War Merseburg einst römische Exklave ?

Das die Römer die "Via Regia" beschritten haben, wurde von mir bereits 2013 mit detektieren Schuhnägeln (ohne Noppen) bei Freyburg hieb-und stichfest bewiesen. Diese hatte ich hier im Forum damals sogar präsentiert. Voriges Jahr dann der Speerspitzenfund "Typ Hedemünden", Bataver-Regenbogenschüsselchen ca. 250/300 m weiter auf der gleichen Trasse. Auf der gegenüberliegenden Seite der Unstrut kurz zuvor der Fund der Pilumspitze sowie die rhombische Pfeilspitze (3,0 cm), welche in Form und Größe in frührömische Zeit datiert. Letztere wurde bis in flavische Zeit im Jüdischen Krieg verwendet. Dazu kommt noch der untere Teil des Ortbandes einer Gladius-Scheide aus augusteische/frühtiberischer Zeit (laut Dr. Dr. Stefanie Hoss Uni Köln) und der frührömische Tintenfassdeckel (ARATVS) - beides nur ca. 0,5 km entfernt. Die vielen Münzfunde des ca. 600 m (!) großen Areals auf der rechten Unstrut-Seite datieren vom frühen 1. - 4. Jh. (bisherige Schlussmünze AE4 des Valens). Nicht zu vergessen der eiserne Ankerschlüssel und einige Sigillata-Scherben. In Braunsbedra detektierte ich Silberdenare aus der Republik-Zeit (Legionsdenar Marc Anton mit Beizeichen M) bis ins späte 2. Jh. Auf dem gleichen Feld wurden schon massenhaft Denare um 1800 von Bauern ausgepflügt. Danke an den alten August Benedikt Wilhelm, welcher darüber 1826 geschrieben hat. Insgesamt habe ich seit 2018 folgende Münzhort/Siedlungs/Einzelfunde gemacht:

* Merseburg
*Oberbeuna
*Reipisch
*Wallendorf (Luppe) ältester Denar ebenfalls ein Legionsdenar Marc Anton/jüngster Caracalla
*Braunsbedra
* Kleinjena
* Großjena
*Nißmitz

Nicht zu vergessen die vielen Militaria-Funde !

Mein Pendant A. Gerdts in Nordwest-Sachsen fand für die Sachsen zwischen Saale und Elster ebenfalls reichlich römisches Material (Münzen, Hals eines Einhenkelkruges etc.)
 
Ein weiterer Republik-Denar aus den 50er Jahren v. Chr. stammte aus Zweimen ( nicht publiziert wie auch meine Funde). Wallendorf und Zweimen liegen auf der alten Via Regia zwischen Merseburg und Leipzig. Meiner Meinung nach muss die älteste Route der Via Imperii zwischen Saale und Elster verlaufen sein (Münzspur). In Wallendorf ist auf einem alten Meilenblatt eine Furt eingezeichnet. Wie in Aken auch !
 
Ich möchte doch empfehlen, den heutigen Stand der Altstraßenforschung nicht gänzlich zu ignorieren und den bereits verlinkten Aufsatz eines ausgewiesenen Experten zur Kenntnis zu nehmen:
Die bei Pierre Fütterer (2021) Seite 181, Abbildung 2 dargestellten Trassenvarianten der Polylinearen Ost-West-Fernverbindung des zwischen Mainz und Breslau verlaufenden Abschnitts der Via Regia bilden in den Varianten 1, 3, 6 und 9 im Grunde exakt dasjenige ab, was hier unter Bezugnahme auf die mittelalterlichen Kartographen und archäologischen Fundergebnisse des 19. bis 21. Jh. evident, oder doch zumindest wahrscheinlich gemacht werden konnte. Ich würde die kartographisch dargestellten Trassenvarianten hier ja gerne in den Dateianhang einstellen, doch dazu müsste ich beim Autoren vorab um eine Abbilderlaubnis und entsprechende Freigabe bitten, was ich später vielleicht nachholen werde.

