dekumatland
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vorweg: @Maglor, bitte sei mir nicht böse, weil ich eine etwas skurril-exotische Vokabel aus deinem Beitrag verwende und sie dabei auch noch aus dem Kontext herausreiße. Das ist keine Kritik an deinen Beiträgen zu diesem etwas absurden aus-anderem-Faden-Abtrennthema, die ich mit Interesse gelesen habe!
Ich bin nicht sonderlich glücklich mit dem Titel dieses Fadens. Denn egal wie man den Titel dreht und wendet und eventuell verallgemeinert (a la Genozide an Kolonialisten? oder ähnlich absurdem Zeugs), ist der Titel selber irgendwie polemisch und ahistorisch.
Das hier ist jetzt mein 2. Beitrag in diesem Faden, welcher derzeit den Titel Völkermord an deutschen Siedlern im Zuge des Herero Aufstands? trägt und Beiträge aus einem anderen Faden herausgetrennt hat. Meinen 1. Beitrag hier, eine Frage an @thanepower, hatte ich noch vor dieser Verschiebung gestellt - jetzt ist der Kontext durch den neuen Titel verändert. Und mit diesem Titel bin ich nicht einverstanden.
(Achtung: Irrealis!!) Wenn man böswillig polemisch loslegen will, könnte man der Titelgebung unterstellen, sie wolle jegliche kritische Stimme zur Einordnung der Niederschlagung des Herero Aufstands als Genozid lächerlich machen, indem kritische Gegenstimmen quasi greinen würden "buhuhu die bösen Indigenen in Afrika haben aber möglicherweise auch Völkermorde praktiziert, nicht nur untereinander, sondern auch an irgendwelchen Kolonisten" - und natürlich ist es leicht, auf eine solche unterschobene (!) *) Position einzudreschen. (Irrealis Ende)
Stutzig gemacht hat mich die Mühsal des Formulierens, des Findens von deskriptiven Formulierungen - hierfür als Beispiel:
Madonna! ...noch nie hat es irgendwo nachweislich einen "Genozid-Befehl" oder "Massenmord-Aufruf" gegeben, welcher dezidiert und explizit ein absurdes sprachliches Kuriosum wie "Gruppenzerstörungsabsicht" enthalten hat. Oder gibt es irgendwo einen Einsatzbefehl, welcher ungefähr lautet: "vorwärts, Mannen, lasset uns mit Gruppenzerstörungsabsicht agieren"?
...aber diese kuriose Formulierung zeigt das Dilemma, welches entsteht, wenn man immer weiter in der Geschichte rückwärts geht und dem historischen Geschehen partout moderne/heutige Bewertungen überstülpt.
An dieser Stelle kann natürlich der Einwand kommen: "aber der Kanon historisch-wissenschaftlicher Einordnung" - bon, wie überall in den Wissenschaften, ist auch hier das verbindliche letzte Wort noch nicht gefallen. Natürlich beweist die historische Wissenschaft die Gräuel des Kolonialismus & Imperlialismus des 19. & frühen 20.Jhs. - daran besteht gar kein Zweifel! - aber die Ettikettierung Genozid ist wegen ihrer immanenten Wertung problematisch. Denn: man sollte meinen, dass ein Genozid schrecklicher sei als diese oder jene andere gehäufte Untat. Hier muss ich gestehen, dass ich die durchaus sehr radikale Niederschlagung des Herero Aufstands horribile dictu für weniger schrecklich halte als die perversen Verstümmelungspraktiken in belgisch Kongo!
Ha! erwischt! könnte man jetzt sagen: das böse hererogenozidleugnende dekumatland fängt damit an, Vergleiche zu ziehen und will damit was kleinreden. ... nö: will ich gar nicht. Ich hab´ noch einen Trumpf im Ärmel: da gab es einen perversen Scheißkerl in der dt. Kolonialhistorie, der sich abseits jeglicher Genozid-Diskussionen den sehr zweifelhaften Lorbeer ans Revers heften kann, der darin besteht, den Greueln in belgisch Kongo nicht unterlegen zu sein: der Herr Carl Peters. Dieser Perverse hat sich nicht grundlos in Afrika den Spitznamen Hänge-Peters erworben!
