Übersetzungs-/Kopierfehler bei Tacitus

Ich weiß nicht, warum du 'Feld' als Übersetzung für campus für falsch hältst, es ist die übliche Übersetzung.
Wie würdest du den Cato übersetzen?
Scito idem agrumquod hominem, quamvis quaestuosus siet, si sumptuosus erit, relinqui nonmultum. Praedium quod primum siet, si me rogabis, sic dicam: de omnibusagris optimoque loco iugera agri centum, vinea est prima, vel si vino multoest; secundo loco hortus irriguus; tertio salictum; quarto oletum; quintopratum; sexto campus frumentarius; septimo silva caedua; octavo arbustum; nono glandaria silva.
Oder Plinius den Älteren?

nec recens subtrahemus exemplum in Treverico agro tertio ante hunc annum conpertum. nam cum hieme praegelida captae segetes essent, reseverunt etiam campos mense Martio uberrimasque messes habuerunt.Was ist mit Varro?

Plerumque hiberna iis esse meliora, qui colunt campestria, quod tunc prata ibi herbosa, putatio arborum tolerabilior: contra aestiva montanis locis commodiora, quod ibi tum et pabulum multum, quod in campis aret, ac cultura arborum aptior, quod tum hic frigidior aer. Campester locus is melior, qui totus aequabiliter in unam partem verget, quam is qui est ad libellam aequos, quod is, cum aquae non habet delapsum, fieri solet uliginosus: eo magis, siquis est inaequabilis, eo deterior, quod fit propter lacunas aquosus. Haec atque huiusce modi tria fastigia agri ad colendum disperiliter habent momentum.Oder Columella?

Campus in prata et arva salictaque et arundineta digestus, aedificio subiaceat.
Weil es einfach nicht die gleichen Assoziationen weckt.

Beispiel Cato: Das "campus frumentarius", das könnte man im Deutschen fast als "Feld" übersetzen, weil die typische Assoziation zu Feld das Getreidefeld fast schon beinhaltet.
Im Gegensatz dazu Columella: "arvum" ist in der Bedeutung des deutschen "Feld" beinhaltet, "pratum" schon weniger, ich persönlich würde Wiese statt Feld sagen. "Salictum" und "arundinetum" fallen dann ganz klar aus der deutschen Bedeutung von Feld heraus. Feld ist da für campus falsch, statt "Die unter dem Gebäude liegende Fläche teilte sich in Wiesen, durch Gebüsch getrennte Äcker und Reet", ist "Das unter dem Gebäude liegende Feld teilte sich in Wiesen, durch Gebüsch getrennte Äcker und Reet" m.E. als deutsche Übersetzung nicht möglich, da unser Feld so zum Acker bezogen ist, dass eine Reetfläche da nicht mehr drunter fällt.
Abgesehen davon hätte primo keinen Sinn ergeben. Auf lato hätte es sich ja kaum beziehen können.
Doch als Adverb, Satzbau ist dann genauso wie im folgenden Teilsatz mit dem Adverb "dein".

Hier haben wir inhaltlich einen Grund, am kopierten Text zu zweifeln. Dafür, was du uns vorschlägst, sehe ich hingegen weder inhaltliche noch semantische oder grammatikalische Gründe.
Der inhaltliche Grund ist, dass die Stelle bestimmt, ob man den Tacitus Text im Sinne der Lagerschlachttheorie interpretieren könnte.

Ich halte prima (prima Vari castra) ja eher für ein Adjektiv als eine adverbiale Bestimmung.
Wieso eher? "Primo" ist das Adverb, genau wie "dein", Satzbau der durch Semikolon getrennten Sätze ist dann genau identisch. "Prima" ist natürlich das Adjektiv zum Lager des Varus.

Es steht doch klar im Text. Das erste Lager des Varus war in Maßen und Einrichtungen für drei Legionen errichtet. Vollständig. Dein - dann - entdeckte man ein Lager mit halb eingerissenen Wällen und niedrigen Gräben, eben ein Lager, in dem sich ausdrücklich die Reste (reliquiae) der Legion (also kein intaktes Legionenheer mehr) überwältigt worden waren
Und das ist doch seltsam, das Marschlager hätte rückgebaut worden sein, nachdem die letzten Truppenteile abgezogen sind. Bei einem normalen Marsch jedenfalls. Sind die Truppen, mehrere Legionen müssten es doch sein?, im zweiten Lager überwältigt worden? Steht bei Tacitus nicht nur, dass die Reste dort gelagert hätten?

Ich weiß gar nicht, woher diese Erzählung stammt, dass die ersten Truppen bereits das Lager für die nächste Nacht errichteten, während die letzten erst das Lager der vorherigen Nacht verließen. Das findet sich in den Quellen so nicht.
Das ergibt sich aus dem zeitlichen Ablauf. Der Lagerbau dauerte 3-6 Stunden, der Abmarsch aus dem alten Lager ebenfalls mehrere Stunden. Je nach Wegstrecke kam es dann dazu, dass beide Lager gleichzeitig bestanden.

Er schreibt von zwei Lagern. Wie viele Lager dazwischen lagen, erfahren wir nicht. Die beiden Lager klammern eher das Geschehen ein, wenn wir Cassius Dio zugrunde legen - das hast du zwar einerseits ausgeschlossen, als du gesagt hast, dass du "nicht von Marschlager aus[gehst], das sich aus anderen Quellen ergibt, es muss sich aus dem Text des Tacitus ergeben", andererseits hälts zu dich aber selber nicht an deine Vorgabe, wenn du schreibst "Das Sommerlager von Varus lag an der Weser, von dort kam er" - denn diese Information steht nur bei Cassius Dio.
Das Marschlager können wir nicht voraussetzen, zu Beginn müssen wir Marschlager/Sommerlager/Standlager als Möglichkeiten in Betracht ziehen, dann anhand des Texts eingrenzen, woraus sich auch bei ausschließlicher Betrachtung von Tacitus das Marschlager als einzige Option herausstellt. Cassius Dio können wir dann dazu nehmen, um zu vergleichen, ob es Übereinstimmungen gibt, die Weser kommt bei Tacitus selbst nicht vor. Allerdings bin ich bei der Anzahl der Lager anderer Meinung: Tacitus schreibt von zwei Lagern, erstes Lager und das "dann" spricht eher dafür, dass dazwischen keine weiteren Lager waren. Weiteres Argument: hätte es dazwischen ein weiteres Lager gegeben, dann hätte dieses Lager noch halbwegs intakt gewesen sein müssen, da es auf dem Weg zum letzten, kümmerlichen Lager, zur Katastrophe kam. Das erste Lager wäre dann von den Römern zurückgebaut worden, die Gräben verfüllt.

"Primo ... ; dein ..." z.B.
Tacitus: Sacrovir primo augustodunum, dein metu deditionis in villam propinquam cum fidissimis pergit.
Livius: Tertio die primo nimbus effusus, dein caligo nocti simillima romanos metu insidiarum tenuit.
Cicero: Plerumque improborum facta primo suspicio insequitur, dein sermo atque fama, tum accusator, tum iudex.
Livius: Oppidani primo haud impigre tuebantur moenia; dein fessi uolneratique aliquot, cum et muri partem euersam operibus hostium cernerent, ad deditionem inclinarent.
Tacitus: Ita primo concursatio et preces, dein strepere praetoris tribunal, eaque quae remedio quaesita, venditio et emptio, in contrarium mutari quia faeneratores omnem pecuniam mercandis agris condiderant.

Das allerdings steht nur bei Cassius Dio, der 200 Jahre nach der Schlacht schrieb und ist eine andere Diskussion.
Nicht unbedingt, da Cassius Dio auf die Senatsakten zurück griff, die geschönt waren. Tacitus war zu Lebzeiten noch nicht so weit vom Geschehen entfernt, als dass er politisch unvorsichtig sein konnte. Verfehlungen des Varus werden also eher nicht in den von Cassius Dio verwendeten Unterlagen auftauchen und Tacitus wird bei Kritik an Varus diese Verfehlungen nur vorsichtig andeuten können.
 
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Ob dazwischen mehr Lager gefunden wurden, darüber informiert uns Tacitus dementsprechend auch nicht. Erst mit Cassius Dio ergibt sich eine viertägige Marschschlacht und wenn (Bedingungssatz!) man Cassius Dio ernst nimmt, dann darf man annehmen, dass auch die entsprechende Anzahl von Lagern bestanden hat.
Aber das ist doch gerade das interessante, dass bei beiden eine Lücke herrscht.
  • Tacitus nur zwei Lager, wir müssten aber mehr erwarten
  • Bei Dio 3 Schlachttage, aber 4 Tage insgesamt. Über den ersten Tag schweigt er. Ein Lager wird erwähnt, eines kann man zwischen den Zeilen herauslesen
  • Bei Dio das Sommerlager an der Weser. Die Distanz zu Kalkriese ist zu groß, um innerhalb von 4 Tagen von einem Punkt südlich von Minden bis Kalkriese zu kommen. Höxter und Hameln scheiden aus, die aber durch die gewaltigen Getreidespeicher des Lagers in Anreppen gute Kandidaten für ein Sommerlager wären
Wenn nun eine einfache Sache beide Unstimmigkeiten in beiden Texten erklären könnte, dann könnte an dieser Annahme etwas dran sein.

