War die 1871 Verfassung ein Vorbild?

Es betrifft die Frage, ob die Verfassung insofern ein Vorbild gewesen sei, als es einen einheitlichen deutschen Staat mit einheitlicher Verfassung gegeben habe.

Formal mag sie ein Vorbild gewesen sein, sowie ein Blatt Papier mit schönem Rand dies eben sein kann, ...substanziell kann die 1871 Verf. kein Vorbild sein, wenn doch ...so frage ich mich für wen :grübel:
 
Zwei Fragen vorab:
Kannst Du etwas eingrenzen, wozu du das benötigst?
Welche Kriterien/Maßstäbe sollen Deiner Meinung nach für die Bestimmung der Vorteile und Nachteile gelten?


Vielleicht kannst Du das Thema mit einem eigenen Standpunkt einleiten, dann fällt die Diskussion etwas leichter.
 
Ja gerne gebe ich meinen kleinen Einstieg in das Thema, nun Vor- und Nachteile meine ich ganz generell. Zum einen hat die Verfassung natürlich etwas Positives, weil vor dieser Deutschland zersplittert war und es durch die Verfassung zu einem ganzen gemacht wurde. Negativer Aspekt wäre zum Beispiel das fehlen der Grundgesetze. Hoffe ihr habt weitere Argumente.
 
Ja gerne gebe ich meinen kleinen Einstieg in das Thema, nun Vor- und Nachteile meine ich ganz generell. Zum einen hat die Verfassung natürlich etwas Positives, weil vor dieser Deutschland zersplittert war und es durch die Verfassung zu einem ganzen gemacht wurde. Negativer Aspekt wäre zum Beispiel das fehlen der Grundgesetze. Hoffe ihr habt weitere Argumente.

Hallo,

damit kann man anfangen.
Diese Verfassung gab es für das Deutsche Reich, allerdings wäre ein Deutsches Reich auch mit einer beliebigen anderen Verfassung denkbar.
Wenn es also um Vor- oder Nachteile geht, ist die Einigung zwar die Voraussetzung für die Verfassung, aber nicht zugleich unter Vor- und Nachteile einzuordnen.

Meinst Du bei der zweiten Bemerkung "Grundrechte", etwa im Vergleich zu 1919 und 1949?

Das wäre ein wichtiger Ansatz: Vor- und Nachteile könnte man aus den gemachten Erfahrungen ableiten, somit aus den Diskussionen zu Veränderungen 1871-1919-1945.


Hier findest Du erstmal einen Vergleich der Verfassungen. Die Unterschiede kann man dann als Vorteile-Nachteile diskutieren:
http://teachsam.de/geschichte/ges_deu_verfg/deu_verfg_3.htm


http://www.lsg.musin.de/LKGeschichte/die_verfassung_1871.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Bismarcksche_Reichsverfassung
 
Ja gerne gebe ich meinen kleinen Einstieg in das Thema, nun Vor- und Nachteile meine ich ganz generell. Zum einen hat die Verfassung natürlich etwas Positives, weil vor dieser Deutschland zersplittert war und es durch die Verfassung zu einem ganzen gemacht wurde. Negativer Aspekt wäre zum Beispiel das fehlen der Grundgesetze. Hoffe ihr habt weitere Argumente.
Du meinst mit Grundgesetze sicher Grundrechte (=Menschenrechte). Die wurden natürlich erst 1948 von der UNO für alle Staaten verbindlich formuliert.
Kampf um die Menschenrechte - Informationen zur politischen Bildung
 
Vielleicht sollte man eher sagen was positiv bzw. negativ an der neuen Verfassung war. Negativ auf jedenfall, dass es sich um einen erblichen kaiser handelt, sodass nur Preußen die Chancen darauf hatten. Auch das Wahlrecht war nicht gleich, da nur Männer über 25 Jahren wählen durften, Frauen waren ganz ausgeschlossen (Dreiklassenwahlrecht). Positiv zu erwähnen sei, dass es sich (nach Sybel) um eine langsame Parlamentisierung handelte, der die Bevölkerung, die oft nicht politisch gebildet waren, folgen konnte. Im Gesamtpacket handelte es sich ja um keine parlamentarische Regierung sondern um eine konstitutionelle Monarchie, sodass die politische Freiheit nicht gewährt war.
 
