War Merseburg einst römische Exklave ?

Ich denke, wir werden uns darauf einigen können, dass es auch nach Cassiodor, der sich um 560 in Konstantinopel aufhielt, in der Zeit bis um 1100 in Italien eine wiederholte Rezeption der Werke des Ptolemaios gegeben hat und diese also dort vor Ort verfügbar gewesen sein müssen, wie selbst der höchst kritische Erich Caspar in seinem Beitrag zur Geschichte des italienischen Geisteslebens für die Zeit des Desiderius nahelegt. Von daher halte ich das in # 408 eingeführte HSS-Stemma zur Geographie des Ptolemaios für einseitig und unvollständig, denn es berücksichtigt nicht das bzw. aus welcher Handschrift des Ptolemaios damals in Italien geschöpft wurde, obwohl eine solche verschiedentlich vermutet wird.

...und weder Goten noch Langobarden sowie Cassiodor haben uns irgendwelche Infos über "das römische Merseburg" überliefert...
Schaust am besten gleich bei Ptolemaios rein Claudii Ptolemaei Geographia : Karl Friedrich August Nobbe, Ptolemy , Claudius Ptolemaeus : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive § 27 - 28, oder greifst den in # 413 von mir gemachten Vorschlag auf ;)

Luphutdiu = Merseburg

bei Nobbe, Ptolemaei Geographia, S. 121, Zeile 22 als "Lupphourdon" verzeichnet, im Anonymus mit "Lupfurdum" wiedergegeben. Ebenfalls diskussionswürdig dürfte auch das ebenda in Zeile 19 genannte "Mesoyion" sein, denn offenbar wird es für die gleiche Region ausgewiesen.
 

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Jede zuverlässige Belegstelle zählt :D Soweit ich weiß fehlt bei Lacus Curtius https://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Gazetteer/Periods/Roman/_Texts/Ptolemy/home.html in Book 2, chapter 10 ein Teil vom oben genannten Verzeichnis der germanischen Städte und die neuen Ausgaben dazu sind bislang ohne open access geblieben und stehen daher nicht als Volltext zur Verfügung. Die bei Curtius eingestellte Ausgabe wurde übrigens von Karl Müller ediert, einem Zeitgenossen des Karl August Nobbe, und die meisten der heutigen Autoren schreiben diesen in der Regel einfach aus. :cool:
 
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Wenn ich die bei Ptolemaios in § 27-28 verzeichneten germanischen Städte und Orte in Umschrift zu bringen suche, fallen mir Abweichungen zwischen den einzelnen Autoren auf. Offenbar werden einige Namen im Zuge der Transkription ein Stück weit vereinfacht, um sie besser artikulieren zu können. Bei den Ägyptologen wird die Lesart solcher Eigennamen im Rahmen eigener Tagesordnungspunkte auf internationalen Konferenzen per Konvention vereinbart. Hat jemand einen geeigneten Vorschlag hinsichtlich der Transskription der bei Ptolemaios in § 27-28 in griechischer Schrift genannten Städte und Orte ?
 
Mein Vorschlag wäre die bei Ptolemaios § 28 in der Edition von Nobbe, S. 121, 19-22 aufgeführten Namen der germanischen Städte und Burgen mit den bei William P. Thayer © ausgeführten Angaben der Edition Karl Müller zunächst in Abgleich und dann wie folgt in Umschrift zu bringen :

* Mersovion = Merseburg ? 35 * 30 | 53 * 50

* Argelia = Hachelbich od. Sangershausen 36 * 30 | 52 * 20

* Galaigía = Gardelegen 37 * 30 | 52 * 20

* Luphurdon = Merseburg ? 38 * 10 | 51 * 40

wobei vermutlich 32,5 römische Meilen = 1 Längengrad des Ptolemaios entsprechen
 

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Mein Vorschlag wäre die bei Ptolemaios § 28 in der Edition von Nobbe, S. 121, 19-22 aufgeführten Namen der germanischen Städte und Burgen mit den bei William P. Thayer © ausgeführten Angaben der Edition Karl Müller zunächst in Abgleich und dann wie folgt in Umschrift zu bringen :

* Mersovion = Merseburg ? 35 * 30 | 53 * 50

* Argelia = Hachelbich od. Sangershausen 36 * 30 | 52 * 20

* Galaigía = Gardelegen 37 * 30 | 52 * 20

* Luphurdon = Merseburg ? 38 * 10 | 51 * 40

wobei vermutlich 32,5 römische Meilen = 1 Längengrad des Ptolemaios entsprechen
@Fleming

Hilf mir bitte mal auf die Sprünge.
Hachelbich ist uns bekannt als römisches Marschlager. Die sonstigen Funde datieren in einer Zeit, wo sich wohl kein Schwein am Mittelmeer für die Region interessiert hat.

