Warum gerade Rom?

Dieter

Premiummitglied
Schaut man sich Rom um 500 v. Chr. an, so wundert man sich, dass gerade dieses kleine Landstädtchen zur Beherrscherin eines Weltreichs aufstieg.

Aber woran hat es gelegen?

Neben Rom gab es weitaus wichtigere Mächte in Italien wie die Etrusker, die Griechen, die Samniten, die Ligurer. Hatten die Römer somit bestimmte "Gene", die Aufstieg und Machtentfaltung begünstigten? War ihre klare Art, die Dinge zu sehen, ihre nüchterne und rasche Handlungsweise, ihre Zielstrebigkeit und Härte, wie es einem Bauernvolk zukommt, ausschlaggebend? Oder waren es andere Gründe? :grübel:
 
(un poco scherzando)
Hatten die Römer somit bestimmte "Gene", die Aufstieg und Machtentfaltung begünstigten?
...du willst aber damit nicht ernsthaft anregen, dass die Genforschung nun römische Gebeine aus der vorchristlichen Zeit mit solchen aus der Zeit von Romulus Augustulus vergleicht, um zu ermitteln, ob die einen Aufstiegs- und die anderen dann Verfallsgene (durch crossing over? Inzucht?) aufweisen... :rofl::still:
 
(un poco scherzando)

...du willst aber damit nicht ernsthaft anregen, dass die Genforschung nun römische Gebeine aus der vorchristlichen Zeit mit solchen aus der Zeit von Romulus Augustulus vergleicht, um zu ermitteln, ob die einen Aufstiegs- und die anderen dann Verfallsgene (durch crossing over? Inzucht?) aufweisen...

Dem Text kannst du entnehmen, dass der Begriff "Gene" nur im übertragenden Sinne gemeint war.

Die Frage bleibt jedoch, ob bestimmte Charaktereigenschaften das römische Bauernvolk zu seinem Aufstieg befähigten.
 
Bauernvölker - da waren die Römer in der Gegend nicht die einzigen. Was allerdings schon auffällt, ist, dass z. B. die Etrusker sich durch eine Ästhetik auszeichneten, die im Widerspruch zu römischem Pragmatismus stand und möglicherweise von einer geringeren simplen Entschlossenheit zeugt, so wie man hochzivilisierten und kulturell weit entwickelten, auf Schönheit und Fortschritt bedachten Völkern gerne eine gewisse Dekadenz, eine geringere Bereitschaft zu bedingungslosem Kampf nachsagt.

In wiefern die Römer die einzigen unter den Italikern und Italioten waren, die diese weltreichkompatiblen Eigenschaften der Disziplin, Härte, Unbeirrbarkeit, Kompromisslosigkeit und Starrsinn aufwiesen, die Rom später halfen, weiß ich nicht. Ich würde eine entscheidende Rolle bei der Vormachtstellung Roms unter anderem der Tyche zuweisen wollen.
 
Nichtsdestotrotz gibt es Strömungen - wir können sie auch "Ideale" nennen - die volksübergreifend einer Gruppe von Menschen zu eigen sind, und es steht fest, dass die Römer diese Strömungen an sich selbst wahrnahmen, kultivierten, und nicht zuletzt dank ihrer Krisen meisterten, die anderen möglicherweise wirklich das Genick gebrochen hätten. Das muss man nicht Charaktereigenschaften nennen, aber Ideale - und mit Sicherheit auch selbsterfüllende Prophezeiungen.
 
Weil in Rom vieles Neues möglich war.
Ähnliche Erfolgsrezepte verfolgten die Vereinigten Staaten bzw. die Stadt Zürich. Indem "normale" Leute den Aufstieg in höhere Klassen ermöglicht bekamen, wurde Wohlstand und Unternehmertum in die Stadt gespült - die Senatoren erscheinen zwar als abgeriegelte Klasse, aber das waren sie nicht immer und das blieben sie nicht dauernd. Dann kommen die Zehntafelgesetze dazu - Rom wurde zum Ort verlässlichen Handelns und einer Rechtssicherheit, die sich deutlich ausnahm von den anderen Städten, in denen entweder das Volk alles nach Laune entschied oder ein König herrschte. Und nicht zuletzt, Ackerbauerntum und territoriales Denken: Reichtum bedeutete Landreichtum, diesen zu erzielen wurde einfach alles annektiert. M. E. sind das ein paar sehr gesunde Grundlagen für eine spätere Großmacht. In ihnen zeigen sich zwar die Anlagen für Krisen und Katastrophen und Umstürze, aber es wurde z. B. in der Republik nie der Staat selbst in Frage gestellt; selbst ein Sertorius gründete in Spanien ein "Gegenrom" mit Senat, Tribunen etc.. Der Senat überlebte letztlich sogar den letzten römischen Kaiser.

