E
ervie
Gast
Moglar:
El Quijote
Kommt drauf an. In Ihrem Falle ist kein Staat rückständig, indem nur Privilegierte Zugang zu „modernen“ Ressourcen haben.
Ich finde es allerdings rückständig, wenn vielen Bevölkerungsteilen strukturell der Zugang auf Ressourcen verwehrt bleibt. Denn wenn du das Beispiel Kuba heranziehst musst du berücksichtigen wer Zugang zu höchsten medizinischen Standards genoss, wieso sich das Land dies leisten konnte und weshalb es dennoch rückständig ist.
Deine zentrale Kategorie in diesem Argument, „Welthandel im Mittelalter“, muss man sich auch genauer ansehen. Denn im Mittelalter, beschwor der Adel eine Subsistenzwirtschaft und eine Einbindung in den Welthandel war eher nicht lukrativ, da die Schifffahrt zu lange dauerte und man sich seiner Ware nicht sicher war. Ergo: nicht lukrativ und zu teuer.
Aber ich will jetzt nicht das als Totschlagargument benutzen, sondern weiter ausführen. Das Netzwerk städtischer und ländlicher Märkte in Nordanatolien des 16. Jahrhunderts lässt deutlich werden, dass die Integration der Bauern in den Markt in einem großen Ausmaß durch die Besteuerung erfolgte. Die bäuerliche Ökonomie entwickelte sich also dynamisch, wie anhand der steigenden Bevölkerungszahlen und Landwirtschaftserträge in diesem Zeitraum zeigen. (H. Islamoglu-Inan (Hg.), The Ottoman Empire and the World-Economy, Cambridge, Paris 1987)
Abgesehen davon „boomte“ die osmanische Landwirtscahft im 18. Jahrhundert in einigen exportorientierten Sektoren. Der Tabak übertraf den Ausfuhrwert von Getreide. Und diese Konjunktur ist nicht nur auf die internationale Nachfrage zurückzuführen, sondern auf eine staatliche Agrarförderung (Kredite, Ausbildung, Mechanisierung) sowohl in hamidischer als auch in jungtürkischer Zeit.
Übrigens bezogen die Osmanen ihr Silber nicht unbedingt aus Böhmen, bzw. waren von Böhmen abhängig, sondern hatte deren frühes Vordringen nach Serbien und Bosnien sie zum Bergbau gebracht, wo sie das Edelmetall selbst anbauen konnten.
Der Schiffshandel mit Venedig wurde erst später etabliert (vielleicht meinten Sie das auch, El Qijote, aber Mittelalter ist ein wenig unscharf). Das Schwarzmeer konnte nur in wenigen Sommermonaten befahren werden, was eine effiziente Organisation des Schiffsverkehrs nötig machte und die Weizenpreise des Istanbuler Marktes wurden durch die Nachfrage der italienischen Hafenstädte stark beeinflusst.
Allerdings war der osmanische Binnenhandel den Fernhandel an Volumen um ein Vielfaches reicher.
Eine Rebellion an sich ist nicht unbedingt „modern“. Aber durch die Kriegsjahre löste sich ein Modernisierungsschub aus mit strukturellen Auswirkungen. So wurde z.B. die erste Telegraphenleitung eingerichtet und 1856 die Konzessionen für Bahnlinien in Europa und Anatolien vergeben. In Istanbul-Beyoglu wurde eine Modell-Stadtverwaltung geschaffen. Mit dem Bezug des Palais von Dolmabahce stand Abdülmecid eine zeitgemäße Residenz zur Verfügung. Und auch außenpolitisch tat sich was. Der Sultan besuchte einen Ball in der französischen Botschaft und nahm die Verleihung des englischen Hosenbandordens an.Der arabische Aufstand war eine Rebellion gerade gegen die Modernisierung des Osmanischen Reiches und mir ist keine Lesart bekannt, die darin irgendetwas modernes erkennt - von Antisemitismus und Nationalismus einmal abgesehen.
El Quijote
Kuba war lange ein Land mit höchsten medizinischen Standards, trotzdem ging es Kuba immer bescheiden. Es lag also am Boden, war deswegen aber nicht rückständig. Deshalb war/ist Rückständigkeit für mich in diesem Thread auch eine unpassende Kategorie.
Kommt drauf an. In Ihrem Falle ist kein Staat rückständig, indem nur Privilegierte Zugang zu „modernen“ Ressourcen haben.
Ich finde es allerdings rückständig, wenn vielen Bevölkerungsteilen strukturell der Zugang auf Ressourcen verwehrt bleibt. Denn wenn du das Beispiel Kuba heranziehst musst du berücksichtigen wer Zugang zu höchsten medizinischen Standards genoss, wieso sich das Land dies leisten konnte und weshalb es dennoch rückständig ist.
Die arabischen Kernländer hatten im Prinzip außer Weihrauch nichts, was sie die Welt anzubieten hatten, nachdem sie als Zwischenhändler einmal ausgeschaltet waren. Auch Sand, heute ein so beliebter Rohstoff, war bis vor wenigen Jahrzehnten noch einfach wertlos.
Deine zentrale Kategorie in diesem Argument, „Welthandel im Mittelalter“, muss man sich auch genauer ansehen. Denn im Mittelalter, beschwor der Adel eine Subsistenzwirtschaft und eine Einbindung in den Welthandel war eher nicht lukrativ, da die Schifffahrt zu lange dauerte und man sich seiner Ware nicht sicher war. Ergo: nicht lukrativ und zu teuer.
Aber ich will jetzt nicht das als Totschlagargument benutzen, sondern weiter ausführen. Das Netzwerk städtischer und ländlicher Märkte in Nordanatolien des 16. Jahrhunderts lässt deutlich werden, dass die Integration der Bauern in den Markt in einem großen Ausmaß durch die Besteuerung erfolgte. Die bäuerliche Ökonomie entwickelte sich also dynamisch, wie anhand der steigenden Bevölkerungszahlen und Landwirtschaftserträge in diesem Zeitraum zeigen. (H. Islamoglu-Inan (Hg.), The Ottoman Empire and the World-Economy, Cambridge, Paris 1987)
Abgesehen davon „boomte“ die osmanische Landwirtscahft im 18. Jahrhundert in einigen exportorientierten Sektoren. Der Tabak übertraf den Ausfuhrwert von Getreide. Und diese Konjunktur ist nicht nur auf die internationale Nachfrage zurückzuführen, sondern auf eine staatliche Agrarförderung (Kredite, Ausbildung, Mechanisierung) sowohl in hamidischer als auch in jungtürkischer Zeit.
Übrigens bezogen die Osmanen ihr Silber nicht unbedingt aus Böhmen, bzw. waren von Böhmen abhängig, sondern hatte deren frühes Vordringen nach Serbien und Bosnien sie zum Bergbau gebracht, wo sie das Edelmetall selbst anbauen konnten.
Der Schiffshandel mit Venedig wurde erst später etabliert (vielleicht meinten Sie das auch, El Qijote, aber Mittelalter ist ein wenig unscharf). Das Schwarzmeer konnte nur in wenigen Sommermonaten befahren werden, was eine effiziente Organisation des Schiffsverkehrs nötig machte und die Weizenpreise des Istanbuler Marktes wurden durch die Nachfrage der italienischen Hafenstädte stark beeinflusst.
Allerdings war der osmanische Binnenhandel den Fernhandel an Volumen um ein Vielfaches reicher.