Russische Teilmobilmachung 1914 technische Aspekte und Möglichkeiten

Wenn Du argumentieren willst, brauchst Du Definitionen, die im Zeitraum 1879-1914 formuliert wurden und völkerrechtlich relevant waren. Oder zumindest Quellen, die belegen, dass der Begriff im Zusammenhang mit dem casus foederis diskutiert wurde.

Dann frage ich einfach mal dich, von anderer Seite ist einer Beantwortung dieser Frage ja ausgewichen worden: wozu die Mission Hoyos und der Blankoschek, wenn in diesem Fall für die Beteiligten eine Verpflichtung Deutschlands Beistand zu leisten so klar gewesen wäre?

Warum, wenn sie sich dessen wegen des Zweibundvertrags ohnehin sicher gewesen wären, hielten die Österreicher es für notwendig sich der expliziten Zustimmung der Berliner Regierung und KWIIs zu versichern, wenn diese durch den Vertrag ohnehin gebunden gewesen wären?

Wenn man das von Wiener Seite angenommen hätte, hätte es ja gereicht Berlin über den regulären Botschafter Sögyény über das österreichische Vorgehen zu informieren und mitzuteilen, dass man im Konfrontationsfall von Deutschland die Erfüllung der Bündnispflichten erwarte.

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Wenn du bezweifeln möchtest, dass das Prinzip der Souveränität 1914 in den zwischenstaatlichen Beziehungen relevant war, warum dann z.B. noch zum Ende der Juli-Krise der Vorschlag Sasonovs an die deutsche Adresse, sich zur Verhandlung der Österreichische Ansprüche bereit zu finden, sofern die Punkte des Wiener Ultimatums, deren Annahme aus Sasonovs Sicht einem souveränen Staat nicht zuzumuten seien gestrichen würden?
 
Diese deine Argumentation spricht Russland und damit auch Frankreich von jeder Schuld praktisch frei, da es ja nur das "arme" Serbien verteidigt hatte. Wir sind dann wieder auf dem Stand der 60ziger; Deutschland ist der Alleinschuldige.
Dein Bedürfnis Schuldfragen zu verhandeln scheint einmal mehr überwältigend zu sein.

Wie du zu der Annahme kommst, dass meine Interpretation Frankreich und Russland von Verantwortung frei sprächen, weiß ich nicht. Dazu hatte ich mich in keiner Weise geäußert.

Denn was Russlands Absichten angeht, wäre ja noch zwischen dem zu unterscheiden, was St. Petersburg intern diskutierte und was extern für Berlin zu erkennen war.
Wenn für Berlin keine russischen Absichten erkennbar waren Österreich-Ungarn über die Frage der serbischen Souveränität hinaus irgendwie zu beeinträchtigen und es demnach nicht verpflichtet gewesen wäre Wien zu decken, bedeutet das ja durchaus nicht, dass nicht in St. Petersburg durchaus anderes diskutiert woden sein kann und möglicherweise für die Zuspitzung relevant war.

Das ist eine völlig anndere Dikussion, zu der ich mich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht geäußert habe.
Ich würde mich im Übrigen auch jederzeit zu der Einschätzung bereit finden, dass Russland mit seiner Mobilmachung jedenfalls unnötig Öl ins Feuer goss und zwar deswegen, weil Russland Friedensheer auch ohne Mobilisation für eine Machtdemonstration an der Österreichischen Grenze groß genug gewesen wäre, möglicherweise auch für eine Militäraktion gegen Österreich allein.
Insofern musste bei der Mobilisation damit gerechnet werden, dass sie Berlin, wahrscheinlich unnötig, aufstören würde, ob dieses dann zum Handeln gezwungen war und wenn ja wie, dass ist eine andere Frage.

So viel zum Thema russischer Verantwortlichkeiten.



Im Hinblick auf die Modalitäten des Dreibundvertrags frage ich dich nochmal:

Wenn es keinen Interpretationsspielmraum gab, was die Bündnispflichten angeht und Deutschland ohnedies zum Mitgehen vertraglich verpflichtet gewesen wäre, wozu dann das Theater mit der Mission Hoyos (wo du den Mann schon selbst als kronzeugen für deine Argumentation heranziehst)?

Warum meinte Wien Hoyos nach Berlin schicken zu müssen um das zu klären, wenn es ohnehin bereits klar gewesen wäre?