...wenn der Kreuzungspunkt mittelalterlicher Handelswegebündel, die teilweise sehr alten Wegebündeln folgen, so bedeutend ist, sollte man dann nicht die römische Exklave in Leipzig suchen? ;) Merseburg liegt trotz des Schutzes durch mächtige Zaubersprüche nicht so ideal.
An dieser Stelle tritt bei Dir ein gravierender Denkfehler zutage, der irgendwo einfach köstlich ist, weil er den dortigen Wasserweg außer acht lässt. Selten so gelacht ! Wenn die dereinst auf der Via Imperii nordwärts reisenden römischen Händler endlich in Leipzig (Luphurdum ?) ankamen, sollen sie deiner Meinung nach also mit ihren schweren Lasten direkt weiter nordwärts gezogen sein und schifften sich dann schließlich bei Bitterfeld an der Mulde, oder, etwa bei Trockenheit, gar erst in der Gegend von Dessau an der Elbe ein ? Sich mit schweren Lasten nochmals weitere bis zu 70 km auf schlecht ausgebauten Straßen weiter nordwärts quälen ?
Als Händler wärst Du dereinst vermutlich allein nordwärts gezogen, denn den Fundverteilungen zufolge schifften sich die aus dem Süden kommenden Händler im Gebiet von Leipzig offenbar ein und fuhren von dort aus etwa 30 km bequem die Weiße Elster flussabwärts, wo sie im Gebiet von Merseburg, Schkopau und Ammendorf die Saale erreichten und dann mit ihren Lasten sicher in Richtung Wittenberg und Cölln (Werder) weiterreisen konnten. Erst auf dem Rückweg nach Süden könnte eine Passage über das Gebiet von Dessau vorteilhafter gewesen sein, doch eine entsprechende Straßenführung ist mir bislang nicht bekannt. Insbesondere für den Transport von schweren zivilen Gütern scheint zu gelten, dass überall dort, wo Flüsse schiffbar waren, diese nach Möglichkeit auch für den Transport von Lasten bevorzugt genutzt wurden. Man quälte sich auch damals eben nicht mehr als nötig. Im Anhang findest du eine ältere Karte in der die von Leipzig kommende Weiße Elster, sowie die Luppe, verzeichnet sind.

Die Vorstellung, Schneider habe 1890 auf hinreichend archäologische Fundstelllen zurückgreifen können, um derart detaillierte überregionale Karten zu zeichen, geht an der Realität ziemlich vorbei.
Diese Auffassung bestreite ich insofern, als frühe Autoren wie Brotuff, Schneider, Oppermann und Schuchhardt, sowie Götze, Höfer und Neuß zahlreiche Bodendenkmäler noch selbst in Augenschein genommen haben, die zwischenzeitlich längst abgetragen wurden und dabei häufig gänzlich verloren gingen, etwa im Tagebau, oder weil das Mauerwerk zwischenzeitlich anderweitig verbaut wurde.

eine dauerhafte Präsenz einschließlich ziviler Ansiedlung - ist das Thema dieses Threads.
Jeder Versuch, mit einem Marschlager, einer römischen Münze, einer Scherbe oder einem Sandalennagel aufzutrumpfen á la "na siehste, ich hab's doch gesagt!" ist letztlich eine Nebelkerze, weil alle diese Versuche keine Argumente zum Thema der dauerhaften Ansiedlung (Exklave!!!) sind.
Diese dauerhafte zivile Ansiedlung ist hier in der tat zu identifizieren und nachzuweisen, aber an der Via Regia wurden in Thüringen und Sachsen-Anhalt im 19. Jh. Massenfunde an römischen Münzen gemacht, die in einem Fall in der Summe sogar 10 kg Gewicht übersteigen, doch Du ignorierst dies sprichst hier salopp von "einer römischen Münze" und bezeichnest wichtige Ausführungen zur Infrastruktur als "Nebelkerzen", obwohl es doch wohl eher du selbst bist, der hier quer schießt, gerne auch mal mit Exkursen zur Sierra Elvira in Andalusien und ähnlichem aufwartet und nur diejenigen Irrtümer abräumt, die sich ohnehin nicht halten lassen. Entdeckungen wie das Marschlager von Hachelbich oder die römischen Funde in Arnstädt suchst du vom Tisch zu wischen.

