Russische Teilmobilmachung 1914 technische Aspekte und Möglichkeiten

Mobilmachung setzt ja nicht zwangsläufig auch die Absicht vorraus tatsächlich anzugreifen, sondern kann ja auch als Mittel der Abschreckung eingesetzt werden, so wie Österreich das in der Durazzo-Krise tat.
Generell ist die Mobilmachung ein relativ sicheres Indiz für den baldigen Ausbruch eines Krieges.
Millionen von Soldaten nur zur Abschreckung mobil zu machen, ist ein ziemlich teures "Vergnügen". Ob sich das Petersburg überhaupt leisten konnte.

Hätte Berlin die Mobilmachung erklärt, hätte noch immer die Möglichkeit bestanden mit etwas Verzögerung zur Vollmobilmachung überzugehen.

Berlin hat ziemlich lange abgewartet.

Wenn man von russischer Seite her gegen Österreich Teilmobilgemacht gemacht hätte ohne aber loszuschlagen, bis zur Beendigung des Aufmarsches hätte Deutschland keinen Grund gehabt militärisch gegen Russland loszuschlagen.

Wie kommst du auf den theoretischen Gedanken, dass das überhaupt funktionieren könnte. Allen damals Beteiligten war klar, wenn Russland gegen Österreich-Ungarn vorgeht, hier sehr bedrohlich agierte, dann würde das nicht ohne Folgen bleiben. Spätestens mit der Mobilmachung gegen Österreich-Ungarn war doch klar, dass das sehr ernst Folgen haben würde.
Wenn man unter absolut chaotischen Bedingungen mal eben innerhalb von 11 Tagen zwei Armeekorps von der West- an die Ostfront transferieren zu können (voll kampffähig), dann wäre es sicherlich unter wesentlich entspannteren Bedingungen und bei kürzerer Strecke und mehr nutzbaren Bahnen und Bahnmaterial (Westaufmarsch) möglich gewesen innerhalb eines ähnlichen Zeitraums auch 2-3 Armeen vom Westen in verschiedene Teile des Ostens zu verschieben um den Schwerpunkt zu verändern und gegen Russland zu richten.

Meinst du, das 2-3 Armeen ausreichend gewesne wären. Und ob das Schienennetz in Ostpreußen es zugelassen hätte, gleich mehrere Armeen in so kurzer Zeit an die Front zu bringen?
 
1. Nein, da Österreich seinerseits die Feindseeligkeiten gegen Serbien eröffnet hatte, also der Agressor war, griff hier der Zweibundvertrag nichts und von der Mission Hoyos und vom Blankoschek wussten die Russen so weit mir bekannt, zu diesem Zeitpunkt nichts präzises, so dass sie damit hätten rechnen müssen.
Es war ja nun kein unprovozierter Angriff. Man kann sicher dennoch die Meinung vertreten, dass Österreich-Ungarn hier der Aggressor war, aber wenn die russische Führung realistisch einschätzen wollte, ob Deutschland Österreich-Ungarn unterstützen würde, mussten sie sich natürlich bemühen, das aus deutscher Sicht zu sehen.

2. Mobilmachung setzt ja nicht zwangsläufig auch die Absicht vorraus tatsächlich anzugreifen, sondern kann ja auch als Mittel der Abschreckung eingesetzt werden, so wie Österreich das in der Durazzo-Krise tat.
Auch das hatten wir doch schon. Deutschland konnte nun mal nicht warten, bis Russland seine Mobilisierung abgeschlossen hatte und tatsächlich angegriffen hätte, weil man sonst den Vorteil der schnelleren eigenen Mobilisierung verschenkt hätte. Das gilt natürlich insbesondere wegen des Schlieffenplans, der sonst nicht funktioniert hätte, hätte aber im Prinzip auch gegolten, wenn es den Ostaufmarschplan noch gegeben hätte, denn auch dann wäre eine schnellere Mobilisierung Deutschland von großem Vorteil gewesen, da man dann russische Gebiete wie z. B. Polen und eventuell Teile des Baltikums schon hätte erobern können, bevor die Russen voll mobilisiert gewesen wären.
 
