Vorherrschaft Europas

Wenn das nur ein Schlagwort ist, um Deine Diskussionspartner herabzusetzen, dann sollten wir uns einmal per PN darüber unterhalten.

Nein, das ist nicht noetig, ich halte dich wirklich fuer einen Relativisten.


Die (chinesischen) Einflüsse (auf Leibniz) sind nicht zu leugnen, inwieweit welche Einflüsse "entscheidend" sind, ist eine Frage, die ich gerne den Fachleuten überlasse.

Aber die scheinen doch eine recht klare Meinung zu haben, wie aus deinem eigenen Zitat ja hervorgeht: "In my judgement, Chinese philosophy is more important to Leibniz' philosophy than most American philosophers believe."


Niemand hat behauptet, daß Lis Arbeit viel Neues und Innovatives enthält. Was Lis Arbeit enthält und was für unseren Zusammenhang interessant ist, ist die Beschreibung der Pockenimpfung mehr als hundert Jahre vor den ersten europäischen Versuchen.

Ich halte das aus drei Gruenden nicht fuer besonders relevant:
1. Die Inokulation (nicht Pockenimpfung/Vaccilation, die wurde sowieso in Europa von einem englischen Landarzt Ende des 18. Jh. erfunden) wurde in China durch einen indischen Weisen eingefuehrt. Das sagt die chinesische Tradition selbst. Dieser Verdienst ist also kaum Li selbst zuzuschreiben.

2. Die Inokulation wurde in Europa auf regionaler Ebene schon vor ihrer Einfuehrung von Konstantinopel praktiziert, u.a. in Wales. Siehe dazu William McNeill, Plagues and Peoples, im entsprechenden Abschnitt.

3. Es geht im Rahmen unseres Themas natuerlich um Fortschritt und Neues und Innovatives und da ist Li als Kompilator schon lange bestehenden Wissens in der chinesischen Volksmedizin kein geeignetes Beispiel, um chinesische Innovationskraft zu beweisen.


Das ist Deine Ansicht, andere sehen es genau andersherum:
John S. Gregory, The West and China since 1500, Basingstoke 2003

Warum sagst du "meine"? Das war die Ansicht von Martzloff, einer fuehrenden westlichen Autoritaet auf dem Gebiet der chinesischen Astronomie.

Oder George Wong:

The introduction of TVestern scientific ideas and techniques by the Jesuits during the period of the late Ming and early Ch'ing marked one of the significant and crucial events in Chinese intellectual history...

To begin with, it may be said that owing to the slow development of
native science and the low state into which it had fallen during the Ming
dynasty, there appeared to be a partial Chinese acceptance of Western
science and techniques. This was due to the frequent inaccuracies in
astronomical calculations based on traditional observations recorded in the
Tn-t'ung-li (Ming Calendar) and the Iiui-hui-li (Muslim Calendar) ; to the
need of modern arms to counter the threats from outside during the late Ming and to strengthen the military power during the early Ch'ing: to the
special interest of a segment of native scholars who were dissatisfied with
the limitations of current Cllinese scientific thought; to the fascination
and curiosity aroused by Western mechanical instruments. This temporary
acceptance resulted in the employment of Jesuits in the Imperial Astronomical Bureau in order to readjust and improve the traditional calendar and astronomy.

The Chinese were also interested in utilizing the Jesuits in the manufacture of horological, mathematical and astronomical instruments, and Western armaments, the translation and publication of numerous scientific treatises, the reproduction of Ricci's Map of the World, and in geographical surveys.

Correspondingly, as a response and a reaction to the Jesuits scientific activities in China, there was a semi-popular movement to re-examine and to re-evaluate Chinese science. This resulted in a revival of Chinese mathematics and astronomy....

As will be shown, the classical argument used by the traditionalists to de-popularize and to minimize the Jesuits' scientific contributions was the contention that all Western scientific ideas and techniques introduced by the Jesuits had originated in China. This theory of the Chinese origin of Western science had some psychological effectiveness. On the one hand, it provided a reason for the total rejection of Western science on the ground that since its ideas had already been fully recorded and explained in Chinese texts a supplement from the Jesuits was unnecessary. On the other hand, it created an opportunity to apologize for the under-development of Chinese science, thus making a partial acceptance of some aspects of TVestern science permissible within the context of traditionalism.