Fazit:
die Greuel der Kolonialgeschichte des späten 19. / frühen 20. Jhs. müssen erforscht und aufgearbeitet werden! Sie sind allesamt ekelhaft schrecklich**)
Wenn aber aus dem Gros der Geschichte des Kolonialismus ein Moment herausgegriffen wird und die immanent hochmoralische Etikettierung "Genozid" erhält, und das unbeeindruckt von der Masse der Greuel innerhalb der Kolonialgeschichte, dann habe ich Zweifel daran, dass diese Ettikettierung tatsächlich nur rein historisch und nicht auch politisch motiviert ist. Um das deutlich und krass zu sagen: die Verstümmelungspraktiken in belgisch Kongo sind enger verwandt mit perversen Praktiken in KZs als das brutale "plattmachen" der Hereros... Insofern: eine dezidiert deutsche Kontinuitätstheorie der perversen Grausamkeiten wird sich aus der ohnehin schrecklichen Kolonialgeschichte nicht ableiten lassen.
Ich halte es für historisch sinnlos, in der Kolonialgeschichte des späten 19. und frühen 20. Jhs. partout nach Genoziden zu suchen - denn einerseits verfügt diese Geschichte über mehr als genug atemberaubende Grausamkeiten, andererseits überdeckt die Ettikettierung "das da ist Genozid, das da nicht" im Kontext der Kolonialgeschichte jene Gräuel, die ggf noch gräßlicher sind, auch wenn sie keine "Gruppe(n)" ausrotten (s.o. zu belgischen Praktiken)
...jetzt bin ich gespannt, ob ich Rotbommel kassiere, weil mein Beitrag als kleinreden missverstanden wird...
___________
*) durch den ahistorisch-absurden Titel - Titel/Schlagzeilen können prima polemisch sein :winke:
**) das bestürzende daran ist: das belle epoque Paris und zeitgleich Jugendstil-Berlin & Wien etc sind kulturhistorische Größen, an denen keinerlei Zweifel besteht. Claude Debussy, Maurice Ravel, Claude Monet, Gustav Mahler, Marcel Proust, Theodor Fontane, Guiseppe Verdi usw usw usw sie alle waren Zeitgenossen des Spätkolonialismus - und nichts von den Greueln in den Kolonien überschattet ihre Werke...
Ich bin nicht sonderlich glücklich mit dem Titel dieses Fadens. Denn egal wie man den Titel dreht und wendet und eventuell verallgemeinert (a la Genozide an Kolonialisten? oder ähnlich absurdem Zeugs), ist der Titel selber irgendwie polemisch und ahistorisch.
Das hier ist jetzt mein 2. Beitrag in diesem Faden, welcher derzeit den Titel Völkermord an deutschen Siedlern im Zuge des Herero Aufstands? trägt und Beiträge aus einem anderen Faden herausgetrennt hat. Meinen 1. Beitrag hier, eine Frage an @thanepower, hatte ich noch vor dieser Verschiebung gestellt - jetzt ist der Kontext durch den neuen Titel verändert. Und mit diesem Titel bin ich nicht einverstanden.
(Achtung: Irrealis!!) Wenn man böswillig polemisch loslegen will, könnte man der Titelgebung unterstellen, sie wolle jegliche kritische Stimme zur Einordnung der Niederschlagung des Herero Aufstands als Genozid lächerlich machen, indem kritische Gegenstimmen quasi greinen würden "buhuhu die bösen Indigenen in Afrika haben aber möglicherweise auch Völkermorde praktiziert, nicht nur untereinander, sondern auch an irgendwelchen Kolonisten" - und natürlich ist es leicht, auf eine solche unterschobene (!) *) Position einzudreschen. (Irrealis Ende)
Stutzig gemacht hat mich die Mühsal des Formulierens, des Findens von deskriptiven Formulierungen - hierfür als Beispiel:
Gruppenzerstörungsabsicht
Madonna! ...noch nie hat es irgendwo nachweislich einen "Genozid-Befehl" oder "Massenmord-Aufruf" gegeben, welcher dezidiert und explizit ein absurdes sprachliches Kuriosum wie "Gruppenzerstörungsabsicht" enthalten hat. Oder gibt es irgendwo einen Einsatzbefehl, welcher ungefähr lautet: "vorwärts, Mannen, lasset uns mit Gruppenzerstörungsabsicht agieren"?
