War Merseburg einst römische Exklave ?

Ptolemäus war weder Phantast, noch war er ein Picasso oder sonst was der damaligen Zeit.
? ...ich habe zurück geblättert: niemand hat Ptolemaios als Phantast oder "Picasso" abgetan. Wozu also dergleichen heraustrompeten?

Er wusste mehr über Germanien Bescheid als uns lieb ist.
Das ist doch großartig!!! Wo finde ich dieses gesammelte Wissen? Was ich bisher an Quellen zu den Germanen der römischen Kaiserzeit gelesen habe, lässt sehr viele Fragen offen, die bislang auch von der Fachliteratur nicht beantwortet sind (nicht mal in den vielen RGA Ergänzungsbänden)
...oder hat sich dieses Wissen leider nur in den Ortsangaben/listen der Geographike niedergeschlagen?...
 
? ...ich habe zurück geblättert: niemand hat Ptolemaios als Phantast oder "Picasso" abgetan. Wozu also dergleichen heraustrompeten?
Ich habe den Atlas des Ptolemaios mit einem kubistischen Gemälde verglichen. Picasso hat auch die Realität dargestellt, aber eben verzerrt.

Gewissermaßen habe ich verglichen, dass Picasso gerne bei Gesichtern, die er bevorzugt im Profil malte (und Picasso konnte sehr gut realistisch malen, wenn er wollte) trotzdem den Gesichtern zwei Augen gab. Ähnlich verdreht ist eben Ptolemaios' Kartenwerk.

Wer will, versteht, was ich ausdrücken wollte und wer nicht will, versucht eben so zu punkten.

Ausschnitt Gernika.jpg
Ptolemaios und die Realität.jpg
 
Nennius verwechselt zwar den Tod des Drusus mit dessen Sohn, dem späteren Kaiser Claudius, jedoch bringt er die Langobarden mit jenem in Verbindung.
„Nennius“, der sich in erster Linie für britische Geschichte interessiert, erwähnt Claudius in Bezug auf die Eroberung Britanniens durch die Römer. Die Longobardi erwähnt „Nennius“ als Abkömmlinge eines Stammvaters Longobardus. Die Verwechslung von Vater und Sohn passiert im Kontext einer ziemlich verworrenen und stark fehlerhaften Darstellung, als er Claudius aus Britannien nach Rom zurückkehren lässt:

Secundus post hunc Claudius imperator venit et in Brittannia imperavit annis quadraginta octo post adventum Christi et stragem et bellum fecit magnum non absque detrimento militum, tamen victor fuit in Brittannia. et postea cum ciulis perrexit ad Orcades insulas et subiecit sibi et fecit eas tributarias. in tempore illius quievit dare censum Romanis a Brittannia, sed Brittannicis imperatoribus redditum est. regnavit annis xiii mensibus viii. cuius monumentum in Mogantia apud Longobardos ostenditur: dum ad Romam ibat, ibi defunctus est.


Als zweiter nach diesem (gemeint ist Kaiser Augustus, der nie ein Heer auf die britischen Inseln schickte) kam Kaiser Claudius nach Britannien. Er regierte 48 Jahre nach der Ankunft Christi und führte großen Krieg, nicht ohne Verlust an Soldaten, so war er Sieger in Britannien. Und danach mit erreichte er mit ¿ciulis? Die Orkneys und besiegte diese und machte sie tributpflichtig. Zu jener Zeit ließ er den römischen Zensus auf Britannien übertragen (schnelle ad hoc-ÜS, kann falsch sein) aber den Britanniern wurde die Herrschaft zurückgegeben. Er regierte 13 Jahre und acht Monate (hier ist „Nennius“ erstaunlich genau). Dessen Monument wird in Mainz bei den Longobarden gezeigt, während er nach Rom ging, dort starb er.

In diesem Abschnitt stimmen zwei Dinge: Claudius war der zweite römische Befehlshaber - nach Caesar! - der Truppen nach Britannien schickte, er regierte ca. 13 Jahre und acht Monate. Der Rest ist zusammenkompilierter Unfug.

