#79 Scorpio, 29.7.2018
#77 Galeotto, 28.7.2019
Es ist grausam aber es hätte noch übler kommen können, weil afrikanische Wildhunde sich nicht immer die Arbeit machen ihre Beute zu töten. Sie verspeisen sie häufig lebend, sobald sie am Boden liegt und nicht mehr weglaufen kann.
Das tun viele Caniden und auch Tüpfelhyänen. Sie haben als "Tötungswaffen" eben nur das Gebiss, keine Pranken wie Katzen oder Bären, und sie wenden auch keinen speziellen Tötungsbiss an wie es Großkatzen tun. Wölfe, Dhole (asiatische Rothunde), afrikanische Wildhunde und auch Hyänen kreisen ein Beutetier ein und beißen in ungeschützte Körperteile und reißen auch Fleischteile heraus. Zuletzt, wenn die Beute schon geschwächt ist, verbeißt sich ein Wolf oder Wildhund in die Schnauze oder geht an die Kehle, um das Beutetier zu Fall zu bringen.
Mancherorts hat man in Afrika und Indien Dhole und Wildhunde gezielt auszurotten versucht, weil sie so "grausam" und "brutal" seien. Das mag auf menschliche Augen so wirken, es ist aber Unsinn, wenn man Tieren abstrakte moralische Begriffe oder den Mangel davon unterstellt. Tiere sind nicht "gut oder böse", "brutal", "grausam" oder "feige" wie ein nicht mehr aktiver Forianer mal geschrieben hat.
Sie kämpfen mit den Waffen, die die Natur ihnen gegeben hat, und sie töten nicht zum Vergnügen. Marderartige, wenn sie in einen Hühnerstall eindringen, töten manchmal mehr, als sie fortschleppen können. Dass mag auf Stress oder Tötungsreflexe zurückzuführen sein. Das ist aber nicht "Mordlust", sie töten nicht im "Blutrausch" wie es manchmal in älteren Büchern steht.
Wenn Wölfe oder Wildhunde große Tiere wie Hirsche, Elche oder Wildschweine jagen, riskieren sie Verletzungen, die ihren sofortigen oder späteren Tod bedeuten können. Manchmal testen Wölfe eine Beute, wenn sie keine Schwächesymptome zeigt oder sich gar ein Hirsch, Bison oder Elch zum Kampf stellt, brechen sie häufig den Angriff ab. Afrikanische oder asiatische Wildhunde oder Wölfe können nur kleinere Beutetiere sofort durch einen Biss töten, bei großen Hirschen, Wildschweinen, Bisons u. a. müssen sie eine Art "Hit and Run"-Taktik anwenden, ihre Anatomie erlaubt ihnen als Rudeljägern gar keine andere Möglichkeit.
Große Katzen und Bären sind im Körperverhältnis stärker, sie haben Klauen mit denen sie die Beute festhalten oder manchmal mit einem Prankenhieb töten können. Löwen, Tiger und Leoparden töten meist mit Biss in die Kehle oder Schnauze, Jaguare auch durch Biss in den Schädel.
Wenn menschenfressende Löwen, Tiger und Leoparden, schlafende Opfer angriffen und fortschleiften, gab es einige Zeugenberichte, dass Opfer manchmal noch lebten und um Hilfe schrien, wenn sie fortgeschleift wurden.
In manchen Gegenden Indiens sind Leoparden mehr gefürchtet, als Tiger, da sie oft sogar in Behausungen eindrangen, während das bei Tigern selten ist. Der menschenfressende Leopard von Rudraprayag tötete seine Opfer entlang einer Pilgerroute. Jim Corbett berichtet einen Fall, in dem er aus einer Hütte ein Opfer ergriff und fortschleppte, ohne dass die anderen Schläfer aufwachten.
