War das Fränkische Reich zum Scheitern verurteilt?

und daran, das diese weitervererben konnten, bis die Verwandtschaft nicht mehr "erbberechtigt" war.
Die Anfangsfrage msste ja eigentlich lauten: Wieso ist das fränkische Reich nicht gescheitert? Denn verglichen mit den bescheidenen Anfängen unter Merowech ist das heutige "Frankenreich" immer noch eine der mächtigsten Staaten der Welt. Es ist auf jeder deutschen Landkarte auch unter der Bezeichnung "Frankreich" eingezeichnet und bezeichnet sich auch selbst so . La France! Seine Bewohner - les Francais
 
Wobei hier vom germanisch-lateinischen Begriff francus zum französischen Begriff français (und auch wir differenzieren ja zwischen Franken und Franzosen) nicht nur eine semantische (bedeutungsverändernde) Verschiebung stattgefunden hat (vom Angehörigen eines Germanenvolkes zum Angehörigen eines Staatsvolkes). Eigentlich ist français nicht einmal die Weiterentwicklung von francus, sondern ein Derivat von France, welches natürlich von Francia abgeleitet ist.
 
Durch die Anwendung der germanischen Praxis der Erbteilung auf das gesamte Reichsgebiet war das Fränkische Reich in der Tat zum Tode verurteilt. In fast jeder Generation wurde der Kampf um die Macht aufs neue geführt und es war nur eine Frage der Zeit, bis es zu dauerhaften Reichsabspaltungen kam. Dabei wirkte sich auch die mangelhafte frühmittelalterliche Infrastruktur negativ aus, die eine wirkliche Beherrschung des Raums nicht zuließ.
 
Dem stimme ich so nicht zu. Trotz der beständigen Teilungen hielt das Fränkische Reich etwa 400 Jahre durch. Für ein Gebilde, das "zum Tode verurteilt" war, war es also erstaunlich langlebig. Die ständigen Teilungen waren nicht so schlimm, solange die Idee, dass es sich trotzdem um ein Reich handle, erhalten blieb. Der Todesstoß war meiner Meinung nach nicht der Vertrag von Verdun, sondern erst, dass 911 nach dem Aussterben der Karolinger im Osten nicht ein westfränkischer Karolinger zum neuen König gemacht wurde oder sich der Osten gar dem Westen anschloss, sondern man stattdessen Konrad zum König wählte. Damit fiel die dynastische Klammer der Merowinger bzw. Karolinger weg.
 
Eine Frage der Zeit, bis es zu dauerhaften Abspaltungen gab? Das wage ich zu bezweifeln. Dass wir das heute für eine Frage der Zeit halten könnten hängt auch damit zusammen, dass wir wissen, wie die fränkische Geschichte weitergegangen ist.
Aber im zehnten Jahrhundert bildete sich in allen fränkischen Teilreichen die Individualsukzession aus - der Zufall wollte es, dass dies zu einer Zeit geschah, als das fränkische Reich bereits geteilt war. Die Individualsukzession hätte sichzur selben Zeit genauso gut in einem geeinten fränkischen Reich ausbilden können.
Hinzu kommt, dass, wie gefühlte einhundertneunundfünfzig Personen vor dir bereits gesagt haben, das fränkische Reich nicht aufgrund der (im Vergleich zu heute) mangelhaft durchdrungenen Verwaltung geteilt wurde, sondern weil eben keine Individualsukzession vorhanden war. Unter Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen ist das Reich genauso gut oder schlecht regiert worden wie unter Karl dem Kahlen oder Ludwig dem Deutschen, die über kleinere Reiche herrschten.
 
...sondern weil eben keine Individualsukzession vorhanden war.

Sage ich doch. Die weiten und schlecht ausgebauten Kommunikationswege, die einzelne Reichsteile quasi zur Halbselbständigkeit zwangen, hat dabei ein Übriges getan. Das Fehlen einer Hauptstadt bedeutet auch langfristig eine entscheidende Schwächung einer zentralen Bürokratie. Ein Reich läßt sich zwar vom Pferderücken aus erobern, aber nicht verwalten und regieren, das hat schon Dschinghis Khan (Karakorum) registriert.

Daß das Fränkische Reich 400 Jahre lange gehalten hat, hat es auch dem Fehlen echter Konkurrenzmächte zu verdanken. Schon eine Generation nach Karl dem Großen zogen die Wikinger fast nach Belieben durch das Reich und konnten sogar die größte Stadt des Reichs, Paris, erobern.