An anderer Stelle wird die Luftbildarchäologie als DDR Propaganda abgetan, obwohl doch jeder zum Thema arbeitende Archäologe sehr genau weiß, dass die Arbeit der Luftbildarchäologie im Osten bis zum 01. Juli 1990 quasi durchweg untersagt und verhindert worden ist. Hier nun zu diskreditieren, was bis 1990 eben nicht möglich war und gleichzeitig zu ignorieren, was seither dort geleistet worden ist, kommt geradezu einer Verhöhnung der hier aufgeworfenen Fragestellung gleich und das wollen wir doch nicht, oder ? Also schlage ich vor im weiteren auch die Ergebnisse der Luftbildarchäologie einzubeziehen und die Exklave Merseburg dabei nicht zu eng zu fassen, denn die römerzeitliche Tragfähigkeit erlaubte im Elbe-Saale Einzugsgebiet noch keine Errichtung von Städten in der Größenordnung von Mailand, Köln oder London, obwohl selbst dies nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Realistischerweise darf man eher mit der Identifizierung und dem Nachweis dauerhafter, blühender römerzeitlicher Handelsplätze, sowie befestigter Plätze, Burgen und Villae Rusticae rechnen, die von Foederaten und Römern nachhaltig entwickelt wurden und mit eigenständigen Gewerben wirtschafteten und Überschüsse produzierten, die in den Warenverkehr kamen und diesem Gebiet präzise und zuverlässig zugeordnet werden können.
 

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"Die Distribution dieser Ware setzt ein Straßensystem voraus , wie es mit Sicherheit erst für das späte Mittelalter belegbar ist. Bestimmte Kongruenzen zwischen dessen Verlauf und der Konzentration von FundsteIlen mit Haarhäuser Ware sind feststellbar (Nord-Süd-Trasse, besonders Beisrraße über Thüringer Wald zur via regia). Der Transport der Ware bis etwa 40-50 km von der Produktionsstätte erforderte etwa zwei Tagesreisen. Händler als Träger der Distribution sind nicht sicher belegbar. Ihre Existenz im römerfreundlichen Hermundurenland ist nur auf Grund einiger Argumente (Überlieferung bei P. C. Tacitus, Produktion nach römischem Know-how und sicher auch Marketing) anzunehmen. Die Konzentration römischen Know-hows auf der Produktionsstätte Haarhausen rechtfertigt die These, daß hier römische Töpfer tätig waren."

Quelle: S. Dusêk in Haarhausen l

Haarhäuser Keramik (260-290 n. Chr. laut Dendro-Daten) fand sich sogar jenseits der Finne bis in den Merseburger Raum. Jenen Raum, welcher durch kastellartige Anlagen wie in Oberbeuna mit Doppelgraben (germanischer Burgus? mit Haarhäuser Scherben) belegt ist.
 
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Realistischerweise darf man eher mit der Identifizierung und dem Nachweis dauerhafter, blühender römerzeitlicher Handelsplätze, sowie befestigter Plätze, Burgen und Villae Rusticae rechnen, die von Foederaten und Römern nachhaltig entwickelt wurden und mit eigenständigen Gewerben wirtschafteten und Überschüsse produzierten, die in den Warenverkehr kamen und diesem Gebiet präzise und zuverlässig zugeordnet werden können.
"darf man eher mit ... rechnen" - nein.
Sage: hoffen (sehr sehr optimistisch), oder besser: träumen (realistisch).

Wir warten alle bislang vergebens, vergeblich und untröstlich, auf eine erste römische Mauer, Jupiter-Gigantensäule oder einen solitären gestempelten Dachziegel.
 
Einen weiteren möglichen (Burgus)Kandidaten ca. 90x90 m habe ich gestern wieder im Saale-Gebiet entdeckt. Erstaunlich und immer wieder faszinierend. Im Rhein-Weser-Gebiet suchst du solche Anlagen vergebens...
 

