Protestanten und Lutheraner

Kirchenauffassung Luthers

Hi Leute, möchte für mein Anliegen keinen eigenen Thread eröffnen, darum poste ich meine Fragen hier hinein.

Ich beschäftige mich momentan mit Luthers Kirchenauffassung. Da ich noch recht neu in der Materie und recht unwissend bin, möchte mich meine bisherigen Ergebnisse mit euch teilen und bin auf Kritik sowie Hilfe, was weitere Punkte anbelangt, dankbar.

- Luther sieht die Kirche als Einheit (Leib Christi): Alle Getauften sind Priester, wobei wenige gewisse Gewalten (Wort und Sakramente) ausüben dürfen. Diese werden von der Gemeinde bestimmt. Kann man hier von Standeszusammenführung sprechen?! Er setzt Klerus mit den "Laien" gleich...

- Römische Kirche befasst sich zu sehr mit Nebensächlichkeiten: die Verheißung des Evangeliums gerät immer mehr in den Hintergrund. Luther möchte dies ändern und führt an, dass eine Messe besser wird, sobald sie sich dem eigentlichen Abendmahl - was die Form anbelangt - annähert.

- Sakramente: Bei Luther nur zwei + 1 sakramentales Zeichen (Buße - wie ist das zu verstehen? Finde da leider recht gar nix...). In der römischen Kirche sind es 7. Priesterweihe als Sakrament fällt bei Luther sowieso raus, da es diese laut 1. Punkt nicht geben kann.

- Hilfe: hab ich wichtige Punkte vergessen?! Wenn ja, welche? Über jede Antwort würde ich mich freuen!

Viele Grüße,
McGörk
 
McGörk schrieb:
Hi Leute, möchte für mein Anliegen keinen eigenen Thread eröffnen, darum poste ich meine Fragen hier hinein.

Ich beschäftige mich momentan mit Luthers Kirchenauffassung. Da ich noch recht neu in der Materie und recht unwissend bin, möchte mich meine bisherigen Ergebnisse mit euch teilen und bin auf Kritik sowie Hilfe, was weitere Punkte anbelangt, dankbar.

- Luther sieht die Kirche als Einheit (Leib Christi): Alle Getauften sind Priester, wobei wenige gewisse Gewalten (Wort und Sakramente) ausüben dürfen. Diese werden von der Gemeinde bestimmt. Kann man hier von Standeszusammenführung sprechen?! Er setzt Klerus mit den "Laien" gleich...

- Römische Kirche befasst sich zu sehr mit Nebensächlichkeiten: die Verheißung des Evangeliums gerät immer mehr in den Hintergrund. Luther möchte dies ändern und führt an, dass eine Messe besser wird, sobald sie sich dem eigentlichen Abendmahl - was die Form anbelangt - annähert.

- Sakramente: Bei Luther nur zwei + 1 sakramentales Zeichen (Buße - wie ist das zu verstehen? Finde da leider recht gar nix...). In der römischen Kirche sind es 7. Priesterweihe als Sakrament fällt bei Luther sowieso raus, da es diese laut 1. Punkt nicht geben kann.

- Hilfe: hab ich wichtige Punkte vergessen?! Wenn ja, welche? Über jede Antwort würde ich mich freuen!

Viele Grüße,
McGörk


zum Stichwort Abendmal müßte hier was zur Transsubstantationslehre stehen:

Obwohl sich das protestantische Abendmahl optisch kaum von einem katholischen Abendmahl unterscheidet, hat es eine andere Bedeutung. Deshalb verbietet die katholische Kirche den Abendmahlsbesuch bei den protestantischen Kirchen.

Theologisch Präzisiert wurde die Trennung schon im Konzil von Trient 1563. Während die Protestanten im Andenken an Jesus Christus’ Abendmahl das Brechen des Brotes feiern, zelebriert die Katholische Kirche in der Wandlung von Wein und Wasser die leibliche Gegenwart Gottes. Banal gesprochen speisen die einen Brot, die anderen aber Gott selber. Diese theologische Trennung nennt man Transubstantationslehre.


siehe dazu :
http://www.zeit.de/2003/18/Spitze_18_Neu
 
Arcimboldo schrieb:
zum Stichwort Abendmal müßte hier was zur Transsubstantationslehre stehen

Jetzt also doch, wo ich doch einen roten Stern bekommen habe, als ich das Thema vorschlug!:S

Das Grundproblem bei Luther scheint mir, dass die Kirche mit der Reformation auch Staatskirche wird, während die Römische Kirche ja immer parallel zum Staat existierte. Luther reagiert darauf mit der Zwei-Reiche-Lehre (auch wenn er sie selbst nicht so nannte). Danach ist alle Obrigkeit von Gott eingesetzt, es sei denn die Obrigkeit verlangt etwas, was als Sünde zu verstehen ist, dann "soll man Gott mehr gehorchen als den Menschen".