George H. C. Wong, China's Opposition to Western Science during Late Ming and Early Ch'ing, Isis, Vol. 54, No. 1. (Mar., 1963), pp. 29-49


Sollte Gernet jede Anekdote erwähnen?

Weil es nicht nur einfach eine Anekdote ist, sondern auf geradezu parabelhafte Weise das technologische Gefaelle zwischen West und Ost veranschaulicht. Umgekehrt haette sich Gernet oder Needham so eine Steilvorlage sicherlich nicht entgehen lassen.


http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=178118&postcount=16
Die ersten Hängebrücken mit Eisenketten haben die Portugiesen zweifellos nicht in den Andentälern zu Gesicht bekommen.
Und die erste derartige Brücke, die dann tatsächlich gebaut wurde, war jedenfalls von chinesischen Vorbildern inspiriert.

Ok. Ich hab mich beim Thema Haengebruecken noch nicht so schlau gemacht, lass ich gelten.


Die Seidenraupenzucht ist keine Naturware, sondern eine zivilisatorische Errungenschaft.

Wenn das so ist, dann muesste man ja den alten Chinesen auch anhaengen, dass sie den Wein und die Olivenproduktion nicht kannten. Und viel entscheidender: Dass jede, aber auch wirklich jede einzelne amerindische Kulturpflanze in China von Europaern direkt nach China oder indirekt ueber Manila exportiert wurde (Also eben die Agrarpflanzen, die dann im 18. und fruehen 19 Jh. eine wahre Bevoelkerungsexplosion ausloesten):

Bei den europaeischen Seefahrern (und bei den amerindischen campesinos sowieso) haetten sich dann die Chinesen zu bedanken fuer:



Dann habe ich interessante Neuigkeiten für Dich:
Tatsächlich steckte Ehrenfried Walter von Tschirnhaus hinter den ersten Experimenten Böttchers. Und der interessierte sich nachweislich für die chinesische Kunst der Porzellanherstellung und korrespondierte darüber u. a. mit Leibniz:

Was beweist das? Das man in Europa Porzellan kannte und versuchte nachzuahmen? Das ist wohl kaum eine Neuigkeit. Entscheidend ist doch, dass Boettger oder Tschirnhaus die Erfindung des europaeischen Porzellans eigenstaendig und ohne Kenntnis der chinesischen Rezeptur gelang, was doch kein schlechtes Licht auf europeaische Innovationskraft wirft:

Böttger and his associates arguably formed the first research and development enterprise in history, driven by visions of enormous profit and haunted by fears of industrial espionage. After considerable labor, Böttger produced his first piece of porcelain in January 1708, and a
year later, Augustus opened the Royal Saxon Porcelain Manufactory at
Meissen, northeast of Dresden.

Robert Finlay: The Pilgrim Art: The Culture of Porcelain in World History, Journal of World History, Vol. 9, No. 2
 
Uebrigens war es neuesten Forschungen zufolge europaeische Militaertechnik, welche entscheidend dazu beitrug, die chinesische Song-Dynastie zu stuerzen.


Sehr interessant! Das Trébuchet wurde also im 12. Jahrh. in Westeuropa erfunden und verbreitete sich dann nach Osten. War ja auch eine effektive Waffe, bei der es sich lohnte sie zu übernehmen.

Der frz. Wiki-Artikel ist ziemlich gut: http://fr.wikipedia.org/wiki/Tr%C3%A9buchet
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber die Urform des Gegengewichtkatapultes mit Zugleinen statt Gewicht stammt doch aus China.


Wenn ich es richtig verstehe, dann stimmt das, aber die Betonung liegt auf Zugleinen statt Gewicht . Um mit den Worten der Propyläen Technikgeschichte zu sprechen, so stellten die Chinesen reine "Ziehkraft-Bliden" her. Im Link: The Xuanfeng or "Whirlwind" is a basic traction catapult, and a direct descendant of the first Mohist traction catapults of the 4th - 3rd century B.C. The throwing power in a Xuanfeng comes from a team of people pulling downwards on ropes tied to the short arm of the throwing arm.