Zu berücksichtigen ist m.E. nach auch, das Russland, im Gegensatz zu Deutschland, gegenüber Serbien zu rein gar nichts verpflichtet gewesen war. Die systematische Untergrund- und Wühlarbeit Serbien in Bosnien und der Herzegowina sollte auch nicht übesehen werden. Serbien hatte kurz zuvor selbst einem aggressiven Angriffskrieg gegen das Osmanische Reich geführt. Es gab schon Hinweise, die in Richtung Belgrad zeigten.
Russland unterstütze einen aggressiven Staat, dessen Ziel die Dekomposition Österreich-Ungarns war. Das sollte nicht übersehen und außerhalb der Betrachtung bleiben.
 
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Auch das hatten wir doch schon. Deutschland konnte nun mal nicht warten, bis Russland seine Mobilisierung abgeschlossen hatte und tatsächlich angegriffen hätte, weil man sonst den Vorteil der schnelleren eigenen Mobilisierung verschenkt hätte

Ganz genau so ist es. Die Implikationen des Schlieffenplans, die auch in Petersburg bekannt waren, zwangen zur Eile.
 
Zeige mir einmal bitte die Passage im Zweibundvertrag vom 07.Oktober 1879 die diese These deckt
Das hatte ich bereits mit dem Rekurs auf das Völkerrecht dargelegt.

Eilt eine dritte Macht einem angegriffenen Land in einem militärischem Konflikt zut Hilfe, tritt sie auf der Seite des Verteidigers in den Krieg ein, gilt aber nicht als Angreifer.
Ein russischer Angriff, wie es der Zeibundvertrag forderte, würde somit nicht vorgelegen haben, somit kein casus foederis qua Vertrag.

Wenn du das noch immer nicht hinnehmen möchtest, erklär mir mal den Sinn der Misssion Hoyos und warum sich die Österreicher um deutsche Rückendeckung explizit bemühten, wenn sie doch vertraglich ohnehin zugesagt gewesen wäre?
Wozu die Mission Hoyoy, wozu der "Blankoschek", wenn für Berlin und Wien ohnehin klar gewesen wäre, dass in einem solchen Szenario die deutschen Bündnispflichten gegriffe haben würden?
 
Generell ist die Mobilmachung ein relativ sicheres Indiz für den baldigen Ausbruch eines Krieges.
Mobilmachung ist für sich genommen kein Akt der militärischen Agression. Der Veruch es zu einem zu erklären unzulässig.

Millionen von Soldaten nur zur Abschreckung mobil zu machen, ist ein ziemlich teures "Vergnügen".
Das sich Wien in der Durazzo-Krise leistete. Warum also nicht auch St. Petersburg?

Berlin hat ziemlich lange abgewartet.
2 Tage nach dem Beginn der russischen Vollmobilmachung, halte ich nicht für besonders lange.

Wie kommst du auf den theoretischen Gedanken, dass das überhaupt funktionieren könnte. Allen damals Beteiligten war klar, wenn Russland gegen Österreich-Ungarn vorgeht, hier sehr bedrohlich agierte, dann würde das nicht ohne Folgen bleiben. Spätestens mit der Mobilmachung gegen Österreich-Ungarn war doch klar, dass das sehr ernst Folgen haben würde.
Ich möchte mal umgekehrt die Frage stellen, wie du drauf kommst, dass Teilmobilmachung gegen Österreich zu weiteren Verwicklungen hätte führen müssen?
Wie ich das sehe weicht schon deine Interpretation des Bündnisfalls des Zweibundvertrags (sonst müsstest du die mäßigennde Haltung gegenüber Wien in den Balkankriegen, die Mission Hoyos und den Blankoschek erklären) erheblich von dem ab, wie die damaligen Entscheidungsträger in Berlin und Wien das sahen.
Nun auch noch Teilmobilmachung quasi zum Casus foederis erklären zu wollen, obwohl damit überhaupt nicht klar war, ob überhaupt offene militärische Auseinandersetzung stattfinden würde, hat ja nun mit den bestehenden vertraglichen Verpflichtungen überhaupt nichts mehr zu tun.