Die Kirche ist ja - zumindest in vielen deutschen Staaten - als Landeskirche organisiert und untersteht staatlicher Aufsicht. Allerdings wird im Augsburger Bekenntnis auch gesagt, dass es ausreicht, wenn in der Kirche nur "das Evangelium einträchtig im reinen Verständnis gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden." In welcher Form dies geschieht, sei unerheblich.

Und dann ist die da noch die Frage der Rechtfertigung (also der Vergebung der Sünden). Luther beruft sich auf den Römerbrief, in dem es heißt "Weil wir durch den Glauben gerecht geworden sind, haben wir Ruhe und Frieden" /Röm 5,1). Die Römische Kirche hatte hingegen betont, dass in erster Linie die guten Werke zur Vergebung der Sünden führen würden (entsprechend der ganze Zank um den Ablaßhandel, der die Reformation auslöste). Und das ist bis heute einer der Hauptpunkte um den sich die beiden Kirchen streiten.
 
Arcimboldo schrieb:
zum Stichwort Abendmal müßte hier was zur Transsubstantationslehre stehen:

Obwohl sich das protestantische Abendmahl optisch kaum von einem katholischen Abendmahl unterscheidet, hat es eine andere Bedeutung. Deshalb verbietet die katholische Kirche den Abendmahlsbesuch bei den protestantischen Kirchen.

Theologisch Präzisiert wurde die Trennung schon im Konzil von Trient 1563. Während die Protestanten im Andenken an Jesus Christus’ Abendmahl das Brechen des Brotes feiern, zelebriert die Katholische Kirche in der Wandlung von Wein und Wasser die leibliche Gegenwart Gottes. Banal gesprochen speisen die einen Brot, die anderen aber Gott selber. Diese theologische Trennung nennt man Transubstantationslehre.


siehe dazu :
http://www.zeit.de/2003/18/Spitze_18_Neu

Ich habe extra nochmal nachgelesen. Dies gilt so allgemein nicht. Es ist noch ein wenig komplizierter.

Gegen die Transsubstantioationslehre der römisch-katholischen Kirche setzte Luther seine Konsubstantiationslehre.

"Gegen die bleibende Verwandlung der Substanz von Brot und Wein in die Substanz von Leib und Blut Christi – was Thomas von Aquin mit Hilfe der aristotelischen Seinslehre beschrieb – betonte Luther die Gegenwart Christi im Abendmahl „in, mit und unter“ Brot und Wein und beschränkte diese auf die Abendmahlsfeier." Für die Katholiken ist dies auch nach dem Abendmahl Blut und Leib Christi und muß entsprechend aufbewahrt etc.
Für die Reformierten hingegen ist Brot und Wein rein symbolischen Charakter. Allerdings gibt es trotz unterschiedlicher Gewichtung seit 1973 mit der Leuenberger Konkordie eine Abendmahlgemeinschaft mit den Lutheranern.
Ich bin zwar kein Theologe, aber zumindest habe ich das so entnommen.
Bitte ggf. um Korrektur.

Aus: http://www.ack-bayern.de/Abendmahl.pdf
Da wird ausführlichst abgehandelt wie die einzelnen Kirchen der Aktionsgemeinschaft christlicher Kirchen in Bayern das Abendmahl sehen.
 
Das ist zweifellos alles sehr interessant, aber dem Fragesteller nützt es m.E. wenig die komplizierten Abschattierungen von Reformierten zu Lutheranern im Vergleich mit den nachtridentinischen Katholizismus klerikaler Lesart auszubreiten.

Hier gehts m.E. erst mal um Luthers unterschiedliche Kirchenauffassung und um Unterschiede zur röm-kath. Kirche in Liturgie und Inhalt .
Für den Fragesteller würde ich da erstmal einfach und übersichtlich bleiben :)
 
Arcimboldo schrieb:
Hier gehts m.E. erst mal um Luthers unterschiedliche Kirchenauffassung und um Unterschiede zur röm-kath. Kirche in Liturgie und Inhalt .
Für den Fragesteller würde ich da erstmal einfach und übersichtlich bleiben :)
Da hast du zweifelsohne Recht. Aber da ist auch die Transsubstantiation (zeitlich) schon zu weit geschossen,

Luther, der ja keine neue Kirche wollte, rieb sich an den Miißständen seiner Kirche an der Nahtstelle von Mittelalter und Neuzeit. Da wurde ein Prozeß in Gang gesetzt, den Luther selbst nicht mehr steuern konnte.
Es entstanden Lehren, Schritt für Schritt.