Die Europäer bauten ab dem 9. Jahrhundert auf der Technik der röm. Antike auf und kombinierten diese mit der chin. "Ziehkraft-Blide". So entstand eine neue Waffengattung, die "Gegengewichts-Blide" (entwickelte sich bis 1191 zum Trébuchet/Tribock). Die sich dann durch ihre überlegene Durchschlagskraft überall durchsetzte. Im Link: However, the Xuanfeng by the time of the Song dynasty was already becoming obsolete. The rise of both massive Mongol hinged counterweight trebuchets [aus Europa] and early Song dynasty gunpowder weapons sealed the fate of this "little" catapult.

In der Propyläen Technikgeschichte wird die chin. Katapultart nicht als echtes Gegengewichtskatapult beschrieben, da diese immer auf menschliche Ziehkraft angewiesen war und die Gewichte dies nur unterstützten. Die Westeuropäer änderten dies grundlegend, "Gegengewichts-Bliden" brauchen keine Menschen mehr zur Energieübertragung, sondern diese kommt ausschließlich aus der Schwerkraft. Der Mensch drückt nur noch den Knopf.

Da diese neue Waffentechnik überlegen war, übernahmen sie die Araber, dann die Mongolen und schließlich auch die Chinesen.

Wovon ich aber keine Ahnung habe: Wie funktionierten die Katapulte der europ. Antike ? Soweit ich weiß in China mit Ziehkraft und bei uns mit Spannkraft ? Interessant ist auch, dass die Katapulttechnik in Ost und West praktisch gleichzeitig auftaucht, jeweils um 400 v. Chr.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wovon ich aber keine Ahnung habe: Wie funktionierten die Katapulte der europ. Antike ? (...) bei uns mit Spannkraft ?
Ja. In ein Seilbündel wird ein Wurfarm eingelegt, danch wird dieses Seilbündel gedreht. Das Prinzip lässt sich mit einem Einmachglasgummi, 2 parallelen stäben (z.B. Bleistifte in einem Blumentopf), einem Löffel und einem Geschoss (Radiergumi oder dergleichen) nachvollziehen. ÜBer die Bleistifte den Gummi legen, den Löffel zwischen den Stiften in den Gummi stecken und drehen, bis man auf einen gewissen Widerstand stösst. Nun einen Kiesel oder Radiergummi auf den Löffel legen und loslassen. Rein theoretisch sollte dieser dann durch die Luft fliegen.
 
Aber die scheinen doch eine recht klare Meinung zu haben, wie aus deinem eigenen Zitat ja hervorgeht: "In my judgement, Chinese philosophy is more important to Leibniz' philosophy than most American philosophers believe."


Wenn Du der Ansicht bist, daß die "meisten amerikanischen Philosophen" als Fachleute für die Einflüsse der chinesischen Philosophen auf Leibniz' Denken zu gelten haben, kann ich das so stehen lassen.

Es bleibt Dir selbstverständlich unbenommen, einen Experten zu zitieren, der in der Beschäftigung mit demselben Thema zu einem anderen Ergebnis gelangt ist und die von Mungello 2000 noch offen gelassenen Fragen geklärt hat. Mein Statement lautete:
hyokkose schrieb:
Die Einflüsse sind nicht zu leugnen, inwieweit welche Einflüsse "entscheidend" sind, ist eine Frage, die ich gerne den Fachleuten überlasse.



Es geht im Rahmen unseres Themas natuerlich um Fortschritt und Neues und Innovatives

... und da rennst Du offene Türen ein. Darauf wurdest Du allerdings schon wiederholt hingewiesen:
lieber gegenkaiser, niemand bestreitet ernsthaft, dass die europäische kultur ab der renaissance eine dynamik entwickelt hat, der kein anderer kulturkreis (bis dato) gewachsen war.