Den Artikel 1 des Zweibund Vertrages habe ich. schon zitiert gehabt und ich halte daran fest, das der Bündnisfall gegeben war. Warum? Ich habe dort keine Einschränkung des Bündnissfalles wie unprovoziert etc. gelesen.
Ja, du hast dort keine einschränkung gelesen, weil du denn Begriff "Angriff" als militärische Angriffsoperation auffasst.
ich habe oben eine alternative Deutung angeboten.
"Angriff" könnte durchaus auch als "Angriff" auf die Souveränität und territoriale Unverssehrtheit der Vertragspartner zu verstehen sein und im Fall dieser Interpretation, die zweifellos möglich ist, käme es nicht darauf an, ob eine militärische Operation gegen Österreich-Ungarn stattfinden würden, sondern darauf, welchen Zweck diese verfolgte.
Verfolgte sie nur den Zweck die Souveränen Rechte eines anderen gegen Wiener Anmaßungen zu Verteidigen, dass wäre schwerlich ein Angriff auf Österreichs Souveränität und Rechte gewesen.
Hätte eine solche Operation das Ziel verfolgt österreich Land abzunehmen oder sonst daueraft in die österreichischen Verhältnisse dauerhaft einzugreifen, hätte das natürlich anders ausgesehen.

Der Begriff "Angriff", ist, da im Vertrag so weit mir bekannnt nicht näher definiert ist und auch nicht näher beschrieben ist ein "Angriff" worauf (natürlich auf Östrreich, aber meint das das Österreichische Territorium oder Österreichs souverän Rechte, das steht da nicht) es sein müsste, meines Erachtens interpretierbar mit einigem Spielraum, der Deutschland zwar sicherlich nicht ermöglichte sich seiner Bündnispflichten bei einem Versuch Russland die Donaumonarchie an ihrer Substanz zu schädigen zu entziehen, sehr wohl aber die Verantwortung für von Wien selbst herbeieskalierte Verwicklungen abzulehnen und so etwas nicht zu unterstützen.
 
Zunächst: Ich bin nicht "von anderer Seite", sondern schlicht @Turgot. Ist so einfach höflicher.

Und nein, ich bin nicht ausgewichen. Siehe Beitrag 39 und auch 40. Da ist der Grund für die Mission Hoyos deutlich benannt. Hoyos hatte ja auch abschließend selbst Bilanz gezogen und u.a. eben erwähnt, Das Deutschland seine Bündnispflicht erfüllen wird.

Warum, wenn sie sich dessen wegen des Zweibundvertrags ohnehin sicher gewesen wären, hielten die Österreicher es für notwendig sich der expliziten Zustimmung der Berliner Regierung und KWIIs zu versichern, wenn diese durch den Vertrag ohnehin gebunden gewesen wären?

Und schon wieder die beantwortete Frage. Siehe einfach oben.

Warum, wenn sie sich dessen wegen des Zweibundvertrags ohnehin sicher gewesen wären, hielten die Österreicher es für notwendig sich der expliziten Zustimmung der Berliner Regierung und KWIIs zu versichern, wenn diese durch den Vertrag ohnehin gebunden gewesen wären?

Sie waren sich eben nicht sicher; deshalb wurde Hoyos losgeschickt. Siehe Erfahrung im Zuge der Balkankriege. Alles schon ausgeführt.

Wenn man das von Wiener Seite angenommen hätte, hätte es ja gereicht Berlin über den regulären Botschafter Sögyény über das österreichische Vorgehen zu informieren und mitzuteilen, dass man im Konfrontationsfall von Deutschland die Erfüllung der Bündnispflichten erwarte.

Hat der Ballhausplatz aber eben nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und nein, ich bin nicht ausgewichen. Siehe Beitrag 39 und auch 40. Da ist der Grund für die Mission Hoyos deutlich benannt. Hoyos hatte ja auch abschließend selbst Bilanz gezogen und u.a. eben erwähnt, Das Deutschland seine Bündnispflicht erfüllen wird.
Das ist keine Antwort auf meine Frage.

Ich habe dich nicht nach der Bilanz gefragt, die Hoyos gezogen hat gefragt, ich habe dich nach dem Grund dafür gefragt, dass Hoyos überhaupt nach Berlin ging.
Der wäre nämlich völlig schleierhaft, wenn Wien ohnedies davon ausgegangen wäre, dass Berlin den Vertrag so interpretieren würde, dass es sich qua Bündnisverpflichtung dem Österreichischen Vorgehen sowiso anschließen und es decken müsse.

