Zuerst ein guter Artikel über den Kannibalismusvorwurf mit vielen Quellen:
https://www.academia.edu/787977/Eat...lism_Against_Christians_in_the_Second_Century
Hier steht, dass offensichtlich keine Verwechslung mit der Eucharistie vorlag (S. 422).
Das ist falsch! In dem Text steht, dass es "little sign" gibt (also auf deutsch "wenig Anzeichn") und weiter unten auf S. 422:
thus while the correspondence of eucharistic imagery with flesh and blood cannot be ruled out as a factor in the accusations (deutsch: So kann die Verbindung zwischen dem Bild der Eucharistie mit Fleisch und Blut nicht ausgeschlossen werden als ein Faktor in den Vorwürfen.) Zudem argumentiert der Autor mit Tertullian (geboren ab 150 n. Chr, gestorben nach 220 n. Chr.) und Minucius Felix (spätes 2. Jahrhundert oder frühes 3. Jahrhundert), dies sind also keine Quellen für unsere Dskussion für das 1. Jahrhundert und frühe 2. Jahrhundert.
Es gab den Vorwurf der Menschenfresserei gegen viele außenstehende Völker, so wie in der frühen Neuzeit über die Indianer. Sogar über den Tempel in Jerusalem ist eine abstruse Geschichte bekannt. Der Unterschied dazu ist in meinen Augen, dass die Christen mitten unter den „Römern“ lebten, selbst welche waren. Oft werden ihre geheimen Treffen als Ursache der Gerüchte genannt, aber die Apologeten streiten ab, dass diese überhaupt geheim waren.
Die Anschuldigungen, dass es geheime Treffen gibt bei denen barbarische/sataniche Rituale durchgeführt werden gibt es immer wieder gegen Minderheiten. Dies zeigt nur, dass die römische Herrscherschicht Lügen über die Christen verbreiteten um weiter den Rückhalt im Volk zu haben
Die Stelle bei Plinius zeigt, dass auch Menschen vom höchsten Bildungsgrad überzeugt waren, dass etwas an dem Gerücht dran sein konnte. Auch Sueton und Tacitus kann man kaum als leichtgläubige Idioten abstempeln, die jeden Unsinn für bare Münze nahmen.
Plinius zeigt, dass es vernünftige Leute gab, die diesen Vorwürfen nachgegangen sind und diese dann widerlegt haben und dann auch wahrheitsgemäß nach oben weitergegeben haben, dass diese Vorwürfe eine Lüge seien. Traian zeigt dann, dass ihm das völlig egal ist. Bei einer Anklage sollen Christen trotzdem verurteilt werden, wenn sie des Christsein schuldig sind.
Noch schwerer wiegt aber das Zeugnis von Christen selbst. Auf der einen Seite die häufige Erwähnung (-> McGowan-Artikel) der auffällig ähnlichen Vorwürfe, auf der anderen Seite aber die christlichen Vorwürfe gegen gnostische Sekten. Justin der Märtyrer, selbst Römer, schreibt, dass es möglich wäre, dass die Anhänger des Marcion Kannibalen seien (Just Mart 1 Apol 26).
Wie schon erwähnt, dass schreibt Justin nicht - das ist schon das zweite Mal, dass du eine Quelle falsch zitierst.
Das wichtigste Dokument ist aber Epiphanius von Salamis. Er schreibt angeblich aus eigener Erfahrung(!) über die Phibionites, die Foeten verzehrt haben (Panarion 26,4-5 und 26,17,1ff; lohnt sich in seiner Abscheulichkeit zu lesen).
Ich habe immer noch nicht die Stelle mit den Foeten gefunden. Bei keiner Stelle kommt das vor. Ich habe in der "Bibliothek der Kirchenväter" alle Werke von Eiphanius durchsucht und habe auch 3 Erwähnungen von Phibioniten gefunden, aber keine Erwähnung der Verzeherung von Foeten. Vielleicht könntest du diese Stelle einmal genau zitieren und nicht nach erzählen, dem traue ich nämlich nicht mehr.