Wenn Du damit lediglich zum Ausdruck bringen willst, daß die Entwicklung Europas im 16. Jahrhundert in schnellerem Tempo vor sich ging als anderswo, erübrigt sich eine Diskussion, denn das bestreitet niemand.



Die Inokulation (nicht Pockenimpfung/Vaccilation, die wurde sowieso in Europa von einem englischen Landarzt Ende des 18. Jh. erfunden)

Um erst einmal die Begriffsverwirrung aufzulösen:
"Inokulation" ist in diesem Zusammenhang lediglich ein anderes Wort für "Impfung". Zu der Zeit, als die einzige bekannte Form der Impfung die Pockenschutzimpfung war, ist "Inokulation" gleichbedeutend mit "Pockenschutzimpfung".
Die Impfung mit Variola-Viren heißt "Variolation", die Impfung mit Vaccinia-Viren (Kuhpocken) heißt "Vakzination". Letztere Methode wurde von [url="http://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Jenner]Edward Jenner[/url] wenn nicht erfunden, so doch weithin bekannt gemacht, ähnlich wie Lady Montagu die Methode der Variolation einige Jahrzehnte zuvor



1. Die Inokulation [...] wurde in China durch einen indischen Weisen eingefuehrt. Das sagt die chinesische Tradition selbst. Dieser Verdienst ist also kaum Li selbst zuzuschreiben.

Da niemand eine These aufgestellt hat, wonach die Technik der Inokulation Li selbst zuzuschreiben sei, rennst Du auch hier wieder offene Türen ein. Was ich schrieb, war folgendes:
Niemand hat behauptet, daß Lis Arbeit viel Neues und Innovatives enthält. Was Lis Arbeit enthält und was für unseren Zusammenhang interessant ist, ist die Beschreibung der Pockenimpfung mehr als hundert Jahre vor den ersten europäischen Versuchen.


Wenn Du gegenteilige Informationen hast, bin ich selbstverständlich daran interessiert.



Warum sagst du "meine"?

Wenn Du diese Ansicht nicht teilst, nehme ich den Satz selbstverständlich gern zurück.




Das beweist, daß man sich in Europa willentlich und mit Erfolg darum bemüht hat, auf dem Gebiet der Porzellanherstellung mit China gleichzuziehen. Hatte ich je angedeutet, etwas anderes beweisen zu wollen?



was doch kein schlechtes Licht auf europeaische Innovationskraft wirft:

Zum Thema "offene Türen" siehe oben.



Wenn das so ist, dann muesste man ja den alten Chinesen auch anhaengen, dass sie den Wein und die Olivenproduktion nicht kannten.

Selbstverständlich kannst Du das den alten Chinesen anhängen, wenn es Dir etwas bringt. Jeder Winzer wird Dir bestätigen, daß es eine Menge Know-how erfordert, einen trinkbaren Wein zu keltern.
 
Sehr interessant! Das Trébuchet wurde also im 12. Jahrh. in Westeuropa erfunden und verbreitete sich dann nach Osten.

Nicht ganz. Uneingeschraenkt empfehlenswert fuer die Geschichte der Trebuchet sind diese beiden Qualitaets-Artikel von Chevedden. Das darf man sich wirklich froh schaetzen, das es die kostenlos im Netz (noch) gibt.

http://www.doaks.org/DOP54/DP54ch4.pdf

http://www.deremilitari.org/resources/pdfs/chevedden.pdf

In aller Kuerze:
Die Roemer benutzen Torsionskatapulte und die Chinesen Traktionskatapulte. Bei den Traktionskatapulten muss man zwischen drei Typen unterscheiden:

- Trebuchets mit Mannschaften, die an Leinen ziehen
- Trebuchets mit Gegengewichten und Mannschaften, die an Leinen ziehen (Hybrid-Trebuchets)
- Trebuchets mit Gegengewichten

Ersterer Typ wurde in China im 4. Jh. v. Chr. erfunden. Zweiterer vermutlich im muslimischen Raum im 8. Jh. und letzterer irgendwo im oestlichen Mittelmeerraum im 12. Jh. (Byzanz, Moslems oder vielleicht sogar Kreuzfahrer).