Doch zurück zu den Wildhunden von Pittsburgh! Ich bin fest davon überzeugt, dass die Wildhunde das Kind nicht töteten, weil sie Hunger hatten, und es fressen wollten, sondern weil sie in ihm einen Eindringling in ihr Revier sahen. Im schwedischen Zoo oder Wildpark von Kolmarden bot die Leitung als besondere Attraktion an, dass Besucher in Begleitung eines Pflegers das Wolfsgehege betreten durften. Da war es gelegentlich schon zu Zwischenfällen gekommen. 2012 betrat eine Pflegerin, gegen Rat und Erfahrung alleine das Gehege. Was genau geschah weiß keiner, aber das Rudel griff sie an und tötete sie. Vermutlich hat sie einen Fehler gemacht, und das Rudel wollte die Rangordnung neu ausfechten, und dabei verlor sie ihr Leben. Sicher wollten sie nicht bloß spielen, und mit großer Wahrscheinlichkeit sahen die Wölfe in ihr keine Beute zum fressen.
Unsicherheit oder auch ein ungewohnter Geruch kann dazu führen, dass Wölfe in einem Pfleger oder Trainer kein Rudelmitglied, sondern einen Eindringling sehen oder dass der Trainer durch Unsicherheit oder falsches Verhalten an Autorität einbüßt, so dass die Tiere die Rangordnung neu ausfechten wollen.
Der inzwischen verstorbene Werner Freund erzählte bei Führungen in seinem privaten Wolfspark, in dem er indische Wölfe, europäische Wölfe und kanadische Timberwöllfe hielt, dass er für jedes Rudel einen eigenen Overall mit dem typischen individuellen "Wolfsgeruch" besaß. Auf die Frage, was passiere, wenn er mit dem fremdem Geruch eines anderen Rudels ein Gehege beträte, antwortete er lächelnd, dass ihn dann das Rudel mit großer Sicherheit angefallen und töten würde als fremden Wolf, nicht als Beute. Freund hatte sich autodidaktisch sehr große Kenntnisse in der Verhaltensforschung angeeignet und besaß sehr große Erfahrung.
Er betonte immer, dass er "seine" Wölfe immer sehr genau beobachtete. Wenn er ein Gehege betrat, achtete er genau darauf, dass sich ihm nur die Alphawölfin und der Alpharüde zuerst nähern durften. Er sagte, wenn er diese Regeln missachte und einen rangniederen Wolf bevorzuge, dass er damit gegen elementare Regeln des Verhaltens verstoße, was zu Angriffen der Wölfe untereinander oder zu einem Angriff auf den menschlichen Alphawolf führen kann. Er sagte dass jeder Wolf eine individuelle Persönlichkeit besitzt und dass er immer klarstellen müsste, dass er der Alphawolf sei. Unsicherheit, Fehler oder fremde Gerüche können dazu führen, dass ein "menschlicher Alphawolf" Autorität und Prestige innerhalb der Rudelhierarchie einbüßt. Das Rudel verstünde dann die Welt nicht mehr, und es führt zu Kämpfen, um eine neue Hierarchie und Rangfolge auszufechten.
Wölfe und andere Wildhunde haben ein strenges Revierverhalten. Ein fremder Wolf, der ein Territorium verletzt, riskiert, angegriffen und getötet zu werden. Das war vermutlich auch der Hintergrund des Angriffs in Kolmarden, und es erscheint (mir zumindest) plausibel, dass dieser oder ein ähnlicher Grund auch zu dem Angriff auf das Kind in Pittsburgh führte. Satte Wölfe oder Raubtiere machen normalerweise keine Beute, greifen nicht an, es wäre eine sinnlose Verschwendung von Energie, die ein Verletzungsrisiko hat.
Ungewöhnlich ist die "Wohngemeinschaft" von Wölfen und Bären im nordhessischen Wildpark Knüll. Nur wenn Bären Jungtiere haben, werden die Tiere getrennt. Obwohl in freier Wildbahn Bären und Wölfe Nahrungskonkurrenten sind und Fälle bekannt sind, dass Bären Jungtiere von Wölfen töteten und umgekehrt, funktioniert diese ungewöhnliche und meines Wissens auch einzige "Wohngemeinschaft" schon seit mehreren Jahren, ohne dass es jemals zu einem Zwischenfall kam.