Ich arbeite über die Entstehung des frühen Christentums und bin zu der Überzeugung gekommen, dass nicht die Paulusbriefe, sondern das Thomasevangelium das erste Dokument darstellt, auf dem sowohl die Großkirche als auch die Gnosis fußt (die These diskutieren wir ein andermal, denke ich. Mehr Info auf meiner Homepage).
Mach einmal bitte einen Thread dazu auf, indem du deine Argumente darlegst, die würde ich gerne mit dir diskutieren.
Das Thomasevangelium liefert einen weiteren Hinweis. Es ist stark verschlüsselt, erwähnt aber oft das Essen und Trinken als Weg zur Erkenntnis und Unsterblichkeit. So heißt es in Spruch 111: „der aus dem Lebendigen lebt, wird den Tod nicht sehen“. Und in Spruch 4 wird direkt der Säugling genannt: „Der Mensch in seinen alten Tagen wird nicht zögern, ein kleines Kind von sieben Tagen zu befragen über den Ort des Lebens, und er wird leben;“. Beide sollen zu einem werden.
Gehört der Satz "Beide sollen zu einem werden" auch noch zum Zitat?
Ich kann daraus zwar nicht lesen, dass das Essen und Trinken von Menschenfleisch/Blut zur Unsterblichkeit führt (vielleicht da in beiden Zitaten nicht die Wörter essen und trinken vorkommen, aber vielleicht ist das auch wieder nur meine Interpretation), wenn du die Argumente aber weiter ausführst (vielleicht mit Bezug auf Essen und Trinken), dann könnten wir darüber diskutieren ob das Thomasevangelium ein Indiz für Kannibalismus ist. Bis jetzt sehe ich dazu keine Anlass.
Ich selbst habe am Anfang meiner Untersuchungen geglaubt, den Schlüssel zur Eucharistie und den römischen Gerüchten gefunden zu haben. Ich bin jetzt aber überzeugt, dass das eine Fehlinterpretation war.
Das führt zum Johannesevagelium (Joh 6,53): „Wenn ihr nicht das Fleisch des Sohnes des Menschen esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch selbst“. Was für ein seltsamer Satz! Man stelle sich vor, was ein Jude dabei denken sollte. Ich bin der Überzeugung, dass das EvJoh eine Antwort auf das Thomasevangelium darstellt und die Aspekte behandelt, die bei den Synoptikern „zu kurz“ gekommen sind. Dann könnte sich diese Sicht der Eucharistie auf das Missverständnis der Gnostiker beziehen, indem dieses symbolisch übernommen wird.
Wann datierst du den Thomas- und Johannesevangelium, denn meines Wissen entstand das Johannes-Evangelium vor dem Thomas Evangelium. Dein Zitat aus dem Johannes-Evangelium ist nicht seltsam. Die Art der Formulierung dieses Satzes ist typisch für das Johannes-Evangelium, da die mystische und göttliche Seite Jesu stark betont wird. Zudem bezieht sich der Satz auf ein Element des Christentums, die Eucharistie, welches besonders ist (später Sakrament). Ich glaube nicht, dass eine theologische Auslegung dieses Satzes in ein Geschichtsforum gehört, wenn das Moderationsteam aber ein Okay gibt, erläutere ich ihn dir gerne.
Fazit: Es ist gut möglich, dass in der wilden Zeit des frühen Christentums im ersten Jahrhundert (Eusebius, Hist. Eccl IV, 26, 1) einige Christen wirklich Kannibalen waren und diese Verbrechen auf die Großkirche abgefärbt haben, die sicher nichts damit zu tun hatte.
Wie schon gesagt wurde: Großkirche ist noch nicht und auch kein katholischer Glaube. Da braucht es noch etwas. Diese Entwicklung müssen wir aber dringend auch noch besprechen!
Verstehe ich aber so. Epiphanius reicht mir aber auch.
Du kannst aber Zitate nicht einfach so verstehen, wie es dir gefällt, sndern musst deine Art von Verständnis wissenschaftlich begünden.