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Diese Auffassung bestreite ich insofern, als frühe Autoren wie Brotuff, Schneider, Oppermann und Schuchhardt, sowie Götze, Höfer und Neuß zahlreiche Bodendenkmäler noch selbst in Augenschein genommen haben, die zwischenzeitlich längst abgetragen wurden und dabei häufig gänzlich verloren gingen, etwa im Tagebau, oder weil das Mauerwerk zwischenzeitlich anderweitig verbaut wurde.
Wieder Brotuff? 16. Jhdt.? Bist du sicher, dass du ernst genommen werden möchtest?
Schneider 1890, als es noch kaum Flächengrabungen gab, die archäologische Methodik noch in der Entwicklung?
Schuchardt war ein Burgenforscher, der wichtige Arbeit geleistet hat, auch und gerade bzgl. auch heute noch genutzter Methoden in der prähistorischen Archäologie. Allerdings hat er viele Burgen nur oberflächlich in Augenschein genommen, so dass heute manche Burg, die Schuchardt mit all seiner Erfahrung oberflächlich datiert hatte, anders datiert.
Mir fällt auf, dass du mit sehr großer Vorliebe Literatur bzw. Gewährsleute aus dem 19. und frühen 20. Jhdt. bemühst (wenn nicht gar aus dem 16. Jhdt.) - ich frage mich, ob Dir klar ist, dass seitdem +100 Jahre ins Land gegangen sind? Es macht nicht immer den Eindruck.

Entdeckungen wie das Marschlager von Hachelbich oder die römischen Funde in Arnstädt suchst du vom Tisch zu wischen.
Das ist Unsinn. Vielmehr weise ich daraufhin, dass ein Marschlager ein Marschlager ist und eben kein Hinweis auf eine dauerhafte Ansiedlung.
Zu Arnstädt hätte ich gerne ein Zitat, was ich denn da angeblich geschrieben haben soll.

An anderer Stelle wird die Luftbildarchäologie als DDR Propaganda abgetan,...
Bitte nenne Ross und Reiter! Mit eindeutigem und nachvollziehbarem Zitat!


Also schlage ich vor im weiteren auch die Ergebnisse der Luftbildarchäologie einzubeziehen und die Exklave Merseburg dabei nicht zu eng zu fassen, denn die römerzeitliche Tragfähigkeit erlaubte im Elbe-Saale Einzugsgebiet noch keine Errichtung von Städten
Nun, Hermundure startete diesen Thread vor Jahren mit der Behauptung, dass Merseburg eine römische Exklave gewesen sei, was er mit Thietmar, dem er quasi moderne archpäologische Kompetenz unterstellte, bewiesen sehen wollte. Er ist vor einigen Wochen ja davon abgerückt. Jetzt sollen wir etwas Toleranz walten lassen, und das nicht zu eng fassen... Wenn eine These nicht trägt, dann trägt sie nicht. Es jetzt nicht mehr ganz so eng fassen heißt letztlich: Es wird immer beliebiger.

Realistischerweise darf man eher mit der Identifizierung und dem Nachweis dauerhafter, blühender römerzeitlicher Handelsplätze, sowie befestigter Plätze, Burgen und Villae Rusticae rechnen, die von Foederaten und Römern nachhaltig entwickelt wurden und mit eigenständigen Gewerben wirtschafteten und Überschüsse produzierten, die in den Warenverkehr kamen und diesem Gebiet präzise und zuverlässig zugeordnet werden können.
Der Wirtschaftshistoriker Ulrich Fellmeth hat schon vor Jahren eine Studie zur Lage von villae rusticae vorgelegt. Die lagen nicht JWD, sondern im EInzugsbereich ihrer Abseitsmärkte. Eine villa rustica liegt also nicht ungeschützt im Barbaricum, sondern im Hinterland von Städten oder zumindestens von großen Standlagern. Im Rheinland - heute weggebaggert in den Braunkohletagebauen - hat man jede Menge villae rusticae dokumentiert. Echte, keine erträumten.
 
@Pardela_cenicienta

das Grabenwerk mit den abgerundeten Ecken ist doch gut erkennbar. Sogar Teile des äußeren Doppel- Kreisgraben kann man noch gut erkennen. Solche Anlagen datieren in die sehr späte Phase. Im Anhang habe ich einen sehr kleinen Burgus aus Ungarn angehangen (aus Wiki). Die Größen konnten beträchtlich variieren.
 