Ein vielleicht[!] einfacheres Beispiel ist Luthers Position zu den Sakramenten. Die Reduzierung auf deren zwo, nur die seien biblisch zu begründen, ist im Wesentlichen noch heute lutherische Lehre.
 
Mercy schrieb:
Es entstanden Lehren, Schritt für Schritt.

Ähem, Verzeihung, aber vorher gab es auch schon Lehren, und nicht zu knapp. Wichtig ist, dass Luther nicht nur die Reformation, sondern auch die Gegenreformation, angeregt hat. Durch die Abspaltung der Protestanten war plötzlich die Römische Kirche im Zugzwang und mußte ihre Lehre (sic!) überdenken. Wenn man den Erfolg des Protestantismus im 16. Jahrhundert anschaut, ist es eigentlich verwunderlich, dass die Römische Kirche überhaupt noch existiert.
 
Arcimboldo schrieb:
Das ist zweifellos alles sehr interessant, aber dem Fragesteller nützt es m.E. wenig die komplizierten Abschattierungen von Reformierten zu Lutheranern im Vergleich mit den nachtridentinischen Katholizismus klerikaler Lesart auszubreiten.

Hier gehts m.E. erst mal um Luthers unterschiedliche Kirchenauffassung und um Unterschiede zur röm-kath. Kirche in Liturgie und Inhalt .
Für den Fragesteller würde ich da erstmal einfach und übersichtlich bleiben :)

OK. Zugegeben. Das war ein wenig zu speziell. Ich hoffe das ist nun allgemeiner und verständlicher.

Unter Wikipedia findet man unter dem Stichwort Reformation eine Zusammenfassung, die kennzeichnet, worin sich Luthers Position gegenüber der römisch-katholischen Kirche inhaltlich unterscheidet und die ich ein wenig aufgeweitet habe:
  • sola scriptura - allein die Schrift ist die Grundlage des christlichen Glaubens, nicht die Tradition (deshalb war Luther auch bestrebt die Bibel im "Original" (Hebräisch und Griechisch) zu lesen und zu sie übersetzen [die anderen deutschen Bibeln vor Luther basierten auf lalteinischen Übersetzungen aus dem Griechischen] und es spielte die Zugänglichkeit zur Heiligen Schrift, nun für jedermann lesbar, eine große Rolle; der Gläubige konnte den Predigttext nun selbst lesen und sich seine Gedanken machen; die Deutungshoheit der Kirche über die Bibel war damit gebrochen)
  • solus Christus - allein Christus, nicht die Kirche, hat Autorität über Gläubige (die Kirche bzw. der Priester als Vermittelnder wird nicht mehr benötigt - individuellerer, direkterer Zugang des Gläubigen zu Gott)
  • sola gratia - allein durch die Gnade Gottes wird der glaubende Mensch errettet, nicht durch eigenes Tun
  • sola fide - allein durch den Glauben wird der Mensch gerechtfertigt, nicht durch gute Werke (die beiden letzten Punkte gehören zur sog. Rechtsfertigungslehre, die Luthers zentrales theologisches Problem mit der römisch-katholischen Kirche ausmachte; es kam nicht mehr darauf an gute Werke zu tun)
Ansonsten war natürlich die Einführung eines Gottesdienstes in Landessprache (katholische Messe ohne Latein erst seit den 1960er Jahren, glaube ich) indem die Schriftlesung und die Predigt im Mittelpunkt standen (Wortgottesdienst) ein Novum.

Ansonsten hat sich wie bereits gesagt alles erst allmählich entwickelt - Schritt für Schritt (Augsburger Bekenntnis 1530 usw). So gab es von Luther mehrere Gesangbücher mit alten (vom Lateinischen ins Deutsche übertragene) und neuen Texten sowie Melodien, es wurden im Laufe der Zeit neue Kirchenordnungen entwickelt, aber bereits beim Marburger Gespräch 1529 zwischen den verschiedenen protestantischen Richtungen zeigten sich innerhalb des Neuen unüberbrückbare Differenzen.

Ich denke dies war praktisch zwangsläufig so, daß es nun mehr keine absolute Deutungshoheit gab - es ergab sich ein pluaralistischeres Bild, wenn man so will.
 
Hi Leute,

danke für die zahlreichen Antworten. Haben mir sehr weitergeholfen - speziell die letzteren ;)

Eine letzte Frage hätte ich noch bezüglich der Sakramente: Luther spricht ja bekanntlich nur von 2 Sakramenten (Taufe/ Abendmahl) und einem sakramentalen Zeichen (Buße). Dies tut er, weil er die Buße nicht in der Schrift als eigenes Sakrament gekennzeichnet sieht?! Die Buße sei zu stark an die Taufe, die ja letztlich auf die Vergebnung der Sünde abzielt, angelehnt. Hab ich das so richtig verstanden?

