Vorbemerkung: Das gedankliche Springen kommt z.T. daher, dass ich zunächst den Spiegel-Artikel gelesen habe, dann den Beitrag geschrieben und schließlich den Artikel aus der Praehistorischen Zeitschrift gelesen und den Beitrag ergänzt habe.
musste ich zweimal lesen, da ich beim ersten Mal dachte "Häh?!?!?!" Das müssen doch Journalist und Lektor dem Leser mal entgegen kommen.
In dem Artikel der Autoren selbst, in der Praehistorischen Zeitschrift wird bereits in der Zusammenfassung die Ansprache der Figuren als Gewicht mit gewisser Skepsis betrachtet:
Spiegel:
Einer absichtlichen Niederlegung schließe ich mich allerdings gerne an. Als Weihegabe für die Erneuerung der Brücke z.B. ("Several wooden planks from the eastern riverbank, however, date to the 7th century BC, and these more recent constructions are not yet well understood.")
Die Autoren selber geben zu:
(In der Zeitschrift kann man auch noch eine Seiten- und Rückansicht der Figurine betrachten, ich habe aus praktischen Gründen nur diesen Teil ausgeschnitten. Ein im Artikel abgedrucktes Liegendbild der Statuette ist auch ganz interessant, vor allem bzgl. der Konstruktion der Beine und Füße.)
Das Bild habe ich deshalb ausgeschnitten, weil man hier alle wichtigen Details erkennen kann: Einerseits die Vulva und die Brüste, andererseits aber auch die "cuts on the chin", von denen die Autoren schreiben:
It is unlikely that the cuts on the chin indicate a beard and their meaning remains unclear.
Ich schließe mich dieser Auffassung an.
*Wobei mir ein Archäologe mal ein Histörchen erzählt hat - es ist mir nie gelungen es zu verifizieren - wonach ein Bauer ein Bodendenkmal als Pferdebahn des Königs (oder ähnlich) bezeichnete und die Archäologen haben dort ein Reitergrab gefunden. Wann auch immer das passiert wäre, das müsste ja zwischen dem 19. und frühen 21. Jhdt. passiert sein (die Geschichte werde ich so um 2007/08 gehört haben), dann hätte der Landwirt ein etwa 1200 Jahre zurückreichendes Wissen gehabt.
Um das noch mal zu betonen - ich weiß, du hast nichts gegenteiliges geschrieben - die Schlacht im Tollensetal fand in der Bronzezeit statt, etwa 500 Jahre vor der Datierung dieser bereits eisenzeitlichen Bronzefigur. (In der Praehistorischen Zeitschrift sprechen die Autoren noch von der "last phase of the NBA" (Nordische Bronzezeit), insofern muss ich mein eisenzeitlich zurücknehmen, aber rechnet man in großen Teilen Deutschlands die Zeit um 800 v. Chr. bereits der Eisenzeit zu, MeckPomm wird hier wohl eher dem skandinavischen "Kulturkreis" zugeordnet.)Bereits im Sommer 2020 wurde in der Tollense, die durch die Funde der Überreste einer bronzezeitlichen bewaffneten Auseinandersetzung bekannt geworden ist, eine Bronzefigur aus dem 7. Jh. v. Chr. gefunden.
Der Spiegelartikel ist etwas stolperig geschrieben... Den Absatz
Erst einmal zuvor war ein ähnliches Figürchen in Deutschland gefunden worden: im 19. Jahrhundert in der Nähe des Ortes Klein Zastrow, nur wenige Kilometer von der neuen Fundstelle entfernt. Insgesamt weiß man mittlerweile von 13 dieser Statuetten, die in der Ostseeregion entdeckt worden sind. Sie alle sind ähnlich geformt.
musste ich zweimal lesen, da ich beim ersten Mal dachte "Häh?!?!?!" Das müssen doch Journalist und Lektor dem Leser mal entgegen kommen.
Datieren lasse sich die kleine Frauenstatue in das siebte Jahrhundert vor Christus. Und sie könnte entweder ein Gewicht darstellen, ein Kultobjekt oder eine Kombination aus beidem. Allerdings gebe es auch Einwände gegen diese Deutung.
Für die Interpretation, dass es sich um ein Gewicht im Sinne einer Maßeinheit handeln könnte, spricht das tatsächliche Gewicht der Statue: Sie wiegt 155 Gramm. In der jüngeren Bronzezeit sei die Gewichtseinheit von 26 Gramm eine vermutlich übliche Größe gewesen – die Statue wiege damit beinahe sechsmal so viel wie das gebräuchliche Maß.