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Einen weiteren möglichen (Burgus)Kandidaten ca. 90x90 m habe ich gestern wieder im Saale-Gebiet entdeckt. Erstaunlich und immer wieder faszinierend. Im Rhein-Weser-Gebiet suchst du solche Anlagen vergebens...
Im Wesergebiet wurde ich auch keine burgus suchen. Im Rhein- und Donaugebiet aber sehr wohl.
Du verlinkst aber ein Bild aus Erftstadt.

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Würdest du mir bitte die Frage beantworten, wo Erftstadt liegt?
 
Diese Auffassung bestreite ich insofern, als frühe Autoren wie Brotuff, Schneider, Oppermann und Schuchhardt, sowie Götze, Höfer und Neuß zahlreiche Bodendenkmäler noch selbst in Augenschein genommen haben, die zwischenzeitlich längst abgetragen wurden und dabei häufig gänzlich verloren gingen, etwa im Tagebau, oder weil das Mauerwerk zwischenzeitlich anderweitig verbaut wurde.

Wir haben in diesem Forum mal die These eines Hobbyforschers diskutiert, der glaubte, eine römische Großstadt (größer als Trier) am oberen Neckar entdeckt zu haben. Seine Arbeitsgrundlage war eine archäologische Karte Stand 1882, der er die vermeintlichen und vermuteten Römerstraßen der Gegend entnahm. Da ich mich von einer anderen Diskussion her einmal mit der Ecke beschäftigt hatte, war mir schnell klar, dass auf der Karte schon die wichtigste Römerstraße völlig falsch gezogen war. Dem Autor von 1882 wird man daraus keinen Vorwurf machen dürfen, die Archäologie steckte da ja noch in den Kinderschuhen.


Dass man insbesondere im 19. Jahrhundert sehr vieles für römisch gehalten hat, was nicht im mindesten römisch ist, habe ich in einem anderen Thread demonstriert:

Bisher bietet sich folgendes Bild: Bauwerke, die seit alters her namentlich den Römern zugeschrieben wurden, sind nicht zu belegen.
Im 19. Jahrhundert setzt dann eine inflationäre Namengebung ein, bei der in aller Regel mittelalterliche oder frühneuzeitliche Bauwerke, aber nur in seltenen Ausnahmefällen echte römische Bauwerke als "Römertürme" (oder auch "Römerbrücken") tituliert werden.

Davon abgesehen gibt es natürlich zweifelsfrei römische Befunde, die seit dem 19. Jahrhundert verschollen sind. Das CIL enthält Hunderte, wenn nicht Tausende römischer Inschriften, die im Original nicht mehr vorhanden sind. Vielleicht legst Du mal eine Liste der römischen Inschriften vor, die die von Dir genannten Autoren noch im Original lesen konnten.


Realistischerweise darf man eher mit der Identifizierung und dem Nachweis dauerhafter, blühender römerzeitlicher Handelsplätze [...] rechnen

Römerzeitliche Handelsplätze muss es ja gegeben haben. Nur sind römerzeitliche Handelsplätze keine römischen Exklaven. Römische Händler waren in Marbods Residenz ansässig (Tac. ann. 62,2), man wird sicher nicht daraus schließen, dass Marbods Residenz eine römische Exklave gewesen sein muss. Römische Fernhändler muss es ebenfalls gegeben haben (Plin. nat. 37,43), das waren allerdings Ausnahmeerscheinungen. Der römisch-germanische Handel spielte sich größtenteils am Limes ab.
Und möglicherweise per Schiff, darauf könnte die hohe Konzentration römischer Importe auf einigen dänischen Inseln hindeuten. (Klaus Tausend, Im Inneren Germaniens - Beziehungen zwischen den germanischen Stämmen vom 1. Jh. v. Chr. bis zum 2. Jh. n. Chr., Stuttgart 2009, S. 191)
 
Jetzt sollen wir etwas Toleranz walten lassen, und das nicht zu eng fassen... Wenn eine These nicht trägt, dann trägt sie nicht. Es jetzt nicht mehr ganz so eng fassen heißt letztlich: Es wird immer beliebiger.
Das sagt der Richtige ! Welchen Radius würdest Du denn in Hinblick auf die hier infrage stehende Exklave Merseburg als zulässig zugestehen ?
 