Wien musste qua Zweibundvertrag (Infromationspflicht) Berlin natürlich in Kenntnis setzen, wenn es sich in irgendeiner Form auf mögliche Interpretationen des Zweibundvertrags berufen wollte.
Aber dazu hätte man nicht einen Sonderbortschafter als Wien schicken müssen, dass hätte auch Szögyény erledigen können, dem man entsprechendes hätte kabeln können.

Sie waren sich eben nicht sicher; deshalb wurde Hoyos losgeschickt. Siehe Erfahrung im Zuge der Balkankriege. Alles schon ausgeführt.
Mit anderen Worten, es war nicht so klar, dass Berlin das in irgendeiner Form als innerhalb der Bündnispflichten anerkennen würde.

Hat der Ballhausplatz aber eben nicht.
Und dafür hatte er Gründe.
 
Dein Bedürfnis Schuldfragen zu verhandeln scheint einmal mehr überwältigend zu sein.

Letzten Endes läuft es doch genau darauf hinaus.

Wie du zu der Annahme kommst, dass meine Interpretation Frankreich und Russland von Verantwortung frei sprächen, weiß ich nicht. Dazu hatte ich mich in keiner Weise geäußert.

Das ist die logische Folgerung aus deinen Ausführungen.

as ist eine völlig anndere Dikussion, zu der ich mich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht geäußert habe.
Ich würde mich im Übrigen auch jederzeit zu der Einschätzung bereit finden, dass Russland mit seiner Mobilmachung jedenfalls unnötig Öl ins Feuer goss und zwar deswegen, weil Russland Friedensheer auch ohne Mobilisation für eine Machtdemonstration an der Österreichischen Grenze groß genug gewesen wäre, möglicherweise auch für eine Militäraktion gegen Österreich allein.
Insofern musste bei der Mobilisation damit gerechnet werden, dass sie Berlin, wahrscheinlich unnötig, aufstören würde, ob dieses dann zum Handeln gezwungen war und wenn ja wie, dass ist eine andere Frage.

Die Diskussion gehören zusammen, denn das eine ergibt sich aus dem anderen. Schön, das du anerkennst, das die russische Mobilmachung etwas sehr Ernstes war. Es ging ja nicht um eine Demonstration der Macht; man war entschlossen zu handeln; darüber hat schon Dobrorolski Auskunft erteilt.
Nicht nur "aufstören", sondern zur Erfüllung seiner Bündnisverpflichtung veranlassen, denn es wurde ja nun auch gegen Deutschland mobil gemacht. Das konnte ja wohl schlecht ignoriert werden.
Du siehst, m.E. nach, die russischen Handlungen viel zu harmlos.
Der Begriff "Angriff", ist, da im Vertrag so weit mir bekannnt nicht näher definiert ist und auch nicht näher beschrieben ist ein "Angriff" worauf (natürlich auf Östrreich, aber meint das das Österreichische Territorium oder Österreichs souverän Rechte, das steht da nicht) es sein müsste, meines Erachtens interpretierbar mit einigem Spielraum, der Deutschland zwar sicherlich nicht ermöglichte sich seiner Bündnispflichten bei einem Versuch Russland die Donaumonarchie an ihrer Substanz zu schädigen zu entziehen, sehr wohl aber die Verantwortung für von Wien selbst herbeieskalierte Verwicklungen abzulehnen und so etwas nicht zu unterstützen.

Es steht dort deutlich zu lesen, ich habe den Artikel hier schon mehrfach ein gestellt, bei einem Angriff Russlands. Der Begriff Angriff ist dort nicht näher definiert, aber die russische Generalmobilmachung macht ja wohl deutlich, das ein militärisches Vorgehen beabsichtig ist. Da ist nichts dran zu deuteln.
 
Dann frage ich einfach mal dich, von anderer Seite ist einer Beantwortung dieser Frage ja ausgewichen worden: wozu die Mission Hoyos und der Blankoschek, wenn in diesem Fall für die Beteiligten eine Verpflichtung Deutschlands Beistand zu leisten so klar gewesen wäre?

Warum, wenn sie sich dessen wegen des Zweibundvertrags ohnehin sicher gewesen wären, hielten die Österreicher es für notwendig sich der expliziten Zustimmung der Berliner Regierung und KWIIs zu versichern, wenn diese durch den Vertrag ohnehin gebunden gewesen wären?