Da verwechselst du etwas. Tag- und Nachtgleiche herrschte, als Germanicus sechs Jahre nach der Schlacht die Truppen wieder am Treffpunkt an der Ems getrennt, mit der Flotte die Nordsee/das Wattenmeer erreichte.
Und auch bei Varus. Paterculus: "Tantum quod ultimam imposuerat Pannonico ac Delmatico bello Caesar [31v] manum, cum intra quinque consummati tanti operis dies funestae ex Germania epistulae", 5 Tage nach dem Ende des Pannonischen Kriegs traf die Depesche ein.
Cassius Dio berichtet ebenso.
Historiker datieren das Ende des Pannonischen Kriegs auf Mitte bis Ende September im Jahre 9.
 
Wie bitte, um alles in der Welt, kommst Du auf 45 km Marschleistung?

Stell Dir einmal den ordentlichen, sauber gefegten und mit Mülltonnen versehenen Museumspark von Kalkriese vor:
Wie willst Du da 3 Legionen + Tross + Zivilisten mit einer Marschleistung von 45 km je Tag durchbekommen?
Es herrschte doch Tag-/Nachtgleiche, also hatte man 12 Stunden Tageslicht.
Gehen wir von 4 Stunden für den Bau des neuen Lagers, gleichzeitig Abriss des alten Lagers aus, bleiben 8 h, bei 4 km/h, gemütliche Schlendergeschwindigkeit, = 30 km.
Wenn man jetzt kein Lager aufschlägt, kann man 12 Stunden marschieren.

Die Strecke von Neuwerk nach Sahlenburg z.B. hat knapp 10 km, wegen der Gezeiten muss man je nach Tide und Windrichtung und im Gegensatz zur umgekehrten Richtung häufig hunderte Meter bis knapp 1km durch kniehohes Wasser waten, darunter Schlickfelder, in denen die Füße zur Hälfte einsinken, dann das Duhner Loch und Sahlenburger Loch. Schafft man trotzdem in 2 1/2 Stunden.

Wir sprechen hier von 45 km direkt vom Sommerlager an der Weser, das mit vielen, dutzenden Tonnen Getreide pro Tag versorgt werden musste, Wege waren also vorhanden.
 
Unwahrscheinlich. die Legionäre mussten irgendwo schlafen - und zwar sicherlich nicht außerhalb eines Lagers! Bei Caesar (De bello Gallico V, 9) landet Caesar in Britannien, marschiert 12 Meilen, kämpft gegen die Briten und verfügt, dass die Kämpfe nicht zu lang hinausgezögert werden, um noch Zeit für den Lagerbau zu haben (et quod magna parte diei consumpta munitioni castrorum tempus relinqui volebat.)
Versetzen wir uns in Varus. Er herrscht in Germania Magna, soll aus den Provinzen Steuern eintreiben, dazu Verwaltung aufbauen. Das Land ist befriedet, er hat drei Legionen zur Verfügung. Er hat Monate in einem Sommerlager an der Weser verbracht, die Cherusker haben ihn freundlichst behandelt, er hat vor seinem Tribunal Recht gesprochen. Über Hilfstruppen der verbündeten Cherusker kann er ebenfalls verfügen.

Nun empören sich einige Stämme. Wir sind nicht ber Germanicus mit Schlachten und Rachfeldzügen. Varus kann davon ausgehen, dass alleine die Übermacht der Legionen, dazu die Hilfstruppen der Cherusker, die Situation sofort befrieden wird.

Somit wird sein Plan gewesen sein, in das Gebiet zu marschieren und vor seinem Tribunal (ein Tribunal gab es baulich auch in jedem Marschlager) die Anführer der Rebellion zu verurteilen und hinrichten zu lassen. Dazu braucht er die Zivilisten, den Tross, die Advokaten.

Nach dem ersten Tagesmarsch ist immer noch in Nähe des Sommerlagers, aber in unwegsamer Gegend. Wenn er auf den Lagerbau verzichtet, spart er viel Zeit, ca. 1/2 Tag. Die Zelte müssen trotzdem aufgebaut werden, die Öfen etc., der gesamte Zug ist trotzdem durch die Legionen geschützt. Lediglich ein militärischer Feind wie die Truppen des Arminius könnten ihm gefährlich werden, davon ahnt er aber noch nichts und Arminius greift ihn auch nicht an, da er die Truppen erst noch herbei holen musste und Varus einholen muss.
Natürlich ist das gegen die Vorschriften, eine schwere Verfehlung. Das würde vermutlich nicht in den Senatsakten auftauchen, auf die Cassius Dio zugreifen konnte. Tacitus war noch so nah am Geschehen, die Annalen vermutlich während der Zeit der Falvier verfasst, dass er aufpassen muss, was er schreibt. Die Quellen, auf die er sich stützen konnte, standen so unter der Fuchtel der Claudier, dass dort eher nicht über Verfehlungen des Varus berichtet wurde. Ein Selbstläufer war der Lagerbau auch nicht, dass man sehr gut ohne konnte und es so auch bequemer war, sieht man daran, dass der Lagerbau vorgeschrieben war.

Sehen wir uns an, was Cassius Dio zum Lager schreibt, gemeint ist das Lager nach dem zweiten Marschtag:
"Daher schlugen sie dort ihr Lager auf, wo sie einen geeigneten Platz fanden, soweit dies in dem Waldgebirge überhaupt möglich war; nachdem sie dann zahlreiche Wagen und sonstige Gegenstände, die nicht unbedingt erforderlich waren, verbrannt oder zurückgelassen hatten, zogen sie am anderen Morgen in etwas besserer Ordnung weiter, so daß sie sogar offenes Gelände erreichen konnten; freilich erlitten sie auch bei ihrem Abzug Verluste."

Das schreibt er zu dem zweiten Marschtag selbst, also nach dem Aufbruch entweder aus dem Lager des ersten Marschtags oder Aufbruch aus der Lagerung ohne Marschlager:
"Denn das Gebirge war voller Schluchten und stark zerklüftet, die Bewaldung dicht und überaus hoch [56c], so daß die Römer auch schon vor dem Angriff der Feinde Mühe hatten, Bäume zu fällen, Wege zu bahnen und Brücken zu bauen, wie es erforderlich war. (2) Sie führten auch wie im Frieden viele Wagen und Lasttiere mit; ferner folgten ihnen nicht wenige Kinder [57c] und Frauen und zahlreiche Troßknechte; auch dies trug zur Auflösung der Marschordnung bei. (3) Noch dazu wurde die Kolonne durch heftigen Regen und Sturmwind weiter auseinandergezogen; der Boden war an den Wurzeln und Enden der Stämme ziemlich schlüpfrig geworden, so daß sie immer wieder ausglitten; vom Sturm zerborstene Baumkronen stürzten auf sie nieder und brachten sie in Verwirrung."
Danach kam es zum ersten, noch nicht ganz so viele Verluste verursachenden Angriff seitens Arminius.

Warum diese Unordnung am zweiten Marschtag? Ein Lager schützt nicht nur, sondern sorgt auch für den geordneten Marsch der Legionen.

Schon davor schrieb Dio: "sie wollten erreichen, daß Varus auf dem Marsch ins Gebiet der Aufständischen sich wie bei einem Zug durch befreundetes Land verhielt, so daß er leichter überwältigt werden konnte und nicht etwa wie bei einer überraschenden allgemeinen Erhebung Vorsichtsmaßnahmen traf."

Mit der Annahme, Varus könnte nach dem ersten Marschtag kein Marschlager bezogen haben, ist man natürlich im spekulativen Bereich, würde jedenfalls sehr gut die Lücken im Tacitus und im Dio Text erklären und warum man mit 4 Tagen und zwei beschriebenen Lagern für die über 100 km vom Sommerlager an der Weser ausgekommen ist.

Bezieht man die Lagerpräfekten Eggius und Ceionius bei Paterculus auf die Marschlager, kommt man interessantweise wieder auf nur zwei Lager. Paterculus schreibt von "den beiden Lagerpräfekten", was seltsam wäre, wenn der Bezug zu den Standlagern gemeint wäre, von denen es mehr als zwei gegeben haben dürfte.

Nachtrag zu den campus Übersetzungen.
Habe gerade auch bemerkt, dass ich bei Collumela ohne Konjunktiv übersetzt hatte, sorry: Die in ... unterteilte Fläche *sollte* unterhalb des Gebäudes liegen. Verdreht den Sinn sonst total.
 
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Wir sprechen hier von 45 km direkt vom Sommerlager an der Weser, das mit vielen, dutzenden Tonnen Getreide pro Tag versorgt werden musste, Wege waren also vorhanden.
Vorrausgesetzt, dass das Sommerlager an der Weser lag, wäre durchaus eine Versorgung des Lagers per Schiff (an der friesichsen Küste entlang und dann die Weser hinauf) denkbar, wenn nicht sinnvoller.
Ein handelsüblicher Ochsenkarren in römischer Zeit konnte 1-2 Tonnen Gewicht tragen und schaffte, wenn es einigermaßen gut lief an die 20 Km am Tag.
Das allerdings nur bei einigermaßen ausgebauten Straßen und entsprechenden Versorgungsstationen für die Tiere.
Per Schiff ließ sich ein mehrfaches einer solchen Ladung transportieren und bei guten Bedingungen über weitere Distanzen am Tag.