Ob sowas denkbar war, hätte davon abgehangen, ob man Berlin zutraute in dieser Sache abseits der Bündnispflichten Agression zu betreiben oder nicht.

Meinst du, das 2-3 Armeen ausreichend gewesne wären. Und ob das Schienennetz in Ostpreußen es zugelassen hätte, gleich mehrere Armeen in so kurzer Zeit an die Front zu bringen?
Also realiter hat bereits die abgespeckte 8. Armee zusammen mit 2 herangeführten Korps aus dem Westen ausgereicht um die Lage im Osten einigeraßen stabil zu halten.

Warum hätte man, hätte man den Schwerpukt in Richtung Osten verschoben alles nach Ostpreußen verschieben sollen?
Teilweise nach Ostpreußen, teilweise nach Oberschlesien und Posen, um konzentrisch gegen Warschau vorzugehen, Russisch-Polen wegzunehmen und damit die Front zu verkürzen um somit auch den Österreichern im Bedarfsfall besser helfen zu können.
 
Man kann sicher dennoch die Meinung vertreten, dass Österreich-Ungarn hier der Aggressor war, aber wenn die russische Führung realistisch einschätzen wollte, ob Deutschland Österreich-Ungarn unterstützen würde, mussten sie sich natürlich bemühen, das aus deutscher Sicht zu sehen.

Die Schlussfolgerung hätte dann davon abgehangen, ob man Berlin zugetraut haben würde den Krieg zu wollen oder nicht.

Das Nichthandeln der Deutschen nach 1905 und das Verhalten der Deutschen in den Balkankriegen, als Berlin Wien bremste, konnte für die russische Seite aber durchaus die Annahme nahelegen, dass Berlin den Krieg nicht wollte und deswegen in keinem Fall Österreich mit außerdiplomatischen Mitteln über seine vertraglichen Verpflichtungen hinaus unterstützen würde.

Deutschland konnte nun mal nicht warten, bis Russland seine Mobilisierung abgeschlossen hatte und tatsächlich angegriffen hätte, weil man sonst den Vorteil der schnelleren eigenen Mobilisierung verschenkt hätte. Das gilt natürlich insbesondere wegen des Schlieffenplans, der sonst nicht funktioniert hätte, hätte aber im Prinzip auch gegolten, wenn es den Ostaufmarschplan noch gegeben hätte, denn auch dann wäre eine schnellere Mobilisierung Deutschland von großem Vorteil gewesen, da man dann russische Gebiete wie z. B. Polen und eventuell Teile des Baltikums schon hätte erobern können, bevor die Russen voll mobilisiert gewesen wären.

Deutschland konnte warten, so lange sich es sich nur um eine Teilmobilmachung gegen Österreich-Ungarn handelte und so lange Frankreich und Großbritannien sich ruhig verhielten.

Teilmobilmachung lediglich der russische Streitkräfte an der Österreichischen Grenze, die die Österreicher dort binden und die daher nicht so einfach gegen Deutschland eingesetzt werden konnten, hätte keinen entscheidenden Effekt auf das Schlieffenszenario gehabt.
 