Edit: Fehler meinerseits. Nennius schreibt, dass Caesar 3x versucht habe, Bitannien zu erobern, dies aber erst Claudius gelungen sei. Caesar ist nach Nennius immer abgewehrt worden. Augustus habe von den Briten Tribut empfangen.
 
Zuletzt bearbeitet:
in tempore illius quievit dare censum Romanis a Brittannia, sed Brittannicis imperatoribus redditum est.

Zu jener Zeit ließ er den römischen Zensus auf Britannien übertragen (schnelle ad hoc-ÜS, kann falsch sein) aber den Britanniern wurde die Herrschaft zurückgegeben.
Ich verstehe die Stelle auch nicht wirklich, würde sie aber etwas anders übersetzen:
„In seiner Zeit ruhte, den Römern Schatzung von Britannien zu geben, aber den britannischen Kaisern wurde sie (zurück)gegeben."
Mit „census“ dürfte nicht der römische Zensus an sich gemeint sein, sondern bloß eine Tributzahlung. Schließlich heißt es davor, dass Augustus von Britannien „census“ empfangen habe.
Gemeint sein könnte (!) meiner Meinung nach, dass nur den (im Folgenden genannten) in Britannien regierenden Kaisern Tribut gezahlt wurde.
 
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Nennius verwechselt zwar den Tod des Drusus mit dessen Sohn, dem späteren Kaiser Claudius, jedoch bringt er die Langobarden mit jenem in Verbindung.

cuius monumentum in Mogantia apud Longobardos ostenditur

Hier ist noch zu erwähnen, dass Nennius um ca. 800 in Britannien geschrieben hat (falls die Autorenschaft der ihm zugeschriebenen Werke überhaupt korrekt ist). Jetzt mag natürlich der Verfasser dieses Werkes vielleicht noch Zugriff auf frühere Werke gehabt haben, die ansonsten und seitdem verloren gegangen sind. Vielleicht hat er auch etwas aus verschiedenen Quellen aus verschiedenen Zeiten mehr oder weniger richtig etwas kompiliert. Die andere Frage wäre, was er mit apud meint. Direkt bei Mainz im Umkreis oder irgendwo links des Rheins media in Germania? Zumindest würde ich bei den Langobarden bei Mainz im 1. Jhdt. ein Fragezeichen machen.

Aber was das mit den Römern in Merseburg zu tun?
 
Ich glaube, die Erklärung ist relativ einfach:
Nennius vermengt anscheinend den Kaiser Claudius mit dessen Vater Drusus (der auch Claudius hieß). Weiters vermischt er den „Drususstein“ in Mainz mit dem Denkmal, das Drusus an der Elbe (also bei den Langobarden) errichtete. So kommt er zum Ergebnis, dass sich in Mainz bei den Langobarden ein Monument des Claudius befunden habe.
 
Habe folgendes zur Namensgebung entdeckt (Mitteldeutsche Zeitung):
"...wurde sie laut dem berühmten Bischof nach dem römischen Kriegsgott Mars benannt.
Im Laufe der Zeit wandelte sich der Name schließlich zum heutigen Merseburg. Der renommierte Leipziger Namensforscher Jürgen Udolph weist diese Theorie jedoch ab. Seiner Ansicht nach geht „Merse“ auf das Altgermanische „Marisa“ zurück, dass sich wiederum von „Mar“ für Sumpf, Morast oder feuchte Stelle ableitet. An dieser Herleitung könnte durchaus etwas dran sein, liegt der Siedlungsort doch genau zwischen Saale, Weißer Elster und Geisel."
 
Aber was das mit den Römern in Merseburg zu tun?
das frage ich mich auch!
Das Argument von @Hermundure ist halt, dass die Langobarden als Elbanrainer (hier fälschlicherweise bei Mainz) erwähnt werden. Also ich kann den Sinn des Arguments schon nachvollziehen, auch wenn fehlargumentiert wird.