Bei aller ausgedrückten wissenschaftlichen Vorsicht ist mir das doch zu spekulativ. Klar, das eine Gramm zu wenig macht den Braten nicht fett. Wenn man aber ernsthaft argumentieren wollte, dass es sich um ein eingermaßen genormtes Gewicht gehandelt habe, dann sollte man die übrigen 13 Statuetten - sofern noch erhalten - untersuchen. Nur dann, wenn sie ebenfalls um 26^x wiegen, kann man die These ernsthaft vertreten. (Ich hatte zu dem Zeitpunkt, wo ich das geschrieben hatte nur den Spiegel-Artikel gelesen, noch nicht die Studie selbst.)Für die Interpretation, dass es sich um ein Gewicht im Sinne einer Maßeinheit handeln könnte, spricht das tatsächliche Gewicht der Statue: Sie wiegt 155 Gramm. In der jüngeren Bronzezeit sei die Gewichtseinheit von 26 Gramm eine vermutlich übliche Größe gewesen – die Statue wiege damit beinahe sechsmal so viel wie das gebräuchliche Maß.
In dem Artikel der Autoren selbst, in der Praehistorischen Zeitschrift wird bereits in der Zusammenfassung die Ansprache der Figuren als Gewicht mit gewisser Skepsis betrachtet:
Vor einigen Jahren wurden die Figuren als mögliche Gewichte diskutiert, aber ihre geringe Zahl spricht gegen eine solche Interpretation. Mit einem Gewicht von 155 g passt die neue Figur zumindest zu der seiner Zeit postulierten Gewichtseinheit von 26 g.
Allerdings:
The two figures found in western Pomerania are among the tallest specimens, and with a weight of 155 g, the specimen from Weltzin 13 exceeds all other figurines (Fig. 14; Tab. 2). Unfortunately, only a copy of the find from Klein Zastrow has survived, and the mass of the original object has been estimated to c. 130 g.
Legt man die 26 g Grundgewichtseinheit zugrunde, dann wären diese geschätzten 130 g genau das Fünffache. Dies könnte also tatsächlich darauf hindeuten, wenn mehr als eine Figur ein x-faches von 26 g wiegt, dass tatsächlich die Figuren figürliche Barren (El Quijote, Geschichtsforum.de 17.2.2022) darstellen.
Spiegel:
Die neu entdeckte Statue könnte absichtlich an einer Talquerung niedergelegt worden sein, schreiben die Forscher – als Erinnerung an die Menschen, die dort Jahrhunderte zuvor gestorben waren.
Ich bin immer skeptisch, wenn so etwas behauptet wird. Natürlich haben historische Erinnerungen in einer Zeit vor medialen Massenunterhaltungen durch immer wiederkehrende Erwähnung am "familiären" Lagerfeuer wohl immer eine Rolle gespielt, weshalb man unterstellen kann, dass auch in nichtschriftlichen Kulturen historische Erinnerung bewahrt wurde. Allerdings reden wir hier über einen Zeitraum von 500 Jahren. Möglich? Ja. Aber auch wahrscheinlich? Eher nicht.*
Einer absichtlichen Niederlegung schließe ich mich allerdings gerne an. Als Weihegabe für die Erneuerung der Brücke z.B. ("Several wooden planks from the eastern riverbank, however, date to the 7th century BC, and these more recent constructions are not yet well understood.")
Die Autoren selber geben zu:
In how far the valley crossing was still a place of commemoration hundreds of years after a violent encounter, however, remains open.
Das Bild habe ich deshalb ausgeschnitten, weil man hier alle wichtigen Details erkennen kann: Einerseits die Vulva und die Brüste, andererseits aber auch die "cuts on the chin", von denen die Autoren schreiben:
It is unlikely that the cuts on the chin indicate a beard and their meaning remains unclear.
*Wobei mir ein Archäologe mal ein Histörchen erzählt hat - es ist mir nie gelungen es zu verifizieren - wonach ein Bauer ein Bodendenkmal als Pferdebahn des Königs (oder ähnlich) bezeichnete und die Archäologen haben dort ein Reitergrab gefunden. Wann auch immer das passiert wäre, das müsste ja zwischen dem 19. und frühen 21. Jhdt. passiert sein (die Geschichte werde ich so um 2007/08 gehört haben), dann hätte der Landwirt ein etwa 1200 Jahre zurückreichendes Wissen gehabt.