Der allerschwerste Trebuchet-Typ mit Gegengewichten wurde im lateinischen Westen erfunden, von den Moslems Mitte des 13. Jh. als "Fraenkisches Katapult" uebernommen und von den Mongolen in den 1270ern mit durchschlagenden Erfolg gegen die Grenzfestungen der Song-Dynastie eingesetzt, da der Entwicklungsstand in China auf dem urspruenglichen Niveau von Trebuchets mit manueller Mannschaftsbedienung verharrt geblieben ist.
 
Es wurde hier im sehr interessanten Thread gefragt, wo denn die universalhistorischen Schriften seien, von außereuropäischen Kulturen.
Als Entgegnung auf den eurozentristischen Blick auf die Weltgeschichte.
Tja, wie schon erwähnt, wird es schwierig werden, wenn man nicht die entsprechende Sprache kennt.

Es gibt allerdings ein 600 seitiges deutschsprachiges PDF der islamischen Geschichte online, welches einige muslimische "Historiker" zitiert.
Dieses ebook erklärt die Geschichte allerdings von einem religiösem Standpunkt aus. Das würde vielleicht dem Papst gefallen, das Gott (Allah, Jahwe, etc.) mit im Spiel ist. Mir geht diese Betrachtungsweise aber völlig ab... ;)
Es enthält also viel Schmarrn, nicht nur religiös verbrämt, sondern auch einfach fehlinformiert, hat auch oft nur eingeschränkte und wenige Sekundärliteratur, hat aber zwei Vorteile, neben dem Amüsement:
1. ist das meiste mit Fußnoten belegt, so dass man andere fremdsprachige selten zitierte Werke und Auffassungen in deutsch zugänglich erhält. Z.B. Mahmud Schakir, Die islamische Geschichte, 22 Bände, 2. Auflage, Verlag: Al-maktab al-islami, Beirut, Damaskus, Amman, 1991
2. und deshalb bringe ich es hier überhaupt, erhält man Einblicke in andere Denk- und Betrachtungsweisen von "Historikern". Es ist also für uns quasi eine zeitgenössische Primärquelle.

Abgesehen von etlichen Unzulänglichkeiten, ist sind einige Aspekte durchaus interessant.
Ich hab nun nicht alles durchgelesen, aber blättert mal bei den Kreuzzügen, bei dem Osmanischen Reich, beim Umgang mit Minderheiten, bei den Ursachen für den Niedergang des Kalifats, usw. rum.
Dadurch erhält man nicht Einblick in den aktuellen akademischen Lehrbetrieb im Nahen Osten. Dieses Werk ist nicht repräsentativ für die muslimischen Historiker.
Denn es ist 1. eine religiöse Geschichte, angefangen mit Adam :), zweitens ist es sunnitisch, drittens ist es anscheinend salafitisch, also "fundamentalistisch" und viertens ist es wohl von einem "Hobbyhistoriker" zusammengeschustert.

Aber wie gesagt, wenn man dieses im Hinterkopf hat, dann kann man die Welt durch neue aussereuropäische und religiöse Blickwinkel betrachten.
Seine gewisse Stärken hat es zweifelsohne in der religiösen Geschichte Muhammads und Konsorten.

http://www.didi-info.de/Portal/downloads/muhammed/Islamische Geschichte.pdf

Daraus nun eine "Stilblüte":
Der Prophet hat über den Nationalismus gesagt:
"Lasst ihn. Er ist übel riechend". :rofl::rofl:

Aloha, LG lynxxx
 
Ich habe letzte Woche eine interessante Hypothese dazu gelesen, nämlich daß die Überlegenheit der Europäer fast ausschließlich aus der Eroberung der Neuen Welt her resultiert die Europa den Vorsprung an Material, Land, Arbeitskräften und Nutzpflanzen brachte, der dann alle weiteren Schritte zur Folge hatte.