Zu berücksichtigen ist m.E. nach auch, das Russland, im Gegensatz zu Deutschland, gegenüber Serbien zu rein gar nichts verpflichtet gewesen war. Die systematische Untergrund- und Wühlarbeit Serbien in Bosnien und der Herzegowina sollte auch nicht übesehen werden. Serbien hatte kurz zuvor selbst einem aggressiven Angriffskrieg gegen das Osmanische Reich geführt. Es gab schon Hinweise, die in Richtung Belgrad zeigten.
Russland unterstütze einen aggressiven Staat, dessen Ziel die Dekomposition Österreich-Ungarns war. Das sollte nicht übersehen und außerhalb der Betrachtung bleiben.

Auch Deutschland war in diesem Fall zu nichts verpflichtet, jedenfalls nicht qua Bündnisvertrag. Nicht wenn Österreich selbst Serbien überfiel und dadurch weitere Verwicklungen auslöste.

Den Angriffskrieg gegen das Osmanische Reich auf der einen Seite anzuführen, auf der anderen Seite aber weg zu lassen, dass Wien durchaus willens war in der causa Albanien davon durch eine Österreich genehme Regelung (albanische Unabhängigkeit mit zunächst starker Anlehnung an Wien) zu profitieren, statt sich dafür einzusetzen, dass das Territorium beim Osmanischen Reich bliebe und ebenfalls weg zu lassen, dass 1908 Österreich ebenfalls Osmanisches Territorium annektiert hatte, ist denn schon etwas einseitig.

So rein defensiv und uneigennützig war das was Wien da getan hatte nicht.

Und es ist ja nicht so, dass im Juli '14 es keine Möglichkeit gegeben hätte die Sache diplomatisch zu verhandeln. Wäre es zu einer Großmachtskonferenz gekommen, wäre es durchaus wahrscheinlich gewesen, dass man Serbien da gezwungen hätte, gegen die antiösterreichische Aggitation und subversive Aktivitäten vorzugehen, schon weil auch die Ententemächte die Gefahr dieser Problematik sehen mussten und nicht schwarf auf weitere Krisen dieser Art sein konnten.

Ganz genau so ist es. Die Implikationen des Schlieffenplans, die auch in Petersburg bekannt waren, zwangen zur Eile.
Eine Tilmobilmachung lediglich gegen Österreich stellte für das Schlieffen-Szenario kein entscheidendes Problem dar, so lange kein Aufmarsch gegen Deutschland erfolgte.

Und St. Petersburg ist zuzugestehen, dass es den Schlieffenplan zwar kannte, aber nicht wusste, ob es noch Alternativpläne gab und daher nicht seriös abschätzen konnte, wie weit der Handlungspielraum der deutschen Entscheidungsträger sein würde.
 
Eilt eine dritte Macht einem angegriffenen Land in einem militärischem Konflikt zut Hilfe, tritt sie auf der Seite des Verteidigers in den Krieg ein, gilt aber nicht als Angreifer.
Ein russischer Angriff, wie es der Zeibundvertrag forderte, würde somit nicht vorgelegen haben, somit kein casus foederis qua Vertrag.

Ich bin kein Völkerrechtler und kann daher nicht entscheiden, ob das zutreffen ist,was du ausführst.
Fakt ist, das die Deutschen es so nicht betrachtet haben und die Russen auch nicht. Allen Beteiligten war klar, das ein militärischer Angriff Russland auf Österreich-Ungarn die Deutschen auf dem Plan rufen würde.
Und wie das Völkerrecht damals betrachtet wurde, darüber gibt schon die 1867, völkerrechtlich verbindlich, garantierte Neutralität Luxemburgs Auskunft. Niemand interessiert es. Die völkerrechtlich garantierte Neutralität Belgiens wurde nur dazu benutzt, damit Großbritannien in den Krieg eintreten konnte. Dieser Grund war für die britische Bevölkerung akzeptabel; nicht jedoch für Serbien in den Krieg zu ziehen.

Die Situationen zu Beginn und Ende der Julikrise waren nicht mehr die Gleichen. Die deutsche Unterstützung war mit der Auflage verbunden, das Wien sehr schnell vorgeht. Zwischenzeitlich wurde der Blankoscheck durch Bethmann, Weltbrandtelegramm, storniert.

