Und wenn Diplomatie, was nutzt das beste diplomatische Geschick, wenn die Diplomatie dem Gegenüber - auf Grund fehlender Macht - seinen Vorteil nicht verdeutlichen kann? Was haben denn Mittelstaaten denn für diplomatische Möglichkeiten, gerade wenn das wohlgefügte System plötzlich infrage gestellt wird? Zumal der Gegenüber vllt. Talleyrand heißt!
Ich bin daher sehr vorsichtig mit einer Verurteilung der deutschen Fürsten.
Na, ja, das ist Ansichtssache. Ich nenne es Tatsachenschaffung. Großmächte machten es ähnlich: Alexander besetzte Polen, Preußen im Verlauf Sachsen, um auf dem Wiener Kongress die Verhandlungen in die gewünschten Bahnen zu leiten. Und diese Besetzungen erfolgten ohne, dass diesen Mächten diese Gebiete vertraglich zugesicht waren.
Grüße
excideuil
Auch wenn ich befürchte, dass der Themenstarter über diesen Schwenk nicht gerade erbaut sein dürfte (da auch insoweit keine erhofften Primärquellen erschlossen werden), gehören die angeschnittenen Fragen doch zum Gesamtkomplex.
Der betroffene Themenkreis lautet „Recht/Gesetz“ im Spannungsverhältnis zu „Moral“ (oder auch persönl. Integrität) und „Real- u. Machtpolititk“ (Staatsraison).
Wie deutlich geworden sein dürfte, stelle ich als Ausgangspunkt die Frage nach der Rechtmäßigkeit bzw. des gesetzeskonformen Verhaltens.
Wird der Schwerpunkt auf „Tatsachenbeschaffung“ oder auf „politische Leichtgewichte“, die ihr Heil in der Diplomatie (Feilschen und Schmieren) suchten, gelegt, ist dieser Ansatz völlig in Ordnung – aber halt ein anderer.
Wenn wir die verschiedenen Ansätze nicht vermischen, kann jeder mit seiner Perspektive gut leben – im Gegenteil, man kann ja sogar noch was dazulernen :winke:
Ich verurteile die beteiligten dt. Fürsten tatsächlich insoweit, als sie während der gesamten Phase nach dem Diktatfrieden von Luneville (wer konnte es den Franzosen nach ihren milit. Erfolgen auch ernsthaft verdenken ?) sehenden Auges die Vernichtung der seit 1648 garantierten Rechte der Standesgenossen, die bei der Säkularisierung/Mediatisierung „auf der Strecke blieben“, zugelassen und ab Februar 1803 sogar offen daran mitgewirkt und deren Aushöhlung betrieben haben.
Aber als wären diese Vorgänge nicht schon „unfassbar“ genug (bezogen auf die jahrhundertelange Tradition der Reichsstände), haben genau diese Kriegsgewinnler des Frühjahrs 1803, ohne lange zu zögern, dieses neu gewonnene „Recht des Stärkeren“ in die Hand genommen, um schon ab Ende 1803 über einen Großteil der noch nicht mediatisierten Reichsritter herzufallen.
Willoweit, Dt. Verfassungsgeschichte, 4. A., S. 225, verwendet die Bezeichnung „chaotischer Rittersturm“. Der Zerfall der alten Rechtsordnung wurde von derartigen (Zeitpunkt: 1803/04) eindeutig rechtswidrigen Aktionen der „Mittelstaaten-Fürsten“ aktiv beschleunigt.
Man mag auch dies im Hinblick auf ein leichteres „handling“ für die 1806 ins Auge gefasste Gründung des Rheinbundes als taktisch gut begründbare Flurbereinigungsmaßnahme bezeichnen, ich wiederhole mich gerne: Dies basierte auch/erneut auf Rechtsbruch.
Eine umfassende Bewertung bietet R. Scheyhing, Dt. Verfassungsgeschichte der Neuzeit, S. 91:
„Keine Rücksichtnahme auf geschichtliche Besonderheiten, ein großes Einebnen ist die eine Seite der Reform; die Radikalität des Zugriffs erklärt sich aus dem Bestreben, historische Individualitäten möglichst rasch auszulöschen, um die Ergebnisse des großen Bereinigungsverfahrens seit 1804 politisch unangreifbar zu machen. Die allgemeine Unsicherheit der Besitzlage – auch auf Seiten der glücklichen Erwerber – gestattete keine föderalen Lösungen...
Die politische Situation rechtfertigt schwerlich die Härten und Mißgriffe anläßlich der Reformen, die zumeist nicht von der Sache gefordert waren. Oftmals fehlte hier die geschmeidige Hand, die unter Wahrung der Grundsätze dem Einzelfall sein Recht zu verschaffen weiß. Am weitesten gingen die Eingriffe kraft erlangter Souveränität da, wo das Regiment bislang nicht absolutistisch gewesen war. So wurde in Württemberg die Landschaft 1806 ihrer alten Rechte beraubt...“
In den von mir verschiedentlich zit. Fundstellen wird regelmäßig auf das sehr häufige Missverhältnis von Leistung – Gegenleistung hingewiesen; hält man sich dabei vor Augen, dass diese Situation nur deshalb entstehen konnte, weil die Kriegsgewinnler die (nunmehr alte bzw. überhohlte) Reichsverfassung ad absurdum geführt haben, wird man meinen Rechtsstandpunkt nachvollziehen können – man braucht ihn nicht zu teilen; ich weiss mich aber in guter Gesellschaft mit den „Rechts“-Historikern.
Ja – insoweit stelle ich sogar die grundsätzliche Legitimität der Herrschaft dieser neuen Mittelstaaten-Fürsten in Frage. Bei dem einen mehr, beim anderen weniger.
Wird dagegen der Schwerpunkt der Betrachtung/Perspektive auf die sog. „Realpolitik“ gelegt – wie gesagt, ein völlig zulässiger Ansatz – drängt sich aber doch irgendwann die Frage auf, wie weit die betr. Fürsten zu gehen bereit sein konnten (ohne völlig jede Glaubwürdigkeit zu verlieren – die „Typen“ mussten doch auch jeden Morgen/frühen Nachmittag in den Spiegel schauen können).
Anders herum:
Wenn nur das „Recht“ (richtig) ist, was dem Fürsten (Herrscher) nützt, dann lässt sich letzten Endes jede politische Maßnahme legitimieren – wozu gabs dann kurz vorher die „Aufklärung“ ?
Der Große Fritz als erster Staatsdiener – eine sich langsam etablierende „Beamtenethik“ usw. ???
Wie gesagt, unterschiedliche Denkansätze.
Nebenbei bemerkt kann ich mir im konkreten „Verhältnis“ - bezogen auf das Feilschen und Schmieren – des Kirchenmannes v. Dahlberg und dem (ehemaligen Bischof) Talleyrand, sofern man die in # 2 genannten Beträge (400.000 von v. Dahlberg) zugrunde legt und als wahr unterstellt - einfach nicht vorstellen, dass es zwischen „guten Katholiken“ nur den einen Weg (mit Bestechungsgeldern) gegeben haben soll, um einen Termin zwecks Aussprache zu bekommen.
Als wären hohe katholische Würdenträger immer nur auf schnöden Mammon aus.....
(Recht – Moral – Macht).
Und auf heutige Verhältnisse übertragen:
„Amigos“, „pfiffige Ideen“ und „Cleverle“ (aus dem Schwäbischen) oder 100.000-DM-Spenden auf Parkplätzen sind sozusagen „Alltag“ im politischen Business.
Götz zum sonntäglichen Gruß