Ganz sicher war durch die wiederkehrenden Reichsteilungen der Untergang des Gesamtstaats nur eine Frage des Datums, denn es mußte so kommen, daß irgendwann der Schwächere, auch wenn er nicht in der Lage gewesen war, die alleinige Reichsmacht zu erlangen, immerhin noch stark genug war, sich in seinem Bereich gegen die Zentralgewalt zu halten.
 
Daß das Fränkische Reich 400 Jahre lange gehalten hat, hat es auch dem Fehlen echter Konkurrenzmächte zu verdanken.
Araber und Awaren waren auch nicht die nettesten Nachbarn.

Ganz sicher war durch die wiederkehrenden Reichsteilungen der Untergang des Gesamtstaats nur eine Frage des Datums, denn es mußte so kommen, daß irgendwann der Schwächere, auch wenn er nicht in der Lage gewesen war, die alleinige Reichsmacht zu erlangen, immerhin noch stark genug war, sich in seinem Bereich gegen die Zentralgewalt zu halten.
Und wann kam es so?
 
Bereits Karl der Große, der unbestritten mächtigste Herrscher, mußte sich mit seinem Bruder Karlmann das Reich teilen. Es ist womöglich nicht verkehrt zu sagen, daß die ständigen Reichsteilungen die politische Normalität des Frankenreichs mehr widerspiegelten als die Momente der unbestrittenen Alleinherrschaft.
 
Das stimmt ja auch, aber obwohl das Fränkische Reich fast immer unter mehreren Königen geteilt war, hielt es etwa 400 Jahre lang durch.
 

Kleine Frage: HÄ?! Was sagst du doch?

Die weiten und schlecht ausgebauten Kommunikationswege, die einzelne Reichsteile quasi zur Halbselbständigkeit zwangen, hat dabei ein Übriges getan. Das Fehlen einer Hauptstadt bedeutet auch langfristig eine entscheidende Schwächung einer zentralen Bürokratie. Ein Reich läßt sich zwar vom Pferderücken aus erobern, aber nicht verwalten und regieren, das hat schon Dschinghis Khan (Karakorum) registriert.

1. Eine zentrale Bürokratie, die hätte geschwächt werden können, hat es nicht gegeben.
2. Das Fränkische Reich war ein Wanderkönigtum, d. h. der König und sein ganzer Hofstaat wanderten von Ort zu Ort. Außerdem handelte es sich bei den Franken auch noch um eine konsensuale Herrschaft, die sich auf den Konsens zwischen den Großen des Reiches begründete. Auf die Art ließ sich ein Reich in der Größe des Fränkischen sehr wohl regieren. Was Chlodwig I., Chlothar I., Karl Martell, Pippin der Jüngere, Karl der Große, Ludwig der Fromme und Karl der Dicke auch bewiesen haben. Wanderkönigtum und konsensuale Herrschaft blieben im ostfränkischen Reich darüber hinaus noch bis zum Ende des Hochmittelalters erhalten.
Oder anders ausgedrückt: Nur weil es keine Bürokratie und Verwaltung in unserem heutigen Sinne gegeben hat, heißt das nicht, dass das Reich absolut unregierbar gewesen wäre. Man hat eben andere Mittel gefunden, die auch über kurz oder lang trotz einiger Mängel funktioniert haben.
3. Dschingis Khan hat über ein deutlich größeres Reich regiert und war zudem Anführer eines Nomadenvolkes. Der Vergleich mit Karl dem Großen und den Franken hinkt in meinen Augen gewaltig.

Ganz sicher war durch die wiederkehrenden Reichsteilungen der Untergang des Gesamtstaats nur eine Frage des Datums.

Ich frage erneut: Wann war das Datum des Untergangs?

Durch die Anwendung der germanischen Praxis der Erbteilung...

Huch, dieser geistige Dünnschiss ist mir bislang ja komplett entgangen! Woher weißt du, welche Teilungspraxis die Germanen besaßen? Wenn du auf die Westgoten, Vandalen, Ostgoten, Langobarden und so ziemlich alle anderen "germanischen" Völker blickst, wirst du erkennen, dass Reichsteilungen ausschließlich bei den Franken vorgekommen sind. Was allerdings nichts mit der Größe des Reiches zu tun hatte. Die Westgoten beherrschten auch ein großes Gebiet, sicher größer als das eines Chlodwigs I., der dennoch sein Reich unter seinen vier Söhnen hat aufteilen lassen. Lange Rede, kurzer Sinn: Die Teilungspraxis hat nichts mit mangelhafter Verwaltung und nichts mit Germanen zu tun, sondern mit einer fränkischen Tradition, zurückzuführen auf das Nicht-Vorhandensein von Individualsukzession und Primogenitur.
 
Das stimmt ja auch, aber obwohl das Fränkische Reich fast immer unter mehreren Königen geteilt war, hielt es etwa 400 Jahre lang durch.