Wilhelm II. sah ja nach der serbischen Antwortnote selbst keinen Grund mehr für einem Krieg und gab entsprechende Weisungen an das Auswärtige Amt.

Es ist auch darauf hinzuweisen, das den Deutschen die Uneinigkeit der Österreicher verschwiegen wurde und das der Beschluss zum Kriege noch gar nicht gefasst worden war. Wien war gar nicht in der Lage ein schnelles
fait accompli durchzuführen. Das alles wurde den Deutschen nicht mitgeteilt. Deutschland hatte in den Augen Wiens quasi den Erfüllungsgehilfen zu spielen. Die entscheidenden Männer der Monarchie waren Hoyos, Szöygény und Berchtold.

Auch sollte das Matschekomemorandum nicht übersehen werden. Dieses Memo in der Fassung vom 02.07.1914 sollte im Juli 1914 u.a. dazu dienen, Kaiser Wilhelm II. eine positive Entscheidung aus den Rippen zu leiern. Dort steht u.a. zu lesen, dass die Beziehungen mit Bulgarien und der Türkei so zu gestalten seien, das diese mit Berlin und Wien ein Bündnis eingehen. Hoyos ist nach Berlin gefahren, um die Rückendeckung Berlins für ein Krieg gegen Serbien einzuholen. Die Balkankriege und das russische Engagement für Serbien waren noch in lebhafter Erinnerung.
 
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Auch Deutschland war in diesem Fall zu nichts verpflichtet, jedenfalls nicht qua Bündnisvertrag. Nicht wenn Österreich selbst Serbien überfiel und dadurch weitere Verwicklungen auslöste.

Ich denke, hier sind wir uns definitiv uneinig. Petersburg und allen anderen Großmächte wussten um die deutschen Verpflichtungen und gingen entsprechend auch davon aus, dass der russische Angriff eine entsprechende deutsche Reaktion auslösen würde. Die damaligen Akteuere geben also meiner Sicht der Dinge eher Recht.;)
 
Das hatte ich bereits mit dem Rekurs auf das Völkerrecht dargelegt.

Eilt eine dritte Macht einem angegriffenen Land in einem militärischem Konflikt zut Hilfe, tritt sie auf der Seite des Verteidigers in den Krieg ein, gilt aber nicht als Angreifer.
Ein russischer Angriff, wie es der Zeibundvertrag forderte, würde somit nicht vorgelegen haben, somit kein casus foederis qua Vertrag.

Welche völkerrechtliche Vereinbarung schränkt denn den Zweibundvertrag ein?

Im Dreibundvertrag gibt es explizite Einschränkungen für den casus foederis:

"Art. II. Im Falle, wo Italien ohne unmittelbare Herausforderung seinerseits aus irgendeinem Grunde von Frankreich angegriffen werden sollte, sollen die beiden anderen vertragschließenden Parteien gehalten sein, der angegriffenen Partei mit allen ihren Kräften Hilfe und Beistand zu leisten.
Diese gleiche Verpflichtung soll Italien im Falle eines nicht unmittelbar herausgeforderten Angriffs Frankreichs gegen Deutschland obliegen.
Art. III. Wenn eine oder zwei der hohen vertragschließenden Parteien ohne unmittelbare Herausforderung ihrerseits angegriffen werden sollten und sich in einen Krieg mit zwei oder mehreren Großmächten verwickelt sehen sollten, die den gegenwärtigen Vertrag nicht unterzeichnet haben, so soll der „casus foederis“ gleichzeitig für alle hohen vertragschließenden Parteien eintreten."
 
Welche völkerrechtliche Vereinbarung schränkt denn den Zweibundvertrag ein?
Ich würde meinen, das ergibt sich aus dem Prinzip der staatlichen Souveränität.