Die Römer waren in "Germanien" knapp 20 Jahre lang einigermaßen dauerhaft präsent, was keine allzu lange Zeit war um dort Infrastruktur aus dem Boden zu stampfen und den Großteil ihrer Ressourcen werden sie in dieser Zeit, aus naheliegenden Gürnden, auf die Entwicklung der Gebiete im Westen in der Nähe des Rheins gelegt haben.

Wenn man im Sommer an der Weser lagerte, ist es möglich dass man plante dort ein dauerhaftes Legionslager einzurichten, dann hätte man sicherlich angefangen Platz für Infrastruktur zu schaffen, es ist aber auch möglich, dass man erstmal nur eigene Präsenz demonstrien wollte um den einheimischen Gruppen klar zu machen, dass mit Rom zu rechnen war, ohne aber anzupeilen dort über das Jahr hinaus einen dauerhaften Legionsstandort einzurichten, in diesem Fall würde man auf solche Maßnahmen wahrscheinlich eher verzichtet haben.


Wege in der Gegend wird es gegeben haben, aber wenn Rom hier noch nicht an dauerhafte Präsenz dachte, dürfte es sich mehr oder weniger um die typischen Handelswege und - Pfade der Einheimischen gehandelt haben auf denen sich die Römer sicherlich grundsätzlich bewegen konnten, mit einiger Wahrscheinlichkeit aber sehr viel langsamer als auf den eigenen Militärstraßen.


Es herrschte doch Tag-/Nachtgleiche, also hatte man 12 Stunden Tageslicht.
Gehen wir von 4 Stunden für den Bau des neuen Lagers, gleichzeitig Abriss des alten Lagers aus, bleiben 8 h, bei 4 km/h, gemütliche Schlendergeschwindigkeit, = 30 km.
Wenn man jetzt kein Lager aufschlägt, kann man 12 Stunden marschieren.
Das hängt zunächst mal von der Kapazität der Straßen ab. Auf einer ausgebauten Römerstraße funktioniert das vielleicht, auf einem besseren Trampelpfad kann das schon ganz anders aussehen.

30 Km Reichweite am Tag waren das durchschnittliche Soll, dass eine römische Legion am Tag zurücklegen sollte und in der Regel wohkl auch konnte. Das Problem ist nur, dass wenn mehrere Legionen gleichzeitig bewegt werden, dass die Vormarschstraße verstopfen kann, im Besonderen wenn das möglicherweise keine ausgebauten Straßen, sondern nur Wege sind, die eigentlich nicht dafür angelegt waren, dass eine solche Masse von Mensch und Material dort durchmarschiert und wo an Engstellen, Unebenheiten etc. etc. möglicherweise mitgeführte Fuhrwerke (Tross) auch einfach mal hängen bleiben und den ganzen weiteren Zug aufhalten.
Normalerweise würde man wenn das Vorgehen mehrerer größerer Truppenkörper gleichzeitig das Ziel ist, diese aufteilen und möglichst über parallel verlaufende Straßen separat vorwärts zu schicken, um Verstopfung der Straßen zu verhindern, und Nachschub zu erleichtern und dann irgendwo an einem vereinbarten Treffpunkt wieder miteinander zusammen zu treffen.

Wenn das nicht möglich ist, und alles über eine einzelne Straße geschleust werden muss, geht dass alles sehr viel langsamer und es besteht auch die Gefahr dabei, dass alles in Unordnung gerät, weil durch Marschpausen, ungeplante Halte etc. Soldaten verschiedener Truppenkörper am Ende durcheinanderlaufen.
Im Besonderen dann, wenn man sie nicht streng nacheinander auf den Weg schickt das hätte aber bedeutet erstmal eine Legion inklusive des schwerfälligen, langsamen dazugehörigen Trosses komplett marschieren zu lassen und dann die nächste Legion dahinter zu setzen, was das vorrankommen von deren Infanterie aber verlangsamen musste.

Wenn man darauf verzichtete und die Infanterie marschieren ließ und den Tross um das alles nicht zu verlangsamen hinter der letzten Legion hinterherschickte, naja, dann kam die Infanterie möglicherweise völlig durcheinander am Zielpunkt an und die Truppenkörper hätten sich erstmal wieder neu sortieren müssen, außerdem hätte das im Römischen Fall dann bedeutet, dass das mitgeführte Material für den Lagerbau möglicherweise um Stunden hinter den ersten eintreffenden Truppen zurücklag und sich eben die Errichtung eines lagers entsprechend verzögerte.


Du musst bei deinen Überlegungen auch berücksichtigen, die Legionäre waren inklusive Rüstungen und Scutum relativ schwer bepackt und auch die mitgeführten Maultiere hatten ordentlich zu schleppen.
Da kannst du nicht einfach die angenommenen Stunden vorhandenen Tageslichts mit möglichen Marschstunden gleichsetzen, jedenfalls nicht, wenn dabei die Kampffähigkeit der Truppe erhalten werden sollte.
Gewaltmärsche über die veranschlagten 30 Km am Tag waren möglich, erforderten aber einen entsprechenden Ausgleich durch Ruhetage.
Eine solche Maßnahme war im Prinzip nur dann sinnvoll und risikolos, wenn einerseits eine schnelle Bewegung der Truppen notwendig war und andererseits innerhalb von 1-2 Tagesmärschen aber auch ein einigermaßen sicheres Quartier vorhanden war, damit ein Ruhetag oder mehrere eingelegt werden konnten.

In einem Gebiet in dem man mit Feindberührung rechnen muss (und dass musste man wahrscheinlich in einem Territorium, dass man nicht wirklich kontrollierte und in dem man auch über mehrere Tagesmärsche keine festen Stützpunkte unterhielt), sind Gewaltmärsche, die die Kampffähigkeit der Truppen im Moment in dem Feindberührung entsteht einschränken könnten normalerweise ein Fehler, den Berufsmilitärs oder jedenfalls erfahrene Truppenführer nicht begehen würden.
Sinnvolle Ausnahmen davon wären:

- Der Gewaltmarsch ist notwenig um sich aus einer exponierten Lage zurück zu ziehen und einer eventuell drohenden Einkesselung zu entgehen.
- Der Truppenkörper ist zwar nicht direkt von Einkesselung bedroht aus irgendwelchen Gründen aber vom Naschschub abgeschnitten worden und muss die Verbidung zu seinen Versorgungslinien schnell wieder herstellen um nicht massiv an Kampfkraft und Handlungsfähigkeit zu verlieren.
- Der Truppenkörper hat Befehl einem verbündeten Truppenkörper, der in der Nähe in Kämpfe verwickelt ist zur Hilfe zu kommen und auszuhelfen, bevor weitere frische Verstärkungen eintreffen können (dann ist allerdings mit einem seinerseits selbst bereits erschöpften Feind zu rechnen).
- Der Truppenkörper hat den Auftrag eine strategisch wichtige Position wie eine Brücke, einen Pass, oder eine Befestigung vor einem bekannten, heranrückenden Feind zu besetzten um bei einer Auseinandersetzung im Vorteil zu sein, während damit gerechnet werden kann dass eben dieser Feind das Gleiche versucht und danach ebenfalls erschöpft sein wird.


Aber das alles liegt hier nicht vor.
Folglich hätten Gewaltmärsche vor der Schlacht keinen ersichtlichen Nutzen gehabt, sondern nur unnötiges Risiko produziert (während der Schlacht um der ganzen Angelegenheit zu entkommen, wäre das eine andere Sache gewesen).

Und wie gesagt, ist darüber hinaus deine Annahme von ausgebauten Wegen, auf denen nicht eine, sondern drei Legionen inklusive des schwerfälligen Tross, die veranschlagten Normalleistungen ohne weiteres schaffen konnten, recht optimistisch.
Es kann was die Strecke angeht auch sehr viel weniger gewesen sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
weil die typische Assoziation zu Feld das Getreidefeld fast schon beinhaltet.
"das ist ein weites Feld" (Papa Briests Weisheit (Effie Briest, Fontane))
Ist nicht Feld eher der allgemeinere Begriff, welcher Acker, Weide, ebenes Gelände umfassen kann und darum in allerlei diversen Komposita verwendet wird (wie Geröllfeld, Schlachtfeld usw)? Die erwähnte "typische Assoziation" überzeugt mich nicht.
 
Weil es einfach nicht die gleichen Assoziationen weckt.

Beispiel Cato: Das "campus frumentarius", das könnte man im Deutschen fast als "Feld" übersetzen, weil die typische Assoziation zu Feld das Getreidefeld fast schon beinhaltet.

Und wenn ich von den Gebeinen gefallener Soldaten auf dem Feld lese, dann ist die typische Assoziation: Schlachtfeld. Wer würde da an ein Getreidefeld denken?
Oder denkst Du beim Stichwort Feldpostkarte an eine Karte aus dem Getreidefeld? Was assoziierst Du mit Redewendungen wie "ins Feld ziehen", "im Felde unbesiegt", "auf dem Feld der Ehre gefallen" usw?