(Dreiklassenwahlrecht)

Das war etwas anderes, dieses gab es in Preußen. Gem. der Verfassung von 1871 galt das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht. Wenn du da was "vergleichst" lohnt sich auch ein Blick auf 1848.
Ansonsten hört sich dein Text nur nach "heute gut - damals schlecht" an. Solch vorgesetzte Bewertungen befremden mich immer ein wenig.
 
Im Gesamtpacket handelte es sich ja um keine parlamentarische Regierung sondern um eine konstitutionelle Monarchie, sodass die politische Freiheit nicht gewährt war.
(?)
Willst du damit behaupten, daß in konstitutionellen Monarchien die politischen Freiheiten grundsätzlich nicht gewährt sind?
Oder verstehe ich da was falsch?
:grübel:

Und - wenn du folgendes liest, würdest du dann sagen, das Kaiserreich wäre eine echte konstitutionelle Monarchie gewesen?
Der Reichskanzler war dem Reichstag gegenüber politisch nicht verantwortlich, da er vom Kaiser ernannt (bzw. entlassen) wurde und in Abstimmung mit ihm die Richtlinien der Politik bestimmte.
 
Das war etwas anderes, dieses gab es in Preußen. Gem. der Verfassung von 1871 galt das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht. Wenn du da was "vergleichst" lohnt sich auch ein Blick auf 1848.
Ansonsten hört sich dein Text nur nach "heute gut - damals schlecht" an. Solch vorgesetzte Bewertungen befremden mich immer ein wenig.
Das Wahlrecht des Kaisserreichs hatte einen ziemlichen Haken. Es sah keine Anpassung der Wahlkreise an die Zahl der Wähler vor. Vereinsamte Gebiete in Ostpreußen (Junker plus Hund) stellten mitunter genausoviele Abgeordnete wie überfüllte Regionen im Ruhrpott.
Du meinst mit Grundgesetze sicher Grundrechte (=Menschenrechte). Die wurden natürlich erst 1948 von der UNO für alle Staaten verbindlich formuliert.
Hier gruselt es mich, auch wenn ich Deine Beiträge sonst schätze, Barbarossa. Menschenrechtserklärungen gibt es seit 1789. 1848 beschloss auch das Paulskirchenparlament einen Grundrechtskatalog, 1919 die Weimarer Nationalversammlung.
(?)
Willst du damit behaupten, daß in konstitutionellen Monarchien die politischen Freiheiten grundsätzlich nicht gewährt sind?
Oder verstehe ich da was falsch?
:grübel:

Und - wenn du folgendes liest, würdest du dann sagen, das Kaiserreich wäre eine echte konstitutionelle Monarchie gewesen?
Rein formell betrachtet war das Deutsche Kaiserreich eine konstitutionelle Monarchie, weil es eine Verfassung hatte, die den Kaiser und die Staatsgewalt etwas an die Leine nahm. Innerhalb des Typus "konstitutionelle Monarchie" kann man aber auch noch weiter unterscheiden zwischen solchen konst. Monarchien, in denen sich der Monarchie bzw. der Adel die Verfassung selbst gegeben hat, und solchen Monarchien, in denen das Volk oder die Volksvertreter die Verfassung bestimmt haben bzw. die Volksvertretung, das Parlament, die entscheidende Rolle im Verfassungsleben spielt. Die politischen Freiheiten (Redefreiheit, Presserechte, Wahlrechte, etc.) waren in solchen Staaten, in denen sich das Volk die Verfassung gegeben hat bzw. das Parlament die entscheidende Rolle spielte, regelmäßig stärker ausgeprägt und garantiert als in jenen konstitutionellen Monarchien, in denen sich der Monarch bzw. der Adel die Verfassung gegeben hat.