Das sämmtliche Großmächte, sich darin einig waren auf ihre Souveränität und territoriale Unverletzlichkeit zu bestehen und für sich auch das Recht reklamierten, diese zur Not mit Waffengewalt zu verteidigen, belegt ja, dass sie dieses Rechtsgut als schützenswert und seine Verteidigung insgesamt als legitim anerkennten.
Und als die vollumfängliche Souveränität Serbiens im Rahmen des Berliner Kongress durch die Großmächte anerkannt wurde, griff das Prinzip auch hier.

Gegen die Verteidigung eines von allen Parteien anerkannten Rechtsguts kann aber schwerlich etwas eingewandt werden, auch dagegen nicht, wenn Dritte bei dessen Verteidigung assestieren.
Und desswegen kann die Unterstützung bei der Verteidigung der angegriffenen Souveränität eines Staates durch einen anderen, durch einen dritten Staat, der sich ebenfalls auf das Prinzip der Souveränität beruft und es daher anerkennen muss, nicht als Angriff im Sinne einer Agression interpretiert werden.

Genau das wäre aber Voraussetzug gewesen um den Zewibundvertrag zu aktivieren.
 
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Fakt ist, das die Deutschen es so nicht betrachtet haben und die Russen auch nicht.
Fakt ist, sie haben es genau so betrachtet und fakt ist auch, dass es die Geschichtsschreibung bisher so betrachtet hat.

Denn wenn dem anders wäre und sich der militärische Beistand für die Serbien-Aktion im Juli '14 bereits aus dem Zweibundvertrag ergeben hätte, wäre der "Blankoschek" völlig unbeachtlich, weil er lediglich erklärt hätte, was dann ohnehin vereinbart gewesen wäre.

Dann würde sich die Geschichtsschreibung, nicht an Wilhelm II. Blankoschek als Türöffner für den 1. Weltkrieg abgearbeitet haben und abarbeiten, sondern an Bismarcks Zweibundvertrag.

Ich denke, hier sind wir uns definitiv uneinig.
Das ist ja nun nichts neues.;)
 
Im Dreibundvertrag gibt es explizite Einschränkungen für den casus foederis:

"Art. II. Im Falle, wo Italien ohne unmittelbare Herausforderung seinerseits aus irgendeinem Grunde von Frankreich angegriffen werden sollte, sollen die beiden anderen vertragschließenden Parteien gehalten sein, der angegriffenen Partei mit allen ihren Kräften Hilfe und Beistand zu leisten. [...]

Das man im Dreibundvertrag sehr weit ging um zu Verhindern von Italien in einen Krieg gegen Frankreich gezogen zu werden (man wusste ja um die kolonialen Rivalitäten beider Mächte in Tunesien) leuchtet ein, nur geht die Einschränkung in diesem Vertragswerk ja noch einmal deutlich weiter, weil man den Begriff "Herausforderung" natürlich sehr weit fassen und interpretieren kann (man denke an die gerade einmal 10 Jahre zurückliegende Emser Depesche).

Das eine vergleichbare Einschränkung im Vertragstext des Zweibundes nicht unternommen wurde, bedeutet in meinen Augen allerdings nicht, dass dieser dazu verpflichtet hätte, dem entgegenstehenden Prinzipien (Souveränität Dritter) zuwider einen Angriffskrieg zu unterstützen, bzw. militärisch aktiv zu werden, wenn einer der Partner eine Konfrontation durch Verletzung des von beiden anerkannten Prinzips selbst verschuldete.
 
Ich würde meinen, das ergibt sich aus dem Prinzip der staatlichen Souveränität.