In dieser Richtung gibt es eine interessante Analyse, die sicher lesenswert ist. Thematisiert wird der Einfluß des Atlantikhandels beim Aufstieg Europas:

The Rise of Europe: Atlantic Trade, Institutional Change, and Economic Growth
 
Der Aufstieg Europas begann schon viel frueher als an dem Tag, als Kolumbus in San Salvador und da Gama in Kalikut landeten. Schluesselentwicklungen, die Europas Singularitaet begruendeten, wie die Renaissance, Reformation und zum deutlich ueberwiegenden Teil auch die wissenschaftliche Revolution lassen sich vollkommen ohne Bezug zu den maritimen Entdeckungsfahrten erklaeren.
 
da passt auch dieser schöne kurze Aufsatz rein, der auch einige Punkte die für den Aufstieg Europas wichtig waren aufführt:

"Gleichzeitig hatte sich jedoch – von den Muslimen kaum beachtet – zwischen Irland, Frankreich, dem von Deutschen besiedelten Ostseeraum und Italien ein Europa herangebildet, das späteren Betrachtern als relativ homogener Kulturraum erkennbar wurde. Drei Institutionen – die privilegierte „freie“ Stadt, die international tätige christliche Ordensgemeinschaft und die Universität mit ihren relativ unabhängigen Wissensproduzenten – waren Motoren eines kulturellen Wandels zwischen 950 und 1350, der als „Europäisierung Europas“ analysiert worden ist (Barlett 1996: 346 und 350). Doch noch bis weit in die Renaissance hinein war die islamische Welt eher die Gebende, und Europa befand sich in der Position der Beschenkten. ..."
usw.
http://www.ifsh.de/pdf/publikationen/hb/hb138.pdf
hatte ich hier im Forum auch schon mal gepostet...

N8, lynxxx
 
da passt auch dieser schöne kurze Aufsatz rein


Großes Kompliment: Der Text paßt sehr schön zum Thema. :yes:

Zitat schrieb:
Doch noch bis weit in die Renaissance hinein war die islamische Welt eher die Gebende, und Europa befand sich in der Position der Beschenkten.


Das sollte man präzisieren. Tetzlaff setzt den Beginn der Umkehrung der Verhältnisses (Überlegenheit Europas) in das 14. Jahrhundert (S. 18, 25, 29, 60). Die Renaissance begann bekanntlich im 14. Jahrhundert im Italien des späten Mittelalters. Er meint also nicht das 16. Jahrhundert, das als Zeitalter der Renaissance schlechthin gilt.

Drei Punkte im Text möchte ich kurz ansprechen:

Zitat: Tetzlaff: S. 19 schrieb:
Das Osmanische Weltreich war das größte und mächtigste Kolonialreich der Weltgeschichte.


Erwischt! Da kritisiert er doch tatsächlich den Eurozentrismus und setzt selber kräftig die Orient-zentrierte-Brille auf. Natürlich waren das spanische Weltreich im 16. Jahrhundert (24.000.000 km²) oder das British Empire im 19. Jahrh. (37.000.000 km²) territorial größer und ich würde auch sagen potentiell mächtiger als das Osmanenreich (19.500.000 km²).

Siehe:

Spanische Kolonien - Wikipedia
Britisches Imperium - Wikipedia
Weltreich - Wikipedia

Zitat: Tetzlaff: S. 27 schrieb:
Ein sehr großer Teil des Erbes der griechischen Antike wäre ohne die arabische Vermittlung spurlos untergegangen.

Oft gehört, stimmt aber nur teilweise. Die Westeuropäer haben einen Großteil der antiken Schriften nicht von den Arabern, sondern aus byzantinischen Bibliotheken erworben. Also sie bedienten sich auch der gleichen Quellen wie das die Araber taten: Quelle Byzanz.

Die Autorin Anja Herold hat über diesen Sachverhalt einen Artikel verfasst, in: GEO Epoche - Die Renaissance in Italien 1300 - 1560; Schriftenjäger: Die Erben der Antike.

Zitat: Tetzlaff: S. 53 schrieb:
Die mechanische Uhr wurde in China erfunden.