Wenn man das von Wiener Seite angenommen hätte, hätte es ja gereicht Berlin über den regulären Botschafter Sögyény über das österreichische Vorgehen zu informieren und mitzuteilen, dass man im Konfrontationsfall von Deutschland die Erfüllung der Bündnispflichten erwarte.
Es ging hier immerhin um Krieg oder Frieden und wenn man Serbien und Russland ohne deutsche Rückendeckung gegenüber gestanden hätte, hätte man wohl einer sicheren Niederlage entgegen gesehen.

Da ist es doch wohl klar, dass man sich noch mal rückversichert, ob der Bündnispartner auch wirklich bereit ist, einem im Krieg zur Seite zur stehen. Und man musste selbstverständlich klären, wie hart man gegen Serbien vorgehen konnte, um noch die Rückendeckung Deutschlands zu haben und musste klären, ob es irgendwelche Einschränkungen oder Bedingungen gab. Z. B. meine ich mich zu erinnern, dass es aus deutscher Sicht den Wunsch gab, wenn man denn militärisch gegen Serbien vorgehen wollte, das möglichst früher als später zu tun, denn je mehr Zeit zwischen dem Attentat und dem Vorgehen gelegen hätte, desto weniger hätte sich das rechtfertigen lassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Angriff" könnte durchaus auch als "Angriff" auf die Souveränität und territoriale Unverssehrtheit der Vertragspartner zu verstehen sein und im Fall dieser Interpretation, die zweifellos möglich ist, käme es nicht darauf an, ob eine militärische Operation gegen Österreich-Ungarn stattfinden würden, sondern darauf, welchen Zweck diese verfolgte.
Verfolgte sie nur den Zweck die Souveränen Rechte eines anderen gegen Wiener Anmaßungen zu Verteidigen, dass wäre schwerlich ein Angriff auf Österreichs Souveränität und Rechte gewesen.
Hätte eine solche Operation das Ziel verfolgt österreich Land abzunehmen oder sonst daueraft in die österreichischen Verhältnisse dauerhaft einzugreifen, hätte das natürlich anders ausgesehen.

Der Begriff "Angriff", ist, da im Vertrag so weit mir bekannnt nicht näher definiert ist und auch nicht näher beschrieben ist ein "Angriff" worauf (natürlich auf Östrreich, aber meint das das Österreichische Territorium oder Österreichs souverän Rechte, das steht da nicht) es sein müsste, meines Erachtens interpretierbar mit einigem Spielraum, der Deutschland zwar sicherlich nicht ermöglichte sich seiner Bündnispflichten bei einem Versuch Russland die Donaumonarchie an ihrer Substanz zu schädigen zu entziehen, sehr wohl aber die Verantwortung für von Wien selbst herbeieskalierte Verwicklungen abzulehnen und so etwas nicht zu unterstützen.

Das ist jetzt ein Theoretisieren gepaart mit Spitzfindigkeiten und der Versuch das russische Agieren Weichzuspülen. Russland machte mobil und die Reaktion Berlins war nur folgerichtig.

Ich würde schon davon ausgehen, das es die Absicht Russlands war, dem verhassten Österreich territorial zu zerlegen. Von Österreich wäre nicht viel über geblieben. Deutschland wollte man in Petersburg auch zerschlagen.
 
Wien musste qua Zweibundvertrag (Infromationspflicht) Berlin natürlich in Kenntnis setzen, wenn es sich in irgendeiner Form auf mögliche Interpretationen des Zweibundvertrags berufen wollte.
Aber dazu hätte man nicht einen Sonderbortschafter als Wien schicken müssen, dass hätte auch Szögyény erledigen können, dem man entsprechendes hätte kabeln können.

Willst du oder kannst du nicht verstehen?

shinigami schrieb:
Mit anderen Worten, es war nicht so klar, dass Berlin das in irgendeiner Form als innerhalb der Bündnispflichten anerkennen würde.

Auch das habe ich nun schon mehrfach ausgeführt. Nein, man war sich nicht sicher. Warum: Siehe Balkankriege und die dortige Kooperation Berlins mit London. Wien fand das gar nicht witzig.
 
s ging hier immerhin um Krieg oder Frieden und wenn man Serbien und Russland ohne deutsche Rückendeckung gegenüber gestanden hätte, hätte man wohl einer sicheren Niederlage entgegen gesehen.