Tacitus war zu Lebzeiten noch nicht so weit vom Geschehen entfernt, als dass er politisch unvorsichtig sein konnte.

Er schreibt doch das Gegenteil: Zur Zeit der claudisch-julischen Dynastie stand die Historiographie noch unter dem Einfluss der jeweiligen Politik. Doch die war lange vorbei (Nero war seit 40 oder 50 Jahren tot, die Varusschlacht lag schon über 100 Jahre zurück.)

"Tiberii Gaique et Claudii ac Neronis res florentibus ipsis ob metum falsae, postquam occiderant, recentibus odiis compositae sunt. Inde consilium mihi pauca de Augusto et extrema tradere, mox Tiberii principatum et cetera, sine ira et studio, quorum causas procul habeo."


Bezieht man die Lagerpräfekten Eggius und Ceionius bei Paterculus auf die Marschlager, kommt man interessantweise wieder auf nur zwei Lager. Paterculus schreibt von "den beiden Lagerpräfekten", was seltsam wäre, wenn der Bezug zu den Standlagern gemeint wäre, von denen es mehr als zwei gegeben haben dürfte.
Der Lagerpräfekt (praefectus castrorum) war innerhalb einer Legion für die Logistik zuständig. Es war ja nicht so, dass für jedes Marschlager eigens ein neuer Lagerpräfekt ernannt wurde.

Somit wird sein Plan gewesen sein, in das Gebiet zu marschieren und vor seinem Tribunal (ein Tribunal gab es baulich auch in jedem Marschlager) die Anführer der Rebellion zu verurteilen und hinrichten zu lassen. Dazu braucht er die Zivilisten, den Tross, die Advokaten.
Die Zivilisten werden wohl eher dem irregulären Tross angehört haben:

"Man unterscheidet gewöhnlich zwei Arten des röm. Heertrosses, einen regulären und einen irregulären. Der reguläre Troß unterstand dem Praefectus castrorum (legionis) und war in Züge mit je einem vexillum gegliedert. Die wichtigsten Troßangehörigen waren Tragtierführer (muliones oder sagmarii oder burdonarii), Fahrer (agasones) oder muliones) und Pferdepfleger ('Stallburschen', agasones oder calones). Zum irregulären Troß gehörten zunächst die lixae. Iustinus (38,10) zählt zu ihnen auch Köche, Bäcker und Schauspieler. Ob die Händler aller Art zu den lixae gerechnet wurden, ist unbekannt. Sie verkauften allerlei an die Truppe und kauften von der Truppe v. a. Beute. Die Angehörigen des irregulären Trosses folgten der Truppe bei Kriegsmärschen, durften aber nicht im Militärlager wohnen, sondern mußten ihre Zelte außerhalb des Lagers aufschlagen, gewöhnlich wohl hinter der dem Feind abgewandten Lagerseite (Caes. Gall. 6,37,2). Daß diese Zivilisten für die militärische Führung oft lästig wurden, ist seit dem 2. Jh. v. Chr. mehrfach bezeugt."

 
Wegen Überlänge wieder zweigeteilt:

Es sei denn, es hätte einen vorherigen Kopierfehler gegeben. Denn die Linguistik geht erstmal davon aus, dass das was man aus dem 9. oder 11. Jahrhundert vorfindet auch so richtig ist.

Linguistik > Editionsphilologie
Es gibt nur zwei Textzeugen von Tacitus‘ Annalen, die sich aber nicht decken/überlappen. D.h. wir können nicht, wie bei anderen Texten, die vielfältiger überliefert sind, ein Handschriftenstemmaverstellen und so versuchen, dem Originaltext näher zu kommen. Unsere Archetypen sind nun mal die HSS aus dem 9. und 11. Jahrhundert. Solange es keine sachlichen Gründe gibt, an dem Text etwas zu verändern (editionsphilologisch: Emendation, Konjektur), müssen wir mit dem arbeiten, was wir haben.

In westgotischen HSS wurde etwa das cc-A noch offener als in fränkischen HSS geschrieben. Daher findet sich in späteren Abschriften von spanischen Texten oft ein -u-, wo sich tatsächlich ein -a- befinden müsste. Wenn Editionsphilologen das -u- dann, wissen, dass das -u- ein -a- sein muss als -a- wiedergeben, ist das eine Emendation.
Wenn ich schreibe, dass bei Tac. ann. II, 8 metanti castra Caesari Angrivariorum defectio a tergo nuntiatur zu metanti castra Caesari Ampsrivariorum defectio a tergo nuntiatur korrigiert werden muss, ist das eine Konjektur.

Es gibt ja Befürworter der Lagerschlachttheorie, die "prima" als Adverb mit "zunächst" übersetzen möchten mit der gleichen Bedeutung wie "primo". Der Grund dafür ist, dass damit "prima" als erstes Lager beseitigt wäre, weil es ja der Lagerschlachttheorie im Weg steht.
Nein, die Lagerschlachttheorie geht von der Darstellung des als unzuverlässiger Überlieferer bekannten Florus aus. Wenn man Florus’ Darstellung kennt, und versucht Tacitus mit Florus zu harmonisieren, dann kommt so etwas heraus, wie du beschreibst. Da haben Leute vom kleineren Lager im großen Lager fabuliert.

Zweiter Punkt: es ist seltsam, da "primo" als Adverb häufig in Verbindung mit dem Adverb "dein" gebraucht wird, "zunöchst"/"dann".
Ist das denn wirklich so? Das hast du ja auch schon in früheren Beiträgen geschrieben, aber bislang noch nicht belegt.

Wenn man also die Lagerschlachttheorie mit Tacitus in Einklang bringen möchte, dann ginge das nur, wenn es bei Tacitus tatsächlich "primo" als Adverb heißt, "prima" ist ganz klar kein Adverb sondern muss als "erstes Lager" übersetzt werden, was mit der Lagerschlachttheorie im Sommerlager unvereinbar ist.
Ich verstehe nicht so ganz, warum du das https://www.geschichtsforum.de/members/dekumatland.18918/ auseinandersetzt, denn der einzige, der versucht hat, prima in primo umzudeuten, warst ja du. Du bist davon abgerückt, niemand vertritt diese Position mehr, also warum noch Leuten, die diese Position nie vertreten haben erklären, dass sie falsch ist?

Ganz generell gesagt veralten Übersetzungen immer, da sich verschiedene Sprachen nicht 1:1 übersetzen lassen und immer Interpretationen des Übersetzers beinhalten. In der Literatur sagt man, dass alle 50 - 100 Jahre Übersetzungen überholt sind und eine neue fällig ist. Bei historischen Texten mag das etwas anders sein, aber auch da wissen wir heute durch die Archäologie wesentlich mehr als vor 50 Jahren. Da gab es Kalkriese z.B. noch gar nicht.
Die Münzsammlung von Gut Barenau (i.e, Kalkriese) war schon Theodor Mommsen in den 1880ern bekannt. Er wurde damals verlacht, als er die Varusschlacht bei Gut Barenau verortete.

Weil es einfach nicht die gleichen Assoziationen weckt.

Beispiel Cato: Das "campus frumentarius", das könnte man im Deutschen fast als "Feld" übersetzen, weil die typische Assoziation zu Feld das Getreidefeld fast schon beinhaltet.
Das muss man im Deutschen als "Feld" übersetzen.

Im Gegensatz dazu Columella: "arvum" ist in der Bedeutung des deutschen "Feld" beinhaltet, "pratum" schon weniger, ich persönlich würde Wiese statt Feld sagen. "Salictum" und "arundinetum" fallen dann ganz klar aus der deutschen Bedeutung von Feld heraus. Feld ist da für campus falsch, statt "Die unter dem Gebäude liegende Fläche teilte sich in Wiesen, durch Gebüsch getrennte Äcker und Reet", ist "Das unter dem Gebäude liegende Feld teilte sich in Wiesen, durch Gebüsch getrennte Äcker und Reet" m.E. als deutsche Übersetzung nicht möglich, da unser Feld so zum Acker bezogen ist, dass eine Reetfläche da nicht mehr drunter fällt.
Dabei habe ich die Columella-Stelle extra deswegen ausgesucht, weil sie semantisch so vieldeutig ist, eben weil ich Feld semantisch nicht verengt sehen wollte. Ausgangspunkt meiner Frage war ja, wie du darauf kämest, dass campus nicht 'Feld' in unserem Sinne bedeute (siehe auch Dekumatlands Beitrag: Geröllfeld, Schneefeld, Schlachtfeld, oder Sepiolas Hinweise: Kämpe, Kampf, Kämpfer).
Du hattest doch anfänglich campus semantisch zum Appellplatz verengt, wolltest Schlachtfeld wegdiskutieren.

Abgesehen davon hätte primo keinen Sinn ergeben. Auf lato hätte es sich ja kaum beziehen können.
Doch als Adverb, Satzbau ist dann genauso wie im folgenden Teilsatz mit dem Adverb "dein".
Okay.

