Dem widerspricht Curta doch ausdrücklich gar nicht, sondern es geht genau in die Richtung, die er vertritt: Die ältesten Erwähnungen der "Slawen" an der unteren Donau.
Peter Heather setzt sich ausführlich mit den Hypothesen von
Florin Curta auseinander [1]. Er ist im Gegensatz zu ihm der Meinung, dass die ersten Slawen ihren unmittelbaren Ursprung im Nordosten der Karpaten hatten. Von dort aus setzte eine rasche Verbreitung nach Süden ein.
Dort müssten seiner Ansicht nach die Awaren diese Sprachen von den ihnen untergeben Sklavenoi übernommen haben, aber durch die Expansion des awarischen Imperiums waren es eben in kürzester Zeit Gepiden, Goten, Illyrer, Thraker, Römer, Awaren, Bulgaren, Kroaten usw., welche die überwältigende Mehrheit der Slawisch-Sprecher ausmachten, wenn auch nur als Zweitsprache.
Dieser Hypothese muss man nicht unbedingt folgen.
Berittene Einheiten der Awaren operierten gegen die Anten (Slawen) in Bessarabien und Podolien und gegen die Protobulgaren. Später unternahmen die Awaren größere Kriegszüge gegen die Franken und unterwarfen im Bündnis mit den Langobarden die Gepiden. Ihre militärischen Erfolge nutzten die Awaren geschickt und etablierten ihre regionale Herrschaft in Pannonien. Ähnlich wie die Donaubulgaren als Elite slawische Stämme regierten, so stellten die Awaren die soziale und militärische Elite für die nichtawarische Bevölkerungsmehrheit in Pannonien. Dort siedelten slawische und germanische Stämme. Überliefert sind einige soziale Rangtitel von Awaren (tudun, tarkhan, zupan, katun), die alle nichtslawischen Ursprungs sind.
Die Ausbreitung der slawischen Sprache auf dem Balkan hängt nicht mit den Awaren zusammen, denn die wurden nach der vergeblichen Belagerung von Byzanz bereits 626 zurückgeworfen. Dieser Prestigeverlust kostete sie ihre Außengebiete und ihr Khanat schrumpfte auf ihr Kernland Pannonien. Der Aufstieg der Awaren hatte allerdings zur Folge, dass einige slawische Gruppen dauerhaft in das Gebiet südlich der Donau umzusiedeln suchten. Die Sklavenen unternahmen in Thrakien und Illyrien mehrere zerstörische Feldzüge, in deren Verlauf es 586 zum Angriff auf Thessaloniki kam. Byzantinische Quellen berichten im 7. Jh. von weiteren zerstörerischen slawischen Plünderungszügen, bis es zu Beginn dieses Jahrhunderts zum endgültigen Zusammenbruch der oströmischen Donaugrenze kaum. Das ebnete der slawischen Besiedlung weiter Teile Südosteuropas endgültig den Weg.
Erst jetzt kam es zu einer slawischen Überschichtung der romanisierten Thraker und Illyrer bzw. der balkanromanischen Bevölkerung und ihrer Assimilierung ans Slawentum. Bis Mitte des 7. Jh. war der gesamte Balkan weitgehend von Slawen besiedelt.
Dass die awarische Elite slawisch sprach, dafür gibt es keinen Beleg, ebensowenig wie das auf Goten oder Gepiden zutrifft. Es mag allerdings sein, dass im awarischen Kernland Pannonien Zweisprachigkeit herrschte, denn immerhin hielten die Awaren das Land mehr als 200 Jahre besetzt.
Eine deutliche slawische Präsenz in Griechenland bestätigen schriftliche und archäologische Zeugnisse. Die slawischen Stämme der Ezeriten und Milingen auf der Peloponnes werden noch bis ins 14 Jh. erwähnt, während andere slawische Stämme nach Bythinien umgesiedelt wurden.
[1] Peter Heather, Die Invasion der Barbaren. Auf der Suche nach den Slawen, S. 358 f.