Da ist es doch wohl klar, dass man sich noch mal rückversichert, ob der Bündnispartner auch wirklich bereit ist, einem im Krieg zur Seite zur stehen. Und man musste selbstverständlich klären, wie hart man gegen Serbien vorgehen konnte, um noch die Rückendeckung Deutschlands zu haben und musste klären, ob es irgendwelche Einschränkungen oder Bedingungen gab. Z. B. meine ich mich zu erinnern, dass es aus deutscher Sicht den Wunsch gab, wenn man denn militärisch gegen Serbien vorgehen wollte, das möglichst früher als später zu tun, denn je mehr Zeit zwischen dem Attentat und dem Vorgehen gelegen hätte, desto weniger hätte sich das rechtfertigen lassen.

100% Zustimmung.
 
, du hast dort keine einschränkung gelesen, weil du denn Begriff "Angriff" als militärische Angriffsoperation auffasst.
ich habe oben eine alternative Deutung angeboten.
Hat man denn damals (1914) nachweislich semiotisch-linguistische Diskussionen über die Bedeutung einzelner Begriffe in gültig unterzeichneten Vertragstexten geführt? Oder anders gefragt: gibt es Quellen, die nachweisen, dass die Vertragspartner damals (1914) unterschiedliche Auffassungen bzgl. der gültigen Vereinbarungen hatten?
Wenn nicht, befürchte ich, dass du die damaligen Entscheidungsträger mit deinem linguistisch moderneren ex Post Wissen überforderst ;)
 
Wozu die Mission Hoyoy, wozu der "Blankoschek", wenn für Berlin und Wien ohnehin klar gewesen wäre, dass in einem solchen Szenario die deutschen Bündnispflichten gegriffe haben würden?
Diese waren notwendig, weil der jeweilige Partner sich nicht zu 100 Prozent darauf verlassen konnte, dass der Verbündete die vertraglichen Verpflichtungen auch einhält, selbst wenn der casus foederis eindeutig gegeben wäre.

Christopher Clark schreibt hierzu sehr treffend:
"Doch Bündnisverträge, sind, wie Verfassungen, bestenfalls nur eine ungefähre Richtlinie für politische Realitäten."
(Die Schlafwandler, S. 382)

Wenn Du argumentieren willst, brauchst Du Definitionen, die im Zeitraum 1879-1914 formuliert wurden und völkerrechtlich relevant waren. Oder zumindest Quellen, die belegen, dass der Begriff im Zusammenhang mit dem casus foederis diskutiert wurde.
Ich glaube, relevanter als Definitionen, davon, was als Angriff galt, oder nicht, waren die Überzeugungen, wie damalige Staatsmänner Recht und Verträge auszulegen dachten. Bismarck war z.B. der Meinung, dass "alle internationalen Verhandlungen und alle internationalen Verpflichtungen im Sinne der nationalen Interessen zu interpretieren waren, sodass die Staatsräson immer einen Vorwand bot, um von internationalen Verpflichtungen zurückzutreten."
(James Joll, The Origins of the First World War, S. 50)
M.E. gilt das auch andersherum. Selbst wenn Deutschland nicht verpflichtet gewesen wäre, Österreich-Ungarn bei einem russischen Angriff zu unterstützen, hätte man sich aus Gründen der Staatsräson sicher entschieden, über vertragliche Verpflichtungen hinaus zu handeln.

Der frühere britische Premierminister Lord Salisbury argumentiert ähnlich wie Bismarck und bezieht sich in diesem Fall auf die Frage der belgischen Neutralität:
"Unsere vertraglichen Verpflichtungen werden durch nationale Belange bestimmt werden, nicht umgekehrt."
(Joll, Origins, S. 50)

Auch später erwähnt Premierminister Asquith gegenüber George V. (ebenfalls in Bezug auf Belgien):
"Das Kabinett ist der Ansicht, dass die Angelegenheit, falls sie eintritt, eher eine politische als eine rechtliche Verpflichtung ist."
(A.D. Harvey, Collision of Empires, S. 214)

Die genannten Beispiele beziehen sich zwar nicht auf einen österreich-ungarischen Angriff auf Serbien, sowie auf eine entsprechende russische Reaktion, geben aber einen Einblick, wie die politische Klasse von damals über (Völker-)Recht dachten.

