War Merseburg einst römische Exklave ?

Lediglich versuche ich Thietmars historische These mit archäologischen Funden und Befunden zu belegen, oder wie im Fall des Schlossberg zu widerlegen. Es ist ja nicht so das es im Merseburger Land Fundplätze zu Hauf gibt, wo römische und spätkarolingische Funde gemeinsam angetroffen werden.

Antiquum opus Romanorum muro rex predictus in Mersburg decoravit lapideo, et infra eandem aecclesiam, quae nunc mater est aliarum, de lapidibus construi.

Wenn es um Thietmar geht, ist steinernes Mauerwerk aus ottonischer Zeit gesucht. Und innerhalb des Mauerwerks eine Kirche, und zwar diejenige Kirche, die zu Thietmars Zeit den Rang einer Mutterkirche der anderen Kirchen der Umgebung galt.

Welche Kirche außer dem Merseburger Dom (bzw. seinem Vorgängerbau) sollte da gemeint sein?

Und wo haben wir steinernes Mauerwerk aus ottonischer Zeit?

"Die aktuelle Forschungsgrabung des LDA Sachsen-Anhalt, die seit dem 16. Oktober 2023 unter der Leitung von Dr. Holger Grönwald durchgeführt wird, erbrachte trotz ihrer geringen Ausdehnung herausragende Ergebnisse, die für die weitere Auswertung der Bauten auf dem Domplatz von erheblicher Bedeutung sind.
So wurden erstmals tatsächliche bauliche Überreste in Form zweier Mauerzüge – die Außenmauer eines halbkreisförmigen Raumes (Apsis) sowie ein an dessen Nordende ansetzender, nach Westen verlaufender Mauersockel – angetroffen, die dem Bauwerk der ottonischen Zeit zugewiesen werden können."
 
Ein typischer Beurteilungsfehler liegt meines Erachtens in der kartographischen Bestimmung der Lage des Melíbokos Gebirges vor. Der Geograph Ptolemaios hatte den Harz als Melibokos (steil aufragend) bezeichnet. Im 16. Jahrhundert wurde der Melibokus dann jedoch in den Odenwald verlegt und bezeichnete seither über lange Zeit hinweg dann den dortigen Berg Malchen, obwohl dieser in den mittelalterlichen Quellen durchweg als mons malscus bezeichnet wurde.

Solche Fehlidentifikationen gibt es haufenweise, es handelt sich um eine typische Pseudo-Etymologie (Stichwort "Klingklang-Assoziationen"): Man sucht nach irgendwas, was annähernd ähnlich klingt, fertig ist die "Herleitung". So hat Georg Spalatin (1484-1545) den Teutoburger Wald bei Duisburg "gefunden", so hat Beatus Rhenanus (1485-1547) das ptolemäische Budoris mit Durlach "identifiziert". Dass den Humanisten die methodischen Werkzeuge wissenschaftlicher Ortsnamenkunde nicht zur Verfügung standen, wird ihnen heute niemand vorwerfen wollen. Gleichwohl erübrigt es sich, über Gleichsetzungen wie Melibokon ~ Malchen, Teutoburg ~ Duisburg, Budoris ~ Durlach oder Galaia ~ Gardelegen ernsthaft zu diskutieren.

Auf derselben Klingklang-Willkürmethode basieren die vor vielen Jahrhunderten ersonnenen Pseudo-Etymologien für deutsche Städte nach lateinischen oder sonstigen antiken Götter- bzw. Planetennamen, siehe z. B. Conrad Bote, Cronecken der Sassen (1492) (Digitale Bibliothek - Münchener Digitalisierungszentrum ):

Da wird Salzwedel von Sol (Sonne), Lüneburg von Luna (Mond), Marsberg/Westfalen von Mars, Magdeburg ("Parthenopolis") von der "Parthenon" Venus, Saterburg (Harzburg) von Saturn abgeleitet. (Selbstverständlich wurden alle diese Städte von Julius Caesar persönlich gegründet.)
Andere Autoren verbinden ebenso unbekümmert "Jupiter = Amun" mit Hamburg (vgl. Hammonia – Wikipedia ) oder eben Mars mit Merseburg.


Der Geograph Ptolemaios hatte den Harz als Melibokos (steil aufragend) bezeichnet.

Die Etymologie 'steil aufragend' ordnest Du hier falsch ein, sie bezieht sich auf den Berg Mal(s)chen, für den tatsächlich eine Ableitung von malsk 'steil aufragend' erwogen wird (vgl. auch Malsch, Mahlberg: Malsch - Altgemeinde~Teilort - Detailseite - LEO-BW ).
 