Das sämmtliche Großmächte, sich darin einig waren auf ihre Souveränität und territoriale Unverletzlichkeit zu bestehen und für sich auch das Recht reklamierten, diese zur Not mit Waffengewalt zu verteidigen
... muss der casus foederis des Zweibundvertrags spätestens in dem Moment greifen, wo der erste russische Soldatenstiefel auf österreich-ungarisches Territorium stapft, oder nicht? Mir bleibt nach wie vor schleierhaft, wo Du eine Einschränkung des Zweibundvertrags herauslesen willst. Greift Russland Österreich-Ungarn an, ist Deutschland verpflichtet, mit seiner gesamten Kriegsmacht Beistand zu leisten.
 
Und es ist ja nicht so, dass im Juli '14 es keine Möglichkeit gegeben hätte die Sache diplomatisch zu verhandeln. Wäre es zu einer Großmachtskonferenz gekommen, wäre es durchaus wahrscheinlich gewesen, dass man Serbien da gezwungen hätte, gegen die antiösterreichische Aggitation und subversive Aktivitäten vorzugehen, schon weil auch die Ententemächte die Gefahr dieser Problematik sehen mussten und nicht schwarf auf weitere Krisen dieser Art sein konnten.
(.....)

Und St. Petersburg ist zuzugestehen, dass es den Schlieffenplan zwar kannte, aber nicht wusste, ob es noch Alternativpläne gab und daher nicht seriös abschätzen konnte, wie weit der Handlungspielraum der deutschen Entscheidungsträger sein würde.

Die Vorschläge für eine internationale Konferenz wurden doch alle abgelehnt. Grey ist doch damit gescheitert.

Worauf willst du mit dem zweiten Scenario hinaus?
 
Mir bleibt nach wie vor schleierhaft, wo Du eine Einschränkung des Zweibundvertrags herauslesen willst. Greift Russland Österreich-Ungarn an, ist Deutschland verpflichtet, mit seiner gesamten Kriegsmacht Beistand zu leisten.
Bei der Definition dessen, was denn ein Angriff wäre.
Steht Russland Serbien lediglich bei der Verteidigung bei, greift es nicht an.

Ich unterstelle, dass der hier verwendete Begriff "Angriff", sich nicht auf die militärische Operation des "Angreifens" sondern auf die zwischenstaatliche Ebene ("Angriff" auf die Souveränität/Territoriale Integrität Österreich-Ungarns) bezieht und demnach als "Agression" auszudeuten ist.

Und die wäre so lange Russland nur Operationen unternahm um Serbien bei seiner Verteidigung beizustehen nicht gegeben gewesen, (und zwar vollkommen egal, wie viele russische Soldatenstiefel auf Österreichischen Boden herumliefen) sondern erst in dem Moment, in dem sich St. Petersburg offen dazu bekannt hätte das Ziel zu verfolgen durch seine militärische Aktion Österreichs Territorium zu verkleinern oder es zu Maßnahmen zu zwingen (wehrpolitischer, wirtschaftspolitischer oder sonstiger Art), die Österreichs Souvränität dauerhaft beeinträchtigt hätten.
 
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Bei der Definition dessen, was denn ein Angriff wäre.
Steht Russland Serbien lediglich bei der Verteidigung bei, greift es nicht an.
Wenn Du argumentieren willst, brauchst Du Definitionen, die im Zeitraum 1879-1914 formuliert wurden und völkerrechtlich relevant waren. Oder zumindest Quellen, die belegen, dass der Begriff im Zusammenhang mit dem casus foederis diskutiert wurde.
 
Mir bleibt nach wie vor schleierhaft, wo Du eine Einschränkung des Zweibundvertrags herauslesen willst. Greift Russland Österreich-Ungarn an, ist Deutschland verpflichtet, mit seiner gesamten Kriegsmacht Beistand zu leisten.

Mir auch.

