Danke Shini.
Zum guten Teil beschreibst Du ja eine Transformation des Prinzips der Legitimität im zwischenstaatlichen Verhältnis vom monarchistischen hin zum nationalen, im betrachteten Zeitraum.
Um den jungen Kissinger S. 180 zu zitieren:
"Im achtzehnten Jahrhundert wäre niemand auf den Gedanken verfallen , die Legitimität eines Staates hänge von der sprachlichen Einheit seiner Bevölkerung ab. Für die Schöpfer des Versailler Vertrages war jede andere Regelung undenkbar. Es ist der Triumph legitimierender Prinzipien, daß man sie für selbstverständlich hält."
Mit dem Zitat übertreibt es Kissinger allerdings in beide Richtungen hin deutlich.
Sicherlich war vor dem 19. Jahrhundert der Gedanke sprachliche Einheit und kultureller Bezug wären in irgendeiner Form wichtig deutlich weniger ausgeprägt, aber die nicht zufälig beginnende Nationalstaatsbildung in Westeuropa während des 17. und 18. Jahrhunderts legen eigentlich auch nahe, dass dieses Prinzip weder vollkommen unbekannt noch vollkommen unbedeutend war, schon aus dem Grunde, weil es auch eine Möglichkeit war die persönliche Herrschaft zu festigen und auszubauen.
Ebensowenig ist die in Versailles und den anderen Pariser Verträgen alles entscheidend, denn wenn sprachliche Homogenität das Instrument der Legitimation gewesen wäre, dann wären im besonderen die Tschechoslowakei, Jugoslawien und das vergrößerte Rumänien nicht zustande gekommen. Vom sprachlichen Standpunkt her schuf man da definitiv eine Reihe von Vielvölkerstaaten.
Wenn es in der Hinsicht im 19. Jahrhundert nochmal einen deutlichen Umschwung gibt, dann vermutlich dahingehend, dass das sprachliche und ethnische Element (übrigens auch das der sozialen Klasse) bei der Klassifizierung von Zugehörigkeit gegenüber Religion und Zugehörigkeit zu einem Untertanen- und Rechtsverband an Bedeutung relativ zunehmen. Es kommt aber nichts verabsloutierbares dabei herum.
Viel eher müsste man das lange 19. Jahrhundert eigentlich als eine Zeit der Parallelität dieser Prinzipien ansehen und das beinhaltet auch sein Ende.
Das wird, wenn man es an einem Beispiel anfhängen will im Rahmen des Versailler Vertrags bzw. dessen Vorverhandlungen sehr deutlich, als die Frage der politischen Zukunft Masurens und des Ermlandes aufgeworfen wird.
Der polnische Anspruch auf Masuren ließe sich von einem Standpunkt her rechtfertigen, der auf sprachliche Homogenität rekuriert, der auf das deutschsprachige Ermland wurde hingegen mit Verweis auf die historische Grenze Polen-Litauens vorgetragen. Letztlich hatte ja auch die gesammte Idee eines polnischen Zugangs zur Ostsee eher historische und pragmatische Legitimationsgründe, als ethnisch-sprachliche.
Dann kam im Zuge des Schachers um Gebiete zwischen Deutschland und Polen, noch der Versuch hinzu nationale Zugehörigkeit über die konfession mit zu definieren.
Das stiftete dann im Bezug auf die beiden genannten Landstriche, dann ziemliche Verwirrung, weil die slawisch-sprachige Bevölkerung Masurens einmal mehrheitlich aus Protestanten bestand, die zum polnischen Nationalkatholizismus nicht passen wollten und die deutschsprachige Bevölkerung des Ermlandes mehrheitlich aus Katholiken, die sich nicht recht in das Bild des Preußisch-Deutchen Protestantismus fügen wollten.
Letztlich ließ man in Masuren dann die Bevölkerung befragen, die sich trotz slawischer Sprache mit überwältigender Mehrheit für einen Verbleib bei Deutschland aussprach, auch wenn da vielleicht die sowjetischen Erfolge im Krieg gegen Polen mit reinspielten.
Masuren – Wikipedia
Auch wenn man sich das entsprechende Abstimmungsergebnis und die damalige Bevölkerungsstatistik für Oberschlesien ansieht, wird klar, dass ein nicht geringer Teil der dort ansässigen polnischsprachigen Bevölkerung seinerzeit für Deutschland votiert haben muss.
Volksabstimmung in Oberschlesien – Wikipedia
Das widerspricht der Vorstellung sprachliche/ethnische Zusammengehörigkeit, wäre um 1920 herum das einzig konstitutionalisierende und damit legitimierende Elemten der Staatenbildung gewesen.
Das die Schöpfer des Versailler Vertrages dann später im Zuge der benannten Abstimmung deren Ergebnisse weitgehend bestätigten, dass sie nachträglich den Friedensvertrag von Riga und damit den polnischen Erwerb der ukrainischen und weißrussischen Gebiete östlich Brest-Litowsk und des Bug akzeptierten und wie gesagt die Existenz jugoslawiens, Rumäniens und der Tschechoslowakei in den in den Verträgen von Saint-Germain und Trianon festgelegten Grenzen ebenfalls bestätigten, zeigt, dass die sprachliche Homogenität für die damaligen Entscheidungsträger allenfalls eine Richtlinie war.
Viellicht das schwerwiegendste Kriterium von allen, aber nicht das einzige und wie sich zeigt auch nicht dass zwangsläufig Stechende