Die Etymologie 'steil aufragend' ordnest Du hier falsch ein, sie bezieht sich auf den Berg Mal(s)chen, für den tatsächlich eine Ableitung von malsk 'steil aufragend' erwogen wird (vgl. auch Malsch, Mahlberg: Malsch - Altgemeinde~Teilort - Detailseite - LEO-BW ).
Soweit ich weiß, bezog sich Ptolemaios in der Tat möglicherweise auf den Brocken und nicht auf den Harz als ganzen, nur - und dies bitte ich dich einzusehen - den Berg Malchen im Odenwald suchte er mit Sicherheit nicht als "steil aufragend" zu bezeichnen. ;) Manchmal lohnt sich eben doch ein Blick in die Karte.
 
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Soweit ich weiß, bezog sich Ptolemaios in der Tat möglicherweise auf den Brocken und nicht auf den Harz als ganzen, nur - und dies bitte ich dich einzusehen - den Berg Malchen im Odenwald suchte er mit Sicherheit nicht als "steil aufragend" zu bezeichnen. ;) Manchmal lohnt sich eben doch ein Blick in die Karte.
Du hast Sepiola nicht verstanden, der hat dich darauf hingewiesen,
- dass Ptolemaios den Melibokus NICHT etymologisch erläutert.
- dass der heute Melibokus genannte Berg Malschen vom Melibokus herrühre, ist eine Pseudo-Re-Etymologisierung (da besteht also überhaupt kein Dissenz)
- dass der Name des Berges Malschen, der fälschlich mit Melibokus reetymologisiert wurde, etwas mit steil aufragend zu tun hat, nicht der „echte“ Melibokus (ergo der Harz), womit gar keine Aussage über dessen Etymologie getroffen ist.
 
Manchmal lohnt sich eben doch ein Blick in die Karte.
...manchmal auch nicht, z.B. wenn man in einem seriösen Kartenwerk die legendäre römische Exklave Merseburg finden will. Und ob good old Ptolemaios den Harz oder Brocken, den Schwarzwald oder das Elbsandsteingebirge selber erwandert und vermessen oder nie betreten hat: das alles sagt exakt null und nichts zu einem römischen Merseburg.
 
Zitat Opteryx: "Es bleiben bis auf Weiteres nur archäologische Funde und Befunde. Ca. 5km entfernt liegt leuna. Ein spätrömischer germanischer Bestattungsplatz. Der Status der dort mit reichen römischen Beigaben Bestatteten ist nicht eindeutig geklärt."

Der Status ist mittlerweile geklärt. Es waren juthungische Adlige, welche im Dienste Roms standen. Krieger 2 z.B. befehligte auf Grund seiner Rangabzeichen (vergoldete römische Militärfibel, goldener Fingerring etc.) eine Einheit von 480 Infanteristen (Kohorte) oder Kavalleristen (Ala quingenaria) zu Zeiten Kaiser Diocletians (14C-Datum 284-324 n. Chr.). Er durchlief in der Heeresreform eine steile Karriere für einen "Nichtrömer" (R. Schwarz/A. Muhl in Schönheit, Macht und Tod ll; Halle 2022).
 
Desweiteren fand man in der RKZ Siedlung bei Eutzsch Probierscherben (Kupellen) für die Edelmetallgewinnung. Der Prozess der Kupellation wurde bereits im Mittelmeerraum der Antike beherrscht. Archäologisches Vergleichsmaterial gibt es im römischen Xanten. Die Scherben weisen nicht nur auf eine hoch entwickelte Edelmetallurgie im freien Germanien hin, sondern auch auf einen Technologietransfer aus dem Römischen Imperium (C-H. Wunderlich/Th. Laurat; Halle 2022).
 
@Hermundure die juthungischen "Offiziers"Bestattungen sowie die Kupellen - sind das Indizien für eine römische Exklave Merseburg?
Die beiden (oder mehrere?) "Offiziere" können Hilfstruppen befehligt haben, sie können längst außer Dienst (Heimatrückkehrer) gewesen sein, wir befinden uns zu Beginn der Spätantike (Diokletian), als in Sachen Militärtechnologie die "Barbaren" schon viel dazu gelernt hatten.
 
Der Status ist mittlerweile geklärt. Es waren juthungische Adlige, welche im Dienste Roms standen. Krieger 2 z.B. befehligte auf Grund seiner Rangabzeichen (vergoldete römische Militärfibel, goldener Fingerring etc.) eine Einheit von 480 Infanteristen (Kohorte) oder Kavalleristen (Ala quingenaria) zu Zeiten Kaiser Diocletians (14C-Datum 284-324 n. Chr.). Er durchlief in der Heeresreform eine steile Karriere für einen "Nichtrömer" (R. Schwarz/A. Muhl in Schönheit, Macht und Tod ll; Halle 2022).
Lässt sich anhand der Grabbeigaben sicher belegen, dass diese nicht vielleicht auch aus beuteträchtigen Unternehmungen stammen könnten?
Juthungen präsentieren sich uns ja nicht gerade unbekannt in puncto Raubzügen.
 