Danke!
 
Albatros schrieb:
Mercy schrieb:
Es entstanden Lehren, Schritt für Schritt.
Ähem, Verzeihung, aber vorher gab es auch schon Lehren, und nicht zu knapp. Wichtig ist, dass Luther nicht nur die Reformation, sondern auch die Gegenreformation, angeregt hat. Durch die Abspaltung der Protestanten war plötzlich die Römische Kirche im Zugzwang und mußte ihre Lehre (sic!) überdenken. Wenn man den Erfolg des Protestantismus im 16. Jahrhundert anschaut, ist es eigentlich verwunderlich, dass die Römische Kirche überhaupt noch existiert.

Zwar gab es durchaus vorher schon Lehren, aber die eine (gegenüber anderen christlichen Konfessionen abgrenzbare) katholische Lehre entstand erst im 16. Jhd. War die Kirche um 1500 noch eine mittelalterliche Universalkirche mit einer bunten Vielzahl von unterschiedlichsten Frömmigkeitsformen unter ihrem Dach, so war die katholische Kirche um 1600 eine klar definierte Bekenntniskirche, in der ziemlich genau festgelegt war, was den eigentlich katholisch war und was nicht. War beispielsweise im Mittelalter die Frömmigkeit von Landbevölkerung, Stadtbürgern oder Ordensklerikern ziemlich verschieden, so hatte sich das Glaubensleben der verschiedenen Sozialgruppen mit der Konfessionalisierung stark angeglichen und vereinheitlicht. Erst jetzt gab es eigentlich die eine katholische Kirche und nicht mehr die Vielfalt früherer Jahrhunderte, in denen ein Zwang zur Definition des Glaubens weniger gegeben war, weil innerhalb der eigenen Religion noch keine konkurrierenden Bekenntnisse existierten.

Und die Tatsache, dass die katholische Kirche überhaupt überstanden hat, ist insofern nicht verwunderlich, weil sie nicht nur auf die Reformation ablehnend und konfrontativ reagiert hat (wie es der mittlerweile eher veraltete Terminus Gegenreformation nahelegt), sondern eine Reform des katholischen Glaubens angegangen ist, mit deren Abschluss die Missstände tatsächlich beseitigt waren, die der Anlass für die Kirchenspaltung waren. Letztlich war der Erfolg des Protestantismus ja durchaus auch nicht in ganz Europa so durchschlagend; gerade im Reich hatte sie soviel Erfolg, weil viele andere Staaten bereits im 15. Jhd eigene (katholische) Nationalkirchen etablieren konnten, unter deren Dach sie relativ unbeeinflusst von Rom Kirchenreformen durchsetzen konnten und sich dort Reformbedarf nicht dermaßen dramatisch anstaute wie im Reich, ebenso wie dort auch die finanzielle Belastung durch die römische Kurie nicht mehr so stark war.
 
Hi Leute, ich mal wieder...

sitze gerade an meiner Hausarbeit zum Thema "Luthers Sakramentenlehre". Als Quelle habe ich "de captivitate..." gewählt. Meine Frage nun, an wen genau richtet sich diese Schrift? In der Literatur finde ich immer nur wieder den Hinweis "an Gelehrte, da auf Latein". Doch warum - berufe mich hier auf die dt. Übersetzung von Thomas Murner - beginnt Luther einen Satz mit "Ei Lieber"? Lateinischer Originaltext: "Obsecro autem, quae est neessitas?" Wie habe ich das zu verstehen? Ist dies einfach eine sehr freie Übersetzung Murners oder richtet sich Luther speziell an einen Gelehrten. Habe irgendwie im Sinn, dass es sich dabei um Alfeld handelt?! Bin aber atom unsicher.

Wäre spitze, wenn ihr mir helfen könntet! Danke!
 
Als Quelle habe ich "de captivitate..." gewählt. Meine Frage nun, an wen genau richtet sich diese Schrift? In der Literatur finde ich immer nur wieder den Hinweis "an Gelehrte, da auf Latein". Doch warum - berufe mich hier auf die dt. Übersetzung von Thomas Murner - beginnt Luther einen Satz mit "Ei Lieber"?

Hast du den Titel nicht beachtet?
Luther beginnt mit:

Martinus Lutherus Augustinianus Hermanno Tulichio suo Salutem


was ungefähr:

Hallo Hermann Tulichio, Martin Luther, der Augustiner Bruder grüsst dich...
 
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