Der inhaltliche Grund ist, dass die Stelle bestimmt, ob man den Tacitus Text im Sinne der Lagerschlachttheorie interpretieren könnte.
Du hattest ja geschrieben, dass sich das alles aus Tacitus ergeben muss, als textimmanent. Diese Textimmanenz würdest du aber, wenn du das tatsächlich verträtest, hier verlassen und Tacitus zu Gunsten eines als unzuverlässig geltenden Autors einer Konjektur unterziehen.

Wieso eher? "Primo" ist das Adverb, genau wie "dein", Satzbau der durch Semikolon getrennten Sätze ist dann genau identisch. "Prima" ist natürlich das Adjektiv zum Lager des Varus.
Dann sind wir uns ja einig und müssen nicht um Kaisers Bart diskutieren.


Und das ist doch seltsam, das Marschlager hätte rückgebaut worden sein, nachdem die letzten Truppenteile abgezogen sind. Bei einem normalen Marsch jedenfalls. Sind die Truppen, mehrere Legionen müssten es doch sein?, im zweiten Lager überwältigt worden? Steht bei Tacitus nicht nur, dass die Reste dort gelagert hätten?
Ist es nicht ein Faktoid, dass die Lager beim Verlassen zurückgebaut wurden? Sicher man hat Dinge unbrauchbar gemacht (z.B. hat man in einem Römerlager (ich meine es war Haltern, bin mir aber nicht sicher) einen Klumpen Nägel gefunden, die offensichtlich in den Brunnen geworfen wurden, um sie den Feinden nicht in die Hände fallen zu lassen, aber im Großen und Ganzen sehe ich nicht, dass Lager wieder zerstört wurden. Die pila muralia hat man natürlich wieder eingesammelt. Aber die mussten ja von jedem contubernium wieder mitgeführt werden, also nicht nur von der Nachhut, sondern auch von der Vorhut, welche die pila dann ja auch beim Bau des nächsten Marschlagers wieder benötgte.

Desweiteren würde ich eben nicht vom "zweiten", sondern vom "letzten" Lager sprechen. Dass Tacitus nur zwei Lager erwähnt (wie gesagt, er klammert das Schlachtgeschehen damit ein, eine Opposition zwischen der intakten Dreilegionen-Armee (und ihrem adäquaten Lager) und den überwältigten Resten am niedrigen Lagerwall bildend) heißt eben nicht, dass es nur ein erstes und ein zweites Lager gab.
 
Das ergibt sich aus dem zeitlichen Ablauf. Der Lagerbau dauerte 3-6 Stunden, der Abmarsch aus dem alten Lager ebenfalls mehrere Stunden. Je nach Wegstrecke kam es dann dazu, dass beide Lager gleichzeitig bestanden.
Ist nicht auch das eher ein oft wiederholtes und daher für richtig gehaltenes Faktoid?
Ich lese das in den Quellen anders. Caesar landet in Britannien, marschiert zwölf Meilen, lässt die 7. Legion in Schildkrötenformation eine befestigte Stellung der Britannier angreifen und bläst dann irgendwann den Kampf ab, weil noch ein Lager errichtet werden muss.
Germanicus erfährt beim Lagerbau, dass die Angrivarier oder vermutlich Ampsivarier im Rücken abgefallen sind und schickt Stertinius zurück, damit dieser die Angrivarier oder vermutlich Ampsivarier in die Schranken weist.

Ich habe keine Ahnung, wie lange die Römer für den Bau eines Lagers benötigten. Dazu kenne ich keine Quellenstelle. Aber stellen wir uns mal vor, ein contubernium bestand aus acht Mann plus Mauleseltreiber. Der Mauleseltreiber und ein oder zwei Legionäre kümmern sich um das Tier und den Aufbau des Zeltes. Die restlichen 6 bis 7 Mann beteiligen sich am Schanzen bzw. übernehmen Wachaufgaben. Da hast du dann bei 5000 Mann (Vollstärke 6000) 3700 bis 4000 Mann die schanzen und wachen. Da die das täglich machen, sind die Arbeitsabläufe eingespielt.


Das Marschlager können wir nicht voraussetzen, zu Beginn müssen wir Marschlager/Sommerlager/Standlager als Möglichkeiten in Betracht ziehen, dann anhand des Texts eingrenzen, woraus sich auch bei ausschließlicher Betrachtung von Tacitus das Marschlager als einzige Option herausstellt.
Halten wir noch mal fest - unabhängig ob stimmt, was Tacitus schreibt oder nicht - Germanicus befand sich in der Nähe des Teutoburger Waldes (also dem, was die Römer darunter verstanden), hier überkam ihn der Wunsch, das Varusschlachtfeld zu besuchen. Er lässt also Caecina Wege (wörtlich Brücken und Dämme oder Schneisen) dorthin anlegen. Dann fand man (mindestens zwei) Lager, von dem das erste als für drei Legionen angemessen, das zweite (das aber nicht als ausdrücklich zweites bezeichnet wird) als zerstört und von den Resten der Legion angelegt beschrieben wird. Dass es sich bei dem ersten Lager als um ein ominöses Stand- bzw. Sommerlager handelte, ist nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, steht aber eher im Widerspruch zum Text.

Allerdings bin ich bei der Anzahl der Lager anderer Meinung: Tacitus schreibt von zwei Lagern, erstes Lager und das "dann" spricht eher dafür, dass dazwischen keine weiteren Lager waren.
Da kannst du gerne anderer Meinung sein, aber das was du da schreibst unterstellt, dass jeder Lagerbau extra erwähnt werden müsste. Stattdessen werden Lagerbauten nur hin und wieder mal erwähnt, wenn es dem jeweiligen Historiographen aus irgendwelchen Gründen opportun erschien: Etwa weil am Lagerbau selbst etwas besonderes war (Feldzug des Germanicus 14, Lager mit nur zwei Lagerwällen statt vieren) oder etwas geschah, als das Lager errichtet wurde (Feldzug des Germanicus 16, als Germanicus während der Ausmessungsarbeiten vom Abfall der Angrivarier bzw. Ampsivarier erfuhr, Feldzug des Germanicus 15, als Caecina bei den pontes longi seine Truppen einteilen musste in Kämpfende und Schanzende). Es muss nicht beschrieben werden,w as sowieso klar ist. Tacitus hat nicht für irgendwelche Internetdiskutanten geschrieben, die sich nach Roman- und Serienfiguren benannt haben, sondern für Römer. Die wussten, dass man jeden Abend ein Lager errichtet.

Weiteres Argument: hätte es dazwischen ein weiteres Lager gegeben, dann hätte dieses Lager noch halbwegs intakt gewesen sein müssen, da es auf dem Weg zum letzten, kümmerlichen Lager, zur Katastrophe kam. Das erste Lager wäre dann von den Römern zurückgebaut worden, die Gräben verfüllt.
Wie gesagt, die beiden erwähnten Lager klammern das Schlachtgeschehen ein. Ob sie tatsächlich gefunden wurden oder in welcher Reihenfolge, steht auf einem ganz anderen Blatt. Es handelt sich um literarisch gestaltete Historiographie, es geht um die Opposition zwischen den beiden Auffindesituationen. Sonst müsstest du ja auch glauben, dass in aufsteigender Reihenfolge erst die Legaten fielen, dann die Adler verloren gingen und schließlich der verletzte Varus sich selbst den Todesstoß gab. Denn so gibt Tacitus das wieder, die Überlebenden hätten Germanicus die jeweiligen Stellen gezeigt:
et cladis eius superstites, pugnam aut vincula elapsi, referebant hic cecidisse legatos, illic raptas aquilas; primum ubi vulnus Varo adactum, ubi infelici dextera et suo ictu mortem invenerit

Nicht unbedingt, da Cassius Dio auf die Senatsakten zurück griff, die geschönt waren. Tacitus war zu Lebzeiten noch nicht so weit vom Geschehen entfernt, als dass er politisch unvorsichtig sein konnte. Verfehlungen des Varus werden also eher nicht in den von Cassius Dio verwendeten Unterlagen auftauchen und Tacitus wird bei Kritik an Varus diese Verfehlungen nur vorsichtig andeuten können.
Sorry, aber das stimmt wirklich überhaupt nicht. Tacitus nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um Kritik an den julisch-claudischen Kaisern geht (er schrieb zur Zeit Trajans und dass er zurückhaltend mi Kritik an Varus ist, liegt sicher nicht daran, dass er vorsichtig sein musste). Kritik an Varus ist spätestens mit Velleius Paterculus politisch opportun gewesen und wird auch auf dessen Familienangehörige übertragen, wie Seneca anhand einer Anekdote, in deren Mittelpunkt Lucius Cestius Pius und der junge Publius Quinctilius Varus (er trug noch seie praetexta) stehen, berichtet. Während die ganze frühe Überlieferung noch darüber klagt, das Varus geraubt wurde, geht Velleius schon weniger als 15 Jahre später mit Varus hart ins Gericht gibt ihm und seinen angeblichen Charakterschwächen die ganze Schuld an dem Desaster und sein Sohn, immerhin noch über Verlobung mit dem Kaiserhaus verbunden, wird von L. Cestius gemaßregelt, er sei genauso dumm, wie sein Vater.