Interessant an dieser Stelle ist vielleicht auch, wie eine Mobilmachung gewertet wurde. Stefan Schmidt schreibt hierzu, "dass eine allgemeine Mobilmachung, nicht mehr als friedlicher Akt gewertet werden konnte." So schrieb der französische Militärattaché in Russland, Raoul de Boisdeffre, der maßgeblich an der Bildung der russisch-französischen Allianz beteiligt war am 18.08.1892: "Die Mobilmachung ist die Kriegserklärung." Dabei wird auch nicht zwischen ein Teil- oder Generalmobilmachung unterschieden. Bezogen wird sich hier zwar auf eine Mobilmachung Österreich-Ungarns, aber es geht ja durchaus darum, wie in der damaligen Epoche über Verträge gedacht wurde, bzw. wie Krieg defininiert wurde.
(Stefan Schmidt, Frankreichs Außenpolitik, S. 248)
 
Diese waren notwendig, weil der jeweilige Partner sich nicht zu 100 Prozent darauf verlassen konnte, dass der Verbündete die vertraglichen Verpflichtungen auch einhält, selbst wenn der casus foederis eindeutig gegeben wäre.

Exakt. Genau wie ich es schon ausgeführt habe.

Christopher Clark schreibt hierzu sehr treffend:
"Doch Bündnisverträge, sind, wie Verfassungen, bestenfalls nur eine ungefähre Richtlinie für politische Realitäten."
(Die Schlafwandler, S. 382)

Schöner Hinweis.
 
Diese waren notwendig, weil der jeweilige Partner sich nicht zu 100 Prozent darauf verlassen konnte, dass der Verbündete die vertraglichen Verpflichtungen auch einhält, selbst wenn der casus foederis eindeutig gegeben wäre.

Christopher Clark schreibt hierzu sehr treffend:
"Doch Bündnisverträge, sind, wie Verfassungen, bestenfalls nur eine ungefähre Richtlinie für politische Realitäten."
(Die Schlafwandler, S. 382)

Ich zitiere mal den Abschnitt weiter, weil der durchaus von Interesse ist:

"Doch Bündnisverträge sind wie Verfassungen, bestenfalls nur eine ungefähre Richtline für politische Realitäten. Die Entscheidungsträger in Prais erkannten die mit Paragraph 2 verbundenen Risiken und beeilten sich, eine restriktive Auslegung der französischen Verpflichtungen durchzusetzen. Im Jahr 1897 etwa teilte Außenminister Gabriel Hanotaux während des 30-Tage-Krieges zwischen Griechenland und dem Osmanischen Reich mit, dass Frankreich eine Österreichisch-Ungarische Intervention nicht als casus foederis (durch den Vertrag erfassten Fall) betrachte."

(Clark, Schlafandler S. 382, 8. Auflage, München 2013).

Zur Erläuterung von Paragraph 2:

" [...] Paragraph 2 fordrte, dass im Fall einer allgmeinen Mobilmachung durch irgendeine Macht des Dreibundes Frankreich und Russland gleichzeitig und unverzüglich die Gesamtheit ihrer Streitkräfte mobilisieren und so schnell wie möglich an ihre Grenzen verlegen würden, und zwar ohne vorherige Absprache. [...]"

(Clark Schlafwandler S. 381).

Das einfach als Beispiel dafür, dass Bündnisverträge durchaus nicht als unmissverständliche Automatismen betrachtet wurden, die der weiteren Auslegung, was nun als Bündnisfall anzuerkennen sei nicht bedurft hätten.


Hier nahmen sich die Franzosen heraus, von ihrer Lesart her zu beschließen, dass ein solches Szenario der eigenen Meinung nach keine französischen Verpflichtungen aktiviere und dass man dieses als Bündnispflicht nicht anerkennen würde.

Das stellte aber natürlich keinen grundsätzlichen Bruch des Bündnisses dar.
Es war nur eine Situation eingetreten, die der weiteren Klärung bedurfte, weil sie als der Bündnisvertrag abschlossen wurde nicht absehbar war.
Das gleiche gilt vom Zweibund.
Der wurde unter Bismarck zu einer Zeit abgeschlossen, als die Welt von der Tripple Entente, Serbischen Großmachtsbestrebungen, Ermordeten Österreichischen Thronfolgern etc. noch nichts wusste.

Der alte Bismarck, der diesen Vertrag mal geschlossen hatte war in Balkanfragen ("nicht die gesunden Knochen eines einzigen pommer'schen Musketiers wert"), eigentlich immer sehr eindeutig und wird unter dem Vertrag, den er damals mit den Österreicher schloss kaum einen Blankoschek für Österreichische Balkanabenteuer im Sinn gehabt haben.