Grundsätzlich war es die Absicht Wiens, gegen Serbien eine "Strafaktion" durchzuführen, damit dieses endlich Ruhe gibt.
Berchtold war kein Idiot. Er wusste auch, das ein russische Eingreifen nicht mit Sicherheit auszuschließen , auch wenn dies ausdrücklich so gewünscht, war und deshalb ließ er in Berlin sicherheitshalber anfragen; allein schon aufgrund der gemachten Erfahrungen im Zuge der Balkankriege.
Und wie schon mehrfach ausgeführt: Der Zweibundvertrag vom 07.Oktober 1879 gibt unmissverständlich Auskunft darüber, wann der Bündnisfall konkret gegeben ist.
 
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Bei der Definition dessen, was denn ein Angriff wäre.
Steht Russland Serbien lediglich bei der Verteidigung bei, greift es nicht an.

Ich unterstelle, dass der hier verwendete Begriff "Angriff", sich nicht auf die militärische Operation des "Angreifens" sondern auf die zwischenstaatliche Ebene ("Angriff" auf die Souveränität/Territoriale Integrität Österreich-Ungarns) bezieht und demnach als "Agression" auszudeuten ist.

Und die wäre so lange Russland nur Operationen unternahm um Serbien bei seiner Verteidigung beizustehen nicht gegeben gewesen, (und zwar vollkommen egal, wie viele russische Soldatenstiefel auf Österreichischen Boden herumliefen) sondern erst in dem Moment, in dem sich St. Petersburg offen dazu bekannt hätte das Ziel zu verfolgen durch seine militärische Aktion Österreichs Territorium zu verkleinern oder es zu Maßnahmen zu zwingen (wehrpolitischer, wirtschaftspolitischer oder sonstiger Art), die Österreichs Souvränität dauerhaft beeinträchtigt hätten.

Diese deine Argumentation spricht Russland und damit auch Frankreich von jeder Schuld praktisch frei, da es ja nur das "arme" Serbien verteidigt hatte. Wir sind dann wieder auf dem Stand der 60ziger; Deutschland ist der Alleinschuldige.

Tut mir leid, aber dieser Sicht kann ich mich nicht anschließen.

Ich zitiere hier einmal aus Leonhard, "Die Büchse der Pandora":
Hoyos rekapitulierte (nach Beendigung seiner Mission; Anmerkung von mir) Deutschland, so der Reichskanzler, werde uns mit seiner gesamten Macht den Rücken decken und seinen Bündnisverpflichtungen in jeder Weise erfüllen, wenn wir es für nötig fänden, gegen Serbien vorzugehen."

Politiker und Diplomaten erwarteten eine österreichische Strafaktion gegen Serbien, um dieses dauerhaft zu disziplinieren und die Monarchie zu stabilsieren. Unklar, war, wie weit Österreich gehen würde. Von völkerrechtlichen Erwägungen, wie du sie anstellst, ist dort nichts zu lesen.

Des Weiteren steht auch die Frage im Raum, ob Russland nicht nur angeblich wegen Serbien in den Krieg ziehen würde, sondern vielmehr um die Monarchie territorial zu zerlegen und auch seinen Traumvon der Inbesitznahme der Meerengen und Konstantinopels realisieren würde. Das geht ja deutlich über eine angebliche Verteidigung hinaus.Von russischen Diplomaten sind mir nicht gerade freundschaftliche Gefühle für Serbien bekannt. Wilhelm II. meinte irrigerweise, das Russland auch nicht kriegsbereit war.


Den Artikel 1 des Zweibund Vertrages habe ich. schon zitiert gehabt und ich halte daran fest, das der Bündnisfall gegeben war. Warum? Ich habe dort keine Einschränkung des Bündnissfalles wie unprovoziert etc. gelesen.
Im Dreibundvertrag von 1912 steht es etwas präziser. Dort heisst es, Hilfe kommt, wenn der Partner ohne unmittelbar Herausforderung ihrerseits angegriffen werden. Wäre Russland unmittelbar herausgefordert? Bestenfalls mittelbar durch die Schlappe seines Protegés Serbien, aber höchst frontal bedroht am eigenen Leibe? Fehlanzeige.
 
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