe zu schicken und mit den Truppen alleine dem Auftsand nach zu gehen. (d) Viertens hätte er einfach den Aufstand erstmal ignorieren können mit der Massgabe sich später darum zu kümmern, wenn der Sommerzug erstmal in Sicherheit wäre.
Nun (a) hätte ein sehr kompliziertes Wendemanöver eines wenigstens 20 km langen Zuges bedeutet und man hätte gut 170 km Wegstrecke bis Kalkriese gehabt.
(b) wäre deutlich kürzer, via Detmold durchstechen auf den Heerweg vor dem Wiehengebirge, macht nur 85 km also die Hälfte aus, und braucht zudem kein Wendemanöver. (c) den Tross abtrennen und ihn ungeschütz lassen, na dass hätte aber lustig werden können, den Spott über den gerupften Varus zu Hause in Rom hätte man sich gut vorstellen können, schliesslich noch (d), aber die Chuzpe brachte er bekanntlich nicht auf. In diesem Jahre 9 hätte er den Aufstand dann wohl nicht mehr ausreichend bekämpfen können und bis ins Jahr 10 hätte sich daraus vielliecht ein Flächenbrand ergeben und er hätte den dann in Rom verantworten müssen.
Nun (d) wäre richtig gewesen, aber Varus entschied sich für die scheinbar beste Lösung von vier schlechten, nämlich (b). In den ca. 50 km nun tatsächlich unwegsamen Gelände zwischen den beiden Heerwegen bezieht er nun soviel Prügel, dass er mehr tot als lebendig auf dem sicheren Heerweg vor dem Wiehengebirge anlangt und an der taktischen Engstelle von Kalkriese kriegt er den Rest.
Soweit die Geschichte, wie sie im Prinzip von Tony Clunn und anderen bevorzugt wird und die ich auch aus geographischen und militärtaktischen Gründen für richtig halte.
Cato schrieb:....Die einzige überlieferte Ortsangabe ist äußerst vage, indem sie umschreibt „ultimi bructeri" und „haud procul teutoburgiensi saltu", also bei den „äußersten Brukterern, nicht weit entfernt vom Teutoburger Wald" ...
Da kann ich ihm nur Recht geben, dass ist geographisch mit Kalkriese bestens zur Deckung zu bringen: Wiehengebirge und Teutoburger Wald laufen spitz und direkt vor der Ems zusammen !
Cato schrieb:....Und zum Schluss der Gipfel der Volksverdummung in Kalkriese.....
Diese Textpassage des Tacitus beschreibt jedoch nicht eine Phase der Varusschlacht, sondern den Vorabend der Schlacht an den pontis longi. Da er aber so gut passt, wurde er einfach mit eingefügt.....
Nunja, Wissenschaft ist dass, was in anerkannten Fachblättern publiziert wird und nicht was in Erlebnisparks ausgestellt ist. Ich kann mich zwar auch nicht mit solchen Ungenauigkeiten anfreunden, aber es stimmt schon, es passt halt gut weil es genau diesen römischen Topos von Germanien beschreibt. Man könnte da jetzt noch eine ellenlange Erklärung einfügen wieso man hier dieses Zitat verwendet, aber dass liest dann wirklich keiner mehr. Und dann würde das "dumme Volk" von Kalkriese behaupten: "geh dort nicht hin, da gibts nur stinklangweiligen Wissenschaftskram, ich habe überhaupt nicht verstanden, was die mir eigentlich erzählen wollten !"
Nun denn, ich wünsche Dir einen schönen Karnval, bis die Tage, Trajan.