"Gene"? Pfff. Ideen muss man haben!
 
Dacht' ich mir, Dieter. Wahrscheinlich war dieser Territorialismus (gibt es das Wort?) die "Hefe", die den Staat aufquellen liess. Die Grundlage war aber ein hierarchisches, aber durchlässiges System.

Es ist ja durchaus sichtbar, dass die Etrusker, die den Römern kulturell so überlegen waren, über ihr regionales Stadtstaaten-Denken nicht hinaugelangt sind. Das hat dann schließlich auch ihren Untergang bewirkt.

Das gilt übrigens auch für die Griechen im Süden, die bei einem überstaatlichen Zusammenschluss ebenfalls hätten dominieren können.

Dieses territorialstaatliche Denken muss den Römern von Anfang an am Herzen gelegen haben. Warum sonst greift eine kleine Stadt immer weiter ins Umland aus, auch wenn das engere Territorium längst gesichert ist? Das kostet schließlich Leben und Kraft!
 
Der Vorteil von Rom war wohl, das die Stadt an der Grenze mehrerer Kulturkreise lag und auch von diesen Beeinflusst wurde. Zu beginn sehr stark vom Etruskischen, dann auch vom Griechischen. Und nicht zu vergessen der anderen Stadtstaaten und Völker im Latium und Sabinerland.
Und der Adel hat in der Frühzeit wohl die richtigen Weichen gestellt, das auch in der Republik der Faden nicht verloren ging, trotz der Ständekämpfe.

Apvar
 
Warum sonst greift eine kleine Stadt immer weiter ins Umland aus, auch wenn das engere Territorium längst gesichert ist? Das kostet schließlich Leben und Kraft!

Das haben sie auch nur begrenzt und durchaus nicht immer auf eigene Initiave gegründet getan. Man bedenke wie lange es dauerte bis endlich eine Qualition stand, die den Angriff auf Karthago, "die Stadt die wie geschaffen ist Krieg gegen Rom zu führen" (Cicero; pro Ligario) unter Scipo durchführen konnte, während Hannibal in italien wütete...
 
Eine besondere Kultur der auf Raub und Expansion ausgerichteten Aggression, von deren Früchten ein relativ größerer Anteil der Bürger aus subjektiver Sicht profitieren konnte?

These: Der (Bürger)-soldat schlägt sich besser, wenn Ruhm, Ehre und Beute (und vielleicht doch der ein odere andere gesellschaftliche Aufstieg - wählt den Kriegshelden!) auch bei ihm ankommen und nicht nur beim Zaren/Despoten/König. Vielleicht war die römische Verfassung einfach insofern der Expansion zuträglicher, weil die römischen Bürger relativ mehr von eigener Expansion hatten als die Gegenseite davon, diesen Expansionisten mit letzter Konsequenz entgegenzutreten?

Ich ziehe gerade mal eine Analogie zur Dynamik im Bürgertum und den Heeren der französischen Revolution und Napoleons im Gegensatz zu denen der Österreicher, Preußen und Russen. Dito für die Verbesserungschancen der Leutchens, die sich in Farmer George's Navy für King and Country (and themselves!) kloppten. Da war ja auch die Motivation höher, im Landstrich x oder an Bord des Schiffes y einzufallen und es einzunehmen, weil angemessene und ausreichende Anreize dafür gewährt wurden.

(Und vielleicht, weil die Römer nüchterner Technik kopierten und in ihrem Wirtschafts- und Heerwesen Ingenieuren, Handwerkern, Artilleristen und Logistikern den ihnen gebührenden Raum ließen, statt nur Helden mit Spieß und Gaul vorzuführen.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Das haben sie auch nur begrenzt und durchaus nicht immer auf eigene Initiave gegründet getan. Man bedenke wie lange es dauerte bis endlich eine Qualition stand, die den Angriff auf Karthago, "die Stadt die wie geschaffen ist Krieg gegen Rom zu führen" (Cicero; pro Ligario) unter Scipo durchführen konnte, während Hannibal in italien wütete...

Mein ehemaliger Lateinlehrer meinte mal, die Römer hätten jedesmal dann Krieg geführt, wenn sie sich bedroht fühlten.

Nur fühlten sie sich (ähnlich wie ein modernerer Pendant) recht häufig und gelegentlich ohne realen Grund bedroht.
 