Da verwechselst du etwas. Tag- und Nachtgleiche herrschte, als Germanicus sechs Jahre nach der Schlacht die Truppen wieder am Treffpunkt an der Ems getrennt, mit der Flotte die Nordsee/das Wattenmeer erreichte.
Und auch bei Varus. Paterculus: "Tantum quod ultimam imposuerat Pannonico ac Delmatico bello Caesar [31v] manum, cum intra quinque consummati tanti operis dies funestae ex Germania epistulae", 5 Tage nach dem Ende des Pannonischen Kriegs traf die Depesche ein.
Cassius Dio berichtet ebenso.
Historiker datieren das Ende des Pannonischen Kriegs auf Mitte bis Ende September im Jahre 9.
Das ändert ja nichts. Es gibt nur eine Stelle, wo die Tag- und Nachtgleiche angeführt wird und das ist im Jahr 15 n. Chr., als Germanicus mit dem Wattenmeer Probleme bekommt. Germanicus und seine Offziere oder wahrscheinlicher Tacitus haben fälschlicherweise einen Zusammenhang zwischen der Tag- und Nachtgleiche und dem Tidenhub gesehen, der realiter nicht existiert. Für due Varusschlacht und den Lagerbau spielte die Tag- und Nachtgleiche keine Rolle. Es gibt also keinen Grund sie zu erwähnen. Dass du es doch tust, lässt vermuten, dass du dich mit der Quellenstelle (Germanicus' Probleme mit dem Tidenhub im Wattenmeer) vertan hast. Die Datierung der Varusschlacht im Spätsommer 9 ergibt sich natürlich aus verschiedenen Indizien, die wir in den Quellen haben. Aber wie gesagt, für den Lagerbau spielt das keine Rolle.

Fortsetzung folgt heute Abend.
 
Der Punkt ist doch dass bei Varus in keiner Quelle von Eilmärschen die Rede ist, und dass Eilmärsche im beschriebenen Kontext weder sinnvoll noch möglich waren.
 
Der Punkt ist doch dass bei Varus in keiner Quelle von Eilmärschen die Rede ist, und dass Eilmärsche im beschriebenen Kontext weder sinnvoll noch möglich waren.
Laut Cassius Dio soll Varus ja auf einer Mission gewesen sein, einen Aufstand niederzuschlagen. Das ist Sondergut bei Cassius Dio, das wir in keiner anderen Quelle finden. Bei einer akuten Strafmission wären Eilmärsche schon sinnig gewesen, damit sich ein solcher Aufstand nicht ausbreitete (du merkst, ich rede im Konjunktiv). Aber wir haben hier einen der vielen textimmanenten Widersprüche bei Cassius Dio, weil Varus angeblich auf diese Strafexpedition einen ganzen Tross mitnahm, weit über das militärisch Notwendige hinausgehend. Cassius Dio, der die Leiden der Römer bildreich ausgestaltet, schildert uns natürlich die ganze Beschwerlichkeit eines Marsches mit Wagen, Frauen und Kindern in völlg unwegsamen Gelände, das bei ihm wie ein Wechsel aus Hochgebirge und Sumpf erscheint, weniger, wie die deutschen Mittelgebirge in einer eisenzeitlichen Kulturlandschaft.
 
Cassius Dio, der die Leiden der Römer bildreich ausgestaltet, schildert uns natürlich die ganze Beschwerlichkeit eines Marsches mit Wagen, Frauen und Kindern in völlg unwegsamen Gelände, das bei ihm wie ein Wechsel aus Hochgebirge und Sumpf erscheint, weniger, wie die deutschen Mittelgebirge in einer eisenzeitlichen Kulturlandschaft.
Und somit wäre es ein doppelter Widerspruch, ausgerechnet den widersprüchlichen Cassius Dio zum Zeugen für Eilmärsche zu erklären.
 
Und somit wäre es ein doppelter Widerspruch, ausgerechnet den widersprüchlichen Cassius Dio zum Zeugen für Eilmärsche zu erklären.
Will ich gar nicht. Nur in der bei Cassius Dio geschilderten Situation, in der Varus einen Aufstand niederschlagen will - also wenn wir uns auf das einlassen, was die Quelle berichtet* - wären Eilmärsche durchaus angebracht gewesen.



*ich habe mich in den letzten 20 Jahren hier im Forum oft genug dahingehend positioniert, dass ich Cassius Dio für höchst unzuverlässig halte, vertrete damit aber hier im Forum (zumindest gefühlt) eher eine Minderheitenmeinung.
 
Wenn man jetzt kein Lager aufschlägt, kann man 12 Stunden marschieren.
Und ist in der Nacht schutzlos.

Versetzen wir uns in Varus. Er herrscht in Germania Magna, soll aus den Provinzen Steuern eintreiben, dazu Verwaltung aufbauen. Das Land ist befriedet, er hat drei Legionen zur Verfügung. Er hat Monate in einem Sommerlager an der Weser verbracht, die Cherusker haben ihn freundlichst behandelt, er hat vor seinem Tribunal Recht gesprochen. Über Hilfstruppen der verbündeten Cherusker kann er ebenfalls verfügen.

Nun empören sich einige Stämme.
Das ist alles Sondergut von Cassius Dio, der 200 Jahre nach der Schlacht geschrieben hat, was wir aus keiner der früheren Quellen so bestätigt bekommen. Zumindest nicht widerspruchsfrei.
Bei Cassius Dio quälen sich die Römer durch einen matschigen und feuchten Wald, über querliegende Baumstämme hinweg und werden dabei von herabstürzenden Baumkronen erschlagen, wohingegen die Germanen leichtfüßig durch den Wald hüpfend, die Römer mal hier mal dort gehörig pisacken. Klar, Cassius Dio betont, dass die Germanen leicht bewaffnet waren und die Römer schwer bepackt, aber offensichtlich waren die Römer eine sture Bande, die vor sich dahin marschierte, ohne auf die germanischen Überfälle adäquat zu reagieren, bis man dann irgendwann mal, aber eher aus der Not, als aus taktischer Klugheit den Großteil des Trosses verbrannte.


Nach dem ersten Tagesmarsch ist immer noch in Nähe des Sommerlagers, aber in unwegsamer Gegend. Wenn er auf den Lagerbau verzichtet, spart er viel Zeit, ca. 1/2 Tag. Die Zelte müssen trotzdem aufgebaut werden, die Öfen etc., der gesamte Zug ist trotzdem durch die Legionen geschützt. Lediglich ein militärischer Feind wie die Truppen des Arminius könnten ihm gefährlich werden, davon ahnt er aber noch nichts und Arminius greift ihn auch nicht an, da er die Truppen erst noch herbei holen musste und Varus einholen muss.
Netter Stoff für einen Roman.

Aber hast du dir schon mal überlegt, dass Cassius Dio mit Tacitus im Widerspruch steht? Tacitus erwähnt die Weser in Bezug auf die Varusschlacht nicht. Dreh- und Angelpunkt des Feldzuges ist ein unbekannter Ort an der Ems, der irgendwo nördlich von Münster, zwischen Greven und Lingen gelegen haben dürfte*. Von diesem aus ziehen die acht Legionen los, zu diesem müssen sie wieder zurück, als geographische Referenzpunkte werden Lippe und Ems genannt (bzw. das Gebiet dazwischen) und der saltus teutoburgiensis, den wir nicht sicher identifizieren können. Nur das er in der Nähe lag. Germanicus besucht das Schlachtfeld und verfolgt den sich in de Nähe aufhaltenden Arminius. Nach einem kleinen Scharmützel kehren die Römer zur Ems zurück und Caecina wird auf dem Weg zwischen Ems und Rhein von Arminius angegriffen (mutmaßlich im Bereich der Baumberge, wofür es aber keinen publizierten archäologischen Beleg gibt). Von einer Überquerung der Weser ist nirgends die Rede.
Genau dies aber - einer Überquerung der Weser - insinuiert der Text des Cassius Dio, wenn er sie auch nicht explizit macht.
Varus soll also in seinem Lager an der Weser, dem ominösen "Sommerlager" gesessen haben, dann empörten sich zunächst Leute, die weit von ihm (Varus) entfernt wohnten (τῶν ἄπωθεν αὐτοῦ οἰκούντων). Diese Stelle ist in diesem Forum oft benutzt worden, um zu argumentieren, dass Kalkriese nicht das Varusschlachtfeld sein könne, weil τῶν ἄπωθεν αὐτοῦ οἰκούντων ja bedeuten müsse, dass Varus nach Osten gezogen sei und wohl kaum nach (grob) Westen. Tatsächlich besagt sie über die Himmelsrichtung gar nichts. Aber zumindest insinuiert sie, dass die Cherusker die Varus ja bereits vom Rhein weggelockt hätten, ihn noch weiter weglocken würden und nicht wieder näher ans Reichsgebiet heran.

Allerdings steht Cassius Dio hier auch im Widerspruch zu den anderen Quellen, wenn er die Tischgenossengeschichte erzählt. Während in den anderen Quellen die Tischgenossen Arminius und Segestes im Widerstreit zueinander liegen und Segestes Varus den Verrat von Arminius erfolglos steckt, sind hier Arminius und Segimer die Tischgenossen, die beide an einem Strang ziehen (der Ursrpung der Geschichte liegt bei Segestes, der sich gegenüber Germanicus irgendwie herausreden musste, warum man bei ihm Beutestücke aus der Varusschlacht fand). Cassius Dio weicht also im Narrativ ganz erheblich von den früheren Quellen ab.

