Lies Dir dies mal durch.
Sollte eigentlich umfassend Deine Frage beantworten:
Der Tee im Mittelalter (die-teeseite.de)
Ich bin mir nicht sicher, ob das eine wirklich gute Leseempfehlung ist. Hinter der Seite steht offensichtlich jemand, der Websites zu bestimmten Themen erstellt (was ja absolut legitim ist), wahrscheinlich mit dem Ziel, diese Websites zu verkaufen oder Werbekunden zu generieren. Eine historische Expertise ist das nicht. Ich habe mir nur die Parts zum europäischen MA durchgelesen, die scheinen mir eher klischeebehaftet zu sein:
Wer sich vorstellt, dass in der frühen
Neuzeit und im Mittelalter in Deutschland Kräutertee getrunken wurde, der irrt. Denn Kräutertee gehörte damals durchaus nicht zu den klassischen Getränken des alltäglichen Lebens und echter Tee kam erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts a. D. nach Europa.
[...]
Was aber tranken die Menschen des Mittelalters überhaupt und gab es Tees? Mit Sicherheit kam den Klöstern bei der Zubereitung von Tee die entscheidende Bedeutung zu. Es waren Größen wie Hildegard von Bingen oder der geheimnisvolle Paracelsus, die mit Kräutertees ihre Kranken behandelten. Außerhalb von Klostermauern und den Behandlungszimmern von Doktoren war es nicht ungefährlich, mit Heilkräutern und Tees zu experimentieren. Die Inquisition hatte ein scharfes Auge auf Heilkundige und viele von ihnen endeten auf dem Scheiterhaufen. Eine Verdächtigung durch einen Mitbürger genügte bereits, um in den Fängen der Inquisitoren zu landen.
Zunächst einmal ist zu fragen, womit die apodiktische Behauptung begründet ist, dass Kräuteraufgüsse nicht zu den Getränken des Alltags gehörten.
Bei dem zweiten Abschnitt wird explizit die Inquisition angesprochen. In Verbindung mit verfolgten Kräuterkundigen klingt implizit die Hexenverfolgung an. Unter historischen Laien ein ebenso verbreitetes wie wirkmächtiges Klischee, dass alte weise, kräuterkundige Frauen bevorzugt als Hexen verfolgt worden seien.
Nun, die Inquisition befasste sich nicht mit Kräuterkundigen, sondern mit Häresien. Im Mittelalter hauptsächlich in Südfrankreich und Norditalien.
Ich bin nun absolut kein Experte für Hexenverfolgung, die ein hauptsächlich mitteleuropäisches und nicht mittelalterliches, sondern frühneuzeitliches Phänomen war, aber dass irgendwo in Prozessakten die Rede davon war, dass ein Delinquent der Kräuterkunde bewandert gewesen sei, ist mir auch noch nicht untergekommen. Es geht um Schwarze Magie, den Bund mit dem Teufel und derlei. Ziel der Hexenverfolgungen waren entgegen volkstümlicher Vorstellungen weder rothaarige noch alte weise Frauen, sondern oft Leute, bei denen etwas zu holen war. Oder wo persönliche Ränke eine Rolle spielten.
Hier liegt auch ein Durcheinander der Begrifflichkeit Inquisition vor.
Inquisition ist zunächst einmal ‚Befragung‘. Wenn wir von
der Inquisition sprechen, dann meinen wir aber in der Regel nicht die ‚Befragung‘, sondern Inquisitionsbehörden. Diese waren kaum mit Hexenverfolgung befasst. In Rom hatte die Inquisition verfügt, dass jede der Hexerei verdächtige Person ärztlich untersucht werden solle. Im Kirchenstaat (also ungefähr Mittelitalien) sind ganze vier Personen als Hexen verurteilt worden.
Die Inquisition des Mittelalters befasste sich hauptsächlich mit Katharern und ähnlichen Gruppierungen, die spanische Inquisition mit dem selbstgeschaffenen Problem, dass man Juden und Muslime erst zur Auswanderung oder Konversion gezwungen hatte, um den Konvertiten dann zu misstrauen.
Die Hexenverfolger stammten teilweise (die protestantischen Hexenverfolger natürlich nicht) aus den Reihen der Inquisitoren und bedienten sich der Befragungsmethoden (= Inquisition), dementsprechend ist eine gewisse Begriffsverwirrung verständlich.
Ich habe den Eindruck, dass der Verfasser des obigen Textes versucht hat, das Klischee von der verfolgten alten, weisen, kräuterkundigen Frau und die Fakten über kräuterkundliche Schriften (Hildegard, Paracelsus) miteinander zu harmonisieren versucht. Daraus wird dann die Darstellung, dass Kräuterkunde im Kloster normal gewesen sei, aber außerhalb der Klostermauern „nicht ungefährlich“.
Unterstützt werden solche Klischees sicher durch den Hexenhammer, der stark misogyn ist und in dem Kräuter hin und wieder erwähnt werden als Hilfsmittel zur Empfängnisverhütung oder Eindämmung der sexuellen Lust bei Männern oder Frauen.