Betreffend des Beitrages von thanepower muß ich jetzt ganz offen zugeben: das erschliesst sich mir auch nach den neuen Ausführungen im Beitrag #7 nicht...
Wie der Sprung von der preussischen Armee der wilhelminischen Zeit zur Reichswehr zustande gekommen ist, verstehe ich nicht. Ich dachte, wir reden über die Armee und die Marine im Zeitalter Wilhelm II, also von 1888 bis 1914 (als letztes Friedensjahr, denn schließlich geht es ja im Hintergrund vor allem um das Verhältnis der Marinerüstung zu den Rüstungsanstrengungen für die Landstreitkräfte). Nebenbei ist es sachlich falsch: auch das in der Reichswehr nach elitären Gesichtspunkten gezielt zusammen gesetzte Offizierkorps war nicht mehrheitlich adelig, monarchische Gesinnung ist nicht gleichbedeutend mit adeliger Herkunft.... Unbestreitbar ist allerdings, dass der Adel auch in der Reichswehr überrepräsentiert war, ein Erbe aus der kaiserlichen Armee. Ebenso unbestreitbar ist, dass die Reichswehr keine republikanische Gesinnung hatte, sondern sich von ihrem Selbstverständnis her als Verteidiger der Nation, nicht aber der Republik verpflichtet fühlte. Soll heißen: wenn's drauf ankam, bestand die Gefahr, dass die Reichswehr nach dem Muster "Reichswehr schiesst nicht auf Reichswehr" sich dem Einsatz gegen Putschisten verweigerte.
Zu den Quellen kann ich nur sagen, dass Fritz Fischer mit seinen Aussenseiteransichten aus meiner Sicht (und ich nehme an, auch aus der Sicht vieler anderer Teilnehmer dieses Forums) keineswegs die beste Wahl ist, aber sei es drum...dann halt Fritz Fischer. Im übrigen ist "Wissen als Allgemeingut" ja schön, ich mache das nicht anders. Nur: wenn es denn Zweifel an einer Sichtweise gibt, dann sollte man auch sagen können, welche Quellen die eigene Sichtweise stützen, oder aufgrund welcher Gedankengänge man zu bestimmten Schlußfolgerungen gekommen ist.
Ich bin enttäuscht, wenn jemand dann die "beleidigte Leberwurst" spielt: "...Die Forderung nach Quellen find ich ein wenig "überraschend", vor allem wenn jemand gleichzeitig einen Beitrag schreibt und dann selber auf diesen Luxus verzichtet....", schließlich wollte ich doch nur wissen, ob es Quellen für diese Argumente gibt. Ich gebe allerdings zu, ich habe da so meine Zweifel...
Daher an thanepower die Frage: Was schreibt denn Fischer (und auch Ritter) so schönes? Schreiben die beiden explizit, dass eine Aufrüstung des Heeres nicht erfolgte, damit der Anteil des Adels am Offizierkorps nicht auch noch unter die 30%-Marke fallen würde? Bei Fritz Fischer würde mich eine solche Stellungnahme allerdings insofern überraschen, weil er ja unbedingt eine Alleinschuld Deutschlands am Ausbruch des Ersten Weltkrieges nachweisen zu müssen glaubte. Sollte da eine freiwillige Rüstungsbeschränkung der deutschen Landstreitkräfte tatsächlich zu dem unterstellten "Griff nach der Weltmacht" passen? Eine Armee mit Schwerpunkt in innenpolitischer Richtung? Wohl kaum. Vielleicht kann thanepower ja den entscheidenden Satz zitieren, denn "zwingend" ergibt sich das aus seinen Ausführungen m.E. nicht. Wobei ich nicht mal behaupten möchte, dass thanepower völlig daneben liegt, nur lauten meine als "Allgemeingut" zu nennenden Wissenskenntnisse da anders...
Noch einmal: die deutschen Streitkräfte hatten in der Zeit des Kaiserreiches durchaus eine innenpolitische Funktion, aber ihre Hauptaufgabe war der Einsatz gegen äußere Feinde. Und der Adel war schon seit den Heeresvermehrungen in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts nicht mehr zahlenmäßig führend, auch nicht in der preussischen Armee. In den Kontingentarmeen des Südens, namentlich Bayerns, war er das auch schon vorher nicht mehr der Fall gewesen. Unbestreitbar ist allerdings die Bevorzugung des Adels bei der Besetzung attraktiver Dienststellen und bei Beförderungen. Bei den Generalsstabs-offizieren war der Adel in der Tat überrepräsentiert. Dennoch war es auch Bürgerlichen möglich, in hohe Führungspositionen zu gelangen. Bekanntestes Beispiel ist sicherlich Ludendorff. Im übrigen war die Marine kein "Club der Bürgerlichen", so ganz weit lag die Zusammensetzung der Offizierkorps beider Teilstreitkräfte wahrscheinlich nicht auseinander.
Der 5.Punkt der Ausführungen, "...Diese unterschiedlichen sozialen Wurzel sind dann auch ein Ansatz für die Erklärung der geringen Übereinstimmung der strategischen Planungen des Heeres und der Marine. Und erklären aber auch die relative Bedeutungslosigkeit der Marine auf den Ausgang des WW1", ist meiner Meinung nach nicht nachvollziehbar. Hier würde ich mich ganz besonders freuen, wenn thanepower noch ein konkretes Zitat (allerdings bitte nicht unbedingt Fischer, wenn es möglich ist), als Beleg anbringen könnte. Oder ist das Deine eigene Schlußfolgerung, thanepower? Ich möchte behaupten, dass die mangelnde Abstimmung von Heer und Marine nichts mit der sozialen Zusammensetzung der Teilstreitkräfte zu tun hatte. Es ist meiner Meinung nach ausschließlich eine Frage der Führungsorganisation. Man sah da in jener Zeit keine Notwendigkeit einer Abstimmung der beiderseitigen Interessen und da es keine einheitliche Kommandobehörde über den Teilstreitkräften gab, unterblieben solche Überlegungen denn auch.
Das Thema Bedeutungslosigkeit der Kaiserlichen Marine im Ersten Weltkrieg ist an diversen Stellen schon diskutiert worden. Unabhängig davon, welchen Standpunkt man in dieser Frage hat, glaube ich mich im Rahmen dieser Diskussion an Stichworte wie "mangelnde Aktivität", "Fernblockade der Royal Navy", "zahlenmäßige Unterlegenheit" und ähnliches erinnern zu können. Warum die herkunftsmäßige Zusammensetzung des Marine-Offizierkorps für das Scheitern der Anstrengungen Deutschlands in der Seekriegsführung des Ersten Weltkrieges verantwortlich sein soll, verstehe ich nicht. Ich lasse mich allerdings gerne überzeugen (wenn die Argumente stichhaltig sind)....