Ich möchte keineswegs kategorisch abstreiten, dass es sich bei einigen der Bestatteten in den Gräbern von Leuna um (einst) in römischen Diensten stehende gehandelt haben könnte. Meines Erachtens lassen sich jedoch auch andere Optionen in Betracht ziehen, die Juthungen in den Besitz von Silbernem, Vergoldetem und Goldenem gebracht haben, bspw.:
Beim Überschreiten der Reichsgrenze ins Raetische werden römische Grenztruppen aufgemischt. In der Provinz wird geplündert, es werden Lösegeld versprechende italisch-stämmige Gefangene genommen. Zwischendurch gibt's ein Gefecht hier und eines da. Schließlich der Sieg römischer Verbände und der Rückzug ins Juthungische. Im Zuge all dessen fallen römische Offiziere oder werden gefangen genommen. Attraktive Beute (Fibel, Fingerring, Sporen, Pfeilspitzen) lässt sich danach alltagspraktisch zur Zierde getragen, kann zudem auch vom Sieg über einen Feind künden.

Bezüglich der C14-Datierung von 284-324 n. Chr. für die Gräber eröffnet der Augsburger Siegesaltar eine solche Option für das Jahr 260 n. Chr. Ein Manuskript der Capitularbibliothek Verona tut dies für das Jahr 297. Ob es im fraglichen Zeitraum weitere juthungische Unternehmungen gegeben hat? Soweit ich die Quellenlage überblicke, gibt diese das nicht her. Ebenso wenig Details zu Friedensverträgen zwischen Römern und Juthungen. Zu einer Einbindung Letzterer in römische Dienste im Zuge der Heeresreform Diokletians konnte ich nichts finden.

Möglich ist's natürlich, dass da jemand Karriere machte und in Leuna beerdigt wurde. Letztlich erachte ich jedoch eine Interpretation der Grabbeigaben ohne Spekulation für unmöglich.
 
Zitat Opteryx: "Es bleiben bis auf Weiteres nur archäologische Funde und Befunde. Ca. 5km entfernt liegt leuna. Ein spätrömischer germanischer Bestattungsplatz. Der Status der dort mit reichen römischen Beigaben Bestatteten ist nicht eindeutig geklärt."

Der Status ist mittlerweile geklärt. Es waren juthungische Adlige, welche im Dienste Roms standen. Krieger 2 z.B. befehligte auf Grund seiner Rangabzeichen (vergoldete römische Militärfibel, goldener Fingerring etc.) eine Einheit von 480 Infanteristen (Kohorte) oder Kavalleristen (Ala quingenaria) zu Zeiten Kaiser Diocletians (14C-Datum 284-324 n. Chr.). Er durchlief in der Heeresreform eine steile Karriere für einen "Nichtrömer" (R. Schwarz/A. Muhl in Schönheit, Macht und Tod ll; Halle 2022).


Das verstehe ich jetzt nicht so richtig: gibt es auch außer Militärfibel, goldener Ring andere Indizien, dass es sich dabei um einen Germanen in römischen Diensten gehandelt hat?

Das wäre zwar eine plausible Deutung. Möglich wäre aber auch, dass diese Gegenstände durch Plünderungszüge im römischen Gebiet oder als Beute bei der Niederlage einer römischen Einheit in Germanien oder auch nur durch Plünderung eines gefallenen Römers in Germanien an den Fundort gelangt wären.

Was ist 14C-Datum? Ist damit C14-Datierung gemeint?
 
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Im Deutschen Sprachraum ist "C14" üblich, aber anderswo wird die Isotopenzahl vorangestellt (und hochgestellt, aber das lässt die Forensoftware wohl nicht zu).
 
Zitat Opteryx: "Es bleiben bis auf Weiteres nur archäologische Funde und Befunde. Ca. 5km entfernt liegt leuna. Ein spätrömischer germanischer Bestattungsplatz. Der Status der dort mit reichen römischen Beigaben Bestatteten ist nicht eindeutig geklärt."

Der Status ist mittlerweile geklärt. Es waren juthungische Adlige, welche im Dienste Roms standen. Krieger 2 z.B. befehligte auf Grund seiner Rangabzeichen (vergoldete römische Militärfibel, goldener Fingerring etc.) eine Einheit von 480 Infanteristen (Kohorte) oder Kavalleristen (Ala quingenaria) zu Zeiten Kaiser Diocletians (14C-Datum 284-324 n. Chr.). Er durchlief in der Heeresreform eine steile Karriere für einen "Nichtrömer" (R. Schwarz/A. Muhl in Schönheit, Macht und Tod ll; Halle 2022).
Nördlich von Merseburg fanden in den Buna-Werken zu DDR- Zeiten ebenfalls Grabungen statt. Unter der Schlagzeile "beinahe jede Woche ein fast 2000 Jahre alter römischer Bronzekessel", ordnete man damals die Urnenbestattungen den Hermunduren zu. Gibt es dazu neue Erkenntnisse?
 