...aber diese kuriose Formulierung zeigt das Dilemma, welches entsteht, wenn man immer weiter in der Geschichte rückwärts geht und dem historischen Geschehen partout moderne/heutige Bewertungen überstülpt.
An dieser Stelle kann natürlich der Einwand kommen: "aber der Kanon historisch-wissenschaftlicher Einordnung" - bon, wie überall in den Wissenschaften, ist auch hier das verbindliche letzte Wort noch nicht gefallen. Natürlich beweist die historische Wissenschaft die Gräuel des Kolonialismus & Imperlialismus des 19. & frühen 20.Jhs. - daran besteht gar kein Zweifel! - aber die Ettikettierung Genozid ist wegen ihrer immanenten Wertung problematisch. Denn: man sollte meinen, dass ein Genozid schrecklicher sei als diese oder jene andere gehäufte Untat. Hier muss ich gestehen, dass ich die durchaus sehr radikale Niederschlagung des Herero Aufstands horribile dictu für weniger schrecklich halte als die perversen Verstümmelungspraktiken in belgisch Kongo!
Ha! erwischt! könnte man jetzt sagen: das böse hererogenozidleugnende dekumatland fängt damit an, Vergleiche zu ziehen und will damit was kleinreden. ... nö: will ich gar nicht. Ich hab´ noch einen Trumpf im Ärmel: da gab es einen perversen Scheißkerl in der dt. Kolonialhistorie, der sich abseits jeglicher Genozid-Diskussionen den sehr zweifelhaften Lorbeer ans Revers heften kann, der darin besteht, den Greueln in belgisch Kongo nicht unterlegen zu sein: der Herr Carl Peters. Dieser Perverse hat sich nicht grundlos in Afrika den Spitznamen Hänge-Peters erworben!
Fazit:
die Greuel der Kolonialgeschichte des späten 19. / frühen 20. Jhs. müssen erforscht und aufgearbeitet werden! Sie sind allesamt ekelhaft schrecklich**)
Wenn aber aus dem Gros der Geschichte des Kolonialismus ein Moment herausgegriffen wird und die immanent hochmoralische Etikettierung "Genozid" erhält, und das unbeeindruckt von der Masse der Greuel innerhalb der Kolonialgeschichte, dann habe ich Zweifel daran, dass diese Ettikettierung tatsächlich nur rein historisch und nicht auch politisch motiviert ist. Um das deutlich und krass zu sagen: die Verstümmelungspraktiken in belgisch Kongo sind enger verwandt mit perversen Praktiken in KZs als das brutale "plattmachen" der Hereros... Insofern: eine dezidiert deutsche Kontinuitätstheorie der perversen Grausamkeiten wird sich aus der ohnehin schrecklichen Kolonialgeschichte nicht ableiten lassen.
Ich halte es für historisch sinnlos, in der Kolonialgeschichte des späten 19. und frühen 20. Jhs. partout nach Genoziden zu suchen - denn einerseits verfügt diese Geschichte über mehr als genug atemberaubende Grausamkeiten, andererseits überdeckt die Ettikettierung "das da ist Genozid, das da nicht" im Kontext der Kolonialgeschichte jene Gräuel, die ggf noch gräßlicher sind, auch wenn sie keine "Gruppe(n)" ausrotten (s.o. zu belgischen Praktiken)
...jetzt bin ich gespannt, ob ich Rotbommel kassiere, weil mein Beitrag als kleinreden missverstanden wird...
___________
*) durch den ahistorisch-absurden Titel - Titel/Schlagzeilen können prima polemisch sein :winke:
**) das bestürzende daran ist: das belle epoque Paris und zeitgleich Jugendstil-Berlin & Wien etc sind kulturhistorische Größen, an denen keinerlei Zweifel besteht. Claude Debussy, Maurice Ravel, Claude Monet, Gustav Mahler, Marcel Proust, Theodor Fontane, Guiseppe Verdi usw usw usw sie alle waren Zeitgenossen des Spätkolonialismus - und nichts von den Greueln in den Kolonien überschattet ihre Werke...
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