Ich verstehe es immer noch nicht. Das Frankenreich besteht bis heute und heißt auch noch so. Es ist größer und mächtiger als alle Reiche der Merowinger je waren. Nur unter Karl und seinem Sohn herrschte man über ein größeres Gebiet, danach spaltete sich der Osten (bei weiterhin fränkischer Tradition) ab. Der Wechsel von der fränkischen Dynastie der Karolinger zur fränkischen Dynastie der Capetinger war auch kein so großer Schnitt.
Also was soll hier 400 Jahre durchgehalten haben?
 
Zu Zeiten der Merowinger und auch der Karolinger war die Erbteilung im Fränkischen Reich gängige Praxis. Sowohl im privaten Rahmen, als auch auf Reichsebene. Bei den Vereinigungen der Teilreiche kam es so zu blutigen Kriegen.
Nachdem Ludwig der Fromme das Zeitliche gesegnet hat wurde das Fränkische Reich in 3 Teile geteilt. Zum ersten das Westfränkische Reich, zum 2. Lotharingen und zum 3. das Ostfränkische Reich. Im laufe der Zeit wurde Lotharingen zwischen dem Westlichen und dem Östlichen Frankenreich aufgerieben. Nach der Reichsteilung durch den Vertrag von Verdun gab es kein geeintes Fränkisches Reich mehr.

Apvar
 
Das Kernland der Franken war immer das Gebiet zwischen Aachen und Orleans. Und ist es bis heute.
Da kann man wirklich nicht von einem Scheitern 911 oder irgendwann später reden.

Und auch das Ostfränkische Reich bzw. sein heutiger Nachfolgestaat sieht sich heute noch in der Tradition des großen Karl, daran konnten alle Sachsenkaiser, Staufer,Habsburger oder Preußen nichts ändern.
 
@ Apvar: Aber auch die Teilung nach Ludwigs des Frommen Tod war nicht als staatsrechtliche Teilung gedacht, also nicht im Sinne, dass man drei voneinander verschiedene Staaten schaffen wollte. Unter Karl dem Dicken wurde die Reichseinheit (abgesehen von Niederburgund) auch noch einmal für ein paar Jahre wiederhergestellt. Erst nachdem die Karolinger im Osten die Macht verloren hatten, scheint die Idee der Reichseinheit allmählich abhanden gekommen zu sein.

@ Stilicho: Auch unter den Merowingern reichte das Fränkische Reich bis deutlich östlich des Rheins. Hingegen lag die Grenze Frankreichs bis im 17. Jhdt. deutlich westlich des Rheins. Nicht einmal unter Napoleon erreichte Frankreich flächenmäßig die Ausdehnung, die das Frankenreich vom späten 6. Jhdt. bis zum endgültigen Zerfall hatte.
 
Sicherlich war das Westfrankenreich auch während des 100-jährigen Krieges in seiner Existenz bedroht, schrumpfte auf ein Rumpfgebiet.
Dennoch existiert es noch heute, ohne dass je ein größerer Traditionswechsel stattgefunden hätte, geschweige denn eine dauerhafte Eroberung.
 
Dass Frankreich aus dem Fränkischen Reich hervorgegangen ist bestreite ich ja auch gar nicht. Aber es kann sich nicht als dessen einziger Nachfolger betrachten, sondern nur als dessen Westhälfte. Deutschland ist ebenso aus dem Frankenreich hervorgegangen. Das heutige Frankreich ist also nicht mit dem Frankenreich identisch.
 
Das ist doch irgendwie Haarspalterei. Ist das Russland nicht mehr das russische Reich, weil es die Ukraine gibt? Ist Deutschland nicht mehr Deutschland, weil es die Schweiz oder die Niederlande gibt?
 
Das ist nicht dasselbe. Deutschland ist aus dem Ostfränkischen Reich hervorgegangen, das ein ebenso gleichwertiger Teil des Fränkischen Reiches war wie das Westfränkische Reich. Die Ukraine hingegen war nichts weiter als ein von Russland unterworfenes Gebiet, das wieder selbstständig wurde.
 
Wie oben geschrieben, das fränkische Kernland lag an Rhein, Maas, Mosel und Seine, und blieb es auch. Die Ukraine z.B. ist das historische Kernland Russlands, die Kiewer Russ existierten vor dem Fürstentum Moskau.
 
Nun, ab wann wird aus dem "Frankenreich" der Lateinischen "Franca" "la France"?
Von da an wäre dann das "Frankenreich" untergegangen und ersetzt.
Genau wie "Teutschland" eben unterging und "Deutschland " entstand. Oder sind vielleicht beide gar nicht untergegangen?
 
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