Das gilt als zweifelsfrei widerlegt. Die Chinesen haben nur mechanisierte Wasseruhren genutzt. Die mechanische Uhr (Gewichtsantrieb, Hemmung und Pendel) ist tatsächlich eine rein europäische Entwicklung, welche die Chinesen erst von Europäern kennenlernten.

Siehe:
- Uta Lindgren: Europäische Technik im Mittelalter 800-1400. Tradition und Innovation. Berlin: Gebr. Mann, 1998.
- Karl-Heinz Ludwig, Volker Schmidtchen: Metalle und Macht. 1000 bis 1600. Berlin, Frankfurt/Main: Propyläen Ullstein, 1992
(= Propyläen Technikgeschichte, Band 2, hg. von Wolfgang König).
 
Zuletzt bearbeitet:
Großes Kompliment: Der Text paßt sehr schön zum Thema. :yes:
...

Oft gehört, stimmt aber nur teilweise. Die Westeuropäer haben einen Großteil der antiken Schriften nicht von den Arabern, sondern aus byzantinischen Bibliotheken erworben. Also sie bedienten sich auch der gleichen Quellen wie das die Araber taten: Quelle Byzanz.

Die Autorin Anja Herold hat über diesen Sachverhalt einen Artikel verfasst, in: GEO Epoche - Die Renaissance in Italien 1300 - 1560; Schriftenjäger: Die Erben der Antike.
Das Thema, über den tatsächlichen Umfang der byzantinischen Schriften und deren Überschätzung im Einfluss auf die Renaissance hatten wir schon hier ausführlich debattiert.

http://www.geschichtsforum.de/f36/wir-den-arabern-verdanken-521/
 
Louis le Grand,

in allen Punkten Zustimmung.

Mechanische Uhren mit Gewichten und Federn sind eine rein europäische Errungenschaft. Die chinesische astronomischen Uhren dagegen wurden trotz mechanischer Elemente (Hemmung) von Wasser angetrieben und sind deshalb klar als Wasseruhren / Klepsydra zu bezeichnen.
 
Das Thema, über den tatsächlichen Umfang der byzantinischen Schriften und deren Überschätzung im Einfluss auf die Renaissance hatten wir schon hier ausführlich debattiert.

http://www.geschichtsforum.de/f36/wir-den-arabern-verdanken-521/


Habe nachgesehen. Würde ich aber eher als Meinung werten wollen, zumal nicht wirklich viel dasteht. Aber grundsätzlich ist völlig richtig, dass die Araber viele antike Schriften an die Westeuropäer vermittelten. Größter Beitrag dürfte da wohl Aristoteles gewesen sein. Dennoch halte ich die byzantinische Vermittlung für eine nicht zu vernachlässigende (und durchaus bemerkenswerte) Größe. Wie auch die Reise des Giovanni Aurispa 1421 zeigt, in der er insgesamt 238 Bände aus Konstaninopel nach Italien brachte. Darunter die vollständigen Werke von Cassius Dio, Arrian, Cicero, Vergil, Seneca, Homer, Thukydides und Platon.

Giovanni Aurispa - Wikipedia
 
Zuletzt bearbeitet:
Habe nachgesehen. Würde ich aber eher als Meinung werten wollen, zumal nicht wirklich viel dasteht.

Ohne die ganze Diskussion über den Einfluss der Araber und den Einfluss der Byzantiner auf die Renaissance hier nochmals hinein verschieben zu wollen, dass sollten wir lieber dort tun: http://www.geschichtsforum.de/f36/wir-den-arabern-verdanken-521/

Der Einfluss Byzanz ist in der Tat bemerkenswert und auch breiter erst in den letzten Dekaden ins Bewusstsein des Westens gelangt.
Wir müssen aber erstens unterscheiden, welchen Einfluss wir meinen. Den philosophischen, künstlerischen, literarischen, rechtsgeschichtlichen, usw.
Oder zweitens den naturwissenschaftlichen.
Meine Ausführungen in dem obigen Thread betreffen den naturwissenschaftlichen Einfluss.
Der Einfluss von Argyropoulos, Bessarion, Chrisoloras, Gemistos Plython, Chalkokondiles, usw. muss man unter diesen verschiedenen Bereichen differenziert betrachten.