Auch sonst stehen die Quellen im Widerspruch: Bei Tacitus sind die römischen Truppen beisammen (wir erinnern uns an das adäquate Dreilegionenlager), bei Cassius Dio sind sie auf verschiedene Standorte, die teils schon vor der eigentlichen Varusschlacht niedergemetzelt werden, verteilt.

Das würde vermutlich nicht in den Senatsakten auftauchen, auf die Cassius Dio zugreifen konnte. Tacitus war noch so nah am Geschehen, die Annalen vermutlich während der Zeit der Flavier verfasst, dass er aufpassen muss, was er schreibt. Die Quellen, auf die er sich stützen konnte, standen so unter der Fuchtel der Claudier, dass dort eher nicht über Verfehlungen des Varus berichtet wurde. Ein Selbstläufer war der Lagerbau auch nicht, dass man sehr gut ohne konnte und es so auch bequemer war, sieht man daran, dass der Lagerbau vorgeschrieben war.
Die Annalen und Historien sind eine Suada gegen die julisch-claudische Familie und Agricola eine Suada gegen Domitian. Schriftstellerische Tätigkeit Tacitus' ist durch den jüngeren Plinius ca. ab 100 belegt. Die Annalen waren wohl sein Spätwerk.
 
Dreh- und Angelpunkt des Feldzuges ist ein unbekannter Ort an der Ems, der irgendwo nördlich von Münster, zwischen Greven und Lingen gelegen haben dürfte*.

Hier ist etwas verloren gegangen, nämlich die mit dem stern gekennzeichnete Fußnote, die ich leider gelöscht habe. Hier nun inhaltlich die Wiedergabe:

Es gibt eine Website, die ein von einem Heimatforscher herausgegebenes Buch aus den 80ern wiedergibt (mit dessen Erlaubnis), wonach in Rheine im 19. Jhdt. römische Münzen gefunden wurden. Der Heimatforscher nimmt diese als Beleg dafür, dass Germanicus' Landungsplatz in Rheine war. Ich habe vor Jahren versucht, sowohl die Betreiber der Website, als auch den Heimatforscher selbst, der zu dem Zeitpunkt bereits in den hohen 80ern war, aber eine Mailadresse hatt, ob er jetzt noch lebt, weiß ich nicht, per Mail zu erreichen, leider erfolglos, es gab nie eine Antwort.
Genannt wird ein Zeuge der Münzauffindungen, der diese an den Pfarrer weitergegeben habe und dieser Pfarrer habe die Münzen an ein Museum geschickt.
Ich habe verschiedene Institutionen angeschrieben: Das LWL-Museum für Archäologie bzw. deren Numismatiker, das Stadtarchiv Rheine, das Bistumsarchiv Münster. Außerdem habe ich ein Buch gelesen, welches die Schwiegertochter und der Enkel des Zeugen über dessen Sohn (in dem Buch des Heimatforschers wird der Zeuge der Münzauffindungen über seinen Sohn gewissermaßen definiert) geschrieben haben. Und in die FMRD habe ich auch reingesehen. Im FMRD ist der Fund nicht aufgeführt, in den Unterlagen des LWL-Museums für Archäologie sind Münzen der beschriebenen Proivienz nicht bekannt, Schwiegertochter und Enkel des Zeugen erwähnen keinerlei archäologische Funde, das Stadtarchiv Rheine weiß von dem Vorfall gar nichts, und in dem Nachlass des Pfarrers im Bistumsarchiv Münster ist auch nichts zu finden, was auf einen entsprechenden Briefverkehr mit einem Museum hinweist.
Also wenn tatsächlich Münzen gefunden wurden, sind die offensichtlich niemals einer wissenschaftliche Begutachtung unterzogen worden, wir wissen also weder, ob die römisch waren und wenn sie römisch waren, ob sie zum Germanicus-Horizont passen.
 
Der Lagerpräfekt (praefectus castrorum) war innerhalb einer Legion für die Logistik zuständig. Es war ja nicht so, dass für jedes Marschlager eigens ein neuer Lagerpräfekt ernannt wurde.
Danke für den Hinweis, demnach wird Paterculus die beiden Lagerpräfekten wohl eher nicht auf die Marschlager bezogen haben.
 
Nein, die Lagerschlachttheorie geht von der Darstellung des als unzuverlässiger Überlieferer bekannten Florus aus. Wenn man Florus’ Darstellung kennt, und versucht Tacitus mit Florus zu harmonisieren, dann kommt so etwas heraus, wie du beschreibst. Da haben Leute vom kleineren Lager im großen Lager fabuliert.
Genau! Ich hatte mir gestern auch nochmal Florus angesehen. Erst die - wie wir hier im Thread gesehen haben falsche, ich startete ja mit Appellplatz für campus und castra als evtl. auch Sommer-/Standlager - Auslegung von Tacitus macht aus der Florus Darstellung die Lagerschlacht. Paterculus kann man dann ähnlich deuten und heraus kommt die vollkommen falsche Sichtweise, dass *alle* Darstellungen ja die Lagerschlacht beschrieben, nur Cassius Dio wäre die unzuverlässige Ausnahme mit dem Marsch. Dabei decken sich bei genauer Betrachtung Dio und Tacitus. Paterculus und Florus beschreiben einfach ganz knapp. Wovon schreibt denn Florus? Ganz knapp vom Endresultat. Das Lager geraubt und drei Legionen vernichtet. Ob er das erste Marschlager des Tacitus meint, den nicht unerheblichen Wert des verlorenen / verbrannten Tross, ob er statt Raub die Verwüstung des Lagers meint oder ob er das Sommerlager meint: vollkommen egal. Ich denke sogar, dass er das Sommerlager meint, denn das war nach der Varusniederlage auf dem Marsch auch weg inkl. evtl. vorhandener Restbesatzung der Römer und alles dürften die Römer beim Abmarsch auch nicht mitgenommen haben, selbst ohne Wertgegenstände war das Sommerlager von erheblichem Wert. Florus schreibt an keiner Stelle von einer Lagerschlacht, nur dem Resultat, dass eben das Lager weg war.
Zeit für eine Rehabilitation von Florus, der von einigen als unzuverlässig angesehen wird, was er nur durch eine Fehlinterpretation zu sein scheint.

Ich verstehe nicht so ganz, warum du das https://www.geschichtsforum.de/members/dekumatland.18918/ auseinandersetzt, denn der einzige, der versucht hat, prima in primo umzudeuten, warst ja du. Du bist davon abgerückt, niemand vertritt diese Position mehr, also warum noch Leuten, die diese Position nie vertreten haben erklären, dass sie falsch ist?
Weil es die Position gibt, man müsse "prima" als "zunächst" im Sinne von "primo" übersetzen, was nun wirklich vollkommen unsinnig ist. Die Befürwörter dieser Theorie haben aber in einem Recht: das Wort ist eine wichtige Schlüsselstelle im Text von Varus.

Dabei habe ich die Columella-Stelle extra deswegen ausgesucht, weil sie semantisch so vieldeutig ist, eben weil ich Feld semantisch nicht verengt sehen wollte. Ausgangspunkt meiner Frage war ja, wie du darauf kämest, dass campus nicht 'Feld' in unserem Sinne bedeute (siehe auch Dekumatlands Beitrag: Geröllfeld, Schneefeld, Schlachtfeld, oder Sepiolas Hinweise: Kämpe, Kampf, Kämpfer).
Du hattest doch anfänglich campus semantisch zum Appellplatz verengt, wolltest Schlachtfeld wegdiskutieren.
Campus und Feld haben jeweils in ihrer Sprache mehrere Bedeutungen, nur manche davon in deckungsgleicher Schnittmenge. In jeder Sprache schwingen aber alle Bedeutungen mit, daher existieren keine 1:1 Übersetzungen, was schon alleine durch die viel längeren Übersetzungen im Deutschen deutlich wird als im lateinischen Original. Jeder Übersetzer bringt seine eigene Person in die Übersetzung ein, ständig ein Ringen um entweder wortgetreu oder dem Sinn entsprechend. Beispiel war doch "trium legionum manus", mal als "Arbeit der Hände dreier Legionen", mal als "Werk von drei Legionen" übersetzt. Werk ist mit Sicherheit nicht die wortgetreuere Übersetzung, gibt m.E. aber den Sinn (etwas) besser wieder. Svetlana Geier, die nach knapp 100 Jahren mit richtig guten, weil nicht wortgetreuen, aber besser dem Sinn entsprechenden Übersetzungen von Dostojewski überraschte, hat da viel drüber philosophiert. Man vergleiche nur "Schuld und Sühne" in der Übersetzung von Hermann Röhl, sehr wortgetreu, und ihr (paradoxerweise ist ihr Titel "Verbrechen und Strafe" auch wortgetreuer am Original).
Ich hätte vielleicht schreiben sollen, dass ich persönlich campus nicht als Feld übersetze, wenn ich anders kann. Der Begriff "falsch" war dann ein Tritt ins Fettnäpfchen von mir. Ich sträube mich eben innerlich, wenn ich bei Feld zwischen erstem Lager und Lagerstelle des Rests vor meinem inneren Auge die verbleichten Gebeine der Römer auf Äckern liegen sehe.