Der Lateinlehrer war aber nicht ich, oder? :D

Genau den Eindruck habe ich auch. Gerade jetzt, da ich mich wieder mit den punischen Kriegen beschäftige. Mehr noch - Rom fühlte sich sogar von geschlagenen Gegnern noch bedroht, so lange, bis der Bedrohte vernichtet war... Das ist schon eine Grundeinstellung à la "Entweder du oder ich!", die, streng genommen, nur in Weltherrschaft oder früher gänzlicher Vernichtung enden konnte. Ein Miteinander ist für Rom quasi niemals eine Option gewesen - außer, es gab starke natürliche oder errichtete Grenzen, ein paar blutige Nasen und absolut uninteressantes Gebiet auf der anderen Seite, wie später am Hadrianswall oder am Limes.
 
Ich denke wir sollten uns auch bei der Beantwortung dieser Frage wie immer auf die antiken Primärquellen verlassen:

Das römische Volk, war von den Göttern auserwählt, die Welt zu beherrschen!

Darüber waren sich die Römer vollkommen einig.

;)
 
Rom fühlte sich sogar von geschlagenen Gegnern noch bedroht, so lange, bis der Bedrohte vernichtet war... Das ist schon eine Grundeinstellung à la "Entweder du oder ich!", die, streng genommen, nur in Weltherrschaft oder früher gänzlicher Vernichtung enden konnte. Ein Miteinander ist für Rom quasi niemals eine Option gewesen.

Dem würde ich massiv widersprechen.

Bedroht fühlte man sich damals nicht, man war es zu einem guten Teil wirklich. Die ewigen Einfälle der Gallier und der Kathager waren viel mehr eine Gefahr für Rom als das Asylzugeständnis Snowdens durch Russland für die USA.

Men bedenke nur Caesars Begnadigung der abgefallenen Haeduer nach der Schlacht um Alesia. Die letzten Verbündeten erheben die Waffen gegen Rom. Eigentlich hätte er die verräterischen Barbaren alle kreuzigen müssen.

Zudem Weltherrschaft: Im Osten bei den Parthern hätte es (anders in Germanien oder Schottland) eine Menge zu holen gegeben.
 
Die Antwort auf die Eingangsfrage ist meiner Meinung nach so simpel wie unergiebig: Weil es für Rom einfach gut lief.

Ich glaube nicht, dass die frühen Römer irgendwie anders oder besonders waren. Das frühe Rom unterschied sich vermutlich nicht groß von anderen Latinerstädten. Der etruskische Einfluss war wohl etwas größer, aber was soll er praktisch bewirkt haben? Auch in den anderen Städten der Umgebung gab es teils Könige, teils gewählte Magistrate und Adelsräte, und auch vom sozialen Aufbau her unterschied sich Rom wohl kaum grundlegend von seiner Umgebung, ebensowenig durch die Art der Kriegsführung.

Was Rom allerdings wohl zugute kam, war seine Lage: Es lag weder wie Teile des Etruskergebiets im unmittelbaren Expansionsbereich der Gallier (wenngleich es bekanntlich trotzdem von deren Vorstößen betroffen war) noch wie Kampanien im Expansionsbereich der Samniten: Mit den Samniten musste Rom es erst aufnehmen, als es bereits stark genug war, um selbst aktiv nach Kampanien zu expandieren. In seiner unmittelbaren Nachbarschaft hatte Rom keinen überlegenen Gegner, konnte sich also in seinen ersten Jahrhunderten entwickeln, ohne einer unmittelbaren massiven existenziellen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Das galt allerdings auch für andere Städte Latiums und des südlichen Etruriens.

Wichtig war wohl Roms Sieg über Veii: Mit der Eroberung der Stadt hatte Rom seine Vorherrschaft am Unterlauf des Tibers gesichert und seine stärkste Rivalin in unmittelbarer Nachbarschaft beseitigt. Nun war Rom (etwas) stärker als seine unmittelbaren Nachbarn - und was wohl noch wichtiger war: Rom hatte Veii gerade noch rechtzeitig ausgeschaltet, ehe es selbst von den Galliern niedergebrannt wurde. Hätte Veii 390/386 noch existiert, hätte es eventuell dafür gesorgt, dass das zerstörte Rom für immer von der Landkarte verschwindet. Dass aber Rom Veii besiegen konnte (und nicht umgekehrt), war meiner Meinung nach keineswegs zwangsläufig.

Nun war Rom den anderen Staaten in seiner Umgebung überlegen und konnte davon profitieren, dass diese sich nicht oder erst zu spät gegen das immer stärker werdende Rom zusammentaten. In weiterer Folge traf Rom zwar auf immer stärkere Gegner, allerdings stets erst zu Zeitpunkten, als es selbst stark genug für sie war.
 
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