Stichwörter, die das Deutsche Reich betreffen: Sozialistenverfolgung, Kulturkampf etc.
 
Hier gruselt es mich, auch wenn ich Deine Beiträge sonst schätze, Barbarossa. Menschenrechtserklärungen gibt es seit 1789. 1848 beschloss auch das Paulskirchenparlament einen Grundrechtskatalog, 1919 die Weimarer Nationalversammlung.
Na klar, die Idee der Menschenrechte gab es schon länger. Die erste Formulierung von Menschenrechten fand in England statt und zwar in der "Magna Charta Libertatum" von 1215 (im Satz: "Kein freier Mann soll verhaftet oder eingekerkert oder um seinen Besitz gebracht oder geächtet oder verbannt oder sonst in irgendeiner Weise ruiniert werden [...], es sei denn auf Grund eines gesetzlichen Urteils.") und 1679 in der "Habeas Corpus Akte" (im Halbsatz: "du sollst den Körper haben", was sinngemäß das Recht auf Freiheit der Person bedeutete). Dann in den USA, wo mit der Unabhängigkeitserklärung in der "Virginia Bill of Rights" Menschenrechte formuliert wurden, obwohl auch hier weiterhin Sklaven gehalten werden durften. Und auch die Beispiele, die du nanntest, jedoch waren das freiwillige Erklärungen einzelner Staaten, die international nicht verbindlich waren und die von diesen auch jederzeit auch wieder zurück genommen werden konnten.
Kampf um die Menschenrechte - Informationen zur politischen Bildung
Darum habe ich ja geschrieben: "international verbindlich formuliert". So hatte ich das gemeint - eben Global und verbindlich.
Rein formell betrachtet war das Deutsche Kaiserreich eine konstitutionelle Monarchie, weil es eine Verfassung hatte, die den Kaiser und die Staatsgewalt etwas an die Leine nahm. Innerhalb des Typus "konstitutionelle Monarchie" kann man aber auch noch weiter unterscheiden zwischen solchen konst. Monarchien, in denen sich der Monarchie bzw. der Adel die Verfassung selbst gegeben hat, und solchen Monarchien, in denen das Volk oder die Volksvertreter die Verfassung bestimmt haben...
Also nach der Definition von Definition: Monarchie - Meyers Lexikon online sieht die Sache so aus:
...der absoluten Monarchie (gegründet auf das Prinzip der monarchischen Souveränität; Absolutismus) steht die konstitutionelle Monarchie (Beteiligung der Volksvertretung an Gesetzgebung und Festsetzung des Budgets; Konstitutionalismus) gegenüber...
Ein Parlament gab es zwar, aber ich glaube, die entscheidende Frage ist, wieviel Befugnisse es im Kaiserreich wirklich hatte. Ich würde deshalb sagen, das Kaiserreich war eher so etwas, wie eine "Halb-Absolutistische Monarchie".
Dazu noch ein Zitat:
...So war denn auch der Reichstag ein eigentümlicher Wechselbalg. Zwar konstituierte er sich auf demokratische Weise in allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahl (wählen durften allerdings nur Männer ab 25 Jahre; Frauen erhielten das Wahlrecht erst nach der Revolution vom November 1918). Auch wirkte er an der Gesetzgebung und der Verabschiedung des Budgets mit. Doch das entscheidende Recht eines demokratisch legitimierten Parlaments besaß der Reichstag nicht: Er konnte die Reichsleitung weder kontrollieren noch gar Einfluß auf die Regierungspolitik nehmen. Denn der Reichskanzler war nicht dem Parlament verantwortlich, sondern allein vom Vertrauen des Monarchen abhängig, der ihn ernannte und entließ.
Ein Parlament ohne Macht: So hatte es Bismarck gewollt...
Kronen, Löwen, Wappen, Helme [Quelle: DIE ZEIT] - Meyers Lexikon online
 
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