Die pila muralia hat man natürlich wieder eingesammelt. Aber die mussten ja von jedem contubernium wieder mitgeführt werden, also nicht nur von der Nachhut, sondern auch von der Vorhut, welche die pila dann ja auch beim Bau des nächsten Marschlagers wieder benötgte.
Spannende Frage, wo die bei Tacitus waren! Ich weiß noch keine Antwort.
 
Halten wir noch mal fest - unabhängig ob stimmt, was Tacitus schreibt oder nicht - Germanicus befand sich in der Nähe des Teutoburger Waldes (also dem, was die Römer darunter verstanden), hier überkam ihn der Wunsch, das Varusschlachtfeld zu besuchen. Er lässt also Caecina Wege (wörtlich Brücken und Dämme oder Schneisen) dorthin anlegen. Dann fand man (mindestens zwei) Lager, von dem das erste als für drei Legionen angemessen, das zweite (das aber nicht als ausdrücklich zweites bezeichnet wird) als zerstört und von den Resten der Legion angelegt beschrieben wird. Dass es sich bei dem ersten Lager als um ein ominöses Stand- bzw. Sommerlager handelte, ist nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, steht aber eher im Widerspruch zum Text.
Richtig, erstmal ist das Sommerlager möglich, weil wir nur vom Wort oder Satz ausgehen. Ein Sommerlager ist auch ein castra. Und dann müssen wir anhand des Textes, textimmanent wie du meinst, eingrenzen, was du auch gemacht hast: Es kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht das Sommerlager sein. Dann gehen wir noch eine Ebene höher und nehmen Cassius Dio zur Hand, wir vergleiche,n ob der geschilderte Ablauf mit Tacitus in Einklang zu bringen ist, danach lesen wir bei ihm vom Sommerlager an der Weser. Wir gehen noch eine Ebene in der Interpretation höher und nehmen Information außerhalb der Texte zur Hand, z.B. dass man verkehrstechnisch günstig gelegene Orte wie z.B. Minden, Hameln, Höxter, für das Anlegen eines Sommerlagers nutzte. Wir wissen auch von den Getreidespeichern in Anreppen, von wo aus alle drei Orte hätten versorgt werden können. Wir können nun schlussfolgern, dass Germanicus das Eggegebirge über- oder das Weserbergland hätte durchqueren müssen und können uns überlegen, ob Tacitus das Sommerlager gemeint haben könnte. Damit auszuschließen, die detaillierten Gründe haben wir ja schon x-mal durchgekaut.

Da kannst du gerne anderer Meinung sein, aber das was du da schreibst unterstellt, dass jeder Lagerbau extra erwähnt werden müsste. Stattdessen werden Lagerbauten nur hin und wieder mal erwähnt, wenn es dem jeweiligen Historiographen aus irgendwelchen Gründen opportun erschien: Etwa weil am Lagerbau selbst etwas besonderes war (Feldzug des Germanicus 14, Lager mit nur zwei Lagerwällen statt vieren) oder etwas geschah, als das Lager errichtet wurde (Feldzug des Germanicus 16, als Germanicus während der Ausmessungsarbeiten vom Abfall der Angrivarier bzw. Ampsivarier erfuhr, Feldzug des Germanicus 15, als Caecina bei den pontes longi seine Truppen einteilen musste in Kämpfende und Schanzende). Es muss nicht beschrieben werden,w as sowieso klar ist. Tacitus hat nicht für irgendwelche Internetdiskutanten geschrieben, die sich nach Roman- und Serienfiguren benannt haben, sondern für Römer. Die wussten, dass man jeden Abend ein Lager errichtet.
Aber er hat es ja im Gegensatz zu den anderen Stellen zum Lagerbau das "erste" Lager genannt.
Dass die Römer jeden Abend ein Lager erichtet haben, dachte ich bis gestern auch und wurde eines besseren belehrt. Es scheint eine genaue Vorgabe gegeben zu haben, ob und wie ein Lager zu errichten war (ohne Lager heißt ohne Spitzgraben und ohne Wälle).

Das ändert ja nichts. Es gibt nur eine Stelle, wo die Tag- und Nachtgleiche angeführt wird und das ist im Jahr 15 n. Chr., als Germanicus mit dem Wattenmeer Probleme bekommt. Germanicus und seine Offziere oder wahrscheinlicher Tacitus haben fälschlicherweise einen Zusammenhang zwischen der Tag- und Nachtgleiche und dem Tidenhub gesehen, der realiter nicht existiert. Für due Varusschlacht und den Lagerbau spielte die Tag- und Nachtgleiche keine Rolle. Es gibt also keinen Grund sie zu erwähnen. Dass du es doch tust, lässt vermuten, dass du dich mit der Quellenstelle (Germanicus' Probleme mit dem Tidenhub im Wattenmeer) vertan hast. Die Datierung der Varusschlacht im Spätsommer 9 ergibt sich natürlich aus verschiedenen Indizien, die wir in den Quellen haben. Aber wie gesagt, für den Lagerbau spielt das keine Rolle.
Ich verstehe dich hier nicht? Warum soll ich mich vertan haben? Das Ende des Pannonischen Aufstands ist relativ gut bekannt, gegen Mitte/Ende September, 5 Tage danach kam die Nachricht. Es war ca. Tag-/Nachgleiche es geht doch nicht um ein genaues Datum, sondern darum dass der Tag 12 h hatte, das ist doch für den Marsch wichtig. Hätten wir diese Information nicht, hätte die Varusschlacht auch im Juni stattfinden können und die Tage und damit Marschleistung pro Tag wäre länger gewesen. Anhand der Tageslänge können wir die Marschleistung abschätzen, jedenfalls ganz ganz grob. Am Ende können wir die Marschleistungen aufaddieren und feststellen, ob z.B. Minden, Hameln oder Höxter überhaupt als Sommerlager infrage kommen können oder innerhalb der bei Cassius Dio geschilderten Abfolge gar nicht Ausgangspunkt gewesen sein können. Von der Germanicus Tag-/Nachtgleiche hatte ich nie geschrieben.
 
--- kleiner Exkurs ---
Svetlana Geier, die nach knapp 100 Jahren mit richtig guten, weil nicht wortgetreuen, aber besser dem Sinn entsprechenden Übersetzungen von Dostojewski überraschte, hat da viel drüber philosophiert.
Das besondere Verdienst der Neuübersetzungen von Svetlana Geier ist einerseits ihr begleitender Kommentar, andererseits die gelungene Gestaltung der verschiedenen von Dostojewski eingesetzten Soziolekte (z.B. Ljamschins Sprechweise in "böse Geister") - das geht teilweise in Richtung "Nachdichtung"; und darüber konnte man mit ihr am Kachelofen bis tief in die Nacht diskutieren: den passenden Tonfall finden. Und da war sie ein wandelndes Lexikon mit unerschöpflichem Wissen in beiden Sprachen.
Aber das sagt uns nichts über den allgemeinen Begriff Feld in militärischen Kontexten eines lateinischen Stilisten.
--- Exkurs beendet ---
 
Der Punkt ist doch dass bei Varus in keiner Quelle von Eilmärschen die Rede ist, und dass Eilmärsche im beschriebenen Kontext weder sinnvoll noch möglich waren.
Eilmärsche spielen gar keine Rolle. Ich hatte den Begriff ins Spiel gebracht für die Abschätzung der Marschleistung von 20 km pro Tag nach dem Aufbruch aus dem ersten bei Tacitus beschriebenen Lager und 10 km danach. Die Varus-Armee erleidet erhebliche Verluste und kann eher nicht mehr auf einen Sieg im Kampf hoffen. Wegen der Kämpfe kommt man auch nicht mit 30 km pro Tag voran, sondern langsamer. Auf der anderen Seite ging es um Leben und Tod, ein erheblicher Druck, so schnell wie möglich voran zu kommen. Auch dürfte Varus zur Eile ermahnt haben, d.h. Fokus auf den Weitermarsch, man hoffte sich über den Hellweg an den Rhein retten zu können, was auch fast geklappt hätte. Das Mittel dazu könnte gewesen sein, Angriffe des Arminius nur noch zur direkten Verteidigung abzuwehren, sich aber nicht in Gefechte und Scharmützel verwickeln zu lassen. In der Summe 20 statt 30 km für einen vollen Tag, also 2,4 km/h bei 8 h Marschdauer pro Tag. Das hat mit an anderer Stelle beschriebener Eilmärsche nichts zu tun, vielleicht falsche Wortwahl meinerseits, sorry für die Verwirrung. Das spielt aber auch nur für die spätere grobe Abschätzung eine Rolle, welche Gesamtstrecke Varus bei der Schilderung des Cassius Dio *maximal* zurückgelegt haben könnte. Damit kann man evtl. die Frage lösen, ob z.B. Höxter überhaupt Sommerlager gewesen sein könnte.
 
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