Die meisten römischen Kleriker haben den Juden nicht geholfen. Einen Beweis dafür, dass der Papst Befehl gab Juden zu retten gibt es nicht, wobei viele Mönche und Nonnen sagen, dass ein solcher Befehl auch nicht mündlich erteilt wurde.
Da der Papst einen solchen "Befehl" weder schriftlich noch mündlich erteilen konnte, braucht es auch keinen "Beweis" dafür. Du scheinst eine ziemlich abwegige Vorstellung von der "Befehlsgewalt" eines Papstes im 20. Jahrhundert zu hegen. Da Pius XII. nicht "befehlen" konnte, Juden zu retten, wird es auch keine Mönche und Nonnen geben, die behaupten, er hätte es "befohlen". Es reichte, den Ordensoberen den Wunsch des Papstes mitzuteilen, alles nur erdenkliche zu tun, um Juden vor dem Zugriff der Nazis zu retten, es bedurfte ferner, abhängig vom Status, bei einigen Orden der Erlaubnis, die Klausur aus diesem Grunde vorübergehend aufzuheben. Auch dazu bedurfte es keiner schriftlichen Bestätigung sondern der mündlichen Mitteilung des Ortsbischofs.
Ob sie dem Wunsch des Papstes Folge leisteten lag in der Entscheidungsgewalt der Ordensoberen bzw. der Oberen der einzelnen Ordenshäuser. Wie könnte ein Papst seinen Priestern und Ordensleuten "befehlen", ihr eigenes Leben auf's Spiel zu setzen. Selbst wenn der Papst den Bischöfen hätte "befehlen" können, so wäre davon ein ängstlicher Bischof nicht mutiger geworden.
Dafür, dass Pius XII. den Wunsch äusserte, alles nur erdenkliche zu tun, um Juden zu retten, gibt es zahlreiche Zeugen. Der prominenteste folgte ihm auf dem Papstthron. Einen anderen habe ich in diesem Thread bereits genannt. Ein weiterer wäre der nach dem Krieg in Italien überaus bekannte und beliebte, inzwischen verstorbene Don Aldo Brunacci, der berichtete, dass ihn sein Ortsbischof zu sich bestellt und ihn gebeten habe, dem Wunsch des Papstes gemäß, in der Diözese die Organisation für den Schutz der ständig wachsenden Zahl von Juden zu übernehmen, die sich unter den Flüchtlingen befanden, für deren Betreuung Brunacci schon vorher zuständig gewesen war. Diese Zeugnisse und auch einige Hinweise in den ADSS werden von Susan Zuccotti geflissentlich ignoriert. Dafür ist sie von Historikerkollegen auch kritisiert worden, u.a. auch von Michael Tagliacozzo, einem jüdischen Historiker, der die Zeit der deutschen Besetzung Roms im römischen Priesterseminar überlebt hat. In einem Interview mit ZENIT im Jahr 2000 hat er erzählt, wie er dort hingelangt ist. Als die deutsche Jagd auf Juden in Rom begann, sei es ihm gelungen, im Pyjama aus dem Fenster zu springen. Eine Familie hätte ihm geholfen und ihn erst einmal versteckt. Dann habe er Hilfe bei einem früheren Lehrer gefunden, der für ihn bei Priestern, die er kannte, nach einem sicheren Versteck gesucht hätte. Nach etwa einer Woche sei er dann, mit der Empfehlung eines Priesters, im Lateran aufgenommen worden. Nachdem er zwei Tage lang nichts gegessen hatte, sei er durch den Vizerektor mit einer köstlichen warmen Mahlzeit empfangen worden. Tagliacozzo, Mitarbeiter eines jüdischen Museums und Dokumentationszentrums, hat sich später erfolgreich für die Anerkennung des Vizerektors und des Priesters, der ihn in den Lateran empfohlen hatte, durch Yad Vashem eingesetzt. Beide haben bestätigt, dass sie mit Kenntnis und auf Weisung Pius XII., des Bischofs von Rom, gehandelt hatten.