WIKI schrieb:
Das fruchtbare Wipper-Gebiet ist seit jeher eine siedlungsgünstige Gegend. Bei archäologischen Ausgrabungen konnten Fundstücke aus diversen Epochen nachgewiesen werden. So zum Beispiel Tonscherben aus der Zeit der Schnurkeramiker (2800 bis 2200 v. Chr.) oder 8 Brennöfen sowie ein rot-schwarz bemaltes Gefäß aus der frühen Eisenzeit (800 bis 600 v. Chr.). Im Jahr 2010 wurden bei Ausgrabungen nördlich des Ortes Reste eines römischen Marschlagers aus dem 1. bis 3. Jahrhundert entdeckt. Die Funde wurden im Jahr 2014 publik.[unqoute]

Hachelbich – Wikipedia
Sieht nicht nach einem Ort aus, der Ptolemaios im fernen Alexandria aufgefallen sein könnte.
 
Ich bin überrascht, dass die Autoren und Liker der Beiträge # 427 - 429 die Angaben, welche Claudius Ptolemaeus in seiner Geographie zu den Städten, Handelsplätzen und Burgen in den Einzugsgebieten von Elbe und Saale gemacht hat, derart ins lächerliche ziehen bzw. diskreditieren, denn die wissenschaftliche Diskussion dazu ist in den letzten 25 Jahren zwar inhaltlich kontrovers, aber dennoch eine gänzlich andere als hier, wie beispielsweise der folgende Auszug aus einem Beitrag von Matthias Torke zeigt :

"Entlang einer Hauptverkehrsader wie der Elbe muß in jedem Fall mit [römischen und provinziellen Kaufleuten] gerechnet werden. ... Als Handelsweg wie als Schiffahrtsweg spielte die Elbe zweifellos eine unübersehbare Rolle in den strategischen Konzeptionen Roms. Es gab in Germanien bis zur Küste Faktoreien (commercia), Handelsniederlassungen im Ausland, was auf bestehenden organisierten Handel hindeutet. Klaudios Ptolemaios aus Alexandrien nennt Mitte des 2. Jh. deren Namen, auch entlang der Elbe. Diese detaillierten Angaben des Ptolemaios, basierend wohl auf Kaufmanns-Itineraren, geben zugleich ein Zeugnis für die Aktivität von römischen Kaufleuten im Inneren Germaniens, über die man sonst, gerade auch was die Elbe betrifft, keinerlei direkte Überlieferung besitzt."

Aus : Matthias Torke : Ein Halbgott aus Postelwitz, Pirna 2009, S. 42 Ein Halbgott aus Postelwitz - Spuren der klassischen Antike in der Sächsischen Schweiz - Torke 2009

Da die Angaben des Ptolemaios auch andernorts in Hinblick auf die von ihm genannten Städte, Handelsplätze und Burgen als wichtige Zeugnisse von hoher Qualität in die entsprechenden Diskussionen eingeführt werden, halte ich die in den Beiträgen # 427 - 429 gemachten Aussagen ihrem Inhalt nach für falsch und unangemessen und distanziere mich von diesen.
 
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Ich bin überrascht, dass die Autoren und Liker der Beiträge # 427 - 429 die Angaben, welche Claudius Ptolemaios in seiner Geographie zu den Städten, Handelsplätzen und Burgen in den Einzugsgebieten von Elbe und Saale gemacht hat, derart ins lächerliche ziehen bzw. diskreditieren,
Dieser Vorwurf ist unzutreffend, denn über diese Frage haben wir gar nicht diskutiert.