Hier ist noch zu erwähnen, dass Nennius um ca. 800 in Britannien geschrieben hat (falls die Autorenschaft der ihm zugeschriebenen Werke überhaupt korrekt ist). Jetzt mag natürlich der Verfasser dieses Werkes vielleicht noch Zugriff auf frühere Werke gehabt haben, die ansonsten und seitdem verloren gegangen sind. Vielleicht hat er auch etwas aus verschiedenen Quellen aus verschiedenen Zeiten mehr oder weniger richtig etwas kompiliert.
Mein Verdacht wäre gewesen, dass er das bei Orosius, den "Nennius" benutzt hat, gefunden hätte, aber da habe ich bei einem schnellen Survey nichts in der Richtung gefunden, er muss es woanders her haben.

Und wir sollten uns nicht vertun.... Wenn ich eine wissenschaftliche Arbeit schreibe, schaue ich stets in die Literatur, zitiere, setze Fußnoten. Wenn ich hier im Forum schreibe, rekurriere ich tw. auf Literatur*, die ich vor 20 Jahren mal gelesen habe, da passieren dann Fehler. Wir dürfen uns das bei mittelalterlichen Autoren, die von Kloster zu Kloster wanderten auch so vorstellen. Da hat "Nennius" im Kloster X in einer HS mal was gelesen und 20 Jahre später sitzt er in Kloster Y und arbeitet an einer Weltchronik. Da kann es passieren, dass er Dinge, die er 20 Jahre zuvor mal gelesen hat, verwurstet und dabei Fehler erzeugt.

*Wenn ich zu sehr aus der Erinnerung schreibe, mache ich das oft aber wahrscheinlich nicht immer kenntlich.
 
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Das Argument von @Hermundure ist halt, dass die Langobarden als Elbanrainer (hier fälschlicherweise bei Mainz) erwähnt werden. Also ich kann den Sinn des Arguments schon nachvollziehen, auch wenn fehlargumentiert wird.
Das begreife ich nicht. Ob jetzt Langobarden, Norben, Inuit, Hopi oder sonst wer mal Elbanrainer war, ist kein zureichendes Argument dafür, dass irgendwelche (abtrünnigen? versprengten? reiselustigen?) Römer in Merseburg eine römische Exklave errichtet hätten. ...zu schweigen davon, wie sie das hätten hinkriegen und halten sollen, denn die Merseburger Gegend war wohl keine unbewohnte Insel der Seligen...
 
Das begreife ich nicht. Ob jetzt Langobarden, Norben, Inuit, Hopi oder sonst wer mal Elbanrainer war, ist kein zureichendes Argument dafür, dass irgendwelche (abtrünnigen? versprengten? reiselustigen?) Römer in Merseburg eine römische Exklave errichtet hätten. ...zu schweigen davon, wie sie das hätten hinkriegen und halten sollen, denn die Merseburger Gegend war wohl keine unbewohnte Insel der Seligen...
Richtig. Daher der Zusatz:
...auch wenn fehlargumentiert wird.
 
zumal der Atlas, nach allem was wir wissen, nicht als Kartenwerk vorlag, sondern als Schriftwerk, die Karten spätmittelalterlich/frühmodern sind.
Nach allem, was wir wissen, wurde der Atlas bereits in der Antike als Schrift- und Kartenwerk tradiert.

Florian Mittenhuber, Text- und Kartentradition in der Geographie des Klaudios Ptolemaios. Eine Geschichte der Kartenüberlieferung vom ptolemäischen Original bis in die Renaissance, Bern 2009


Tatsächlich verfügte man um 560 bereits in dem bei Scylaceum in Bruttium gelegenen Kloster Vivarum über entsprechende Exemplare der Geographie des Ptolemaios, denn in dem von Dir zitierten Abschnitt der Institutiones, Lib. II, 25 Cosmographie de monachis legenda heißt es ja :

Dass Cassidor seine Mitbrüder aufforderte, Ptolemaios zu lesen, etwa im Abschnitt über die Kosmographie (Lib. II, 25: Cosmographie de monachis legenda):

tum si vos notitiae nobilis cura flammaverit, habetia Ptolemei codicem, qui sic omnia loca evidenter expressit, ut eum cunctarum regionum pene incolam fuisse judicetis. Eoque fiat ut uno loco positi sicut monachus decet animo percurratis, quod aliquorum peregrinatio plurimo labore collegit​