Ihre Namen: Vincenzo Fagiolo und Pietro Palazzini.
Dazu kommen dann noch die Aussagen mehrerer Juden, dass sie mehrfach abgewiesen wurden, bis sie dann doch in einem Kloster oder Konvent unterkamen, wobei die Aufnahme gegen Konversion zum Katholizismus in manchen Fälle stattgefunden hätte.
Mehrfach abgewiesen zu werden kann auch bedeuten, dass die Ordenseinrichtungen, bei denen Juden Hilfe suchten, bereits übervoll mit Flüchtlingen belegt waren. Das Haus der Birgitten an der Piazza Farnese in Rom, das ich von innen kenne, beherbergte zeitweise 60 Verfolgte, und ich kann mir nicht einmal vorstellen, dass neben den Birgitten selbst noch so viele Personen dort Platz finden konnten. Maria Elisabeth Hesselblad, eine Schwedin, die den fast bedeutungslos gewordenen Orden neu belebte, wohnte während der Kriegsjahre selbst dort, sie gewährte nicht nur Juden, sondern auch geflohenen Kriegsgefangenen und Deserteuren Zuflucht, dabei waren ihre Kontakte nach Schweden sehr hilfreich. Die Namen der Juden, die dort vom Herbst 1943 bis zur Befreiung Roms 1944 lebten, sind bekannt, einige von ihnen haben erfolgreich die Anerkennung von Maria Elisabeth Hesselblad durch Yad Vashem betrieben.
Frau Hesselblad steht aber nur stellvertretend für ihre Mitschwestern. Gewöhnlich werden nur die Namen der Vorgesetzten bekannt, in deren Klöstern und Konventen Nazi-Verfolgte Zuflucht fanden. Wenn die nicht genannten nicht mitgemacht hätten, wäre das nicht möglich gewesen. Schon aus diesem Grunde ist Deine Rechnung von den "Klerikern", die überwiegend "nicht geholfen" hätten, hinfällig.
Für mich ist die Sache klar und trotzdem drehen wir uns im Kreis.
Wir drehen uns nicht im Kreis, weil ich mich von jemandem nicht im Kreis herumzerren lasse, der keine Quellen für seine Behauptungen nennen kann und auf ein Buch von Susan Zuccotti ausweicht, das er vor längerer Zeit gelesen hat und an das er sich nicht mehr so richtig erinnern kann, der sich zudem als unfähig erweist, mit Quelleneditionen umzugehen und sich das sogar noch zugute hält. Für mich ist noch manche Deiner Behauptungen nicht "klar" bzw. klarzustellen.
Wo bleibt der Beleg für die Behauptung, dass die Aufnahme in ein römisches Kloster oder einen römischen Konvent an die Bedingung einer Konversion zum Christentum geknüpft worden wäre?
Zu den getauften Kindern: Zuccotti führt dort
das Beispiel von Settimio Sorani an, der sich nach dem Krieg bemühte die getauften Kindern wieder zu ihren Eltern zurückzubringen.
Nach dem Krieg wurde europaweit nach jüdischen Kindern gesucht, die von ihren Eltern getrennt worden waren. Mir ist aber aus Italien nicht bekannt, dass diese Kinder, sofern sie überhaupt getauft worden sind, nach dem Kriege ihren Eltern vorenthalten worden wären. Auch hier erbitte ich für Deine Behauptung einen zuverlässigeren Beleg als die Erinnerung daran, dass Du das so bei Susan Zuccotti gelesen haben willst. Dass sie ausgerechnet Settimio Sorani zum Zeugen gemacht haben soll, erscheint mir sehr zweifelhaft.
Vermutlich bis sie irgendwann gestorben sind.