Folglich musste Wien damit rechnen, dass sich Berlin auf den Standpunkt stellen würde, das was man in Österreich da vor hatte nicht als innerhalb der eigenen Bündnispflichten anzuerkennen, mit dem Verweis darauf, dass als der Vertrag vor über 30 Jahren geschlossen wurde an ein solches Szenario nicht zu denken war und er deswegen auch nicht als dahingehende Zusage verstanden werden könne.
Und deswegen um das zu klären und nötigenfalls Überzeugungsarbeit zu leisten, war die Mission Hoyos notwendig und deswegen kommt dem Blankoschek KWIIs eine gesonderte Bedeutung zu (die die deutsche Verantworlichkeit für den Ausbruch dieses Krieges durchaus ein Stück weit erhöht).
 
Zuletzt bearbeitet:
[...] Paragraph 2 fordrte, dass im Fall einer allgmeinen Mobilmachung durch irgendeine Macht des Dreibundes Frankreich und Russland gleichzeitig und unverzüglich die Gesamtheit ihrer Streitkräfte mobilisieren und so schnell wie möglich an ihre Grenzen verlegen würden, und zwar ohne vorherige Absprache. [...]"

Österreich-Ungarn machte gegen Serbien mobil; nicht gegen Russland, das kam erst später und schon gar nicht gegen Frankreich.
Artikel II sichert Russland in einem österreichisch-russischen Krieg Gegendienst Gefahr eines raschen deutschen Zugriffs. Wohlgemerkt: Österreich-Ungarn machte gegen Serbien mobil.
Frankreich wollte im Verlauf der Zeit eine andere Formulierung des Artikels, denn die Vorteile zog primär Russland daraus.
Der damalige russische Generalstabschef Obrutschew war auch absolut gewillt die französische Waffenhilfe in Anspruch zu nehmen.
Die beiden Partner waren sich durchaus über Artikel 2 nicht einig. Die Russen erwarteten aufgrund der Militärkonvention eben für den Fall einer österreichischen Mobilmachung aus Anlass der Balkanfragen eine sofortige französische französische Mobilmachung. Paris weigerte sich in Person Berthelot diesen Anspruch Russlands anzuerkennen. Und diese Weigerung des Quasi d´ Orsay begrenzten die Wirksamkeit der Konvention. Es war Poincaré, der dies änderte.
 
Ich glaube, relevanter als Definitionen, davon, was als Angriff galt, oder nicht, waren die Überzeugungen, wie damalige Staatsmänner Recht und Verträge auszulegen dachten.

Das dürfte schwerlich von einander zu trennen sein, weil Interpretationen etwa davon, was denn ein Angriff wäre, eine Rückfalloption boten, Verpflichtungen nicht unbedingt anerkennen zu müssen ohne dabei gleich vertragsbrüchig zu werden.

Es ist außerdem natürlich der dynamischen Entwicklung des politischen Systems Europas Rechnung zu tragen, dass in dieser Zeit dermaßen viele Umbrüche in rascher Folge erlebte, dass es vor allen in länger bestehenden Verträgen nicht möglich war, dem ohne ständiges Nachverhandeln, also entweder ständige Ergänzungen und Änderungen der bestehenden Vertragswerke oder ad hoc-Absprachen über unerwartet eingetretene Fälle, irgendwie gerecht zu werden.

Letztenenendes wäre es für meine Argumentation aber auch gar nicht von Belang, aus welchen Gründen Wien nicht sicher sein konnte Deutsche Unterstützung hinter sich zu haben (das ist sozusagen ein Nebenkriegsschauplatz), sondern der entscheidende Punkt ist dass sie es nicht sein konnten.

@Turgot argumentiert im Hinblick auf die Julikrise ja gerne, dass Deutschland habe Österreich-Ungarn unterstützen müssen, weil man ja vertraglich verpflichtet gewesen wäre, da nicht herausgekommen wäre und überhaupt es seinen Österreichischen Verbündeten verloren hätte, wenn es nicht nach dem Wiener Willen gesprungen wäre.
Mit anderen Worten er argumentiert damit, dass sich aus den Verträgen ein Automatismus ergeben hätte, der Berlin zum Handeln gezwungen habe.
Und dieser postulierte Automatismus ist für mich der Anstoß, denn den gab es nicht.