Nördlich von Merseburg fanden in den Buna-Werken zu DDR- Zeiten ebenfalls Grabungen statt. Unter der Schlagzeile "beinahe jede Woche ein fast 2000 Jahre alter römischer Bronzekessel", ordnete man damals die Urnenbestattungen den Hermunduren zu. Gibt es dazu neue Erkenntnisse?
Ich kenne den Artikel, welcher aus der "Freiheit" damals stammte. Ja, gibt es. Es handelt sich rein um Gefolgschaftsgräber (Krieger), welche separat beigesetzt wurden. Zwar wurde der Hügel im Volksmund immer Suebenhoek/Suevenhoek genannt, jedoch in alten Kartenmaterial steht dort die Flurbezeichnung "Fürstenhügel". Nicht zu Unrecht wegen der wertvollen Beigaben nebst den Waffenbeigaben. Die ersten Urnen wurde bereits im 19. Jh. ausgeackert. Das Gräberfeld von Schkopau unterscheidet sich auch in der Ausstattung dem von Großromstedt. Letzteres weist enge Parallelen mit dem Gräberfeld in Dobrichov in Böhmen auf.
 
Es handelt sich rein um Gefolgschaftsgräber (Krieger), welche separat beigesetzt wurden.
Der Begriff Gefolgschaftsgrab ist mir neu, ich kannte nur sowas wie Nebengrab.

Das Gräberfeld von Schkopau unterscheidet sich auch in der Ausstattung dem von Großromstedt. Letzteres weist enge Parallelen mit dem Gräberfeld in Dobrichov in Böhmen auf.
Und weißt da irgendwas auf eine römische Exklave in/bei Merseburg hin?
 
Das verstehe ich jetzt nicht so richtig: gibt es auch außer Militärfibel, goldener Ring andere Indizien, dass es sich dabei um einen Germanen in römischen Diensten gehandelt hat?

Das wäre zwar eine plausible Deutung. Möglich wäre aber auch, dass diese Gegenstände durch Plünderungszüge im römischen Gebiet oder als Beute bei der Niederlage einer römischen Einheit in Germanien oder auch nur durch Plünderung eines gefallenen Römers in Germanien an den Fundort gelangt wären.

Was ist 14C-Datum? Ist damit C14-Datierung gemeint?
Hallo Carolus,

schau Dir mal den Beitrag 493 von Sepiola an. Sepiola hat einen Link zum Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale) gesetzt. Die schreiben auf ihrer Homepage

Die Beigaben lassen teils die Rekonstruktion von Biografien zu. Grab 2/1917 von Leuna (Saalekreis), das um 280 nach Christus datiert, enthielt die Körperbestattung eines germanischen Söldners. Eine silberne Zwiebelknopffibel kennzeichnet ihn als Offizier unteren Ranges, silberne Sporen verweisen auf den Kommandeur einer Reitereinheit. Eine Besonderheit ist ein goldener Fingerring mit Schmuckstein, der den römischen Gott Merkur zeigt. Den Ring mag der Mann als Zeichen eines besonderen Amtes oder für eine besondere Ruhmestat erhalten haben.

Ich gehe davon aus, dass sich ein Landesmuseum schon eine seriöse Einschätzung der Fundsituation sowie der Funde macht, bevor sie mit so etwas an die Öffentlichkeit geht. Du kannst sicher sein, dass die Aussagen aus Halle in Mainz, Tübingen oder Frankfurt sehr wohl kritisch gelesen werden. Warum sollte man sich bei solch einem für die Öffentlichkeit eher unspektakulärem Fund eine Blöße in der Fachwelt geben? Vielleicht ist diese Kombination Silberne Zwiebelknopffibel / silberne Sporen ein häufig auftretendes Fundbild aus der entsprechenden Zeitstellung. Findet man das auch in regulären Gräbern auf römisches Reichsgebiet, wird man zumindest dort einen römischen Offizier annehmen dürfen. Klar könnte man für Leuna unterstellen, dass der Begrabene in dem Besitz dieser Metallteile durch einen Beutezug gekommen ist. Aber vielleicht haben die Germanen in dem Gebiet traditionell eine andere Fibelform benutzt. Dann hätte man das Beutestück eher eingeschmolzen.
 
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