Was die niederländischen Juden angeht wird es schnell kompliziert. Es gab ca. 700 katholische Juden niederländischer Staatsangehörigkeit und ungefähr 350 katholische Juden anderer Staatsangehörigkeit. Von den niederländischen Juden wurden 92 deportiert, von den anderen (vorerst) nur 22. Die übrigen niederländischen Juden wurden nicht mehr angetastet, weil sich de Jong lautstark bemerkbar machte. Die katholischen Juden anderer Nationalität wurden erst ab Herbst 1943 deportiert. Über 600 katholische Juden hat de Jongs Protest aber gerettet.
"Vermutlich bis sie irgendwann gestorben sind" ist eine in diesem Zusammenhang unverschämte Reaktion. Aber ich stelle die Frage noch einmal ausführlicher: Wieviele von den angeblich durch de Jongs Protest geretteten 600 katholischen Juden waren Ende 1942 noch nicht deportiert worden? Im Simon Wiesenthal Documentation Centre befindet sich der Bericht eines deutschen SS-Führers in den Niederlanden, der die erfolgte Deportation von 600 katholischen Juden aus den Niederlanden meldet.
Eigentlich hatte ich es ganz vergessen, aber Susan Zuccotti erwähnt in ihrem Buch noch einen Bischof der öffentlich protestierte und den Papst bat seinem Beispiel zu folgen: Antonio Santin von Triest.
Ja, Antonio Santin war nicht nur im Krieg, sondern auch später ein bemerkenswerter Mann. Bemerkenswert auch sein öffentlicher Protest in der Triester Kathedrale Anfang November 1943. Nach den ADSS hat Santin danach einen Protestbrief an den deutschen Militärbefehlshaber in Triest verfasst, nach Robert A. Graham bat er zusätzlich den Vatikan um diplomatische Intervention, der Papst ist dieser Bitte nachgekommen, als er den deutschen Botschafter beim Vatikan drei Wochen später einbestellte, um im Sinne Santins zu intervenieren.
Du erweckst bei mir den Eindruck, dass Du Dich immer dann in etwas "neues" flüchtest, wenn Du merkst, dass Du Dich mit Deinen Behauptungen, was Belege und Quellen betrifft, auf äusserst dünnem Eis bewegst.
Als Mussolini 1943 gestürzt wurde, kam Badoglio an die Macht. Kardinal Maglione hat bei der neuen Regierung Einspruch gegen die Rassengesetze erhoben - allerdings nur soweit sie Katholiken jüdischer Abstammung oder Juden in katholischen Ehen betrafen.
Du musst Dich allmählich dafür entscheiden, ob Du den Einsatz für katholisch getaufte Juden kritisierst oder zur Heldentat wie bei de Jong stilisierst. - Wo war eigentlich Badoglio, als die Deutschen Rom besetzten?
Ich wüsste in diesem Fall nicht, dass sein öffentlicher Protest die Situation irgendwie verschlechtert hätte. Welcher Bischof soll es denn gewesen sein, der durch ein unschönes Beispiel den Papst dazu veranlasste nicht so deutlich zu protestieren, wie es andere taten?
Wer behauptet, dass der öffentliche Protest eines Bischofs eine Situation verschlechtert hätte, die sich gar nicht mehr verschlechtern ließ? Du ignorierst, dass die Situation in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich war, und dass der Vatikan es den jeweiligen Bischöfen überließ, die Situation vor Ort einzuschätzen. Hat de Jongs Protest in den Niederlanden die Situation "verbessert"? Worum geht es eigentlich? Durch öffentliche Proteste, die nach der damaligen Einschätzung nichts verbessern, sondern nur verschlechtern konnten, nach dem Krieg und in Deinen Augen als tapferer Held dazustehen? Oder das zu tun, was menschenmöglich schien?
Der luxemburgische Priester Jean Bernard, der in Dachau inhaftiert war, berichtet in seinem kurz nach dem Krieg veröffentlichten Tagebuch, dass sich jeder Ärger der Nazis über die katholische Kirche in der Verschlimmerung der Situation der Priesterhäftlinge in Dachau niederschlug.