Dann müssen wir unterscheiden, über welchen Zeitraum wir diskutieren.
Des weiteren ist allgemein festzustellen, dass Islamwissenschaftler, Arabisten, usw. eher den arabischen Einfluss stärker betonen, Byzantinisten, Mediävisten, usw. eher den byzantinischen Einfluss betonen. Vergleichende Studien, welcher Einfluss nun größer war, sind da eher selten. Und wenn, dann beziehen sie sich oft nicht explizit auf die Naturwissenschaft, sondern sind allgemeiner gehalten.

du meinst, es steht nicht viel da? Vor allem, meinst du, es sei eine einzelne Meinung?
Vielleicht liest du nochmals diese zwei Bereiche?
Einmal aus dem Brockhaus:
http://www.geschichtsforum.de/f36/wir-den-arabern-verdanken-521/index9.html
Post 161-162
und noch intensiver:
http://www.geschichtsforum.de/235995-post135.html

Dieser dort zitierte vergleichende Aufsatz ist nicht nur eine einzelne Meinung, sondern er fußt u.a. auf zahlreiche Standardwerke, die in der Bibliographie aufgelistet werden, und auf die in den Fußnoten verwiesen werden, womit die Ausführungen nachvollziehbar gemacht werden.

Wenn du meinst, dass auch im Aufsatz nicht viel dasteht, dann kannste auch mal in die Bücher der dortigen Bibliographie schauen, auch teilweise über google books einsehbar, oder über Online-Artikel der dortigen Autoren, und ich denke, dann haste erstmal genug Infos für die nächsten Tage... ;)

Ansonsten lass uns in dem anderen Thread weiter diskutieren, dort kannste dann ja ggf. Historiker zitieren, die den in dem Artikel aufgeführten Historikern explizit widersprechen und evtl. andere Quellen und neuere Erkenntnisse aufführen.

Schönes Wochenende und LG lynxxx
 
Diese Internetseite hatte ich schon mal irgendwo hier verlinkt, passt aber sehr gut in diesen Thread, über den Aufstieg des Abendlandes:

Rethinking the Rise of the West

How does historical scholarship change over time, and why do the perspectives of historians shift? This unit recaps the economic and political events that led to the rise of the West, but examines and re-examines those events through differing opinions of its causes, reflecting changes in historical interpretation.
...
Bridging World History: Unit 18: Rethinking the Rise of the West
 
Ich denke,Europa konnte sich so eine
Vormachtsstellung aufbauen,nicht trotz,sondern weil es so ein kleiner Wurmfortsatz Asiens ist-kaum ein anderer Kulturkreis wurde wohl von so vielen Seiten und Überlieferungen älterer Zeiten beeinflusst wie der Mittel/Südeuropäische,zu diesem "Start Kapital" kam dann noch die Animation des in England entstandenen Kapitalismus/Bankwesen ,so wie ein religiös,kulturell bedingter Drang,die Welt zu erschließen und die eigen"höher stehende" Lebensweise zu verbreiten .
 
Kleiner Nachtrag: Es wurde vor vier Jahren argumentiert, daß die Chinesen die Eisenhängebrücke erfunden hätten. Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, ob das so stimmt, aber das ist ohnehin zweitrangig: Der entscheidende technische Fortschritt beim Bau von Hängebrücken liegt nämlich vielmehr in der Aufhängung der Fahrbahn durch vertikale Verbindungen. Diese echten Hängebrücke sind eine westliche Erfindung, zum ersten Mal in Fausto Veranzios Werk erkennbar, bei dem diese Taue allerdings noch schräg waren (s.u.).

Die asiatischen Hängebrücken hingegen, die chinesische Reisende übrigens im Himalaya antrafen lange bevor Tibet erstmalig chinesisch besetzt wurde, waren stets sogenannte simple suspension bridges. Genauso die in den Anden und sonstwo.

File:pons ferreus by Fausto Veranzio.gif - Wikipedia, the free encyclopedia
Simple suspension bridge - Wikipedia, the free encyclopedia
 
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