Das ist natürlich Definitionssache. Für mich ist die Strömung, die mit Paulus von Tarsus begann, die katholische (also allgemeine) Kirche. Von Ignatius bis Augustinus liegen die Kirchenväter weitgehend auf dieser Linie. Sie grenzt sich gegen älteste Strömungen der Gnosis ab (Simon magus e.g.). Die Gnostiker haben sich nie mit der Kirche vereinigt, sondern sind in letzter Instanz in Südfrankreich verbrannt worden. Was ich sage, ist, dass alle "Christen" unter einem Vorurteil wegen einer Splittergruppe leiden mussten.
Nein es ist nicht Definitionssache, sondern kann wissenschaftlich ergründet, begründet und somit bewiesen werden und muss nicht als irgendetwas definiert werden.
1.Die katholische Kirche ist nicht die allgemeine Kirche, sondern sie wäre als katholische Kirche die "das-ganze-umfassende" Kirche.
2. Nur weil man eine Auswahl von autoren as Kirchenväter tituliert und deren Berichte dann versucht zu erhalten, heisst das nicht, wenn eine andere Strömung, sich als Hauptströmung herausgestellt hätte, das dann nicht andere Schriften überliefert wären und vielleicht sogar das NT aus anderen Schriften bestehen würde.
3. Die Christen waren die Splittergruppe, gegen die es ein Vorurteil gab. Nicht gegen eine kleine Gruppe der Christus-Anhänger, welche ja sogar oft von Außenstehende noch als Juden angesehen wurden sind. Dann wäre die christliche Splittergruppe: eine minderheitliche Untergruppe (neben anderen Untergruppen) einer minderheitlichen Untergruppe (den Christen), einer minderheitlichen Untergruppe (den Juden), welche eine religiöse Minderheit in einer der ausseren Provinzen des Römischen Reiches war. Ich glaube nicht, dass ein Vorurteil gegen diese geringe Gruppe auf irgendwas abgefärbt haben soll, sondern dass es dieses Vorurteil gegen die Christen insgesamt gab (zudem dass es auch Vorurteile gab gegen die Juden) und bis jetzt wurde auch noch kein Beweis dafür erbracht.
Ja.
Zu dieser Frage ist bei W.-D. Hauschild: Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd 1, S. 121, zu lesen:
Das Christentum war … nicht nur gesellschaftlich missliebig, sondern auch politisch verdächtig. Aus diesem eigenartig unklaren Schwebezustand erklären sich sowohl die sporadischen, gewaltsamen Ausschreitungen der Bevölkerung als auch die Maßnahmen der Behörden. Dahinter stand das allgemeine, nicht genau definierte Vorurteil, dass Christsein als solches strafbar wäre; und den Beweis dafür erbrachten die Prozesse gegen Christinnen und Christen, indem diese die geforderte Loyalitätsbekundung gegenüber der römischen Staatsreligion verweigerten. Gesetzliche Regelungen seit Kaiser Trajan ca. 112/3 klärten nicht die Grundsatzfrage, weswegen Christsein als strafbar galt, sondern lediglich die behördliche Verfahrensweise. Im Prinzip blieb diese unklare Rechtslage bis zum Toleranzedikt von 311 gültig. Das bedeutete: Faktisch war das Christentum als solches verdächtig, doch juristisch verurteilt wurde die darin angeblich implizierte Staatsfeindschaft.
Das stelle ich nicht infrage. Es geht mir nicht um den vorgeschobenen juristischen Grund, sondern den wirklichen Grund für den Hass auf Christen im ersten Jahrhundert. Über den Rest haben wir doch schon eine Art Konsens gefunden, hoffte ich...
Der "vorgeschobene" Grund war die Staatsfeindschaft, die die Römer gesehen haben. Der eigentliche Grund war das Christsein, welches aus römischer Sicht die Staatsfeindschaft beeinhaltete. Der "vorgeschobene" Grund war also auch Teil des eigentlichen Grundes.
Ausserdem hatten wir keinen Konsens, sondern haben uns auf eine gemeinsame Arbeitsgrundlage geeinigt. Zu einem Fazit sind wir noch nicht gekommen, da du noch immer nicht einverstanden warst mit dem Konsens den es ansonsten gab.