Mittenhuber kommentiert die Cassiodor-Stelle wie folgt:

"Wenn man sich vor Augen führt, dass der Text des Ortskataloges der Geographie grösstenteils aus höchst unanschaulichen Listen von topographischen Namen mit Koordinaten besteht, fällt es schwer zu glauben, dass Cassiodor hierfür den Ausdruck omnia loca evidenter expressit gebraucht. Für Kartendarstellungen ist der Ausdruck jedoch treffend gewählt. Das Zeugnis kann sich somit nur auf ein Exemplar - eindeutig in Codex-Form - der ptolemaischen Geographie beziehen, welches Karten enthielt." (S. 336)
 
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Ich verstehe die Stelle auch nicht wirklich, würde sie aber etwas anders übersetzen:
„In seiner Zeit ruhte, den Römern Schatzung von Britannien zu geben, aber den britannischen Kaisern wurde sie (zurück)gegeben."
Mit „census“ dürfte nicht der römische Zensus an sich gemeint sein, sondern bloß eine Tributzahlung. Schließlich heißt es davor, dass Augustus von Britannien „census“ empfangen habe.
Gemeint sein könnte (!) meiner Meinung nach, dass nur den (im Folgenden genannten) in Britannien regierenden Kaisern Tribut gezahlt wurde.
Vielleicht sinngemäß: Zu seiner Zeit waren die Tributzahlung Britanniens an Rom ausgesetzt, sie gingen stattdessen an die [römischen] Befehlshaber in Britannien.
 
"Für Grabungsleiter Sicherl sind dies entscheidende Puzzleteile, die das Gesamtbild der bisherigen Grabungen ergänzen: "Insgesamt können wir in der Hochzeit der Besiedlung im 1. Jahrhundert nach Christus von bis zu elf Hofarealen von etwa 70 mal 100 Metern Größe ausgehen, die den Streifen zwischen dem Alten Hellweg und der Terrassenkante der Alme einnahmen. Die Weideflächen der Mischbetriebe mit starkem viehwirtschaftlichem Schwerpunkt dürften in der Almeaue, die Ackerflächen östlich der Barkhauser Straße gelegen haben", so der Archäologe.

Über die Art der gefundenen Keramik ergeben sich laut der Expert:innen Hinweise darauf, dass die Römer hier Germanen aus dem Herrschaftsgebiet des Marbod (König der Markomannen, gest. 41 n. Chr.), dem späteren Gegner des Arminius, ansiedelten. Diese leisteten Dienst zur Kontrolle der strategisch wichtigen Fernwegekreuzung. Die meisten Hofstellen werden am Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus aufgegeben, das Areal wird danach hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt. Zu Beginn des Mittelalters entsteht ein wenig nördlich das Dorf Balhorn, das im Laufe der Zeit mit der wachsenden Domstadt Paderborn verschmolz."

Quelle: Ein Kreisgraben an der Kreuzung alter Fernhandelswege

Unter der Herrschaft des Marbod standen u.a. auch die Langobarden, welche nach der Schlacht im Jahr 17 n. Chr. zur Arminius-Koalition übergelaufen sind. Sugambrer, Brukterer und die suebischen Langobarden werden auch von Ptolemäus rechts des Rheins genannt (Anhang).
 

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Es handelt sich um eine Grabung in Paderborn. Was hat das mit Merseburg zu tun?

Das hängt hiermit zusammen:

Ptolemäus war weder Phantast, noch war er ein Picasso oder sonst was der damaligen Zeit. Er wusste mehr über Germanien Bescheid als uns lieb ist. Er setzt u.a. Langobarden ins Lippe-Gebiet (!).

Wobei man freilich erwähnen sollte, dass Ptolemaios überhaupt keinen Fluss namens Lippe kennt...

Für Hermundure ist quasi elbgermanische Keramik der Beleg für Langobarden.
 
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