Wenn du mich fragen würdest, ob ich etwa Luphurdum oder Tulisurgum für germanische Ortsnamen hielte, würde ich dir sagen, dass vermutlich ja.
Das ändert aber nichts daran, dass die Karte von Ptolemaios und seine Angaben unbrauchbar sind, um irgendeinen Ort, der keine sauber herleitbare Ortsnamenkontinuität oder einen epigraphischen Nachweis erbringt, zu lokalisieren. (Beispielsweise liegt das linksrheinische Novaesium (= Neuss) bei Ptolemaios viel zu weit östlich.)

Noch mal: Die Angaben von Ptolemaios sind total verzerrt. Z.B. haben die Berliner Geodäten um Marx, Kleineberg, Knobloch, Lelgemann - hätten sie einen Historiker oder Hispanisten gefragt, wäre Ihnen das nicht passiert - Akra Leuke 150 km entfernt von seinem tatsächlichen Standort lokalisiert. Dabei ist die Stadtgeschichte gut belegt Akra Leuke > Leucante > al-Akant > Alacant/Alicante.


denn die wissenschaftliche Diskussion dazu ist in den letzten 25 Jahren zwar inhaltlich kontrovers, aber dennoch eine gänzlich andere als hier, wie beispielsweise der folgende Auszug aus einem Beitrag von Matthias Torke zeigt :

"Entlang einer Hauptverkehrsader wie der Elbe muß in jedem Fall mit [römischen und provinziellen Kaufleuten] gerechnet werden. ... Als Handelsweg wie als Schiffahrtsweg spielte die Elbe zweifellos eine unübersehbare Rolle in den strategischen Konzeptionen Roms. Es gab in Germanien bis zur Küste Faktoreien (commercia), Handelsniederlassungen im Ausland, was auf bestehenden organisierten Handel hindeutet. Klaudios Ptolemaios aus Alexandrien nennt Mitte des 2. Jh. deren Namen, auch entlang der Elbe. Diese detaillierten Angaben des Ptolemaios, basierend wohl auf Kaufmanns-Itineraren, geben zugleich ein Zeugnis für die Aktivität von römischen Kaufleuten im Inneren Germaniens, über die man sonst, gerade auch was die Elbe betrifft, keinerlei direkte Überlieferung besitzt."

Aus : Matthias Torke : Ein Halbgott aus Postelwitz, Pirna 2009, S. 42
Das meiste, was Torke da schreibt - ich habe es grün markiert, ist Stand der Wissenschaft und würde wohl auch von den meisten hier sofort unterschrieben. Dass die Angaben detailliert seien, ist allerdings positivistischer* Unsinn, denn wir erfahren nichts über die Orte und ihre Lage, wenn man von den verzerrten, unbrauchbaren Gradangaben mal absieht. Von der Suggestion dieser scheinbaren Genauigkeit detaillierter Koordinaten - die eben, wo sie überprüfbar sind, der Überprüfung nicht standhalten - darf man sich eben nicht blenden und in die Irre leiten lassen. Es steht bei Ptolemaios auch nirgends, dass ein Ort an der Elbe liegt, wir sind hier nicht bei Abraham ben Yacov/Ibrahīm ibn Ya‘aqub aṭ-Ṭurtūšī.


*So viel zu deinem Autoritätsargument.
 
Beispielsweise liegt das linksrheinische Novaesium (= Neuss) bei Ptolemaios viel zu weit östlich.

Genau dies stellt auch für mich ein wesentliches Problem dar, denn Reinhard Spehr (2000) sucht das bei Ptolemaios genannte Mersovion mit dem an der Hohen Straße (Via Regia) gelegenen Merschwitz an der Elbe zu verorten, während ich Mersovion mit Merseburg an der Saale identifizieren möchte. Auch Edward Luther Stevenson (1932) scheint bereits diese Auffassung vertreten zu haben, denn er gab das bei Ptolemaios verzeichnete "Mesovion" mit Mersovion wieder. Ebendort hat Nicolaus Germanus - bei aller Ungenauigkeit - jedoch Luphutdiu (Luphurdon) verzeichnet.
 

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Genau dies stellt auch für mich ein wesentliches Problem dar, denn Reinhard Spehr (2000) sucht das bei Ptolemaios genannte Mersovion mit dem an der Hohen Straße (Via Regia) gelegenen Merschwitz an der Elbe zu verorten, während ich Mersovion mit Merseburg an der Saale identifizieren möchte.
Beides beruht auf der Suggestion „klingklanglicher Assoziationen“, wie es Meier-Brügger nennt.
 
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