Berlin unterstützte Wien, weil man in Berlin diese Politik für richtig hielt, nicht weil es keine plausiblen Argumente gegeben hätte, so etwas als außerhalb der eigenen Verpflichtungen stehend abzulehnen.
Und es waren nicht bestehende Verträge, die die Eskalationsdynamik der Julikrise antrieben, sondern es waren über die Verträge hinausgehenden Interessen, die sämtliche beteiligten Mächte zu extrem weiten Auslegungen ihrer Verpflichtungen (oder auch ein Hinausgehen darüber) bewegten, die rein sachlich, wären nicht die Interessen als Triebfeder dahintergestanden, nicht notwendig gewesen wären.

M.E. gilt das auch andersherum. Selbst wenn Deutschland nicht verpflichtet gewesen wäre, Österreich-Ungarn bei einem russischen Angriff zu unterstützen, hätte man sich aus Gründen der Staatsräson sicher entschieden, über vertragliche Verpflichtungen hinaus zu handeln.
Man hätte nicht, man hat exakt das getan.

Genau deswegen sind aber Argumentationen, die darauf hinauslaufen die deutsche Politik aus der Verantwortung zu nehmen, weil diese nur ihren Bündnispflichten nachgekommen sei und keine andere Wahl gehabt habe als dies zu tun, unzulässig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Österreich-Ungarn machte gegen Serbien mobil; nicht gegen Russland, das kam erst später und schon gar nicht gegen Frankreich. [...]
Im Zitat von Clark war nicht vom Juli '14 die Rede.

Die beiden Partner waren sich durchaus über Artikel 2 nicht einig. Die Russen erwarteten aufgrund der Militärkonvention eben für den Fall einer österreichischen Mobilmachung aus Anlass der Balkanfragen eine sofortige französische französische Mobilmachung. Paris weigerte sich in Person Berthelot diesen Anspruch Russlands anzuerkennen. Und diese Weigerung des Quasi d´ Orsay begrenzten die Wirksamkeit der Konvention.
....... es begrenzte die Wirksamkeit der Konvention führte aber auf keiner der beiden Seiten zu der Ansicht, dass damit der Bündnisvertrag an und für sich hinfällig sei.
Und genau darauf hätte es im Juli '14 auch zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn hinauslaufen können, wenn sich Berlin ähnlich Paris damals gegenüber Russland gegen die Anerkennung der angedachten Serbien-Aktion, als innerhalb der Bündnispflichten verwart hätte.
Denkbare begründungen dafür sind mittlerweile mehrere genannt worden.

Folglich ist die Argumentation, Berlin hätte Wien wegen vertraglicher Bindungen helfen müssen unzulässig.
 
Stopp. Ich will keineswegs die deutsche Politik aus der Verantwortung nehmen. Deutschland hat eine Mitschuld zu tragen. Ohne wenn und aber!

Nur, ich sehe auch eine ganz erhebliche Schuld bei Russland, welches durch Frankreich in seiner Haltung unterstützt worden war. Und Grey hätte von vornherein deutlich machen müssen, das Großbritannien nicht unbeteiligt bleiben würde. Obwohl Lichnowsky im Verlauf der Juklikrise dies in seiner Berichterstattung deutlich gemacht hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
...... es begrenzte die Wirksamkeit der Konvention führte aber auf keiner der beiden Seiten zu der Ansicht, dass damit der Bündnisvertrag an und für sich hinfällig sei.

Der entscheidende Artikel 2 wurde eben von Frankreich lange nicht so verstanden, wie es Petersburg es gern hätte. Die Petersburger Sicht wurde von Paris schlicht abgelehnt. Das änderte sich erst mit Poincaré. Das ist entscheidend.
 
Der entscheidende Artikel 2 wurde eben von Frankreich lange nicht so verstanden, wie es Petersburg es gern hätte. Die Petersburger Sicht wurde von Paris schlicht abgelehnt. Das änderte sich erst mit Poincaré. Das ist entscheidend.
Ich habe im Hinblick auf die Balkankriege nicht den Eindruck, dass die Deutschen den Bündnisfall damals so interpretierten, wie es die Österreicher im Juli '14 gern gehabt hätten.
Immerhin schloss man sich der Österreichischen Mobilmachung nicht an um Österreich im Fall eines Konflikts mit Russland helfen zu können, sondern versuchte Wien von außenpolitischem Wahnsinn abzuhalten.

Das musste Wien schon durchaus klar machen, dass Berlin den Zweibundvertrag grundsätzlich nicht als Freibrief betrachtete einen Weltkrieg vom Zaun zu brechen.
 
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