Nun, Hermundure startete diesen Thread vor Jahren mit der Behauptung, dass Merseburg eine römische Exklave gewesen sei, was er mit Thietmar, dem er quasi moderne archäologische Kompetenz unterstellte, bewiesen sehen wollte. Er ist vor einigen Wochen ja davon abgerückt. Jetzt sollen wir etwas Toleranz walten lassen, und das nicht zu eng fassen... Wenn eine These nicht trägt, dann trägt sie nicht. Es jetzt nicht mehr ganz so eng fassen heißt letztlich: Es wird immer beliebiger.
Weder bin ich davon abgerückt, noch habe ich jemals die Alteburg oder den Domhügel gemeint. Meine Vermutung und auch meine Funde sprechen für die mehrphasige Anlage zwischen Saale und Luppe. Dort habe ich sowohl bronzezeitlichen, römische (Thekenbeschlag, Schleuderbleie), als auch frühmittelalterliche Funde (Scheibenfibel, Reitersporn und Schmuck) aus der Zeit Heinrich l. gemacht. Kannst du dir gerne in Halle im Museum anschauen. Die Geophysik zeigte das auch ganz klar an. Es existieren mehrere Grabenstrukturen. Warum negierst du das immer wieder ? Zudem hatte ich vor Jahren einen behauenen rechteckigen Sandstein, sowie Ziegel-Fragmente der Mehrfachanlage hier im Forum eingestellt. Sandstein gibt es in der Saale-Luppe-Aue nicht. Die Mehrfachanlage stand zur damaligen Zeit links (!) der Saale. Die alte Saale ist heute nur noch ein kleiner Flußlauf und immer noch rechts der Anlage. Im Volksmund heißt der Ort das "Alte Dorf".
 
Wenn die dereinst auf der Via Imperii nordwärts reisenden römischen Händler endlich in Leipzig (Luphurdum ?) ankamen, sollen sie deiner Meinung nach also mit ihren schweren Lasten direkt weiter nordwärts gezogen sein und schifften sich dann schließlich bei Bitterfeld an der Mulde, oder, etwa bei Trockenheit, gar erst in der Gegend von Dessau an der Elbe ein ?
...wenn mir jetzt noch gezeigt werden könnte, wo ich diese Meinung geäußert habe, dann verrate ich dir die Standorte der Merseburger exklavenrömischen Thermen, Tempel und Aquädukte, damit du sie endlich finden und ausgraben kannst. :D :D:D:D
 
Hast du dir diesen vermeintlichen Burgus mal angesehen? Die Pfostenlöcher der Häuser sind fast breiter als der Graben:

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Ich würde das nicht für eine militärische Anlage halten, sondern eher für eine Umzäunung eines Gehöfst innerhalb einer umwallten Siedlung, ggf. sogar neolithisch, wenn man mal die Briete und Enge der Pfostenlöcher in Betracht zieht. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob das Gebäude, welches ich als ggf. neolithisch und der vermeintliche burgus zeitgleich sind. Die anderen Pfostenlöcher deuten ja eher auf jüngere Formen hin.

burgus oder Gartenzaun.jpg
 
Weder bin ich davon abgerückt, noch habe ich jemals die Alteburg oder den Domhügel gemeint.

Von Thietmar bist Du abgerückt, denn Thietmar beschreibt ja eindeutig den Domhügel, den Ort der zentralen Kirche innerhalb ottonischen Mauerwerks.

Antiquum opus Romanorum muro rex predictus in Mersburg decoravit lapideo, et infra eandem aecclesiam, quae nunc mater est aliarum, de lapidibus construi.

Wenn es um Thietmar geht, ist steinernes Mauerwerk aus ottonischer Zeit gesucht. Und innerhalb des Mauerwerks eine Kirche, und zwar diejenige Kirche, die zu Thietmars Zeit den Rang einer Mutterkirche der anderen Kirchen der Umgebung galt.

Welche Kirche außer dem Merseburger Dom (bzw. seinem Vorgängerbau) sollte da gemeint sein?

Und wo haben wir steinernes Mauerwerk aus ottonischer Zeit?

"Die aktuelle Forschungsgrabung des LDA Sachsen-Anhalt, die seit dem 16. Oktober 2023 unter der Leitung von Dr. Holger Grönwald durchgeführt wird, erbrachte trotz ihrer geringen Ausdehnung herausragende Ergebnisse, die für die weitere Auswertung der Bauten auf dem Domplatz von erheblicher Bedeutung sind.
So wurden erstmals tatsächliche bauliche Überreste in Form zweier Mauerzüge – die Außenmauer eines halbkreisförmigen Raumes (Apsis) sowie ein an dessen Nordende ansetzender, nach Westen verlaufender Mauersockel – angetroffen, die dem Bauwerk der ottonischen Zeit zugewiesen werden können."
 
@Sepiola

in Merseburg-Meuschau ! Denn auf dem Domhügel gibt es nur Überreste aus der Bronzezeit und dem 11. Jh. Keinerlei Funde aus der Zeit Heinrich l. Die haben wir aber im "Alten Dorf". Die einzige Münze die ich im "Alten Dorf" fand war ein später Sachsenpfennig (Hochrandpfennig) Heinrich IV. um 1060-70. Nicht einmal sowas gibt es vom Domhügel. Traurig aber wahr !
 
@ELQ

der Burgus in Erftstadt dient nur als Vergleichsbild. LINKS das Bild ist mein möglicher Burgus.
Das habe ich schon verstanden, aber du sagtest ja, im Rhein-Weser-Gebiet fände man keine burgus. Burgus erwartet man eigentlich in der Spätphase des Rhein-Donau-Limes. Man verkleinerte die Mannschaften, und arbeitet mit Kavallerie im Hinterland, weil man einfach nicht mehr die Manpower hatte, wie zuvor. Daher ist der Befund von dir "im Rhein-Weser-Gebiet findet man keine burgus" wenig überraschend, sondern spiegelt gewissermaßen die Erwartung. Burgus erwartet man westlich des Rheins bzw. südlich der Donau, oder mal in seltenen Fällen auch nahe der Flüsse diesen vorgelagert, aber eben nicht irgendwo im Barbaricum.

Was auch immer du da als römischen burgus identifizieren willst, ist also vermutlich nicht römisch. Wenn es tatsächlich so um die 1700, 1600 Jahre alt ist, vielleicht römisch inspiriert. Germanische Veteranen, die als Söldner Roms ihr Auskommen erwirtschaftet haben, sollten auch in der Lage sein, römische Militäranlagen nachzubauen. Ansonsten müssen wir ggf. auch von jüngeren oder auch älteren Bauwerken ausgehen, die nicht unbedingt einen militärischen Zweck erfüllten.

Ich habe ja offiziell nie Archäologie studiert, aber ich habe durchaus das eine oder andere Seminar in der klassischen und ur- und frühgeschichtlichen Archäologie belegt. Darunter auch ein Seminar zur Siedlungsarchäologie. Darin auch eine Sitzung zur Luftbildarchäologie, von der Dozentin verantwortet. Die zeigte uns ein Bild mit etwas, dass man in einen Ringwall mit drei Ringen halten würde - was das sei? Wir waren uns sicher, dass es sich um eine mittelalterliche Burg handeln müsse. Es war nicht einmal etwas archäologisches! Ich will nun nicht behaupten, dass dies auch für deine Foto gelte, nein, das was man erkennt ist ziemlich eindeutig ein Bodendenkmal. Jedoch sollten wir mit der Zuordnung nicht zu vorschnell sein. Nicht alles, was wir vielleicht im Luftbild als römisch klassifizieren würden, muss sich am Ende auch tatsächlich als römisch heraustellen. Am Ende kann man das nur über die Funde datieren und einordnen, auch wenn der Verdacht noch so nahe liegt.
 
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